Bearbeiter: Dr. Gernot Schmalz-Brüggemann
►Familienrecht: Nichteheliche Vaterschaft, § 1592 BGB. ► Unterhaltsregress des Scheinvaters, § 1607 BGB. ► Inzidenter-Feststellung der Vaterschaft trotz § 1600 d IV BGB. ► Auskunftsanspruch des Scheinvaters gegen die Mutter über die Person des wirklichen Vaters, § 242 BGB. ► Anwendung von Grundrechten im Privatrecht
BGH Urteil vom 9. 11. 2011 (XII ZR 136/09) NJW 2012, 450 (für BGHZ vorgesehen)
Fall (Falsches Vaterschaftsanerkenntnis)
M und F lebten in den Jahren 2008 und 2009 in nichtehelicher Lebensgemeinschaft zusammen. Im Jahre 2009 wurde F schwanger. Sie forderte M auf, die Vaterschaft „für ihr gemeinsames Kind“ anzuerkennen. M erkannte die Vaterschaft an; F erklärte ihre Zustimmung. Später kam es zwischen M und F zu Meinungsverschiedenheiten, die Ende 2009 zur endgültigen Trennung führten. Anfang 2010 gebar F den Sohn S, für den M Unterhalt zahlte. Innerhalb eines Rechtsstreits über die Höhe des Unterhalts stimmte F dem Wunsch des M zur Einholung eines Vaterschaftsgutachtens zu. Das Gutachten kam zu dem Ergebnis, dass eine Vaterschaft des M auszuschließen ist. Im anschließenden Anfechtungsverfahren stellte das Familiengericht in dem - später rechtskräftig gewordenen - Urteil fest, dass M nicht Vater des S ist.
M stellte die Unterhaltszahlungen ein und verlangte von F zu dem Zweck, beim wirklichen Vater Regress nehmen zu können, Auskunft über den Mann, der ihr während der Empfängniszeit außerdem beigewohnt hat. F verweigerte die Auskunft mit der Begründung, zur Offenbarung solch intimer Details aus ihrem Privatleben sei sie nicht verpflichtet. Der wirkliche Vater sei ihr bekannt und leiste auch Unterhalt für S. Es sei nicht beabsichtigt, dessen Vaterschaft anzuerkennen oder gerichtlich feststellen zu lassen. Wäre eine von M gegen F gerichtete Klage auf Auskunft begründet ?
Eine Klage des M gegen F auf Auskunft ist begründet, wenn M gegen F einen Anspruch auf Auskunft hat.
A. Eine vertragliche Rechtsbeziehung, aus der sich ein Anspruch ergeben könnte, besteht zwischen M und F nicht. Auch eine speziell einen derartigen Fall erfassende gesetzliche Anspruchsgrundlage gibt es nicht.
B. Einen familienrechtlichen Anspruch auf Auskunft enthält § 1605 BGB.
I. Danach sind Verwandte in gerader Linie einander verpflichtet, auf Verlangen über ihre Einkünfte und ihr Vermögen Auskunft zu erteilen, soweit dies zur Feststellung eines Unterhaltsanspruchs oder einer Unterhaltsverpflichtung erforderlich ist. Jedoch sind M und F nicht miteinander verwandt.
II. § 1605 BGB steht in den Vorschriften über die Unterhaltspflicht zwischen Verwandten. Nach § 1615 l Abs. 3 Satz 1 BGB sind die Vorschriften über die Unterhaltspflicht zwischen Verwandten auf die Rechtsbeziehungen nicht verheirateter Eltern, die aus Anlass der Geburt ihres gemeinsamen Kindes bestehen, entsprechend anzuwenden. BGH [18]: Jedoch erstrecken sich diese Ansprüche lediglich auf Auskünfte über die Grundlagen der Einkommensermittlung, nämlich die Einkommens- und Vermögensverhältnisse der Beteiligten, soweit dies zur Feststellung eines Unterhaltsanspruchs oder einer Unterhaltsverpflichtung erforderlich ist. Eine Auskunft zur Person des mutmaßlich leiblichen Elternteils nach erfolgreicher Vaterschaftsanfechtung ist danach nicht geschuldet.
