Bearbeiter: Dr. Gernot Schmalz-Brüggemann

Sachmängel beim Kaufvertrag; Rücktritt nach fehlgeschlagener Nachbesserung, §§ 437 Nr. 2, 440 BGB. Rechtsfolge eines Untergangs der Kaufsache vor Rückabwicklung, § 346 II, III BGB; Wertersatz oder Herausgabe einer Bereicherung. Herausgabe des Ersatzes nach § 285 BGB

BGH
Urteil vom 25. 3. 2015 (VIII ZR 38/14) NJW 2015, 1748


Fall (mangelhaft und ausgebrannt)

K kaufte von der B-GmbH, einem Autohändler, ein fabrikneues Fahrzeug und erhielt dieses nach Zahlung des Kaufpreises übergeben. Es zeigte sich, dass das Auto verschiedene erhebliche Mängel hatte. K brachte es mehrfach in die Werkstatt der B, um die Mängel beseitigen zu lassen, was aber nicht gelang. Nach dem letzten erfolglosen Nachbesserungsversuch erklärte K mit Schreiben vom 22. August den Rücktritt vom Kaufvertrag und verlangte Rückzahlung des Kaufpreises, abzüglich einer Nutzungsentschädigung und Zug um Zug gegen Rückgabe des Autos. Für die Rückabwicklung setzte er eine Frist bis zum 30. August. Am 29. August brannte das Fahrzeug, das sich noch bei K befand, aus einem nicht geklärten Umstand vollständig aus.

K hatte bei der V-AG eine Vollkaskoversicherung abgeschlossen, die den Verlust des Autos durch Brand einschloss. Er erklärte sich bereit, den Anspruch gegen V im Zusammenhang mit der Rückabwicklung des Kaufes an B abzutreten, und gab eine entsprechende Abtretungserklärung gegenüber B ab, die diese annahm. Als die Beteiligten sich an die V-AG wandten, wies diese darauf hin, dass nach ihren - als rechtswirksam anerkannten - Allgemeinen Geschäftsbedingungen die Abtretung von Ansprüchen aus dem Versicherungsvertrag einer Genehmigung der V bedarf. Diese Genehmigung könne nicht erteilt werden, weil die Eintrittspflicht der V noch nicht abschließend geprüft sei. K verlangt von B Rückzahlung des Kaufpreises abzüglich einer Nutzungsentschädigung. B beruft sich darauf, nur zahlen zu müssen, wenn K entweder die Versicherungssumme an sie zahlt oder den Anspruch gegen V rechtswirksam an sie abtritt; beides verweigert K jedoch. Ist der von K geltend gemachte Anspruch auf vorbehaltlose Zahlung berechtigt?

A. K könnte gegen B einen Anspruch auf Rückzahlung des Kaufpreises abzüglich einer Nutzungsentschädigung haben. Anspruchsgrundlage ist die Sachmängelregelung der §§ 434, 437 Nr. 2, 323 I, 440, 346 I BGB.

I. K und B haben einen Kaufvertrag über das Auto geschlossen. Das Auto war mangelhaft i. S. des § 434 BGB.

II. K hatte deshalb ein Rücktrittsrecht nach § 437 Nr. 2 BGB unter den dort genannten Voraussetzungen. Zu diesen gehört zunächst das Verlangen nach einer Nacherfüllung (§ 439 BGB). Ein solches Verlangen hat K gestellt, indem er das Auto mehrfach in die Werkstatt der B gebracht hat. Grundsätzlich sind weiterhin eine Fristsetzung und der erfolglose Ablauf der Frist erforderlich (§ 323 I BGB). Jedoch war im vorliegenden Fall die Fristsetzung nach § 440 BGB entbehrlich, weil die Nachbesserung nach mindestens zwei Versuchen fehlgeschlagen war. Den danach möglichen Rücktritt hat K mit Schreiben vom 22. August erklärt.

III. Folglich kann K nach § 346 I BGB den gezahlten Kaufpreis als erbrachte Leistung von B zurückverlangen. Seiner in derselben Vorschrift normierten Verpflichtung, die gezogenen Nutzungen herauszugeben, kommt K durch Anerkennung und Abzug einer Nutzungsentschädigung für die Nutzung des Autos nach.

B. B könnte einen Gegenanspruch haben, der nach §§ 348, 320 BGB einredeweise geltend gemacht werden kann und der dazu führen würde, dass B nur zur Kaufpreisrückzahlung Zug-um-Zug verurteilt würde. Eine entsprechende Einrede hat B bereits erhoben.

I. Anspruchsgrundlage für einen Gegenanspruch der B kann der wegen des berechtigten Rücktritts des K anwendbare § 346 I BGB sein.

