Bearbeiter: Dr. Gernot Schmalz-Brüggemann

Abgrenzung der Forderungsabtretung (§ 398 BGB) von einer Einziehungsermächtigung im Fall der Einschaltung eines Inkassounternehmens.Treuhandverhältnis zwischen bisherigem Forderungsinhaber und Inkassounternehmen. Insolvenzanfechtung, §§ 129 ff. InsO. Anfechtungsgrund vorsätzliche Gläubigerbenachteiligung, § 133 InsO. Zurechnung einer über ein Inkassounternehmen gelaufenen Zahlung des Schuldners als Zahlung an den ursprünglichen Gläubiger

BGH
Urteil vom 3. 4. 2014 (IX ZR 20/13) NJW 2014, 1963

Fall (Insolvenz nach Inkasso)

Gläubigerin G hatte gegen die S-GmbH Forderungen aus der Lieferung von Waren in Höhe von 6.000 Euro. Da S nicht zahlte, beauftragte G die Inkasso-Gesellschaft I-GmbH mit dem Forderungseinzug. In der mit „Inkassoauftrag und Forderungseinzug" überschriebenen Vereinbarung zwischen G und I-GmbH heißt es: „Hiermit treten wir die oben genannte Forderung gegen S an die I-GmbH fiduziarisch ab." Nach Durchführung eines Mahnverfahrens erwirkte die I-GmbH einen Mahn- und Vollstreckungsbescheid gegen S. S leistete aber keine Zahlung, sondern teilte durch ein an alle Gläubiger gerichtetes Rundschreiben mit, ihre Reserven seien aufgebraucht; sie bitte ihre Gläubiger um einen Zahlungsaufschub von mindestens sechs Monaten; andernfalls bleibe nur der Gang zum Insolvenzgericht. Im Einverständnis mit G kam die I-GmbH der Bitte nicht nach, sondern drohte S mit der Vollstreckung. S wollte ihre Stellung durch eine Vollstreckung seitens der I-GmbH nicht noch weiter verschlechtern und überwies deshalb 6.000 Euro an die I-GmbH. Diese leitete den Betrag nach Abzug ihrer Provision an G weiter.

Ein halbes Jahr danach wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen der S-GmbH eröffnet und V zum Insolvenzverwalter bestellt. Nach Prüfung der im Vorfeld der Insolvenz von S vorgenommenen Zahlungen erklärte V gegenüber G die Insolvenzanfechtung und verlangt nunmehr von G im Wege der Klage Rückzahlung der 6.000 Euro. Er begründet das damit, S habe durch die Zahlung des vollen Betrages an G die anderen Gläubiger benachteiligt, indem sich durch den Abfluss der 6.000 Euro die für die Befriedigung der anderen Gläubiger zur Verfügung stehende Insolvenzmasse vermindert habe. G verteidigt sich damit, S habe den Betrag an die I-GmbH gezahlt und V könne ihn, wenn überhaupt, auch nur von dieser zurückverlangen. Hiergegen macht V wiederum geltend, die Zahlung beruhe auf dem Rechtsverhältnis zwischen G und S, weshalb der Betrag auch letztlich an G geflossen sei; deshalb habe diese ihn auch zurückzugeben. G verweist noch darauf, dass die Zahlung auf einem rechtskräftigen Mahn- und Vollstreckungsbescheid beruht habe. Ist die Klage des V begründet?

Vorbemerkung: In der folgenden Lösung werden die Beteiligten zum besseren Verständnis so wie im Sachverhalt als G, S, V und I-GmbH bezeichnet und nicht nach ihrer Stellung im Verfahren als Kläger, Beklagter, Schuldner. Dem werden auch die Originalzitate angepasst. -

Mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens geht nach § 80 I InsO das Recht des Schuldners, das zur Insolvenzmasse gehörende Vermögen zu verwalten und über es zu verfügen, auf den Insolvenzverwalter über. Der Insolvenzverwalter darf danach Ansprüche, die zur Insolvenzmasse gehören, kraft seines Amtes im eigenen Namen geltend machen. Folglich ist die Klage des V begründet, wenn ein im Insolvenzverfahren der S-GmbH zur Insolvenzmasse gehörender Anspruch besteht.

