Bearbeiter: Dr. Gernot Schmalz-Brüggemann
► Bestehen der deutschen Gerichtsbarkeit nach § 32 ZPO. ► Internationales Privatrecht, Art. 40 EGBGB. ► Allgemeines Persönlichkeitsrecht; Verletzung durch Behauptung unwahrer Tatsachen. ► Negatorischer und quasinegatorischer Unterlassungsanspruch; §§ 1004, 823 BGB analog. ► Auslegung der Suchergänzungsvorschläge bei Google. ► Prüfungs- und Reaktionspflichten des Betreibers einer Suchmaschine
BGH Urteil vom 14. Mai 2013 (VI ZR 269/12) NJW 2013, 2348 (für BGHZ vorgesehen)
Fall (Google Autocomplete)
K ist Gründer und Inhaber einer Firma, die Nahrungsergänzungsmittel und Kosmetika vertreibt. Er wehrt sich gegen Eintragungen im Internet durch die Suchmaschine, die von der Google Inc. („incorporated“; Sitz in Mountain View, Kalifornien) betrieben wird. Seit 2009 hat Google eine „Autocomplete"-Funktion in seine Suchmaschine integriert. Mit ihrer Hilfe werden dem Internetnutzer bei der Eingabe eines Suchbegriffs variierend mit der Reihenfolge der eingegebenen Buchstaben in einem sich öffnenden Fenster automatisch verschiedene Suchergänzungsvorschläge („predictions") in Form von Wortkombinationen angezeigt. Die im Rahmen dieser Suchergänzungsfunktion angezeigten Suchvorschläge werden auf der Basis eines Algorithmus ermittelt, der die Anzahl der von anderen Nutzern eingegebenen Suchanfragen einbezieht.
K stellte fest, dass bei Google mit seinem Namen (mit Vor- und Nachnamen) Suchvorschläge verbunden werden, die jeweils aus zwei Wortkombinationen bestehen. Bei dem einen wird dem Vor- und Nachnamen des K „Scientology" und bei dem anderen „Betrug" hinzugefügt. K trägt unwidersprochen vor, er stehe in keinem Zusammenhang mit Scientology und sei auch niemals in ein Betrugsverfahren verwickelt gewesen. Es gebe auch kein Suchergebnis, das einen solchen Zusammenhang rechtfertige. Da er durch die Suchvorschläge in seinem Ansehen schwer geschädigt werde, verlange er Löschung. Google verweigert das mit der Begründung, aus den automatisierten Suchvorschlägen ergebe sich lediglich die Aussage der Suchmaschine, dass vorherige Nutzer die gewählten Begriffskombinationen zur Recherche eingegeben hätten; diese Aussage sei wahr und von K hinzunehmen. Als inhaltliche Aussage mache sich Google die Vorschläge nicht zu eigen.
K bittet um eine gutachtliche Stellungnahme zu der Frage, ob er von der Firma Google verlangen kann, dass die beiden Suchergänzungsvorschläge gelöscht werden, und ob ein eventueller Anspruch vor deutschen Zivilgerichten eingeklagt werden kann und nach deutschem Recht beurteilt wird.
A. Vorrangig sind die Fragen, ob ein Anspruch vor einem deutschen Gericht eingeklagt werden kann und ob deutsches Recht anwendbar ist. Im Prozess ist die Bejahung der ersten Frage Voraussetzung für die Zulässigkeit der Klage. Die Bejahung der zweiten Frage ist Voraussetzung für eine Begründetheitsprüfung in Anwendung deutschen Rechts.
I. Bestehen der deutschen Gerichtsbarkeit
Bei dem Streitfall handelt es sich um die Geltendmachung eines außervertraglichen Abwehranspruchs gegenüber einem nicht in einem EU-Staat ansässigen Unternehmen. Auf diesen Fall wird § 32 ZPO analog angewendet. Nach § 32 ZPO ist für eine Klage wegen unerlaubter Handlung das Gericht zuständig, in dessen Bezirk die Handlung begangen ist. Im vorliegenden Fall greift § 32 somit ein, wenn Google die Suchvorschläge in Deutschland anzeigt.