C. Ein Anspruch könnte sich aus Treu und Glauben (§ 242 BGB) ergeben. F könnte verpflichtet sein, durch ihre Auskunft dem M zu ermöglichen, bei dem ihm nicht bekannten wirklichen Kindesvater (X) Regress für die geleisteten Unterhaltszahlungen zu nehmen.
I. Dann müsste dem M gegen X ein Anspruch auf Ersatz des Unterhalts, den M für S gezahlt hat, zustehen können. Denn der Zweck einer Auskunftspflicht der F kann nur darin bestehen, dem M die Geltendmachung eines solchen Anspruchs zu ermöglichen.
1. Für einen unmittelbar zwischen M und X entstandenen Anspruch gibt es keine Anspruchsgrundlage. Grund für einen Regressanspruch des M kann aber sein, dass M die Unterhaltszahlungen anstelle des an sich unterhaltspflichtigen X an M geleistet hat. Nach § 1607 III 2, 1 BGB geht der Unterhaltsanspruch eines Kindes gegen einen Elternteil auf einen Dritten über, der als Vater Unterhalt geleistet hat.
a) Voraussetzung für diesen Fall eines gesetzlichen Forderungsübergangs von S auf M ist, dass M ein Dritter ist, der als Vater Unterhalt geleistet hat. M hat nach seinem Vaterschaftsanerkenntnis als Vater Unterhalt an S geleistet. Zwar war er wegen seines Anerkenntnisses zunächst Vater im Rechtssinne (§ 1592 Nr. 2 BGB). BGH [14]: Nach erfolgreicher Anfechtung seiner Vaterschaft steht aber rechtskräftig fest, dass er solchen Unterhalt nicht schuldete und somit als Dritter im Sinne von § 1607 Abs. 3 Satz 2 BGB geleistet hat.(Ohne eine solche erfolgreiche Anfechtung behält der bisherige Vater diese Rechtsstellung und kann keinen Regress nehmen; so im Fall BGH NJW 2012, 852, in dem die Frist für die Vaterschaftsanfechtung versäumt worden war.)
b) Da der Anspruch des Kindes gegen einen Elternteil übergeht, müsste X der Vater des S sein. Wer Vater im Rechtssinne ist, ergibt sich aus § 1592 BGB. Keine der dort aufgeführten Ziffern greift im vorliegenden Fall ein: Nr. 2 nicht, weil X bisher die Vaterschaft nicht in der Form des § 1597 BGB anerkannt hat; Nr. 3 nicht, weil eine gerichtliche Feststellung der Vaterschaft des X bisher nicht erfolgt ist (und von den dazu Berechtigten auch nicht beabsichtigt ist).
2. In Betracht kommt, dass M im Regressprozess gegen X dessen Vaterschaft feststellen lässt.
a) Dem könnte aber § 1600 d IV BGB entgegen stehen Nach dieser Vorschrift können die Rechtswirkungen der Vaterschaft erst vom Zeitpunkt ihrer gerichtlichen Feststellung geltend gemacht werden. Bei dem damit angesprochenen gerichtlichen Verfahren handelt es sich um ein Statusverfahren vor dem Familiengericht (§§ 1600 d I BGB, 169 ff. FamFG). Eine Zahlungsklage des M gegen X erfüllt diese Voraussetzung nicht.
b) Um gleichwohl einen Anspruch des M gegen X zu ermöglichen, lässt der BGH in einem solchen Fall eine Ausnahme von § 1600 d IV BGB zu. [15]: Dem Regressanspruch steht nach st. Rspr. des BGH nicht entgegen, dass nach erfolgreicher Vaterschaftsanfechtung durch den Kläger noch keine neue Vaterschaft festgestellt worden ist. Die Rechtsausübungssperre des § 1600 d Abs. 4 BGB, wonach die Rechtswirkungen der Vaterschaft grundsätzlich erst vom Zeitpunkt ihrer Feststellung an geltend gemacht werden können, kann im Regressprozess des Scheinvaters gegen den mutmaßlichen Erzeuger des Kindes in besonders gelagerten Einzelfällen auf die Weise durchbrochen werden, dass die Vaterschaft inzident festgestellt wird (BGHZ 176, 327 Rn. 17 ff. und FamRZ 2009, 32 Rn. 11 ff… ). Eine solche Ausnahme kommt insbesondere dann in Betracht, wenn davon auszugehen ist, dass ein Vaterschaftsfeststellungsverfahren auf längere Zeit nicht stattfinden wird, weil die zur Erhebung einer solchen Klage Befugten dies ausdrücklich ablehnen oder von einer solchen Möglichkeit seit längerer Zeit keinen Gebrauch gemacht haben (BGHZ 176, 327 Rn. 28 ff. und FamRZ 2009, 32 Rn. 12).
