Bearbeiter: Dr. Gernot Schmalz-Brüggemann
► Architektenvertrag als Werkvertrag, § 631 BGB. ► Anspruch wegen eines Mangels des Architektenwerks, §§ 634 Nr. 4, 280 I, III, 281 I BGB. ► Feststellung eines Schadens, § 249 BGB. ► Vorteilsausgleichung. ► Drittschadensliquidation; zufällige Schadensverlagerung
BGH Urteil vom 14. 1. 2016 (VII ZR 271/14) NJW 2016, 1089
Fall (Fußbodensanierung)
Frau V ist Eigentümerin einer größeren Halle in einem Gewerbegebiet. Sie hat diese langfristig an die P-GmbH verpachtet, die dort in drei Produktionslinien Geflügelfleisch verarbeitet. In § 5 des Pachtvertrags ist vereinbart: „Pächterin P ist berechtigt, das Pachtobjekt mit Einbauten und Einrichtungen zu versehen und Veränderungen vorzunehmen. Die Kosten für sämtliche Bauarbeiten und bauliche Veränderungen während der Pachtzeit trägt die Pächterin. Einen Anspruch auf Ersatz oder Ausgleich für vorgenommene Arbeiten hat die Pächterin nicht.“
Als der Betrieb der P stark expandierte, entschloss sich V dazu, die Halle zu erweitern, um Platz für zwei weitere Produktionslinien zu schaffen. Sie beauftragte den Architekten B mündlich mit der Planung des Vorhabens und der Überwachung der Bauausführung. Die Bauarbeiten wurden von verschiedenen Firmen übernommen; die Arbeiten zur Herstellung des Hallenfußbodens übernahm die Firma F. Die Bauarbeiten wurden durchgeführt. B stellte V sein Honorar in Rechnung, das von V bezahlt wurde.
Nachdem die Produktion in dem Erweiterungsbereich aufgenommen worden war, stellte sich heraus, dass der von F verlegte Fußboden nicht den Anforderungen an einen Industriefußboden entsprach, sondern schwerwiegende Mängel hatte. Bei einer fachgerechten Baubegleitung wäre das während der Bauarbeiten ohne weiteres zu erkennen gewesen. V forderte B auf, für die ordnungsgemäße Herstellung des Fußbodens zu sorgen, und setzte dafür eine Frist, die ergebnislos ablief. V und P stimmten dahin überein, dass eine Sanierung des Fußbodens unumgänglich sei. Wegen der Kosten berief V sich auf § 5 Satz 2 des Pachtvertrages. P gab die Sanierung in Auftrag, die auch durchgeführt wurde. Die Rechnung in Höhe von 84.000 Euro wurde von P bezahlt.
V verlangt von B Zahlung von 84.000 Euro. B macht geltend, für den fehlerhaften Fußboden sei allein die Firma F verantwortlich. Auch scheitere ein Anspruch der V daran, dass P die Kosten getragen habe. V erwidert, die Kostentragung durch P sei eine Frage, die allein ihr Verhältnis zu P betreffe und nicht B zugute kommen dürfe. Ist der von V gegen B geltend gemachte Anspruch auf Zahlung von 84.000 Euro begründet?
Lösung
Vorbemerkung: Die im Originalurteil schwer verständlichen Parteibezeichnungen, u. a. wegen des zwischenzeitlichen Todes des von seiner Witwe beerbten Architekten, wurden im Sachverhalt durch die Bezeichnungen V, P, B und F ersetzt. Diese Ersetzungen werden auch in die Originalzitate übernommen.