1. Danach hatte K das erlangte Auto an B zurückzugeben. Diese Verpflichtung bestand bis zum 29. 8.

2. Nach dem Brand des Autos am 29. 8. könnte sich der Rückgabeanspruch in einen Wertersatzanspruch umgewandelt haben. Das ist nach § 346 II 1 Nr. 3 BGB der Fall, wenn der empfangene Gegenstand untergegangen ist. Ein vollständiges Ausbrennen ist ein solcher Untergang.

3. Jedoch bestimmt § 346 III 1 Nr. 3 BGB, dass eine Pflicht zum Wertersatz entfällt, wenn im Falle eines gesetzlichen Rücktrittsrechts der Untergang beim zum Rücktritt Berechtigten eingetreten ist und der Berechtigte diejenige Sorgfalt beobachtet hat, die er in eigenen Angelegenheiten anzuwenden pflegt. Dazu Lorenz NJW 2015, 1725 in einer Besprechung der BGH-Entscheidung: Es handelt sich hierbei um das rechtspolitisch umstrittene…„Zurückspringen der Gefahr“ auf den Verkäufer, dessen Rechtfertigung der Gesetzgeber in der objektiven Verantwortlichkeit des Verkäufers für die Mangelhaftigkeit der verkauften Sache sah.

K war Berechtigter aus dem gesetzlichen Rücktrittsrecht nach § 437 Nr. 2 BGB. Bei ihm ist der Untergang des Autos eingetreten. Auch ist davon auszugehen, dass K im Hinblick auf das Auto die Sorgfalt beobachtet hat, die er sonst in seinen Angelegenheiten anzuwenden pflegt. Somit schuldet K keinen Wertersatz; einen dahingehenden Gegenanspruch aus § 346 I BGB hat B nicht.

4. § 346 III 2 BGB bestimmt im Anschluss an die Regelung, wonach ein Wertersatz entfällt: Eine verbleibende Bereicherung ist herauszugeben. BGH [16] Gemäß § 346 Abs. 3 Satz 2 BGB, der eine Rechtsfolgenverweisung auf das in §§ 812 ff. BGB geregelte Bereicherungsrecht enthält (BGHZ 174, 290 Rn. 16 m. w. N.), hat der Rückgewährschuldner, der nach § 346 Abs. 3 Satz 1 BGB keinen Wertersatz nach § 346 Abs. 2 BGB zu leisten hat, eine verbleibende Bereicherung herauszugeben… MüKo/Gaier, 6. Aufl. 2012, § 346 Rdnr. 58 bringt hierfür als Beispiel: Findet der Gast im Restaurant erst am Ende des Essens die Schnecke im Salat und tritt er deshalb von der Bestellung zurück, muss er dafür, dass er bereits gesättigt ist, die Kosten für eine (bescheidene) Mahlzeit als Bereicherung erstatten. Auch im vorliegenden Fall könnte bei K eine Bereicherung verblieben sein.

a) Dass § 346 III 2 eine bloße Rechtsfolgeverweisung auf das Bereicherungsrecht ist, erspart nicht die Prüfung, ob und um welchen Gegenstand K bereichert ist, weil nur dann „eine verbleibende Bereicherung“ vorliegt. BGH [19] Erlangt im Sinne des hier anwendbaren § 346 Abs. 3 Satz 2 BGB ist etwas, wenn es sich aufgrund des Bereicherungsvorgangs im Vermögen des Bereicherten konkret manifestiert und dadurch eine Verbesserung seiner Vermögenslage eintritt (BGHZ 55, 128, 131; Palandt/Sprau, BGB, 74. Aufl. § 812 Rn. 8). Eine Verbesserung der Vermögenslage des K wäre eine gezahlte Versicherungssumme oder eine Anerkennung der Eintrittspflicht durch die Versicherung. Beides liegt jedoch nicht vor.

b) Ein noch im Prüfungsstadium befindlicher und wegen der verweigerten Genehmigung derzeit nicht abtretbarer Anspruch des Klägers auf Zahlung einer Versicherungsleistung stellt keine herausgabefähige Bereicherung im Sinn des § 346 Abs. 3 Satz 2 BGB dar. Auf etwaige Ansprüche, die der Beklagten gegen den Kläger erst in Zukunft dadurch erwachsen könnten, dass die Versicherung des Klägers den Anspruch auf die Versicherungsleistung feststellt oder den festgestellten Betrag auszahlt, kann ein Zurückbehaltungsrecht nicht gestützt werden… Aus dem Sinn und Zweck des § 348 BGB ergibt sich nichts anderes. Insbesondere lässt sich aus dieser Vorschrift nichts dafür herleiten, dass ein Rückgewährschuldner, der (wie der Kläger) die untergegangene Kaufsache nicht herausgeben kann, die Last der Auseinandersetzung mit seiner Versicherung zu tragen habe und durch ein Zurückbehaltungsrecht dazu anzuhalten sei, die Regulierung des Schadens durch die Kaskoversicherung zu erstreiten. Denn § 346 Abs. 3 Satz 2 BGB erlegt dem Rücktrittsschuldner nur die Herausgabe einer bereits herausgabefähig vorhandenen Bereicherung auf, verpflichtet ihn aber nicht dazu, etwa durch eine auf eigenes Risiko und eigene Kosten erhobene Klage, eine - sodann herauszugebende - Bereicherung erst herbeizuführen. (Zustimmend hierzu Lorenz NJW 2015, 1726.)

