Bearbeiter: Dr. Gernot Schmalz-Brüggemann

Datenschutzrecht: Anwendungsbereich des Bundesdatenschutzgesetzes (§ 1 BDSG); Zulässigkeit der Datenspeicherung (§§ 4, 29 BDSG); Löschungsanspruch (§ 35 BDSG). Schutzwürdigkeit des Betroffenen nach § 29 I Nr. 1 BDSG. Abwägung in Anwendung der Grundrechte auf Schutz der informationellen Selbstbestimmung, der Meinungsfreiheit und der Berufsfreiheit. Telemediengesetz: §§ 10, 41, 12 II, 14 II TMG, insbesondere Nichtverantwortlichkeit des Providers für fremde Inhalte und Gebot zur Zweckbindung von Daten. Auskunftsanspruch eines durch eine anonyme Bewertung im Internet Betroffenen gegen den Provider über die Identität des Bewerters


AUSGANGSFALL

BGH Urteil vom 23. 9. 2014 (VI ZR 358/13) NJW 2015, 489 (für BGHZ vorgesehen)

Fall (Ärztebewertungsportal - jameda)

Die B-GmbH betreibt unter der Internetadresse www.jameda.de ein Portal für die Suche und Bewertung von Ärzten. Sie stellt als Basisdaten ein: den Namen des Arztes, Praxisanschrift, Fachrichtung, akademischer Grad und Sprechzeiten. Die Bewertungen werden von Nutzern eingegeben, die dabei ein Notenschema verwenden und einen Freitext schreiben können. Die Abgabe einer Bewertung erfordert eine vorherige Registrierung, bei der die Angabe einer E-Mail-Adresse erforderlich ist. Von B wird überprüft, ob der sich Registrierende Zugriff auf die Adresse hat. Der wirkliche Name (Klarname) braucht nicht angegeben zu werden, so dass Bewertungen anonym möglich sind. Zur Verhinderung von Bewertungen ohne realen Hintergrund und Mehrfachbewertungen setzt B Schutzmechanismen ein, die allerdings nicht lückenlos sind. Hält der Bewertete den Eintrag für unzulässig, kann er sich mittels einer Schaltfläche an B wenden und eine Löschung verlangen.

Dr. med. A ist freiberuflich praktizierender Gynäkologe, dessen Daten von B in das Portal eingestellt wurden und der mehrfach bewertet worden ist. Einen Antrag auf Löschung einer Bewertung hat er bisher nicht gestellt. Er hält es aus Gründen des Datenschutzes für grundsätzlich unzulässig, dass seine Daten ohne seine Zustimmung im Internet eingestellt worden sind. Insbesondere sei es für ihn unzumutbar, ständig diverse Portale daraufhin kontrollieren zu müssen, wie er dort vorgestellt wird. Er verlangt von B Löschung seiner Daten und Unterlassung einer erneuten Verwendung der Daten durch Einstellung in das Portal. Sind die Ansprüche begründet?

ABWANDLUNG

BGH
Urteil vom 1. 7. 2014 (VI ZR 345/13) NJW 2014, 2651 - Sanego (für BGHZ vorgesehen)

In diesem Fall war für die Bewertung in dem Portal eine Registrierung nicht erforderlich. B konnte die Nutzer aber über ihre E-Mail-Adressen identifizieren. Dr. A stellte fest, dass ein Nutzer unwahre und herabsetzende Behauptungen über ihn in das Portal eingestellt hat, u. a. die unwahre Behauptung, A habe eine Schilddrüsenüberfunktion nicht erkannt. Auf Antrag des A wurde die Eintragung gelöscht. Kurz darauf wurden die Behauptungen erneut eingestellt und auf Antrag des A wiederum gelöscht. Als die Behauptungen wiederholt eingestellt wurden, verlangte A von B Auskunft über die bei ihr vorliegenden und eine Identifizierung des Nutzers ermöglichenden Daten. Zu Recht?

LÖSUNGSVORSCHLAG FÜR DEN AUSGANGSFALL

A. Anspruch auf Löschung

I. Nach § 35 II 2 Nr. 1 Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) sind p ersonenbezogene Daten zu löschen, wenn ihre Speicherung unzulässig ist. Hierfür müsste zunächst das BDSG anwendbar sein.