Die vorstehenden Überlegungen a) und b) werden im Fall NJW 2012, 852 vom BGH auf S. 852/3 wiederholt und vertieft: § 1600 d BGB, der die gerichtliche Feststellung der Vaterschaft regelt, besagt in dessen Absatz 4 ausdrücklich, dass Rechtswirkungen der Vaterschaft… erst vom Zeitpunkt ihrer Feststellung an geltend gemacht werden können. Dabei handelt es sich um die statusrechtliche Feststellung im Sinne von § 1600 d BGB… Grundsätzlich schließt die Rechtsausübungssperre des § 1600 d Abs. 4 BGB, die von Amts wegen zu beachten ist (BGHZ 176, 327 Rn. 36), deswegen auch eine Inzidentfeststellung der Vaterschaft im Regressprozess zwischen dem Scheinvater und dem von ihm vermuteten Erzeuger des Kindes aus (BGHZ 121, 299). Von diesem Grundsatz hatte der BGH zunächst nur in besonders gelagerten Fällen Ausnahmen zugelassen, etwa für den Fall des Regresses gegen den Rechtsanwalt, der die Frist zur Erhebung der Vaterschaftsanfechtungsklage versäumt hat (BGHZ 72, 299). In seiner neueren Rspr. hat der BGH weitere Ausnahmen von der Rechtsausübungssperre des § 1600 d Abs. 4 BGB zugelassen… Weil der Scheinvater selbst nach § 172 FamFG für eine Klage auf Feststellung der Vaterschaft nicht klagebefugt ist, sondern nur die Anfechtungsklage erheben kann (§ 1600 Abs. 1 Nr. 1 BGB, § 169 Abs. 4 FamFG), würde sich der Rückgriffsanspruch des Scheinvaters gegen den mutmaßlichen Erzeuger des Kindes bei strikter Anwendung der Rechtsausübungssperre des § 1600 d Abs. 4 BGB in einer Vielzahl von Fällen als undurchsetzbar erweisen. Wenn weder mutmaßlicher Erzeuger noch Kindesmutter noch Kind von ihrem Recht, die Vaterschaft gerichtlich feststellen zu lassen, Gebrauch machen, steht kein Vater fest, gegen den der Scheinvater seinen Rückgriffsanspruch richten kann (BGHZ 176, 327 Rn. 23 f.)…
Angesichts dieser Rechtslage hat es der BGH für gerechtfertigt gehalten, in besonders gelagerten Einzelfällen Bedenken gegen eine Inzidentfeststellung der Vaterschaft zurückzustellen.
c) BGH NJW 2012, 450, 451 [16]: Diese Voraussetzung für eine Durchbrechung der Rechtsausübungssperre des § 1600 d Abs. 4 BGB ist hier erfüllt, weil sich die Beklagte weigert, die Person des mutmaßlich leiblichen Vaters zu benennen, obwohl sie ihr wegen der laufenden Unterhaltsleistungen für das Kind positiv bekannt ist. Auch nachdem die Vaterschaft des Klägers für das im Januar 2010 geborene Kind wirksam angefochten wurde, beabsichtigen die Berechtigten nicht die vom Gesetz vorgesehene Klärung der leiblichen Abstammung des Kindes.
Somit kann M gegen X ein Anspruch auf Ersatz des von ihm an S geleisteten Unterhalts aus übergegangenem Recht zustehen.
II. Aus Treu und Glauben müsste sich ergeben, dass F durch Erteilung der Auskunft über die Identität des X dem M ermöglichen muss, diesen Anspruch zu realisieren.
