Bearbeiter: Dr. Gernot Schmalz-Brüggemann
► Bereicherungsanspruch, Leistungskondiktion, § 812 I 1 BGB. ► Dreiecksverhältnis bei Banküberweisung; Rückabwicklung bei fehlendem Rechtsgrund. ► Befugnisse des Insolvenzverwalters, § 80 InsO. ► Verfügungsverbot nach § 21 InsO; Folgen eines Verstoßes. ► Rechtsgrundlosigkeit einer Leistung bei Nichteintritt der erstrebten Erfüllungswirkung, § 362 I BGB
BGH Urteil vom 21. 11. 2013 (IX ZR 52/13) NJW 2014, 547
Fall (Pflegeheim in Insolvenz)
Die S-GmbH betrieb ein Alten- und Pflegeheim. B war Inhaber einer in der Nähe gelegenen Apotheke und hatte durch einen mit S geschlossenen Rahmenvertrag die Versorgung der Heimbewohner mit Medikamenten und Medizinprodukten übernommen. Soweit die Kosten dafür von den Heimbewohnern getragen werden mussten, übersandte B der S monatlich eine Sammel-Rechnung. Deren Einzelbeträge zog S von den Bewohnern ein, zahlte sie zunächst zusammen mit anderen Einnahmen auf das GmbH-Konto bei der Volksbank V ein und überwies einmal monatlich dem B dessen Guthaben.
Als S Insolvenz anmelden musste, bestellte das Amtsgericht den K zum vorläufigen Insolvenzverwalter und ordnete am 15. 10. um 14:30 Uhr gemäß § 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2, 2. Fall der Insolvenzordnung (InsO) an, dass Verfügungen der S nur noch mit Zustimmung des vorläufigen Insolvenzverwalters wirksam sind. Von der Anordnung eines allgemeinen Verfügungsverbots wurde abgesehen. Am 15. 10. hatte B bei S ein Guthaben wegen eingezogener Beträge in Höhe von 6.500 Euro. Am späteren Nachmittag wurde von der Buchhaltung der S der Betrag in Höhe von 6.500 Euro ohne Kenntnis des K an B überwiesen, wobei der Überweisungsauftrag gegen 17:00 Uhr bei der V-Bank einging. Am nächsten Morgen wurde die Überweisung durch V, die von der Anordnung des Amtsgerichts keine Kenntnis hatte, durchgeführt, indem der Betrag auf dem Konto des B gutgeschrieben wurde.
Am 1. 11. wurde das Insolvenzverfahren eröffnet und K zum Insolvenzverwalter bestellt. Nach Durchsicht der Unterlagen verlangt K von B Rückzahlung der 6.500 Euro; diese seien entgegen dem vom Amtsgericht am 15. 10 angeordneten Zustimmungsvorbehalt gezahlt worden. B macht demgegenüber geltend, die Verfügung habe S gegenüber der V-Bank vorgenommen, so dass das Verbot sich nur auf dieses Verhältnis beziehen könne. Auch habe er auf den Betrag einen Anspruch gehabt und die Zahlung im guten Glauben darauf entgegengenommen, dass er sie behalten dürfe. Ist der Anspruch des K gegen B begründet?
Nach § 80 I InsO geht mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens das Recht des Schuldners, das zur Insolvenzmasse gehörende Vermögen zu verwalten und über es zu verfügen, auf den Insolvenzverwalter über. Der Insolvenzverwalter darf danach Ansprüche des Insolvenzschuldners, die zur Insolvenzmasse gehören, kraft seines Amtes im eigenen Namen geltend machen. Danach ist Voraussetzung für das Bestehen eines Anspruchs des K gegen B, dass S gegen B einen Anspruch hat und dieser zur Insolvenzmasse gehört. Ein Anspruch der S gegen B kann sich aus § 812 I 1 BGB in der Form der Leistungskondiktion ergeben.
I. B müsste etwas erlangt haben. Durch die Gutschrift der 6.500 Euro auf seinem Konto hat B diesen Betrag erlangt.
II. B müsste den Betrag durch Leistung der S erhalten haben. (Der BGH bezeichnet die insolvente S-GmbH als „Schuldnerin“.)