1. Es sind die positiven Anwendbarkeitsvoraussetzungen zu prüfen.

a) Nach § 1 II BDSG ist der sachliche Anwendungsbereich des BDSG eröffnet, wenn ein Erheben, Verarbeiten oder Nutzen personenbezogener Daten vorliegt. Die von B in das Portal eingestellten Basisdaten über A sind personenbezogene Daten i. S. des § 3 I BDSG. Sie werden von B erhoben, verarbeitet, übermittelt und damit genutzt (§ 3 III, IV Nr. 1, 3 b BDSG). Somit ist der sachliche Anwendungsbereich des BDSG nach dessen § 1 II eröffnet.

b) Normadressaten des BDSG sind nach § 1 II BDSG „öffentliche Stellen“ - insoweit enthält das BDSG Verwaltungsrecht - und „nicht-öffentliche Stellen“. Darunter fallen nach § 2 IV BDSG natürliche und juristische Personen, Gesellschaften und andere Personenvereinigungen des privaten Rechts; insoweit enthält das BDSG Privatrecht. Die B-GmbH ist eine Gesellschaft und somit nach §§ 1 II, 2 IV BDSG Normadressatin. Die positiven Anwendungsvoraussetzungen für das BDSG sind erfüllt.

2. Im Hinblick auf die Vorschriften über die Zulässigkeit einer Datenspeicherung und über die Löschung unzulässig gespeicherter Daten könnte ein Anwendungsausschluss eingreifen.

a) B betreibt einen elektronischen Informationsdienst und fällt deshalb unter das Telemediengesetz (TMG). Nach § 10, 1 TMG sind Diensteanbieter (Provider) für fremde Inhalte nicht verantwortlich, wenn sie keine Kenntnis von der Rechtswidrigkeit der Information haben, die Information auch nicht offensichtlich rechtswidrig ist oder wenn sie diese unverzüglich sperren, sobald sie Kenntnis von deren Rechtswidrigkeit erlangen. Dazu BGHZ 181, 328 - spickmich.de, unter [14] § 10 TMG betrifft lediglich die strafrechtliche Verantwortlichkeit und die Schadensersatzhaftung des Diensteanbieters (…). Dies ergibt sich aus der Regelung in § 7 Abs. 2 Satz 2 TMG, wonach die Verpflichtungen zur Entfernung und Sperrung der Nutzung von Informationen nach den allgemeinen Gesetzen auch im Falle der Nichtverantwortlichkeit des Diensteanbieters nach den §§ 8 bis 10 TMG unberührt bleiben. Somit bleiben auch im vorliegenden Fall die von A geltend gemachten Ansprüche auf Löschung und Unterlassung von § 10 TMG unberührt.

b) Es könnte das datenschutzrechtliche Medienprivileg der §§ 41 I BDSG, 57 I 1 Rundfunkstaatsvertrag (RStV) einer Anwendung von Vorschriften des BDSG entgegenstehen. BGHZ 181, 328 [20,21] Das Medienprivileg stellt die Presse, auch die elektronische Presse, von der Einhaltung der Datenschutzvorschriften weitgehend frei, denn ohne die Erhebung, Verarbeitung und Nutzung personenbezogener Daten auch ohne Einwilligung der jeweils Betroffenen wäre journalistische Arbeit nicht möglich…Jedoch ist die sich aus § 41 Abs. 1 BDSG ergebende datenschutzrechtliche Sonderstellung der Medien daran gebunden, dass die Erhebung, Verarbeitung und Nutzung personenbezogener Daten einer pressemäßigen Veröffentlichung dient. Erforderlich ist, dass die Daten ausschließlich für eigene journalistisch-redaktionelle oder literarische Zwecke bestimmt sind. Das Vorliegen dieser Voraussetzung hatte der BGH in der spickmich-Entscheidung BGHZ 181, 328, in der es um die Zulässigkeit einer Lehrerbewertung ging, verneint, weil dort lediglich die Zahl der abgegebenen Bewertungen erfasst und ein arithmetisches Mittel aus den abgegebenen Noten errechnet wurde. Auch im vorliegenden Fall kann nach BGH [13] nicht festgestellt werden, dass eine journalistisch-redaktionelle Bearbeitung der Bewertungen erfolgt (…).

Somit greift kein Ausschlussgrund ein. Das BDSG ist anwendbar.