1. Eine Auskunftspflicht könnte sich als Nebenpflicht aus einem zwischen M und F bestehenden familienrechtlichen Rechtsverhältnis ergeben. Dazu BGH [19-21]:
a) Neben den ausdrücklich im Gesetz geregelten Auskunftspflichten hat der BGH in st. Rspr. eine Auskunftspflicht aus Treu und Glauben nach § 242 BGB anerkannt, wenn die Beteiligten in einem gemeinsamen Unterhaltsrechtsverhältnis stehen, wechselseitig auf Kenntnis der Einkommensverhältnisse des anderen angewiesen sind und sich diese nicht auf zumutbare andere Weise verschaffen können (BGHZ 186, 13 Rn. 13, 22; FamRZ 2003, 1836, 1837; Wendl/Dose Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis 8. Aufl. § 1 Rn. 1152, 1159). Nach st. Rspr. des BGH gebieten es Treu und Glauben auch grundsätzlich, dem Anspruchsberechtigten einen Auskunftsanspruch zuzubilligen, wenn die zwischen den Parteien bestehenden Rechtsbeziehungen es mit sich bringen, dass der Anspruchsberechtigte in entschuldbarer Weise über das Bestehen oder den Umfang seines Rechts im Ungewissen ist, und der Verpflichtete in der Lage ist, unschwer die zur Beseitigung dieser Ungewissheit erforderlichen Auskünfte zu erteilen (BGH NJW 2007, 1806 Rn. 13; BGHZ 152, 307, 316; 148, 26, 30; 95, 285, 287 f.…).
b) Die dafür erforderliche rechtliche Beziehung kann sich etwa aus Vertragsverhandlungen, dauernden Geschäftsverbindungen, Nachwirkungen eines Vertrages oder aus einem Nachbarschaftsverhältnis ergeben (Palandt/Grüneberg BGB 70. Aufl. § 242 Rn. 3). Eine Sonderverbindung der beteiligten Personen, die eine Auskunftspflicht nach Treu und Glauben rechtfertigt, kann aber auch dann vorliegen, wenn ein sonstiges familienrechtliches Verhältnis unmittelbar zwischen den Beteiligten besteht.
c) Ein solches Verhältnis besteht zwischen den Beteiligten auch dann, wenn der Mann seine Vaterschaft mit Zustimmung der Mutter anerkannt hatte. Durch diese gemeinsame Erklärung entsteht die rechtliche Vaterschaft, die die Eltern in vielfältiger Weise miteinander verbindet. Sowohl die unterhaltsrechtlichen Folgen des Vaterschaftsanerkenntnisses als auch dessen weitere Wirkungen begründen eine wechselseitige Auskunftspflicht hinsichtlich der Voraussetzungen der Vaterschaft. Die Beteiligten des Vaterschaftsanerkenntnisses schulden sich mithin wechselseitig Auskunft über die insoweit relevanten Umstände, wenn der Auskunftsberechtigte über wesentliche Informationen weder verfügt noch sich diese auf andere Weise beschaffen kann und der Auskunftspflichtige die erforderliche Auskunft unschwer erteilen kann. Diese wechselseitige Verpflichtung gilt auch dann fort, wenn die Vaterschaft nachträglich wirksam angefochten ist, soweit Rechtsfolgen des zunächst wirksamen Vaterschaftsanerkenntnisses betroffen sind.Schuldner des Auskunftsanspruchs ist zwar regelmäßig der Schuldner des über die Auskunft durchzusetzenden Hauptanspruchs. Aus Treu und Glauben kann sich aber auch eine Auskunftspflicht Dritter ergeben, die nicht Schuldner des Hauptanspruchs sind (Palandt/Grüneberg a. a. O. § 260 Rn. 8;…).