1. Der Betrag ist auf Grund eines Überweisungsauftrags der S von der V-Bank an B überwiesen worden. An einer Banküberweisung sind drei Personen beteiligt: der den Auftrag erteilende Bankkunde, die Bank und der Zahlungsempfänger. In der Formulierung des den Zahlungsdienstevertrag regelnden § 675 f BGB heißen die ersten beiden: Zahlungsdienstnutzer und Zahlungsdienstleister. In solchem Fall entsteht - ebenso wie bei der Anweisung nach § 783 BGB - ein Mehrpersonenverhältnis oder Dreiecksverhältnis, für das bestimmte Grundsätze für die Leistungsbeziehungen und den Bereicherungsausgleich gelten.
a) Diese werden von BGH [16] wie folgt wiedergegeben: Im Deckungsverhältnis [hier: S - V] erbringt die Bank durch die Ausführung der Überweisung eine Leistung an den anweisenden Kontoinhaber, der seinerseits den Gutschriftbetrag im Valutaverhältnis an den Überweisungsempfänger leistet [hier: S - B]. Keine Leistung erbracht wird im Zuwendungsverhältnis zwischen Bank und Zahlungsempfänger.
Ein erforderlicher Bereicherungsausgleich hat sich dann regelmäßig innerhalb des jeweiligen Leistungsverhältnisses zu vollziehen, nicht hingegen zwischen der Bank und dem Empfänger. Zwischen letzteren beiden besteht keine bereicherungsrechtliche Leistungsbeziehung, weil die durch die Bank getroffene Zweckbestimmung dahin geht, an den anweisenden Kontoinhaber aus dem Girovertrag zu leisten, nicht aber eine Leistung im Rechtssinne an den Empfänger des Überweisungsbetrags zu erbringen (… BGHZ 167, 171 Rn. 9; WM 2011, 743 Rn. 16; WM 2011, 2259 Rn. 18).
b) Danach ist im vorliegenden Fall eine Leistung der S an B (im Valutaverhältnis), vermittelt durch die V, vorgenommen worden.
2. Jedoch wird bei den dargelegten Grundsätzen vorausgesetzt, dass ein wirksamer Überweisungsauftrag - allgemeiner: eine wirksame Anweisung - vorliegt. BGH [17]: Eine Leistung des Überweisenden an den Überweisungsempfänger setzt allerdings einen wirksamen Überweisungsvertrag voraus (… BGHZ 167, 171). Ohne gültige Anweisung kann die Zahlung dem vermeintlich Anweisenden nicht als seine Leistung zugerechnet werden. Der sogenannte Empfängerhorizont des Überweisungsempfängers vermag die fehlende Zweckbestimmung des vermeintlich Anweisenden nicht zu ersetzen, wenn dieser nicht in zurechenbarer Weise den Rechtsschein einer der Zahlung entsprechenden Anweisung hervorgerufen hat (… BGHZ 158, 1, 5 f; 176, 234 Rn. 10). Fehlt von vornherein eine wirksame Anweisung, so kommt es nicht zu einer Leistung des Anweisenden, weil ihm die Zahlung des Angewiesenen nicht zugerechnet werden kann (BGH WM 2010, 473 Rn. 15). Vielmehr kann bei einem derartigen Sachverhalt die Bank einen Bereicherungsausgleich unmittelbar gegenüber dem Überweisungsempfänger geltend machen (BGHZ 158, 1; 176, 234; NJW-RR 2010 = WM 2010, 473).
a) Im vorliegenden Fall hat S als Kunde der V am Nachmittag des 15. 10. der V einen Überweisungsauftrag übermittelt.
b) Dieser könnte jedoch wegen des vorher, um 14.30 Uhr vom Amtsgericht verhängten Verfügungsverbots mit Zustimmungsvorbehalt zugunsten des K und des Umstands, dass K nicht zugestimmt hat, unwirksam gewesen sein.
aa) Würde sich daraus die Unwirksamkeit des Überweisungsauftrags ergeben, würde eine Leistungskondiktion der S gegen B nicht eingreifen. S hätte keinen Anspruch gegen B. Zwar könnte V die Zahlung von B zurückverlangen. Daran hätte sie aber möglicherweise kein Interesse, weil sie wegen Gutgläubigkeit im Verhältnis zu ihrer Kundin S frei geworden ist und diese belasten darf. BGH [9]: Führt die Bank die Überweisung - wie hier - in Unkenntnis des Zustimmungsvorbehalts aus, wird sie bei Zahlung aus einem Guthaben des Schuldners an den Empfänger gemäß § 82 Satz 1, § 24 Abs. 1, § 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Fall 2 InsO gegenüber dem Schuldner als Kontoinhaber von ihrer Verbindlichkeit befreit (BGH WM 2006, 194, 195; HK-InsO/Kayser, 6. Aufl., § 81 Rn. 22). Dadurch hätte das Verfügungsverbot des Amtsgerichts keine Folge.