II. § 35 II 2 Nr. 1 BDSG hat zur Voraussetzung, dass die Speicherung der Daten unzulässig ist.

1. Nach § 4 I 1 BDSG sind d ie Erhebung, Verarbeitung und Nutzung personenbezogener Daten nur zulässig, soweit dieses Gesetz oder eine andere Rechtsvorschrift dies erlaubt oder anordnet oder der Betroffene eingewilligt hat. Darüber hinaus sind nach § 4 II personenbezogene Daten beim Betroffenen zu erheben. Ohne seine Mitwirkung dürfen sie nach § 4 II Nr. 1 nur erhoben werden, wenn eine Rechtsvorschrift dies vorsieht oder zwingend voraussetzt.

2. Eine Rechtsvorschrift, die die Erhebung und Speicherung der Daten ohne die Einwilligung des A und ohne dessen Mitwirkung gestattet, könnte sich aus §§ 27 ff. BDSG ergeben. §§ 27 ff. BDSG finden nach § 27 I Nr. 1 Anwendung, wenn personenbezogene Daten von nicht-öffentlichen Stellen unter Einsatz von Datenverarbeitungsanlagen verarbeitet, genutzt oder dafür erhoben werden. Die Basisdaten über Ärzte und die von den Nutzern eingegebenen Informationen können nur durch den Einsatz von EDV-Anlagen aufbereitet und zum öffentlichen Zugriff bereitgestellt werden. §§ 27 ff. sind somit anwendbar.

3. Vorschriften, nach denen der Umgang mit Daten durch EDV-Anlagen für zulässig erklärt wird, sind § 28 und § 29 BDSG.

a) BGH [15,16] Entscheidend für die Abgrenzung von § 28 BDSG und § 29 BDSG ist der vom privatwirtschaftlichen Datenverarbeiter verfolgte Zweck. Erfolgt die Datenverarbeitung „als Mittel für die Erfüllung eigener Geschäftszwecke", ist sie also lediglich Hilfsmittel zur Erfüllung bestimmter anderer, eigener Zwecke der datenverarbeitenden Stelle (Gola/Schomerus, BDSG, 11. Aufl., § 28 Rn. 4), beurteilt sich ihre Zulässigkeit nach § 28 BDSG (vgl. BGHZ 181, 328 Rn. 24). Werden die Daten hingegen geschäftsmäßig „zum Zwecke der Übermittlung" verarbeitet, ist also die Datenübermittlung selbst eigentlicher Geschäftsgegenstand (…), gilt § 29 BDSG. Im vorliegenden Fall stellt B die über Ärzte gespeicherten personenbezogenen Informationen der streitgegenständlichen Art - also die Basisdaten, Noten und Freitextkommentare - Nutzern zum Abruf zur Verfügung. Unmittelbarer Zweck des Portalbetriebs und mithin Gegenstand der Tätigkeit der B ist also die Übermittlung dieser Daten an Nutzer des Portals…Weil die Tätigkeit auf Wiederholung gerichtet und auf eine gewisse Dauer angelegt ist, erfolgen Datenerhebung und Datenspeicherung - wie für die Anwendung des § 29 BDSG erforderlich - auch geschäftsmäßig. Somit ist im vorliegenden Fall der die g eschäftsmäßige Datenerhebung und -speicherung zum Zweck der Übermittlung regelnde § 29 BDSG anwendbar.

b) § 29 I BDSG regelt die Zulässigkeit des Umgangs mit Daten durch die nebeneinander stehenden Nrn. 1 - 3. BGH [23] Den Prüfungsmaßstab bestimmt einheitlich die Regelung des § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BDSG. Zwar wurden die sogenannten Basisdaten unstreitig allgemein zugänglichen Quellen entnommen. Bei isolierter Betrachtung wäre die Zulässigkeit ihrer Speicherung deshalb nach der - im Vergleich zu § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BDSG weniger strengen - Vorschrift des § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BDSG zu beurteilen. Die Umstände des Streitfalls erfordern aber eine Würdigung im Zusammenhang mit der Speicherung der Bewertungen, weil nur die gemeinsame Verwendung der Daten den von B verfolgten Zweck erfüllt.