d) Danach schuldet die Beklagte dem Kläger nach Treu und Glauben Auskunft über die Person des mutmaßlich leiblichen Vaters ihres 2010 geborenen Kindes. Die Beklagte hatte den Kläger ursprünglich aufgefordert, die Vaterschaft für „ihr gemeinsames Kind" anzuerkennen. Damit hat sie deutlich gemacht, dass aus ihrer Sicht der Kläger leiblicher Vater ihres 2010 geborenen Kindes sei. Dem Vaterschaftsanerkenntnis des Klägers hat sie außerdem zugestimmt, was nach § 1595 Abs. 1 BGB Voraussetzung für die Wirksamkeit des Anerkenntnisses ist. Durch dieses Verhalten hat die Beklagte zur Entstehung der gemeinsamen Elternschaft und zugleich zu einem familienrechtlichen Sonderverhältnis beigetragen, das Auskunftsansprüche nach Treu und Glauben begründen kann. Der Kläger kann den nach § 1607 Abs. 3 Satz 2 BGB auf ihn übergegangenen Anspruch auf Kindesunterhalt nur dann durchsetzen, wenn ihm der leibliche Vater als Anspruchsgegner bekannt ist. Dies ist…nicht der Fall. Außer seinem Auskunftsanspruch gegen die Beklagte hat der Kläger keine rechtliche Möglichkeit, den leiblichen Vater zu ermitteln… Die Auskunft ist der Beklagten auch unschwer möglich… Soweit diese Überlegungen allein auf das Privatrecht gestützt wurden, rechtfertigen sie somit, eine Auskunftspflicht der F zu bejahen.
2. Da die Auskunftspflicht aus einer Generalklausel (§ 242 BGB) hergeleitet werden soll, sind im Rahmen der Abwägung auch Grundrechte von F und M, die dabei berührt werden, einzubeziehen (mittelbare Drittwirkung der Grundrechte im Privatrecht).
a) BGH [24-26]: Die Verpflichtung zur Auskunft über die Person des mutmaßlichen Vaters ihres Kindes berührt das Persönlichkeitsrecht der Beklagten nach Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG, das auch das Recht auf Achtung der Privat- und Intimsphäre umfasst und zu dem die persönlichen, auch geschlechtlichen Beziehungen zu einem Partner gehören. Das allgemeine Persönlichkeitsrecht schützt die Befugnisse des Einzelnen, grundsätzlich selbst darüber zu entscheiden, inwieweit und wem gegenüber er persönliche Lebenssachverhalte offenbart (vgl. BVerfGE 65, 1, 43 f.). Folglich liegt in der Verpflichtung zur Auskunft eine Beschränkung des vom allgemeinen Persönlichkeitsrecht der F umfassten Rechts auf informationelle Selbstbestimmung.
Das allgemeine Persönlichkeitsrecht ist jedoch nicht schrankenlos gewährleistet, sondern ausdrücklich nur insoweit, als dadurch nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsgemäße Ordnung oder das Sittengesetz verstoßen wird. Soweit nicht in den unantastbaren Bereich privater Lebensgestaltung eingegriffen wird, hat der Einzelne somit die Einschränkungen hinzunehmen, die im überwiegenden Allgemeininteresse oder im Hinblick auf grundrechtlich geschützte Interessen Dritter unter strikter Wahrung der Verhältnismäßigkeit vorgenommen werden (BVerfGE 96, 56, 61).
b) Ein Eingriff in den unantastbaren Bereich des allgemeinen Persönlichkeitsrechts der F, insbesondere in den Intimbereich, liegt hier nicht vor. F soll lediglich gegenüber M Namen und Adresse des X nennen. Dass ein anderer Mann als M Sexualverkehr mit F hatte und Vater des S ist, steht bereits aufgrund des Vaterschaftsurteils fest. Diesen Mann auch zu benennen, greift nicht in den Intimbereich ein. Somit ist eine Einschränkung des Persönlichkeitsrechts der F nicht von vornherein ausgeschlossen.
c) Sie könnte durch Grundrechte des M gerechtfertigt werden.