c) Somit hat K nichts erlangt, das er nach § 346 III 2 BGB herauszugeben hätte. B hat keinen Bereicherungsanspruch, den er dem Anspruch des K aus § 346 I BGB nach §§ 348, 320 BGB einredeweise entgegenhalten könnte.

II. Eine weitere Anspruchsgrundlage für B, die ihm eine Einrede ermöglichen würde, könnte sich daraus ergeben, dass nach dem erklärten Rücktritt durch K ein Rückgewährschuldverhältnis (auch) bezüglich des Autos entstanden ist, dessen Erfüllung für K aber unmöglich geworden ist, und dass K zur Herausgabe des Anspruchs gegen die V-Versicherung als Surrogat verpflichtet ist (§§ 346 I, 275 I, 285 BGB).

1. Wie ausgeführt (B I), war K nach seinem Rücktritt vom Kaufvertrag zur Rückgabe des Autos verpflichtet.

2. Die Erfüllung dieser Verpflichtung ist K als Folge des Ausbrennens des Autos unmöglich geworden, so dass die Rückgabepflicht dadurch erloschen ist (§ 275 I BGB). Außerdem ist die an sich nach § 346 II BGB bestehende Wertersatzpflicht nach § 346 III BGB entfallen.

3. Nach § 285 I BGB kann der Gläubiger Herausgabe eines Ersatzes verlangen, den der Schuldner infolge des Umstands, aufgrund dessen er die Leistung wegen Unmöglichkeit nicht zu erbringen braucht, erlangt hat. Dieser Ersatz wird auch als (schuldrechtliches) Surrogat oder als stellvertretendes commodum bezeichnet.

a) § 285 BGB ist auch auf gesetzliche Schuldverhältnisse anwendbar (MüKo/Emmerich, 6. Aufl. 2012, § 285 Rdnr. 11; Palandt/Grüneberg, 74. Aufl. 2015, § 285 Rdnr. 3), auch auf das Rückgewährschuldverhältnis nach § 346 BGB (h. M., Lorenz NJW 2015, 1727/8 m. w. N. Fn. 15). Nach Palandt a. a. O. unter Bezugnahme auf BGHZ 129, 103 erfasst die Vorschrift auch den Fall, dass die nach einem Rücktritt untergegangene Kaufsache versichert ist. Allerdings ist die Frage der Anwendbarkeit des § 285 BGB auf das Rückgewährschuldverhältnis umstritten (Lorenz a. a. O.), weshalb der BGH ihre Beantwortung offen gelassen hat und auch offen lassen konnte.

b) Denn die Überlegungen oben I 4 b) stehen auch einer Anwendung des § 285 BGB entgegen. BGH [22] Nach § 285 BGB hätte der Kläger nur dasjenige herauszugeben, was er infolge der Unmöglichkeit, das durch Brand zerstörte Fahrzeug zurückzugeben, erlangt hat. Wie bereits ausgeführt, hat der Kläger aber von der Versicherung weder eine Zahlung erhalten noch hat diese ihre Eintrittspflicht anerkannt. Dass der Kläger künftig - etwa dadurch, dass die Versicherung den Anspruch feststellt und dieser abtretbar wird - etwas erlangen könnte, dessen Herausgabe die Beklagte sodann verlangen könnte, ist, unerheblich, da ein Zurückbehaltungsrecht nicht auf Ansprüche gestützt werden kann, die noch gar nicht entstanden sind.

Somit hat B keinen Gegenanspruch aus § 285 BGB. §§ 346 I, 275 I, 285 I BGB greifen nicht zugunsten der B ein.

III. Da B keinen Gegenanspruch hat, bleibt es bei einem vorbehaltlosen Anspruch des K aus §§ 434, 437 Nr. 2, 323 I, 440, 346 I BGB auf Rückzahlung des Kaufpreises abzüglich einer Nutzungsentschädigung. Der von K geltend gemachte Anspruch ist begründet.


Zusammenfassung