4. Somit ist das Erheben, Speichern und Nutzen der Daten durch B nach § 29 I Nr. 1 BDSG zulässig, wenn kein Grund zu der Annahme besteht, dass der Betroffene ein schutzwürdiges Interesse an dem Ausschluss der Erhebung, Speicherung oder Veränderung hat. BGH [24] Der wertausfüllungsbedürftige Begriff des „schutzwürdigen Interesses" verlangt eine Abwägung des Interesses des Betroffenen an dem Schutz seiner Daten und des Stellenwerts, den die Offenlegung und Verwendung der Daten für ihn hat, mit den Interessen der Nutzer, für deren Zwecke die Speicherung erfolgt, unter Berücksichtigung der objektiven Wertordnung der Grundrechte (…). [25] Im Streitfall hat eine Abwägung zwischen dem Schutz des Rechts des A auf informationelle Selbstbestimmung nach Art. 2 Abs. 1, Art. 1 Abs. 1 GG… auf der einen Seite und dem Recht der B auf Kommunikationsfreiheit nach Art. 5 Abs. 1 GG… auf der anderen zu erfolgen, bei der auch die mittelbare Drittwirkung des beiden Parteien zustehenden Grundrechts aus Art. 12 Abs. 1 GG zu berücksichtigen ist. Sämtliche dieser Rechte wirken auf die Auslegung des unbestimmten Rechtsbegriffs „schutzwürdiges Interesse“ ein und sind deshalb Grundrechte mit Drittwirkung im Privatrecht.

III. Diese Abwägung ist mit BGH [26-42] wie folgt vorzunehmen.

1. Zunächst ist näher zu bestimmen, in welchen Rechtspositionen die Beteiligten betroffen sind, was also die Abwägungselemente sind, wobei auch schon eine Gewichtung dieser Betroffenheit erfolgen kann.

a) Zur Betroffenheit des A:

aa) Die Aufnahme des A in das Bewertungsportal berührt zuvörderst sein Recht auf informationelle Selbstbestimmung, das die Befugnis des Einzelnen umfasst, grundsätzlich selbst darüber zu bestimmen, ob, wann und innerhalb welcher Grenzen seine persönlichen Daten in die Öffentlichkeit gebracht werden (…).

bb) Betroffen ist A darüber hinaus in seinem von Art. 12 Abs. 1 GG geschützten Recht auf freie Berufsausübung (…). Der Schutzbereich umfasst jede Tätigkeit, die mit der Berufsausübung zusammenhängt und dieser dient, mithin auch die Außendarstellung von selbständig Berufstätigen, soweit sie auf die Förderung des beruflichen Erfolgs gerichtet ist (vgl. BVerfGE 85, 248, 256; NJW-RR 2007, 1048 f.). Das Grundrecht schützt dabei zwar nicht vor der Verbreitung zutreffender und sachlich gehaltener Informationen am Markt, die für das wettbewerbliche Verhalten der Marktteilnehmer von Bedeutung sein können, selbst wenn sich die Inhalte auf einzelne Wettbewerbspositionen nachteilig auswirken (…). Die Aufnahme in das Bewertungsportal der B geht aber darüber hinaus. Sie zwingt den aufgenommenen Arzt dazu, sich in dem von B vorgegebenen (engen) Rahmen einer breiten Öffentlichkeit präsentieren zu lassen sowie sich - unter Einbeziehung von Bewertungen medizinisch unkundiger Laien - einem Vergleich mit anderen im Portal aufgeführten Ärzten zu stellen, und kann erhebliche Auswirkungen auf seine beruflichen Chancen und seine wirtschaftliche Existenz haben.

b) Zur Betroffenheit der B:

aa) Zugunsten der B ist in die Abwägung das - ihr als juristischer Person des Privatrechts zustehende (…) - Recht auf Kommunikationsfreiheit nach Art. 5 Abs. 1 GG einzustellen (…). Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG schützt auch den Kommunikationsprozess als solchen. Deshalb kann die Mitteilung einer fremden Meinung oder Tatsachenbehauptung selbst dann in den Schutzbereich des Grundrechts fallen, wenn der Mitteilende sich diese weder zu eigen macht noch sie in seine eigene Stellungnahme einbindet (…). Ein Bewertungsportal, wie es B betreibt, macht den Austausch über Behandlungserfahrungen bei konkreten Ärzten unter nicht persönlich miteinander bekannten Personen erst möglich. B ist insoweit als Portaltalbetreiberin „unverzichtbare Mittlerperson" (so Schröder VerwArch 2010, 205, 214).… Im Übrigen ist auch die Meinungs- und Informationsfreiheit der Portalnutzer berührt. Das Grundrecht der Meinungsfreiheit hat nach BVerfG und BGH für die Abwägung in solchen Fällen eine „überragende Bedeutung“ (so Kühling NJW 2015, 447 in einer Besprechung des Falles auf S. 448).

bb) Durch eine Pflicht zur Löschung von Einträgen in ihrem Bewertungsportal würde B darüber hinaus in der Ausübung ihres Gewerbes beschränkt und damit im Schutzbereich der auch ihr als juristischer Person des Privatrechts zustehenden Berufsausübungsfreiheit (Art. 12 I GG) betroffen.