I. Ein Anspruch könnte sich aus einer Insolvenzanfechtung nach §§ 129 ff. InsO ergeben. Die Anfechtung im Zusammenhang mit einer Vollstreckung, die von der Anfechtung einer Willenserklärung nach §§ 119 ff. BGB zu unterscheiden ist, hat die Aufgabe, Vermögensgegenstände eines Schuldners, die dieser einem anderen übertragen und dadurch dem Vollstreckungszugriff der Gläubiger entzogen hat, dem Vermögen des Schuldners wieder zuzuführen, um den Insolvenzgläubigern die Möglichkeit zu eröffnen, sie zum Zwecke der Befriedigung ihrer Forderungen zu verwerten. Außerhalb eines Insolvenzverfahrens besteht diese Möglichkeit nach dem „ Gesetz über die Anfechtung von Rechtshandlungen eines Schuldners außerhalb des Insolvenzverfahrens (Anfechtungsgesetz - AnfG).“ Im vorliegenden Fall kommt, da S, der die Zahlung an G geleistet hat, sich im Insolvenzverfahren befindet, eine Anfechtung nach §§ 129 ff. InsO in Betracht.

II. Nach § 129 I InsO kann der Insolvenzverwalter Rechtshandlungen, die vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens vorgenommen worden sind und die Insolvenzgläubiger benachteiligen, nach Maßgabe der §§ 130 bis 146 anfechten. Ist die Anfechtung berechtigt, muss nach § 143 I InsO dasjenige, das durch die anfechtbare Handlung aus dem Vermögen des Schuldners weggegeben wurde, zur Insolvenzmasse zurückgewährt werden muss. Im vorliegenden Fall ist Rechtshandlung die Überweisung der 6.000 Euro durch S. Dadurch wurden die anderen Gläubiger benachteiligt, weil dieser Betrag ihnen nicht mehr zur Befriedigung ihrer Ansprüche zur Verfügung steht. Zusätzlich bedarf es eines Anfechtungsgrundes nach §§ 130 ff. InsO.

III. Die Anfechtungsgründe der §§ 130, 131, 132 InsO greifen offensichtlich nicht ein. Bei § 130 I scheitert Nr. 1 daran, dass die Zahlung des S nicht in den letzten drei Monaten vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens vorgenommen wurde, sondern sechs Monate vorher. Nr. 2 greift nicht ein, weil die Zahlung nicht nach Stellung des Antrags auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens erfolgt ist, sondern vorher. Auch § 131 InsO scheitert bereits daran, dass die Zahlung innerhalb keiner der dort aufgeführten Fristen, die maximal drei Monate betragen, erfolgte; ebenso liegt es bei § 132.

IV. Nach § 133 I InsO begründet die vorsätzliche Benachteiligung ein Anfechtungsrecht. Anfechtbar ist eine Rechtshandlung, die der Schuldner in den letzten zehn Jahren vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens…mit dem Vorsatz, seine Gläubiger zu benachteiligen, vorgenommen hat, wenn der andere Teil zur Zeit der Handlung den Vorsatz des Schuldners kannte.