BGH [7]: Zutreffend hat das BerGer. die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte in entsprechender Anwendung des § 32 ZPO bejaht. Zwar genügt es nach der Rspr. des BGH zur Begründung der internationalen Zuständigkeit der deutschen Gerichte im Rahmen des § 32 ZPO nicht, dass der Kläger den Mittelpunkt seiner Interessen im Inland hat; erforderlich ist vielmehr, dass die als rechtsverletzend beanstandeten Inhalte objektiv einen deutlichen Bezug zum Inland in dem Sinne aufweisen, dass eine Kollision der widerstreitenden Interessen - Interesse des Klägers an der Achtung seines Persönlichkeitsrechts einerseits, Interesse des Beklagten an der Gestaltung seines Internetauftritts andererseits - nach den Umständen des konkreten Falles, insbesondere aufgrund des Inhalts der konkreten Meldung, im Inland tatsächlich eingetreten ist oder eintreten kann (vgl. BGH NJW 2011, 2059 und BGHZ 184, 313). Diese Voraussetzungen sind…im Streitfall gegeben, da eine Kenntnisnahme der beanstandeten Suchergänzungsvorschläge im Inland erheblich näher liegt…und die vom Kläger geltend gemachte Beeinträchtigung seines Persönlichkeitsrechts durch Kenntnisnahme der Suchergänzungsvorschläge im Inland eintritt. Im Originalfall des BGH ergab sich die Zuständigkeit der angerufenen deutschen Gerichte zusätzlich gemäß § 39 ZPO aufgrund rügeloser Einlassung durch die beklagte Firma Google.
Somit sind deutsche Gerichte zuständig, so dass die Zulässigkeit einer Klage nicht am Fehlen der deutschen Gerichtsbarkeit scheitert.
II. Anwendbarkeit deutschen Rechts
Es handelt sich um einen Fall mit Auslandsberührung, bei dem das internationale Privatrecht festlegt, welches Recht zur Anwendung kommt. Regelmäßig kollidieren in einem solchen Fall die Rechtsvorschriften des einen Staates mit denen des anderen Staates, so dass es einer Kollisionsnorm bedarf, die das anwendbare Recht bestimmt.
1. Das - primär anwendbare (Art. 3 EGBGB) - EU-Recht enthält drei Rom-Verordnungen (im Schönfelder Nr. 21 a - c) mit Kollisionsnormen, wobei im vorliegenden Fall die für außervertragliche Schuldverhältnisse geltende Rom II-VO in Betracht zu ziehen ist. Jedoch ist die Rom II-VO nach deren Art. 1 II g) nicht anwendbar auf Schuldverhältnisse aus der Verletzung der Privatsphäre oder der Persönlichkeitsrechte. Sie ist deshalb im vorliegenden Fall nicht einschlägig (vgl. Mäsch JuS 2013, 842 in einer Besprechung dieses Falles).
2. Es gelten deshalb die allgemeinen Vorschriften des IPRs, enthalten im EGBGB (Art. 3 ff.).
a) Nach Art. 40 I 1 EGBGB unterliegen Ansprüche aus unerlaubter Handlung grundsätzlich dem Recht des Staates, in dem der Ersatzpflichtige gehandelt hat. Danach kommt es darauf an, wo Google seinen deutschen Internetauftritt erstellt. Diese Frage kann aber offen bleiben.
b) Denn nach Art. 40 I 2 kann der Verletzte verlangen, dass anstelle dieses Rechts das Recht des Staates angewendet wird, in dem der Erfolg eingetreten ist. BGH [10]: Nach Art. 40 Abs. 1 Satz 1 EGBGB unterliegen Ansprüche aus unerlaubter Handlung grundsätzlich dem Recht des Staates, in dem der Ersatzpflichtige gehandelt hat. Der Verletzte kann jedoch nach Art. 40 Abs. 1 Satz 2 EGBGB…verlangen, dass anstelle dieses Rechts das Recht des Staates angewandt wird, in dem der Erfolg eingetreten ist. Von dieser Möglichkeit hat der Kläger im Streitfall Gebrauch gemacht. Der nach Art. 40 Abs. 1 Satz 2 EGBGB maßgebliche Erfolgsort liegt in Deutschland. Hier wird die Achtung des in Deutschland wohnhaften Klägers gestört bzw. gefährdet (vgl. BGH VersR 2012, 994 Rn. 31 - auch zur Nichtanwendbarkeit der Rom II-Verordnung (Rn. 22)…).
K kann also vor einem deutschen Gericht klagen und verlangen, dass deutsches Recht angewendet wird.