2. Beim nunmehr anstehenden Abwägungsvorgang sind die betroffenen Rechtspositionen zu bewerten und zu vergleichen, und es ist zu entscheiden, welche Rechtspositionen überwiegen. Dabei legt BGH [30] zugrunde, dass ein den Löschungsanspruch des A über § 29 I Nr. 1 BDSG begründendes schutzwürdiges Interesse voraussetzt, dass sein Interesse überwiegt, so dass bei gleicher Gewichtigkeit der beiderseitigen Interessen ein schutzwürdiges Interesse des A zu verneinen ist.

a) Im Ausgangspunkt ist festzustellen, dass ein Arzt durch seine Aufnahme in das von B betriebene Ärztebewertungsportal nicht nur unerheblich belastet ist. Bei der Bewertung von Ärzten in dem von B betriebenen Portal handelt es sich - anders als bei den Bewertungen von Lehrkräften auf dem Schülerportal, das Gegenstand des Urteils BGHZ 181, 328 war - nicht nur um „substanzarme", den Betroffenen in seiner Person und in seiner beruflichen Entwicklung nur mäßig beeinträchtigende Daten. Denn die Bewertungen können nicht nur erhebliche Auswirkungen auf den sozialen und beruflichen Geltungsanspruch eines Arztes haben. Sie können auch die Arztwahl behandlungsbedürftiger Personen beeinflussen, sich dadurch unmittelbar auf die Chancen des Arztes im Wettbewerb mit anderen Ärzten auswirken und damit im Falle von negativen Bewertungen sogar seine berufliche Existenz gefährden… Auch ist nicht ausgeschlossen, dass Bewerter das Portal missbrauchen. So besteht aufgrund der den Nutzern von B eingeräumten Möglichkeit, Bewertungen auch im Freitext zu verfassen, die Gefahr, dass über das Portal unwahre, beleidigende oder sonst unzulässige Aussagen bezüglich eines Arztes ins Netz gestellt werden. Diese Gefahr wird dadurch verstärkt, dass Bewertungen verdeckt abgegeben werden können.


b) Allerdings berühren die von B erhobenen und gespeicherten Informationen den A nur in seiner Sozialsphäre. Die Bewertungen betreffen die berufliche Tätigkeit des A, also einen Bereich, in dem sich die persönliche Entfaltung von vornherein im Kontakt mit der Umwelt vollzieht. Nach dem von der Rechtsprechung im Hinblick auf die Eigenart des allgemeinen Persönlichkeitsrechts als eines Rahmenrechts entwickelten Konzept abgestufter Schutzwürdigkeit bestimmter Sphären schützt das allgemeine Persönlichkeitsrecht zwar auch im Bereich der Sozialsphäre das Recht auf Selbstbestimmung bei der Offenbarung von persönlichen Lebenssachverhalten. Der Schutz ist aber geringer als bei Daten, die etwa der Intim- oder Geheimsphäre zuzuordnen sind. Im Bereich der Sozialsphäre muss sich der Einzelne wegen der Wirkungen, die seine Tätigkeit hier für andere hat, von vornherein auf die Beobachtung seines Verhaltens durch eine breitere Öffentlichkeit und auf Kritik an seinen Leistungen einstellen (…). Äußerungen im Rahmen der Sozialsphäre dürfen nur im Falle schwerwiegender Auswirkungen auf das Persönlichkeitsrecht mit negativen Sanktionen verknüpft werden, so etwa dann, wenn eine Stigmatisierung, soziale Ausgrenzung oder Prangerwirkung zu besorgen sind (…). Dies steht im Streitfall nicht in Rede.