1. Beteiligt an dem Vorgang sind der Schuldner und der „andere Teil“, also der Begünstigte aus der Rechtshandlung. Im vorliegenden Fall hat V die Überweisung der 6.000 Euro gegenüber G angefochten und verlangt auch die Rückzahlung von G. Um einen Anspruch gegenüber G zu begründen, müsste G Begünstigte sein. Das ist deshalb zweifelhaft, weil G zwar ursprünglich Gläubigerin der Forderung war, auf die S gezahlt hat, sie der I-GmbH aber einen „Inkassoauftrag und Forderungseinzug" erteilt hatte und S den Betrag an die I-GmbH überwiesen hat.

a) G wäre gleichwohl weiterhin Begünstigte gewesen, wenn sie der I-GmbH nur eine Einziehungsermächtigung zur Geltendmachung der Forderung im eigenen Namen erteilt hätte; denn dann wäre G Inhaberin der Forderung geblieben und hätte den Betrag als Forderungsgläubigerin erlangt. Davon zu unterscheiden ist die Vollabtretung der Forderung nach § 398 BGB in der Form der Inkassozession. Was vorlag, ist durch Auslegung der unter der Überschrift „Inkassoauftrag…" abgegebenen Erklärungen zu entscheiden.

BGH [11, 12]: Ob eine Inkassozession oder eine Einziehungsermächtigung vorliegt, ist im Wege der Auslegung des Rechtsgeschäfts zu bestimmen. Die Vertragsauslegung hat in erster Linie den von den Parteien gewählten Wortlaut der Vereinbarungen und den diesem zu entnehmenden objektiv erklärten Parteiwillen zu berücksichtigen (…). Im Streitfall legt bereits der eindeutige Wortlaut der zwischen der Inkassogesellschaft und G getroffenen Abrede, derzufolge die Forderung fiduziarisch abgetreten wird, eine treuhänderische Inkassozession nahe. Die Abgrenzung zwischen Inkassozession und Einziehungsermächtigung richtet sich ferner danach, ob nach dem durch Auslegung zu ermittelnden Inhalt des Geschäfts die Beteiligten die überschießende Außenstellung des Treuhänders mit der Folge einer Inkassozession wollen oder ob die uneingeschränkte Auskehrung des eingezogenen Betrages an den Zedenten und damit eine Einzugsermächtigung das eigentliche Ziel der Abtretung ist (…). Da die Inkassogesellschaft zum Abzug ihrer Provision berechtigt sein sollte, war den Vertragspartnern ersichtlich daran gelegen, die Forderung als Vollrecht auf sie zu übertragen. Überdies ist bei einer Einziehungsermächtigung ein Rechtsschutzbedürfnis für die Einklagung der fremden Forderung im eigenen Namen erforderlich, während der Inkassozessionar als Vollrechtsinhaber berechtigt ist, die abgetretene Forderung ohne Darlegung eines eigenen schutzwürdigen Interesses in eigener Person einzuklagen (…). Wird - wie hier - ein Inkassounternehmen eingeschaltet, ist zum Zweck der erleichterten prozessualen Durchsetzbarkeit der Forderung regelmäßig von einer Forderungsabtretung auszugehen (Staudinger/Busche, BGB, 2012, Einl. zu §§ 398 ff Rn. 125; MünchKomm-BGB/Roth, 6. Aufl., § 398 Rn. 52).

Somit war die I-GmbH Inhaberin der Forderung geworden, so dass die Zahlung der 6.000 Euro nicht an G als Inhaberin der Forderung erfolgt ist.

b) G könnte deshalb Begünstigte der Zahlung und dadurch Gegnerin des V bei der Insolvenzanfechtung sein, weil die Übertragung der Forderung von G auf die I-GmbH treuhänderisch erfolgt ist. In diesem Fall könnte G genau so zu behandeln sein, als wäre eine bloße Einziehungsermächtigung erteilt worden; dadurch erklären sich die nachfolgenden Ausführungen des BGH, in denen er auch auf eine Einziehungsermächtigung Bezug nimmt.

aa) BGH [17]: Der Begriff des Treuhänders bezeichnet…eine natürliche oder juristische Person, die von einem anderen oder für ihn von einem Dritten Vermögensrechte zu eigenem Recht erworben hat, diese aber nicht nur in eigenem, sondern zumindest auch in fremdem Interesse ausüben soll. Der Treuhänder erhält danach Vermögensrechte übertragen, von denen er nur nach Maßgabe der Treuhandvereinbarung Gebrauch machen darf (BGHZ 155, 227, 232). Die Rechtsstellung, die ein Treuhänder im Außenverhältnis zu Dritten erlangt, geht weiter als seine Berechtigung im Innenverhältnis zum Treugeber.