B. Anspruch des K auf Löschen der Suchvorschläge in der Form der beiden Wortkombinationen
I. Es ist die anwendbare Anspruchsgrundlage zu bestimmen.
1. K kann sich auf sein allgemeines Persönlichkeitsrecht stützen. Dieses ist als privatrechtliches absolutes Recht anerkannt (seit BGHZ 13, 334, 338 - Leserbrief; dazu Schertz NJW 2013, 722) und wird vom BGH auch im vorliegenden Fall herangezogen. Indem das Persönlichkeitsrecht als „sonstiges Recht“ i. S. des § 823 I BGB anerkannt wird, wird es bei rechtswidriger und schuldhafter Verletzung durch einen Schadensersatzanspruch geschützt. Einen Beseitigungs- und Unterlassungsanspruch zum Schutze des Persönlichkeitsrechts enthält das BGB nicht. Ein solcher ist aber notwendig. Denn neben dem Schutz eines Rechts durch einen nachträglichen, repressiven Schadensersatzanspruch muss es möglich sein, bereits die Entstehung der Rechtsverletzung und des Schadens durch einen präventiven Anspruch zu verhindern, was sowohl im Interesse des Inhabers des Rechts liegt als auch im Interesse des Verletzers, dem dadurch eine Schadensersatzverpflichtung erspart bleibt.
2. Durch § 1004 BGB werden zugunsten des Eigentums Beseitigungs- und Unterlassungsansprüche begründet. Beseitigungs- und Unterlassungsansprüche sieht das BGB auch zugunsten anderer dinglicher Rechte vor (z. B. zugunsten einer Hypothek, § 1134 BGB) und zugunsten des Namensrechts (§ 12 BGB). Aus den unter 1. genannten Gründen ist allgemeine Auffassung, dass Beseitigungs- und Unterlassungsansprüche zugunsten eines jeden in § 823 BGB geschützten absoluten Rechts und Schutzgesetzes bestehen müssen und dass Anspruchsgrundlage für einen Unterlassungsanspruch in den gesetzlich nicht geregelten Fällen §§ 1004 I 2, 823 BGB analog sind (Mäsch JuS 2013, 842/3 m. w. N. Fn. 8). Dabei werden dem § 823 I das absolute Recht oder dem § 823 II das Schutzgesetz, dem § 1004 I 1, 2 die Verletzung und die Wiederholungsgefahr sowie dem § 1004 II das Fehlen einer Duldungsverpflichtung (die Rechtswidrigkeit der Verletzung) entnommen.
Für die ausdrücklich im Gesetz enthaltenen Ansprüche ist, da sie Abwehrrechte sind, auch die Bezeichnung als negatorische Ansprüche möglich. Daneben gibt es den Begriff der quasinegatorischen Ansprüche. Teilweise werden die zum Schutz aller absoluten Rechte (§ 823 I BGB) bestehenden Ansprüche als negatorische und nur die Ansprüche zum Schutze der Rechtsgüter des § 823 II als quasinegatorische bezeichnet (so Brox/Walker, Besonderes SchuldR, 37. Aufl. 2013, § 53 Rdnr. 6, S. 584); danach könnte K im vorliegenden Fall einen negatorischen Anspruch haben (so auch der BGH bei [24]). Andere (z. B. Mäsch JuS 2013, 842) nehmen einen quasinegatorischen Anspruch bereits dann an, wenn § 1004 analog angewendet wird; danach kommt im vorliegenden Fall ein quasinegatorischer Unterlassungsanspruch in Betracht. Rechtsfolgen hängen von der Bezeichnung nicht ab.
II. Es müssten die Voraussetzungen dieser Anspruchsgrundlage vorliegen.
1. Erste Voraussetzung ist eine Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts des K. Zwar kann ein Unterlassungsanspruch schon eingreifen, wenn eine Verletzung erstmals droht (bei Erstbegehungsgefahr); im vorliegenden Fall ist aber ausreichend, die bereits im Internet enthaltenen Suchvorschläge als Prüfungsgrundlage zu nehmen.