bb) Der BGH vermeidet dieses Ergebnis, indem er daran anknüpft, dass der Überweisungsauftrag im Rahmen des Zahlungsdienstevertrags eine schuldrechtliche Verpflichtung der Bank begründet und im Verhältnis S - Bank keine Verfügung ist. BGH [8]: Entsprechend dem dem § 675 f BGB zugrundeliegenden Verständnis bildet der Überweisungsvertrag kein Verfügungs-, sondern ein Verpflichtungsgeschäft. Da K lediglich mitbestimmender vorläufiger Verwalter war (§ 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Fall 2 InsO) und nur bei Anordnung eines allgemeinen Verfügungsverbots die Verwaltungsbefugnis auf den vorläufigen Verwalter übergeht (§ 22 Abs. 1 InsO), war die Schuldnerin grundsätzlich nicht in ihrer Fähigkeit, Überweisungsverträge zu schließen, beschränkt. Der Verwalter kann Überweisungsaufträge des Schuldners auch nicht widerrufen. Danach ist die Bank grundsätzlich berechtigt, trotz der Einsetzung eines schwachen vorläufigen Verwalters mit dem (späteren) Schuldner einen Überweisungsvertrag zu schließen (BGH WM 2009, 662 Rn. 21 m. w. Nachw.; HK-InsO/Kayser § 82 Rn. 23; HmbKomm-InsO/ Kuleisa, 4. Aufl., § 82 Rn. 10; Jaeger/Windel, InsO, § 82 Rn. 23).
c) Folglich war der Überweisungsauftrag nicht unwirksam. Es bleibt dabei, dass die Durchführung des Überweisungsauftrags durch V zu einer Leistung der S an B geführt hat. BGH [19]: Da eine gültige Anweisung der Schuldnerin an ihre Bank vorliegt, stellt sich die Ausführung der Überweisung durch die Zahlungsmittlerin als Leistung der Schuldnerin an den Beklagten als ihren Gläubiger dar (…).
III. Die Leistung müsste ohne Rechtsgrund erfolgt sein.
1. B hatte gegen S einen Anspruch auf Auszahlung der für ihn von den Heimbewohnern eingezogenen Beträge.
2. Zwischen dem Rechtsgrund und dem Begriff der Leistung besteht ein Zusammenhang. Nach der Begriffsbestimmung der Leistung ist die Leistung darauf gerichtet, einen Zweck zu erfüllen, der in der Regel in der Erfüllung einer Verpflichtung besteht. Diesem Zweck diente auch die Überweisung der 6.500 Euro an B. Der Zweck der Leistung ist nicht erreicht und es fehlt an einem Rechtsgrund für die Leistung, wenn entweder die Verpflichtung nicht bestand oder wenn durch die Leistung die Erfüllung nicht eingetreten ist. Im vorliegenden Fall könnte keine Erfüllungswirkung eingetreten sein.
a) BGH [21]: Grundsätzlich tritt die Erfüllungswirkung nach der Theorie der realen Leistungsbewirkung als objektive Folge der Leistungsbewirkung ein (vgl. nur BGHZ 186, 269 Rn. 25). Danach wäre mit der Gutschrift der 6.500 Euro bei B dessen Anspruch gemäß § 362 I BGB erloschen und Erfüllungswirkung eingetreten.
b) Jedoch: Bedient sich der Schuldner zur Begleichung seiner Verbindlichkeit eines Zahlungsmittlers, hängt die Erfüllung mit Rücksicht auf die in dem Dreiecksverhältnis stattfindende Drittzahlung ausnahmsweise von der konstitutiven Wirksamkeitsvoraussetzung ab, dass der Schuldner eine entsprechende Tilgungsbestimmung über seinen Zahlungsmittler als Boten oder Vertreter gegenüber seinem Gläubiger verlautbart (vgl. BGH WM 2008, 1703 Rn. 28; …MünchKomm-BGB/Fetzer, 6. Aufl., § 362 Rn. 10, 11; Bamberger/Roth/Dennhardt, BGB, 3. Aufl., § 362 Rn. 12; weitergehend MünchKomm-BGB/Schwab, 6. Aufl., § 812 Rn. 47 ff). Denn wenn der Leistungsempfänger Geld über eine Bank erhält, muss auf der Gutschrift ausdrücklich vermerkt sein, von wem der Betrag stammt und auf welche Verpflichtung geleistet werden soll.