bb) [18]: Bei einer Inkassozession geht das abgetretene Recht auf den Zessionar über, der in der Ausnutzung seiner Gläubigerstellung treuhänderisch gebunden ist (…). Eine Einziehungsermächtigung ist demgegenüber ein abgespaltenes Gläubigerrecht, das die Verfügungsbefugnis des Ermächtigten über ein fremdes, dem Ermächtigenden verbleibendes Recht durch den Begriff der Einziehung klar umgrenzt. Der Ermächtigte kann über die Forderung nur durch Einziehung im eigenen Namen verfügen und sie - bei Vorhandensein des entsprechenden Interesses - auch im eigenen Namen einklagen. Anders als bei der Vollabtretung kann der Ermächtigte über die ihm zur Einziehung überlassene Forderung nur durch Einziehung, nicht aber durch Abtretung verfügen (BGHZ 4, 153, 165). Beide Rechtsinstitute dienen dem übereinstimmenden wirtschaftlichen Zweck, einen Dritten mit der Einziehung einer Forderung und der Abführung des Zahlungsbetrages an den Berechtigten zu betrauen (MünchKomm-BGB/Roth, 6. Aufl., § 398 Rn. 40; Staudinger/Busche, BGB, 2012, Einl. §§ 398 ff Rn. 107, 108).

cc) [19]: Die Inkassozession bildet ein Treuhandverhältnis, weil der Zessionar als Forderungsinhaber im Außenverhältnis über mehr Rechtsmacht verfügt, als er im Innenverhältnis zu dem Zedenten ausüben darf (MünchKomm-BGB/Roth, a. a. O. § 398 Rn. 41; Staudinger/Busche, a. a. O. Einl zu §§ 398 ff Rn. 110 ff). Da die Rechtsübertragung dem Interesse des Zedenten an einem reibungslosen Forderungseinzug dient, handelt es sich um eine uneigennützige Treuhand oder Verwaltungstreuhand (Staudinger/Busche, a. a. O. Einl. zu §§ 398 ff Rn. 58; MünchKomm-InsO/Ganter, 3. Aufl., § 47 Rn. 360 f), die von der eigennützigen Treuhand oder Sicherungstreuhand zu unterscheiden ist, die im Sicherungsinteresse des Treuhänders begründet wird. Auch die Einziehungsermächtigung beruht auf einer uneigennützigen Treuhand, weil der Ermächtigte den Einzug im Interesse des Rechteinhabers vornimmt.

c) [20 - 22]: Die gleichartige rechtliche Behandlung von Erfüllungsleistungen und der gemeinsame wirtschaftliche Zweck rechtfertigen es, eine an den Treuhänder bewirkte Zahlung in Fällen einer Inkassozession wie auch einer Einziehungsermächtigung anfechtungsrechtlich unmittelbar dem Treugeber zuzurechnen. Also muss, da bei einer bloßen Einziehungsermächtigung der Gläubiger der Forderung Empfänger eines auf die Forderung gezahlten Betrages ist, auch bei der insoweit gleichgestellten treuhänderischen Inkassozession die Zahlung des Schuldners dem Abtretenden (Zedenten) zugerechnet werden. Im einzelnen dazu BGH:

aa) Der Schuldner wird von seiner Verbindlichkeit befreit, wenn er die Forderung…gegenüber dem Inkassozessionar als Abtretungsempfänger (…) oder gegenüber dem Forderungsinhaber durch Zahlung an den Ermächtigten (…) begleicht. Der aus der Forderung in Anspruch genommene Schuldner ist gemäß § 404 BGB berechtigt, mit ihm gegen den Inkassozedenten (…) wie auch gegen den Ermächtigenden (…) zustehenden Forderungen aufzurechnen. Erfolgt eine Abtretung oder Einziehungsermächtigung durch den Gläubiger vor Eröffnung eines Insolvenzverfahrens über sein Vermögen, wird der Schuldner nach Maßgabe von § 82 InsO durch Leistung an die Empfangsperson von seiner Verbindlichkeit befreit (…). Die rechtlichen Unterschiede zwischen Inkassozession und Einziehungsermächtigung äußern sich darum im Wesentlichen nur darin, dass der Inkassozessionar anders als der Ermächtigte Vollrechtsinhaber wird und uneingeschränkt zur Prozessführung gegen den Forderungsschuldner berechtigt ist (…).

bb) Der Inkassozessionar ist kraft des Treuhandverhältnisses gemäß §§ 667, 675 BGB verpflichtet, die Forderung für Rechnung und im Interesse des Zedenten einzuziehen (MünchKomm-BGB/Roth, a. a. O. § 398 Rn. 43…). Gleiches gilt für den Ermächtigten im Verhältnis zu dem Forderungsinhaber (…). Für diese Verpflichtung ist es ohne Bedeutung, dass bei der Inkassozession wegen der damit verbundenen Vollabtretung Erfüllung unmittelbar im Verhältnis zu dem Inkassozessionar (§ 362 Abs. 1 BGB) und bei der Einziehungsermächtigung im Verhältnis zu dem Forderungsinhaber durch Zahlung an den Ermächtigten (§ 362 Abs. 1, § 185 BGB) bewirkt wird. Maßgeblich ist vielmehr für das Anfechtungsrecht die wirtschaftliche Betrachtungsweise (vgl. BGHZ 196, 220 Rn. 31), derzufolge in beiden Gestaltungen die Forderung für Rechnung des Zedenten oder Forderungsinhabers eingezogen wird. Die Zahlung an einen Inkassozessionar als Geheißperson ist der Zahlung an den Gläubiger gleichzustellen (vgl. BGHZ 196, 220 Rn. 29 ff; Bamberger/Roth/Dennhardt, BGB, 3. Aufl., § 362 Rn. 16). Anfechtungsgegner ist nur, wer im Ergebnis gegenüber der Gläubigergesamtheit bevorzugt wurde (Kayser in Festschrift Ganter, 2010, 221, 230). Dies ist der Zedent, an den der Inkassozessionar die empfangene Zahlung treuhänderisch weiterzuleiten hat.

Folglich ist die Überweisung der 6.000 Euro an G als Treugeberin erfolgt, so dass diese die Anfechtungsgegnerin ist, gegenüber der V zutreffend die Anfechtung erklärt hat.

2. Für einen Anspruch des V gegen G müssten auch die weiteren Voraussetzungen des § 133 InsO vorliegen. S müsste mit Benachteiligungsvorsatz gehandelt haben, der von G erkannt wurde.

a) Zum Benachteiligungsvorsatz der S führt der BGH unter [33 - 36] aus:

aa) Ein Schuldner handelt mit Benachteiligungsvorsatz, wenn ihm seine Zahlungsunfähigkeit bekannt war. Denn dann weiß er, dass die Gläubiger in die Gefahr kommen, zumindest mit einem Teil ihrer Forderungen auszufallen. Erhält ein Gläubiger gleichwohl die ganze Summe, wird er bevorzugt, worin gleichzeitig eine Benachteiligung der anderen liegt. Hat der Schuldner seine Zahlungen eingestellt, begründet dies auch für die Insolvenzanfechtung gemäß § 17 Abs. 2 Satz 2 InsO die gesetzliche Vermutung der Zahlungsunfähigkeit (…). Eine Zahlungseinstellung kann aus einem einzelnen, aber auch aus einer Gesamtschau mehrerer darauf hindeutender, in der Rechtsprechung entwickelter Beweisanzeichen gefolgert werden (…). Eigene Erklärungen des Schuldners, fällige Verbindlichkeiten nicht begleichen zu können, deuten auf eine Zahlungseinstellung hin, auch wenn sie mit einer Stundungsbitte versehen sind (…).