c) Im Übrigen ist A den oben dargestellten Gefahren des Bewertungsportals nicht schutzlos ausgeliefert. Insbesondere kann er unwahren Tatsachenbehauptungen und beleidigenden oder sonst unzulässigen Bewertungen dadurch begegnen, dass er sich unter Bezugnahme auf den jeweiligen Eintrag an B wendet und dort die Beseitigung des Eintrags verlangt… Weist B die Forderung zurück, kann A die B…gerichtlich, ggf. auch im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes, in Anspruch nehmen.

d) Wie oben bei b) aa) bereits ausgeführt wurde hat die Meinungsfreiheit der B erhebliches Gewicht bei der Abwägung. Hinzu kommt das Interesse, das die Öffentlichkeit an Informationen über ärztliche Dienstleistungen hat. Personen, die ärztliche Leistungen in Anspruch nehmen wollen, können den Arzt grundsätzlich frei wählen. Das von B betriebene Portal kann dazu beitragen, dem Patienten die aus seiner Sicht hierfür erforderlichen Informationen zur Verfügung zu stellen.

Der grundsätzlichen Eignung des Portals, zu mehr Leistungstransparenz im Gesundheitswesen beizutragen, steht nicht entgegen, dass die in das Bewertungsportal eingestellten Bewertungen typischerweise nicht von Fachleuten herrühren und subjektiv geprägt sind….Eine sinnvolle Ergänzung der bisherigen Informationsquellen kann das Angebot der B trotzdem sein. Die subjektive Einschätzung, die in den Bewertungen zum Ausdruck kommt, kann anderen Personen Hilfestellung bei der Entscheidung geben, welcher Arzt - insbesondere bezüglich der äußeren Umstände der Behandlung wie etwa der Praxisorganisation - den Anforderungen für die gewünschte Behandlung und auch den persönlichen Präferenzen am besten entspricht.

e) Dass Bewertungen im von B betriebenen Portal anonym abgegeben werden können, führt nicht dazu, dass das Interesse des A an der Löschung der Daten dasjenige der B an der Speicherung überwöge. Wie oben dargestellt, sind die bewerteten Ärzte und damit auch A hierdurch nicht schutzlos gestellt. Die anonyme Nutzung ist dem Internet zudem immanent. (Kritisch hierzu Kühling NJW 2015, 448; im Ergebnis stimmt Kühling dem BGH aber zu.) Die Möglichkeit, Bewertungen auch anonym abgeben zu können, erlangt im Falle eines Ärztebewertungsportals besonderes Gewicht. Denn häufig wird die Bewertung eines Arztes mit der Mitteilung sensibler Gesundheitsinformationen, etwa über den Grund der Behandlung oder die Art der Therapie, verbunden sein. Wäre die Abgabe einer Bewertung nur unter Offenlegung der Identität möglich, bestünde hier ganz besonders die Gefahr, dass eigentlich bewertungswillige Patienten im Hinblick darauf von der Abgabe einer Bewertung absehen.

3. Somit überwiegen die Interessen des A die der B und der Öffentlichkeit nicht. A ist also nicht (überwiegend) schutzwürdig. Die Datenverwendung durch B ist nach § 29 BDSG zulässig. Ein Löschungsanspruch nach § 35 II 2 Nr. 1 BDSG besteht nicht.

B. Der Unterlassungsanspruch

Es kann die Ansicht vertreten werden, der Unterlassungsanspruch sei schon deshalb nicht begründet, weil eine erneute Verwendung der Daten durch Einstellung in das Portal, deren Unterlassung A verlangt, nicht droht. Denn wegen des Nichtbestehens eines Löschungsanspruchs bleiben die Daten im Portal, so dass kein Grund besteht, sie erneut einzustellen. Der BGH ist dieser Überlegung aber nicht nachgegangen, sondern hat den Unterlassungsanspruch eigenständig behandelt. Dem folgt die nachfolgende Prüfung.

I. Anspruchsgrundlage ist nach BGH [44] § 823 Abs. 2, § 1004 BGB analog in Verbindung mit § 4 Abs. 1 BDSG. Es handelt sich um einen sog. quasinegatorischen Unterlassungsanspruch. Voraussetzung ist ein Verstoß der B gegen ein Schutzgesetz. Schutzgesetz ist § 4 BDSG, der eine datenschutzrelevante Handlung im Interesse des Inhabers der Daten für unzulässig erklärt.