I. V könnte gegen B einen Anspruch aus §§ 634 Nr. 4, 280 I, III, 281 I BGB haben.
1. Zwischen V und B müsste ein Werkvertrag zustande gekommen sein. Dass in der Beauftragung des B durch V ein Vertrag zu sehen ist, steht fest. Fraglich ist, ob es sich gerade um einen Werkvertrag i. S. des § 631 BGB gehandelt hat. Hierfür müsste B sich zur Herstellung eines Werkes verpflichtet haben. Dieses Werk kann die Herstellung oder Veränderung einer Sache oder ein durch Arbeit oder Dienstleistung herbeigeführter Erfolg sein (§ 631 II BGB).
a) Die Erstellung einer Planung für die Erweiterung der Halle ist ein durch Arbeit herbeizuführender Erfolg. Der auf die Entwurfsplanung gerichtete Architektenvertrag ist folglich ein Werkvertrag. Dieses Ergebnis ist aber im vorliegenden Fall, in dem Planung offensichtlich nicht fehlerhaft war, nicht ausreichend. B hatte sich außerdem zur Überwachung der Bauausführung verpflichtet. Eine Bauüberwachung kann nur den Zweck haben, dass ein fehlerfreies Bauwerk entsteht, und war deshalb auch auf einen Erfolg gerichtet.
b) Dem entspricht, dass nach h. M. der die normalen Architektenleistungen umfassende Vertrag ein Werkvertrag und kein Dienstvertrag ist (MüKo/Busche, 6. Aufl. 2012, § 631 Rdnr. 198; Palandt/Sprau, 75. Aufl. 2016, Einf. vor § 631 Rdnr. 198). Nach BGHZ 82, 100 gilt das insbesondere für die Bauüberwachung, zumal in § 634 a I Nr. 1 BGB die „Überwachungsleistungen“ ausdrücklich als Werkvertragsleistungen erwähnt werden.
c) Die Hauptpflicht des Architekten aus dem Architekten-Werkvertrag richtet sich auf die Entstehung eines mangelfreien Bauwerks (Palandt/Sprau Einf. vor § 631 Rdnr. 17). „Durch die Einordnung als Werkvertrag wird dem überwachenden Architekten die Verantwortung für das Ergebnis der Bauarbeiten übertragen.“ (so Riehm JuS 2016, 462 in einer Besprechung des BGH-Urteils).
Somit bestand zwischen V und B ein Werkvertrag.
2. Das von B geschuldete Werk müsste mangelhaft gewesen sein. § 633 II BGB regelt, wann das Werk mangelfrei ist. Dass in dem mündlichen Vertrag zwischen V und B eine bestimmte Beschaffenheit der Hallenerweiterung unter Bezugnahme auf den Fußboden vereinbart wurde (§ 633 II 1), kann dem Sachverhalt nicht entnommen werden. Vielmehr war nach dem Vertrag vorausgesetzt (§ 633 II 2 Nr. 1), dass der Hallenfußboden den Anforderungen an einen Industriefußboden zu entsprechen hat. Das war aber nicht der Fall, sondern der Fußboden hatte schwerwiegende Mängel. Da B schuldete, an der Herstellung eines mangelfreien Bauwerks mitzuwirken (oben 1 c), war ihm - neben der Firma F - die fehlerhafte Beschaffenheit des Fußbodens zuzurechnen. Baumängel sind also auch Mängel des Architektenwerks (Palandt/Sprau § 633 Rdnr. 11; MüKo/Busche § 633 Rdnr. 41). Das von B erstellte Werk war mangelhaft.
3. Wegen der Verweisung in § 634 Nr. 4 BGB auf §§ 280, 281 BGB ist zunächst festzustellen, dass B seine Verpflichtung aus § 633 I BGB, das Werk frei von Sachmängeln zu verschaffen, verletzt hat. Das war auch schuldhaft. Aus der Feststellung im Sachverhalt, dass die mangelhafte Ausführung durch F von B zu erkennen war, ist zu schließen, dass B entweder keine hinreichenden Kontrollen vorgenommen hat (zu denen er verpflichtet war, Palandt/Sprau § 631 Rdnr. 21/22) oder dass er dabei nicht die notwendige Sorgfalt aufgewandt hat. Überdies hat B keine Angaben macht, die ihn von dem Vorwurf, seiner Überwachungsaufgabe nicht nachgekommen zu sein, entlasten könnten (§ 280 I 2 BGB). Somit liegen die Voraussetzungen des § 280 I BGB vor.