Eine Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts des K kann sich daraus ergeben, dass durch die Suchvorschläge K in einen Zusammenhang mit Scientology und einem betrügerischen Verhalten gebracht wird. Laut Sachverhalt macht Google geltend, aus den automatisierten Suchvorschlägen ergebe sich lediglich eine Aussage der Suchmaschine, die sich Google nicht zu eigen mache. Eine dahingehende Auffassung hatte im BGH-Fall das OLG vertreten. Der BGH entnimmt den Suchvorschlägen aber eine weitergehende Aussage.
a) BGH [16]: Der mittels der Suchmaschine der Beklagten nach Informationen forschende Internetnutzer erwartet von den ihm nach der Eingabe des Suchbegriffs angezeigten ergänzenden Suchvorschlägen durchaus einen inhaltlichen Bezug zu dem von ihm verwandten Suchbegriff, hält ihn jedenfalls für möglich. Aus dem „Ozean von Daten" werden dem suchenden Internetnutzer von der Suchmaschine der Beklagten nicht x-beliebige ergänzende Suchvorschläge präsentiert, die nur zufällig „Treffer" liefern. Die Suchmaschine ist, um für Internetnutzer möglichst attraktiv zu sein - und damit den gewerblichen Kunden der Beklagten ein möglichst großes Publikum zu eröffnen - auf inhaltlich weiterführende ergänzende Suchvorschläge angelegt. Das algorithmusgesteuerte Suchprogramm bezieht die schon gestellten Suchanfragen ein und präsentiert dem Internetnutzer als Ergänzungsvorschläge die Wortkombinationen, die zu dem fraglichen Suchbegriff am häufigsten eingegeben worden waren. Das geschieht in der - in der Praxis oft bestätigten - Erwartung, dass die mit dem Suchbegriff bereits verwandten Wortkombinationen - je häufiger desto eher - dem aktuell suchenden Internetnutzer hilfreich sein können, weil die zum Suchbegriff ergänzend angezeigten Wortkombinationen inhaltliche Bezüge widerspiegeln. Diese Erwartung hat das BerGer. bei der Bestimmung des Aussagegehalts der von der Suchmaschine der Beklagten angezeigten Suchergänzungsvorschläge nicht berücksichtigt. Sie führt im Streitfall dazu, dass den bei Eingabe von Vor- und Zuname des Klägers „automatisch" angezeigten Suchergänzungsvorschlägen „…Scientology" und „…Betrug" die Aussage zu entnehmen ist, zwischen dem Kläger und den - negativ konnotierten - Begriffen „Scientology" und/oder „Betrug" bestehe ein sachlicher Zusammenhang.
b) Dieser Zusammenhang besteht aber in Wirklichkeit nicht. Die Suchvorschläge enthalten also die Behauptung unwahrer Tatsachen. Darin liegt eine Beeinträchtigung der Persönlichkeit des K (vgl. Vacca JURA 2013, 599 m. w. N. Fn. 67). Nicht erforderlich ist, zusätzlich darauf abzustellen, welche Persönlichkeitssphäre des K berührt wird (vgl. Schertz NJW 2013, 723, der folgende Sphären unterscheidet: Geheimsphäre, Intimsphäre, Privatsphäre, Sozialsphäre und Öffentlichkeitssphäre).
2. Eine Verantwortung von Google könnte nach der Spezialvorschrift des § 10 TelemedienG (TMG) ausscheiden. Danach sind Diensteanbieter unter bestimmten Voraussetzungen für fremde Informationen, die sie für einen Nutzer speichern, nicht verantwortlich. Google ist zwar Diensteanbieter speichert aber keine fremden Informationen. BGH [20]: Der Kläger nimmt die Beklagte nicht wegen der Durchleitung, Zwischenspeicherung oder Speicherung fremder Informationen, sondern wegen einer eigenen Information in Anspruch, konkret wegen der als Ergebnisse ihres AutocompleteHilfsprogramms dem Nutzer ihrer Internet-Suchmaschine angezeigten Suchwortergänzungsvorschläge. Es geht mithin um einen von der Suchmaschine angebotenen „eigenen" Inhalt und nicht um das Zugänglichmachen und/oder Präsentieren von Fremdinhalten, für die der Diensteanbieter gemäß §§ 8 bis 10 TMG nur eingeschränkt verantwortlich ist.