II. Datenschutzrelevante Handlung, deren Unterlassung A verlangt, ist nach BGH [44] das Übermitteln der Daten des A durch B an die abfragenden Nutzer. Dieses ist nach § 4 BDSG ohne Einwilligung des Betroffenen nur zulässig, wenn ein Gesetz es erlaubt. Nach § 29 II BDSG ist die Übermittlung zulässig, wenn 1. der Dritte, dem die Daten übermittelt werden, ein berechtigtes Interesse an ihrer Kenntnis glaubhaft dargelegt hat und 2. kein Grund zu der Annahme besteht, dass der Betroffene ein schutzwürdiges Interesse an dem Ausschluss der Übermittlung hat. Dazu BGH [45]

1. In Bezug auf Bewertungsportale im Internet ist die Vorschrift nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats (BGHZ 181, 328 Rn. 42 f.…) verfassungskonform dahin auszulegen, dass die Zulässigkeit der Übermittlung der Daten an die abfragenden Nutzer aufgrund einer Gesamtabwägung zwischen dem Persönlichkeitsrecht des Betroffenen einerseits und dem Informationsinteresse desjenigen, dem die Daten über das Internet übermittelt werden, andererseits beurteilt werden muss….Der vom Wortlaut der Vorschrift verlangten glaubhaften einzelfallbezogenen Darlegung des berechtigten Interesses am Abruf bedarf es hingegen nicht.

2. BGH [46] Im Streitfall fällt die danach vorgesehene Abwägung zugunsten der B und ihrer Nutzer aus. Dies ergibt sich aus denselben Erwägungen, die auch die Speicherung der streitgegenständlichen Daten zum Zwecke ihrer Übermittlung als zulässig erscheinen lassen.

Folglich ist die Übermittlung zulässig. B verstößt gegen kein Schutzgesetz. A hat auch keinen Unterlassungsanspruch.

LÖSUNGSVORSCHLAG FÜR DIE ABWANDLUNG: Anspruch des A gegen B auf Auskunft

I. Zur Anspruchsgrundlage BGH [7,8] Nach dem Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) besteht eine Auskunftspflicht bei jedem Rechtsverhältnis, dessen Wesen es mit sich bringt, dass der Berechtigte in entschuldbarer Weise über Bestehen oder Umfang seines Rechts im Ungewissen und der Verpflichtete in der Lage ist, unschwer die zur Beseitigung dieser Ungewissheit erforderlichen Auskünfte zu erteilen (st. Rspr. seit BGHZ 10, 385, 386 f.; in jüngerer Zeit etwa BGHZ 196, 207 Rn. 30;…). Für die erforderliche besondere rechtliche Beziehung zwischen Berechtigtem und Verpflichtetem genügt ein gesetzliches Schuldverhältnis (BGHZ 95, 274, 279 - GEMA-Vermutung I; BGHZ 95, 285, 288 - GEMA-Vermutung II; BGHZ 125, 322, 331 - Cartier-Armreif;… BGHZ 149, 165, 175). In der Rspr. des BGH ist zudem anerkannt, dass der Berechtigte unter den vorstehend genannten Voraussetzungen auch die Nennung der Namen Dritter zur Ermittlung der Quelle der Rechtsbeeinträchtigung verlangen kann…(BGHZ 148, 26, 30 m. w. N. - Entfernung der Herstellungsnummer II; BGH NJW 2010, 2213 Rn. 35 - Oracle).


a) Es müsste ein Rechts- bzw. Schuldverhältnis bestehen. A konnte sowohl von dem für ihn anonymen Nutzer als auch von B Unterlassung der Behauptung der unwahren und für ihn nachteiligen Tatsachen, u. a. wegen einer Schilddrüsenerkrankung, verlangen. Anspruchsgrundlage sind §§ 823 I (Persönlichkeitsrecht), 1004 I 2 BGB analog. (Nach Peifer NJW 2014, 3068 in einer Besprechung des Falles tritt § 824 BGB an die Stelle des § 823.) B ist verantwortlicher Störer, weil ihm die Unrichtigkeit der Behauptungen inzwischen bekannt ist (vgl. BGH NJW 2013, 2348, Autocompletefunktion; Peifer NJW 2014, 3068). Dabei handelt es sich um ein gesetzliches Schuldverhältnis.

b) A ist in entschuldbarer Weise über das Bestehen seines Anspruchs gegen den anonymen Nutzer im Ungewissen, weil er diesen nicht kennt und deshalb nicht in Anspruch nehmen kann. B kann diese Auskunft unschwer erteilen.