4. Eine Zahlung von 84.000 Euro durch B an V kommt nur als Schadensersatz statt der Leistung in Betracht. Ob dieser im vorliegenden Fall über § 281 I BGB zu begründen ist, ist nicht von vornherein klar.
a) Möglicherweise konnte B seine Pflicht zur Mitwirkung bei der Herstellung eines mangelfreien Bauwerks nicht mehr erfüllen, nachdem das Bauwerk mangelhaft hergestellt wurde, so dass ihm die Erfüllung i. S. des § 275 I BGB unmöglich geworden ist. Anspruchsgrundlage könnte in diesem Fall § 283 BGB sein. Es wird auch angenommen, dass bei Architektenfehlern, die sich bereits im Bauwerk niedergeschlagen haben, der Besteller unmittelbar Schadensersatz verlangen könne (Palandt/Sprau § 633 Rdnr. 11). In diesen Fällen käme § 281 BGB nicht zur Anwendung.
b) Andererseits gibt § 281 I BGB dem Gläubiger uneingeschränkt das Recht, den Schuldner zur Leistung oder Nacherfüllung aufzufordern und ihm eine Frist zu setzen, und erklärt in § 281 II in dort genannten Fällen eine Fristsetzung lediglich für entbehrlich, schließt sie also nicht aus. Da eine andere Firma inzwischen die Sanierung im Auftrag der P durchgeführt hat, wäre die Herstellung eines mangelfreien Fußbodens auch nach einem von B erteilten Auftrag möglich gewesen. Deshalb ist der Lösung der Vorzug zu geben, dass § 281 I BGB anwendbar ist. V durfte dem B eine Frist setzen. Nach deren ergebnislosem Ablauf sind die Voraussetzungen des § 281 I BGB erfüllt (so auch Riehm JuS 2016, 462).
Somit liegen die Tatbestandsvoraussetzungen der §§ 634 Nr. 4, 280 I, III, 281 I BGB vor.
II. Für einen Schadensersatzanspruch ist erforderlich, dass ein Schaden entstanden ist.
1. Grundsätzlich muss dieser Schaden beim Gläubiger des Anspruchs entstanden sein, im vorliegenden Fall also bei V. Auszugehen ist von § 249 I BGB. Diesem liegt die Differenzhypothese zugrunde, wonach der Schadensersatzgläubiger so zu stellen ist, als wäre der zum Ersatz verpflichtende Umstand nicht eingetreten. Der im vorliegenden Fall zum Ersatz verpflichtende Umstand ist, dass B seiner Überwachungspflicht nicht nachgekommen ist und der Erweiterungsbau deshalb nur mit einem mangelhaften Fußboden errichtet wurde.
a) Wäre dieser Umstand nicht eingetreten, hätte V einen mangelfreien Bau erhalten. Auf der Grundlage dieser Feststellung liegt ein Schaden bereits „in Form der mangelhaften Leistung“ vor (so das OLG Oldenburg als Vorinstanz, vgl. Weiss NJW 2016, 1091 in einer Anmerkung zu der BGH-Entscheidung). Nach Riehm JuS 2016, 463 ist ein Schaden „schlicht im Ausbleiben der vertragsgemäßen Leistung“ oder „in der Sanierungsbedürftigkeit des Hallenbodens“ zu sehen. Jedoch kommt es für die Frage des Schadens nicht auf den Zeitpunkt seines Eintritts, sondern auf den Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Gericht an, so dass auf den jetzigen Zeitpunkt abzustellen ist. In diesem Zeitpunkt ist der Hallenboden aber saniert, der Mangel abgestellt (Riehm JuS 2016, 463; vgl. auch Weiss NJW 2016, 1091). Folglich reicht die mangelhafte Leistung des B oder die Sanierungsbedürftigkeit des Fußbodens für die Feststellung eines Schadens der V im vorliegenden Fall nicht aus.