aa) BGH [26]: Das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Beklagten ist durch das Recht des Klägers auf effektiven Rechtsschutz begrenzt. (Da es sich hier nicht um den Rechtsschutz gegenüber staatlichen Maßnahmen handelt, sondern um Rechtsschutz zwischen Privatpersonen, ergibt sich dieses Recht nicht aus Art. 19 IV GG, sondern aus Art. 2 I i. V. mit Art. 20 III GG; vgl. BGH LS 3.) Ohne eine Auskunft der Beklagten zu der Person, die ihr während der Empfängniszeit zusätzlich beigewohnt hat, kann der Kläger seinen Anspruch auf Unterhaltsregress nicht auf rechtsstaatliche Weise durchsetzen. Entsprechend hat das BerGer. festgestellt, dass es dem Kläger lediglich auf die Durchsetzung seines Rechtsanspruchs und nicht auf eine Bloßstellung der Beklagten oder des biologischen Vaters ankommt. Somit spricht zwar einerseits das Persönlichkeitsrecht der F gegen eine Pflicht der F zur Erteilung der Auskunft, während aber andererseits das Recht des M auf einen effektiven Rechtsschutz ein abwägungsrelevanter Belang zugunsten der Auskunftspflicht ist.
bb) Außerdem steht die Regressforderung des M gegen X als vermögenswertes, deshalb eigentumsgleiches Recht unter dem Schutz des Art. 14 GG (Maurer NJW 2012, 453) und ist ebenfalls als Belang zugunsten einer Auskunftspflicht zu werten.
d) Ob die Grundrechtspositionen des M aus Art. 2 I, 20 III und Art. 14 GG den in der Auskunftspflicht liegenden Eingriff in das Persönlichkeitsrecht der F rechtfertigen können, richtet sich nach dem Prinzip der Verhältnismäßigkeit (vgl. oben vor b).
aa) Die Auskunftspflicht ist geeignet und erforderlich, um M effektiven Rechtsschutz zu gewähren und ihm die Durchsetzung seiner Regressforderung zu ermöglichen.
bb) Zur Bestimmung der Angemessenheit ist zwischen den geschützten und beeinträchtigten Belangen der F und des M in der konkreten Situation dieses Falles abzuwägen. Dabei ist wesentlich die Überlegung, dass F durch ihr Verhalten M in die Situation gebracht hat, dass er zum Schutz seiner Belange auf die Auskunft angewiesen ist. BGH [25, 26]: Die Beklagte hatte den Kläger vor der Geburt des Kindes aufgefordert, die Vaterschaft für „ihr gemeinsames Kind" anzuerkennen. Darin lag zugleich die Behauptung der Beklagten, die Vaterschaft des Klägers stehe für sie als Mutter fest, weil ein anderer Vater nicht in Betracht komme. Die Beklagte hat in der Folge auch dem Vaterschaftsanerkenntnis des Klägers zugestimmt und ihm erst auf diese Weise die Rechtswirkung des § 1592 Nr. 2 i.V.m. §§ 1594, 1595 BGB verschafft. Jedenfalls in Fällen, in denen die Mutter den Mann zur Anerkennung der Vaterschaft veranlasst und dabei keine Zweifel an seiner biologischen Vaterschaft geäußert hat, begegnet es keinen verfassungsrechtlichen Bedenken, sie nach wirksamer Vaterschaftsanfechtung (…) zur Auskunft über die Person zu verurteilen, die ihr während der Empfängniszeit zusätzlich beigewohnt hat. Daher ist es ihr zumutbar, durch Angaben zur Person des mutmaßlichen Vaters an der Beseitigung der dem Scheinvater entstandenen Nachteile mitzuwirken… Jedenfalls in Fällen, in denen die Mutter - wie hier - den Mann zur Abgabe eines Vaterschaftsanerkenntnisses veranlasst hatte, wiegt ihr allgemeines Persönlichkeitsrecht nicht stärker als der Anspruch des Mannes auf effektiven Rechtsschutz aus Art. 20 Abs. 3 i.V.m. Art. 2 Abs. 1 GG zur Durchsetzung seines Unterhaltsregresses nach erfolgreicher Vaterschaftsanfechtung. Darüber hinaus sind die Rechte des M aus Art. 2 I, 20 III, 14 GG in der konkreten Situation als gewichtiger zu bewerten, so dass eine Einschränkung des Persönlichkeitsrechts der F als verhältnismäßig erscheint.
Ergebnis: Die Bejahung einer Auskunftspflicht der F aus § 242 BGB verletzt ihr Persönlichkeitsrecht nicht. M hat gegen F einen Anspruch auf Auskunft. Eine darauf gerichtete Klage wäre begründet.
Zusammenfassung