3. Das Persönlichkeitsrecht des K müsste verletzt werden. Der Eingriff muss rechtswidrig bzw. im Sinne des § 1004 II nicht zu dulden sein. Das folgt noch nicht aus der oben 1. festgestellten Beeinträchtigung des Rechts. Vielmehr bedarf es (so BGH [21]) wegen der Eigenart des Persönlichkeitsrechts als eines Rahmenrechts einer Abwägung der widerstreitenden grundrechtlich geschützten Belange, bei der die besonderen Umstände des Einzelfalles sowie die betroffenen Grundrechte und Gewährleistungen der Europäischen Menschenrechtskonvention interpretationsleitend zu berücksichtigen sind (vgl.…BGH VersR 2004, 522, 523; VersR 2008, 695 Rn. 13…NJW 2010, 2728 Rn. 12; BVerfGE 114, 339, 348 m. w. N.…). Der Eingriff in das Persönlichkeitsrecht ist nur dann rechtswidrig, wenn das Schutzinteresse des Betroffenen die schutzwürdigen Belange der anderen Seite überwiegt (…BGHZ 183, 353 Rn. 11 - Onlinearchiv I;…). Danach sind das Interesse des Klägers am Schutz seiner Persönlichkeitsrechte einerseits und die durch Art. 2, 5 Abs. 1 und 14 GG geschützten Interessen der Beklagten auf Meinungs- und wirtschaftliche Handlungsfreiheit andererseits abzuwägen. Eine umfassende Abwägung ist in diesem besonderen Fall aber entbehrlich, denn: Auf Seiten des Klägers ist für die Abwägung entscheidend, dass die verknüpften Begriffe einen unwahren Aussagegehalt haben, weil der Kläger … weder in Verbindung mit einem Betrug gebracht werden kann noch Scientology angehört oder auch nur nahe steht. Äußerungen von unwahren Tatsachen müssen nicht hingenommen werden (vgl. BGH VersR 2012, 994 Rn. 37; VersR 2013, 63, Rn. 12, jeweils m. w. N.; BVerfG NJW 2012, 1500 Rn. 39).
Somit ist der Eingriff in das Persönlichkeitsrecht des K rechtswidrig und braucht von ihm nicht geduldet zu werden.
4. Gegen Google richtet sich der Anspruch nur, wenn das Unternehmen Störer ist (vgl. § 1004 I 1 BGB: „von dem Störer“).
a) Bereits bei [17] hat der BGH ausgeführt: Die Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts des Klägers ist der Beklagten unmittelbar zuzurechnen. Sie hat mit dem von ihr geschaffenen Computerprogramm das Nutzerverhalten ausgewertet und den Benutzern der Suchmaschine die entsprechenden Vorschläge unterbreitet. Die Verknüpfungen der Begriffe werden von der Suchmaschine der Beklagten und nicht von einem Dritten hergestellt. Sie werden von der Beklagten im Netz zum Abruf bereitgehalten und stammen deshalb unmittelbar von ihr.
b) Bei [24] behandelt der BGH die Frage des Störers dann genauer.
aa) Als Störer im Sinne von § 1004 BGB ist…jeder anzusehen, der die Störung herbeigeführt hat oder dessen Verhalten eine Beeinträchtigung befürchten lässt. Sind bei einer Beeinträchtigung mehrere Personen beteiligt, so kommt es für die Frage, ob ein Unterlassungsanspruch gegeben ist, grundsätzlich nicht auf Art und Umfang des Tatbeitrags oder auf das Interesse des einzelnen Beteiligten an der Verwirklichung der Störung an. Im Allgemeinen ist ohne Belang, ob er sonst nach der Art seines Tatbeitrags als Täter oder Gehilfe anzusehen wäre (…). Als (Mit)Störer kann auch jeder haften, der in irgendeiner Weise willentlich und adäquat kausal an der Herbeiführung der rechtswidrigen Beeinträchtigung mitgewirkt hat, sofern der in Anspruch Genommene die rechtliche Möglichkeit zur Verhinderung dieser Handlung hatte. Da ohne die von Google installierte und betriebene Autocomplete-Funktion die Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts des K nicht erfolgt wäre, ist Google danach Störer.
bb) Jedoch könnte sich etwas anderes dann ergeben, wenn Google lediglich durch ein Unterlassen die Störung mit herbeigeführt hätte. BGH [26]: Das Entwickeln und die Verwendung der die Suchvorschläge erarbeitenden Software ist der Beklagten nicht vorzuwerfen; hierbei handelt es sich vielmehr um eine durch Art. 2, 14 GG geschützte wirtschaftliche Tätigkeit. Das Suchmaschinenangebot der Beklagten zielt auch nicht von vornherein auf eine Rechtsverletzung durch eine gegen eine bestimmte Person gerichtete unwahre Tatsachenbehauptung ab. Nur durch das Hinzutreten eines bestimmten Nutzerverhaltens können ehrverletzende Begriffsverbindungen entstehen… Der Beklagten kann deshalb grundsätzlich nur vorgeworfen werden, keine hinreichenden Vorkehrungen getroffen zu haben, um zu verhindern, dass die von der Software generierten Suchvorschläge Rechte Dritter verletzen.