b) Hat der Mangel den Bedarf nach einer Sanierung ausgelöst und ist diese Sanierung durchgeführt worden, sind die Sanierungskosten der Schaden, da diese ohne den zum Ersatz verpflichtenden Umstand nicht entstanden wären (MüKo/Busche § 634 Rdnr. 4). Im vorliegenden Fall sind diese Kosten jedoch nicht von der Gläubigerin V des Schadensersatzanspruchs, sondern von P getragen worden. Die Kostentragungspflicht der P ergab sich aus § 5 Satz 2 des Pachtvertrages, insofern die Vorschrift „sämtliche Bauarbeiten“ erfasst. Es wäre nicht gerechtfertigt, den Satz 2 auf den in Satz 1 geregelten Fall zu beschränken und nur Kosten zu erfassen, die Folge von Bauarbeiten sind, die die Pächterin in Auftrag gegeben hat. Denn es war selbstverständlich, dass auch die Verpächterin als Eigentümerin Bauarbeiten wie die Erweiterung der Halle veranlassen durfte, so dass auch dadurch verursachte Kosten unter Satz 2 fallen. Wenn Satz 2 „sämtliche Bauarbeiten während der Pachtzeit“ behandelt, fallen auch Sanierungskosten darunter, die Folge einer von der Verpächterin in Auftrag gegebenen Erweiterung der Halle sind. In diesem Sinne haben auch V und P den Vertrag verstanden (BVerwG [20]). Somit spricht die Kostenübernahme durch P gegen einen Schaden der V.
c) Ein Schaden der V könnte sich im Zusammenhang mit einer Anwendung der Grundätze über die Vorteilsausgleichung begründen lassen. Dahingehende Überlegungen hatte im vorliegenden Fall das OLG angestellt (vgl. BGH [14]).
aa) Nach dem - gesetzlich nicht geregelten - Rechtsinstitut der Vorteilsausgleichung ist ein dem Schadenersatzgläubiger zugeflossener Vorteil zugunsten des Schädigers zu berücksichtigen, wenn der Vorteil mit dem schädigenden Ereignis in einem adäquaten Kausalzusammenhang steht und die Anrechnung dem Zweck des Schadensersatzes nicht widerspricht (Palandt/Grüneberg Vorb. vor § 249 Rdnr. 68).
Anknüpfend an die zweite Voraussetzung wird angenommen, dass es dem Zweck des Schadensersatzes widerspricht, wenn ein Vorteil angerechnet wird, der nur dem Geschädigten und nicht dem Schädiger zugute kommen soll (Palandt/Grüneberg Vorb. vor § 249 Rdnr. 70). Auch BGH [25] erkennt an, dass dem Ersatzpflichtigen solche Vorteile nicht zugute kommen sollen, die sich der Ersatzberechtigte durch Abschluss eines - den Ersatzpflichtigen nichts angehenden - Vertrags mit einem Dritten erarbeitet hat (vgl. BGHZ 49, 56, 62; BauR 1996, 735, 736 f.; NJW-RR 2010, 1683 Rn. 17). Beispielsweise entfällt nach BGH NJW 1992, 3175 der Anspruch des Vermieters gegen den Mieter wegen unterbliebener Schönheitsreparaturen nicht dadurch, dass der Nachmieter die Reparaturen durchgeführt hat. Auf den vorliegenden Fall übertragen könnte das bedeuten, dass beim Schadensersatzanspruch der Verpächterin V gegen B der Umstand unberücksichtigt bleibt, dass die Pächterin P die Kosten getragen hat.