Da die Tilgungsbestimmung zur Folge hat, dass der Betrag endgültig ins Vermögen des Empfängers übergeht, hat sie die gleiche Wirkung wie eine Verfügung und setzt die Verfügungsbefugnis über den Betrag voraus. Die Befugnis, ohne Zustimmung des K über Geld zu verfügen, war S aber seit dem 15. 10. 14:30 Uhr entzogen. S konnte deshalb keine Tilgungsbestimmung mehr treffen. Erfüllung ist nicht eingetreten. BGH [21]: Die Tilgungsbestimmung erfordert infolge ihrer verfügungsähnlichen Wirkung die uneingeschränkte Verfügungsbefugnis des Schuldners (vgl. BGHZ 111, 382, 386; 176, 234 Rn. 16; WM 2010, 473 Rn. 15), die ihm nach Erlass eines Zustimmungsvorbehalts entzogen ist (Bork, Zahlungsverkehr in der Insolvenz, 2002, Rn. 155, 176; Staudinger/ Lorenz, BGB, 2007, § 812 Rn. 51; MünchKomm-BGB/Lieb, 4. Aufl., § 812 Rn. 98; MünchKomm-BGB/Schwab § 812 Rn. 102…). Einen Gutglaubensschutz, den B für sich in Anspruch nimmt, gibt es weder im Hinblick auf die Verfügungsbefugnis der S noch im Hinblick auf einen Eintritt der Erfüllungswirkung.
Konsequenz ist in der Formulierung des BGH: Infolge der Wirksamkeit der Anweisung im Verhältnis zu ihrer Bank liegt eine Leistung der Schuldnerin an den Beklagten als ihren Gläubiger vor, die der Masse gegenüber mangels einer wirksamen Erfüllungszweckbestimmung nach § 81 InsO unwirksam ist und darum an einem Mangel im Valutaverhältnis leidet (vgl. Meyer, Der Bereicherungsausgleich in Dreiecksverhältnissen, 1979, S. 135; 54 f; Putzo, Erfüllung mit Buchgeld und die Haftung der Beteiligten wegen ungerechtfertigter Bereicherung, 1977, S. 233 ff). Fehlt es an einer gültigen Tilgungsbestimmung, entbehrt die in der Überweisung liegende Leistung eines Rechtsgrundes und kann…gemäß § 812 Abs. 1 Satz 1 Fall 1 BGB kondiziert werden.
IV. Damit K die Forderung geltend machen kann, muss sie zur Insolvenzmasse gehören.
1. Nach § 35 I InsO gehört zur Insolvenzmasse „ das gesamte Vermögen, das dem Schuldner zur Zeit der Eröffnung des Verfahrens gehört und das er während des Verfahrens erlangt.“ Danach gehört der Anspruch aus § 812 I 1, den S vor der Eröffnung des Verfahrens am 1. 11. erlangt hat, zur Insolvenzmasse.
2. Nicht zur Insolvenzmasse gehören allerdings die Gegenstände, an denen ein Aussonderungsrecht nach § 47 InsO besteht. Hätte B an dem Betrag von 6.500 Euro ein Aussonderungsrecht, kommt in Betracht, dass er dieses gegenüber der Masseforderung auf Rückzahlung geltend macht. Ob das möglich ist - etwa über eine Aufrechnung oder den dolo petit-Einwand - kann offen bleiben. Denn B hat kein Aussonderungsrecht an den 6.500 Euro. Zwar hat S die Beträge, die letztlich dem B zustanden, für diesen eingezogen, so dass an ein Treuhandvermögen gedacht werden könnte, bei dem der Treugeber unter bestimmten Voraussetzungen das Vermögen aus der Insolvenzmasse aussondern kann. Um ein Treuhandvermögen handelt es sich jedoch nicht, wenn der - mögliche - Treuhänder Geld nicht auf ein gesondertes (Treuhand-, Ander-) Konto einzahlt, sondern es mit eigenem Geld vermischt (BGH vom 10. 2. 2011, IX ZR 49/10, WM 2011, 1201), so wie das im vorliegenden Fall durch die S-GmbH geschehen ist. Somit hat B kein Aussonderungsrecht wegen eines Treuhandverhältnisses.
Die Rückzahlungsforderung aus § 812 I 1 BGB gehört zur Insolvenzmasse und kann von K geltend gemacht werden. Der Anspruch des K gegen B ist begründet.
Zusammenfassung