cc) BGH [27 - 30]: Bei Beeinträchtigungen, die eine pflichtwidrige Unterlassung als (Mit-)Ursache haben, ist zur Vermeidung einer zu weitgehenden Haftung eine fallweise wertende Betrachtung erforderlich. Die Verantwortlichkeit des Unterlassenden wird durch die Kriterien der Möglichkeit und Zumutbarkeit der Erfolgsverhinderung begrenzt… Voraussetzung einer Haftung des Betreibers einer Suchmaschine mit entsprechender Hilfsfunktion ist daher ebenso wie bei der Haftung eines Host-providers wegen der Verbreitung einer in einem Blog enthaltenen Äußerung eines Dritten (vgl. hierzu BGHZ 191, 219) eine Verletzung von Prüfungspflichten.Für deren Bestehen kommt es entscheidend darauf an, ob und inwieweit dem in Anspruch Genommenen nach den Umständen eine Prüfung zuzumuten ist (vgl. BGH NJW 1997, 2180, 2181 f. - Architektenwettbewerb; BGHZ 148, 13, 17 f. - ambiente.de; BGHZ 158, 236, 251 - Internetversteigerung I, NJW 2011, 753 Rn. 9 ff., jeweils m. w. N.).
(1) Der Betreiber einer Suchmaschine ist danach grundsätzlich nicht verpflichtet, die durch eine Software generierten Suchergänzungsvorschläge generell vorab auf etwaige Rechtsverletzungen zu überprüfen. Dies würde den Betrieb einer Suchmaschine mit einer der schnellen Recherche der Nutzer dienenden Suchergänzungsfunktion wenn nicht gar unmöglich machen, so doch unzumutbar erschweren.
(2) Den Betreiber einer Internet-Suchmaschine trifft grundsätzlich erst dann eine Prüfungspflicht, wenn er Kenntnis von der Rechtsverletzung erlangt.Weist ein Betroffener den Betreiber einer Internet-Suchmaschine auf eine rechtswidrige Verletzung seines Persönlichkeitsrechts hin, ist der Betreiber der Suchmaschine verpflichtet, zukünftig derartige Verletzungen zu verhindern (vgl. BGH VersR 2012, 992 Rn. 19).
K hat Google auf die ihn rechtswidrig beeinträchtigenden Eintragungen hingewiesen. Folglich war Google verpflichtet, die Rechtsverletzungen durch Beseitigung der Suchvorschläge zu verhindern.
5. Da eine Löschung bisher nicht erfolgt ist, besteht auch die für einen Unterlassungsanspruch erforderliche Wiederholungsgefahr.
Ergebnis: Eine Klage des K wäre begründet. (Im Originalfall des BGH fehlten noch Tatsachenfeststellungen, so dass der BGH den Fall an das OLG zurückverwiesen hat.) Der Tenor des stattgebenden Urteils könnte lauten: Die Beklagte wird verurteilt, es zu unterlassen, auf der Internetseite ihrer Suchmaschine nach Eingabe des Namens des Klägers als Suchergänzungsbegriffe im Rahmen der Autocomplete-Funktion die Kombinationsbegriffe „Scientology“ und „Betrug“ vorzuschlagen. (vgl. Mäsch JuS 2013, 842)
Von den Besprechungen des Urteils stimmt Gounalakis NJW 2013, 2321 dem BGH zu. Mäsch JuS 2013, 841 stimmt dem BGH wohl im Wesentlichen zu, bezeichnet aber (S. 843) das Abstellen auf ein Unterlassen als „Trick“ des BGH, der nicht genügend begründet werde. Hoeren in der F.A.Z vom 29. 5. 2013 sieht in den Suchvorschlägen nur eine „statistisch-empirische Angabe dessen, was andere Nutzer abgefragt haben“, und keine Tatsachenbehauptung, und hält die BGH-Entscheidung deshalb für ein Fehlurteil.
Zusammenfassung