bb) Jedoch ist der hier gegebene Fall kein Anwendungsfall der Vorteilsausgleichung. Die Vorteilsausgleichung setzt voraus, dass zunächst ein Schaden entstanden ist, der aber durch einen eingetretenen Vorteil ausgeglichen werden kann. Demgegenüber stand im Verhältnis der V zu P wegen § 5 Satz 2 des Pachtvertrages von vornherein fest, dass V die Kosten nicht zu tragen braucht, ihr deshalb auch kein Schaden entstehen kann. BGH [24, 25] Die Kosten sind gemäß der genannten Vertragsbestimmung von P, nicht von V zu tragen. Diese Bestimmung wurde und wird… von V und P übereinstimmend so verstanden, dass sämtliche Arbeiten an der verpachteten Halle in den Verantwortungsbereich der P fallen und von dieser auch bezahlt werden müssen. Dementsprechend wurden sämtliche mit der Sanierung zusammenhängenden Arbeiten von der P in Auftrag gegeben; die…Rechnungen wurden von dieser, nicht von V beglichen.… Im Streitfall geht es nicht um eine nachträgliche Beseitigung oder -verminderung eines eingetretenen Schadens aufgrund eines vom Ersatzberechtigten geschlossenen Vertrags. Vielmehr hat sich bei V…hinsichtlich der Sanierungskosten von vornherein keine Vermögenseinbuße verwirklicht.
Ein eigener Schaden ist bei V somit nicht eingetreten.
2. V könnte die von P getragenen Sanierungskosten von B im Wege einer Drittschadensliquidation ersetzt verlangen. Zu diesem - im Gesetz ebenfalls nicht geregelten - Rechtsinstitut BGH [27] Aufgrund einer Vertragspflichtverletzung kann der Vertragspartner den daraus entstehenden Schaden grundsätzlich nur insoweit geltend machen, als er bei ihm selbst eingetreten ist (…). In besonders gelagerten Fällen lässt die Rechtsprechung allerdings eine Drittschadensliquidation zu, bei der der Vertragspartner den Schaden geltend machen kann, der bei dem Dritten eingetreten ist, der selbst keinen Anspruch gegen den Schädiger hat. Für die Zulassung einer Drittschadensliquidation ist der Gesichtspunkt maßgebend, dass der Schädiger keinen Vorteil daraus ziehen soll, dass ein Schaden, der eigentlich bei dem Vertragspartner eintreten müsste, zufällig aufgrund eines zu dem Dritten bestehenden Rechtsverhältnisses auf diesen verlagert ist (…).
a) Erste Voraussetzung für eine Drittschadensliquidation ist, dass die Voraussetzungen für einen Schadensersatzanspruch vorliegen, der Gläubiger dieses Anspruchs aber keinen Schaden hat. Diese Voraussetzung trifft auf das Vertragsverhältnis V - B zu, wie sich aus den Ausführungen II 1 ergibt.
b) Die zweite Voraussetzung geht dahin, dass ein Schaden bei einem Dritten eingetreten ist, der Dritte aber keinen Anspruch hat. Der in den Sanierungskosten liegende Schaden ist bei P eingetreten, weil diese die Kosten hat tragen müssen und getragen hat. Einen Anspruch aus einem Vertrag zwischen P und B hat P nicht.