II. Da B unter das Telemediengesetz fällt, könnte § 12 II TMG den Auskunftsanspruch ausschließen. BGH [9] Nach dem Gebot der engen Zweckbindung des § 12 Abs. 2 TMG (…) dürfen für die Bereitstellung von Telemedien erhobene personenbezogene Daten für andere Zwecke nur verwendet werden, soweit eine Rechtsvorschrift dies erlaubt oder der Nutzer - was hier nicht in Rede steht - eingewilligt hat. Ein Verwenden im Sinne des § 12 Abs. 2 TMG stellt auch die Übermittlung der Daten an Dritte dar (…). Eine Erlaubnis durch Rechtsvorschrift kommt außerhalb des Telemediengesetzes lediglich dann in Betracht, wenn sich eine solche Vorschrift ausdrücklich auf Telemedien bezieht (sog. Zitiergebot; vgl. BT-Drucks. 16/3078 S. 16).

1. BGH [10] Der aus Treu und Glauben (§ 242 BGB) hergeleitete allgemeine Auskunftsanspruch beinhaltet keine Erlaubnis im Sinne des § 12 Abs. 2 TMG, die sich ausdrücklich auf Telemedien bezieht.

2. Nach § 14 II TMG, der nach § 15 Abs. 5 Satz 4 TMG auf Nutzungsdaten entsprechend anwendbar ist, darf der Diensteanbieter auf Anordnung der zuständigen Stellen im Einzelfall Auskunft über Bestandsdaten erteilen, soweit dies für Zwecke der Strafverfolgung, zur Gefahrenabwehr durch die Polizeibehörden der Länder…oder zur Durchsetzung der Rechte am geistigen Eigentum erforderlich ist. Eine Ermächtigung zur Auskunftserteilung zu Zwecken des Schutzes von Persönlichkeitsrechten ist darin nicht enthalten (…).

3. § 14 II TMG könnte auf den Schutz von Persönlichkeitsrechten analog anwendbar sein.

a) BGH [16] Eine Analogie setzt voraus, dass das Gesetz eine Regelungslücke enthält und der zu beurteilende Sachverhalt in rechtlicher Hinsicht so weit mit dem Tatbestand vergleichbar ist, den der Gesetzgeber geregelt hat, dass angenommen werden kann, der Gesetzgeber wäre bei einer Interessenabwägung, bei der er sich von den gleichen Grundsätzen hätte leiten lassen wie bei dem Erlass der herangezogenen Gesetzesvorschrift, zu dem gleichen Abwägungsergebnis gekommen. Die Unvollständigkeit des Gesetzes muss „planwidrig" sein (vgl. BGHZ 170, 187 Rn. 15 m. w. N.).

b) Zum vorliegenden Fall führt der BGH aus, dass § 14 II, soweit er ein subjektives Recht eines Einzelnen betrifft, zur Umsetzung einer EU-Richtlinie (allein) zum Schutze des geistigen Eigentums erlassen wurde. Dem Vorschlag eines Sachverständigen im Gesetzgebungsverfahren, die Vorschrift auf schwerwiegende Persönlichkeitsverletzungen auszudehnen, wurde nicht gefolgt. BGH: Davon, dass der Gesetzgeber die Begrenzung der Auskunftsansprüche auf die Durchsetzung von Rechten am geistigen Eigentum übersehen haben könnte (…,) kann unter diesen Umständen nicht ausgegangen werden. Eine Analogie scheitert somit am Fehlen einer planwidrigen Gesetzeslücke.

3. Abschließend BGH: Die Beschränkung der Ermächtigung zur Auskunftserteilung auf Inhaber von Rechten am geistigen Eigentum mag zwar wenig nachvollziehbar (…) und eine Ausweitung auf Persönlichkeitsrechtsverletzungen wünschenswert sein (…). Eine solche Regelung müsste jedoch der Gesetzgeber treffen.

Folglich stehen § 12 II TMG und das Fehlen einer gesetzlichen Erlaubnis zur Weitergabe der Daten des anonymen Nutzers ihrer Weitergabe durch B und damit auch dem Anspruch auf Auskunft entgegen. A hat gegen B keinen Anspruch auf Auskunft über die Identität des anonymen Nutzers.


Zusammenfassung