bb) Nach diesen Maßstäben ist im Streitfall von einer Zahlungsunfähigkeit der S auszugehen. S hat im Rundschreiben ihren Gläubigern mitgeteilt, dass ihre Reserven aufgebraucht seien und eine positive Fortbestehensprognose nur gestellt werden könne, wenn die Gläubiger hinsichtlich ihrer Forderungen Stundungen, Stillhalteabkommen, Vollstreckungsverzichte …über einen Zeitraum von sechs Monaten akzeptierten. Falls ein Teil der Gläubiger diesem Vorgehen nicht entspreche, bleibe…nur der Gang zum Insolvenzgericht. Durch dieses Rundschreiben hat S ihre Zahlungsunfähigkeit eingeräumt… Dieser Wissensstand war auch zum Zeitpunkt der an die Inkassogesellschaft erbrachten Zahlung gegeben.
Somit hat S mit Benachteiligungsvorsatz gehandelt.

b) Davon müsste G Kenntnis gehabt haben. Nach § 133 I 2 InsO wird Kenntnis vermutet, wenn der andere Teil weiß, dass die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners droht und die Handlung die Gläubiger benachteiligt. Der BGH [37 - 39] begnügt sich im vorliegenden nicht mit dieser Vermutung, sondern führt aus:: Infolge der Kenntnisnahme des Rundschreibens war der Inkassogesellschaft und damit der G die Zahlungsunfähigkeit der S gleichfalls geläufig. Im Widerspruch zu dem erbetenen Zahlungsaufschub hat die Inkassogesellschaft durch Vollstreckungsandrohung die angefochtene Zahlung…erwirkt. Damit hat die Inkassogesellschaft nach Unterrichtung über die Zahlungsunfähigkeit der S eine bevorzugte Befriedigung der Forderung der G durchgesetzt. Es vermag G nicht zu entlasten, wenn der aus der Zahlungsunfähigkeit der S herzuleitende Benachteiligungsvorsatz nur für die Inkassogesellschaft offenbar geworden wäre. Vielmehr ist die Inkassogesellschaft als Empfangsbeauftragte zugleich Wissensvertreterin für die anfechtungsrechtlich maßgebende Kenntnis, die der G entsprechend § 166 Abs. 1 BGB zuzurechnen ist.

BGH [31]: Somit hat S mit einem von der G erkannten Benachteiligungsvorsatz gehandelt, als sie durch die Zahlung über 6.000 Euro ihr Aktivvermögen zum Nachteil der Gläubigergesamtheit vermindert hat.


3. Dass G über einen rechtskräftigen Vollstreckungstitel verfügte, gab ihr kein Recht auf eine bevorzugte Behandlung gegenüber den anderen Gläubigern. Vielmehr wird nach § 141 InsO d ie Anfechtung nicht dadurch ausgeschlossen, dass für die Rechtshandlung ein vollstreckbarer Schuldtitel erlangt worden ist.

4. BGH [43]: G kann auch nicht die an die Inkassogesellschaft gezahlte Provision absetzen, weil sie gemäß § 143 Abs. 1 Satz 2 InsO wie ein bösgläubiger Bereicherungsschuldner haftet (vgl. BGHZ 193, 129 Rn. 31 ff).

V. Rechtsfolge der erfolgreichen Anfechtung ist, dass G die erhaltene Zahlung an die Insolvenzmasse zurückzugeben hat (§ 143 I InsO). Der BGH hat deshalb, anders als die Vorinstanzen, die die Klage des V abgewiesen hatten, der Klage des V stattgegeben und G zur Zahlung von 6.000 Euro verurteilt.


Zusammenfassung