Der Vertrag zwischen V und B könnte aber ein Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter sein, in den P als Dritte einbezogen wurde (vgl. Riehm JuS 2016, 464). Voraussetzungen für eine Einbeziehung eines Dritten in den Schutzbereich eines Vertrages sind: Leistungsnähe des Dritten; Einbeziehungsinteresse des Gläubigers; Erkennbarkeit (von Leistungsnähe und Einbeziehungsinteresse) für den Schuldner; Schutzbedürftigkeit des Dritten. Im vorliegenden Fall ist die Leistungsnähe der P zu bejahen, weil P diejenige ist, die unter einer nicht ordentlich erbrachten Architektenleistung in erster Linie zu leiden und, wie der Fall zeigt, die Kosten zu tragen hat. Mit Riehm a. a. O. ist aber ein Einbeziehungsinteresse der V zu verneinen. Denn zwischen V und P besteht keine Sonderbeziehung mit personenrechtlichem Einschlag (kein „Wohl- und Wehe- Verhältnis“). Es ist auch kein besonderes Interesse der V ersichtlich, in die vertraglichen Beziehungen mit B einen Schutz der P einzubringen. Weiterhin dürfte auch eine Schutzbedürftigkeit der P zu verneinen sein, da diese mit erheblichen eigenen Kosten rechnen musste, als sie einen Pachtvertrag mit dem Inhalt des § 5 Satz 2 geschlossen hat. Somit hat P keinen eigenen Anspruch gegen B.
c) Dritte Voraussetzung für die Drittschadensliquidation ist eine aus Sicht des Schädigers zufällige Schadensverlagerung. Sie wird zunächst bei folgenden Fallgruppen angenommen: bei der mittelbaren Stellvertretung; der Obhutspflicht für fremde Sachen; der obligatorischen Gefahrentlastung, wie sie beim Versendungskauf stattfindet (§ 477 I BGB); bei einem Treuhandverhältnis. Keiner dieser Fälle liegt hier vor; der BGH erwähnt diese Fälle nicht einmal (für eine Loslösung von den Fallgruppen der Drittschadensliquidation auch MüKo/Oetker, 7. Aufl. 2016, § 249 Rdnr. 290).
Vielmehr löst der BGH den Fall unmittelbar aufgrund des Merkmals der zufälligen Schadensverlagerung (diesen Aspekt besonders herausstellend: Weiss NJW 2016, 1092). [28] Der betreffende Schaden ist unter Berücksichtigung der Vereinbarung in § 5 des Pachtvertrags nicht bei der als Auftraggeberin des Architektenvertrags ersatzberechtigten V, sondern bei der P eingetreten, die selbst keinen eigenen vertraglichen oder gesetzlichen Anspruch auf Ersatz der entstandenen Sanierungskosten hat. Dabei handelt es sich um eine bloße - zufällige - Verlagerung des Schadens.
d) Somit liegen die Voraussetzungen für eine Drittschadensliquidation mit der Folge vor, dass V den Schaden der P gegenüber B wie einen eigenen Schaden geltend machen kann.
e) Fraglich ist, ob es für den Anspruch der V gegen P noch erforderlich ist, dass eine Weiterleitung des von B an V zu zahlenden Schadensersatzes von V an P erfolgt. Zweifellos entspricht eine solche Weiterleitung dem Sinn der Drittschadensliquidation.
aa) Nach Riehm JuS 2016, 463 kann der Dritte „in der Regel“ verlangen, dass der Betrag analog § 255 BGB oder analog § 285 BGB an ihn ausgezahlt wird. Jedoch sind die in diesen Vorschriften geregelten Fälle wesentlich verschieden von dem hier gegebenen Fall der Schadensverlagerung.
bb) BGH [32] Bei einer Drittschadensliquidation, bei der der nach dem Vertrag Ersatzberechtigte Leistung an sich verlangt, ist es dessen Sache, die grundsätzlich den Schädiger nichts angeht, die Ersatzleistung an den geschädigten Dritten weiterzuleiten (vgl. BGH NJW 1998, 1864, 1865). Nur wenn feststeht, dass der geschädigte Dritte tatsächlich nichts davon erhalten würde, ist es gerechtfertigt, den Anspruch zu versagen. Das Vorliegen eines solchen Ausnahmefalls ist vom Schädiger zu beweisen (…). Somit ist für den bejahten Anspruch eine positive Feststellung, dass der Betrag von V an P weitergeleitet werden muss oder weitergeleitet wird, nicht erforderlich. Der Ausnahmefall liegt nicht vor, weil B noch nicht einmal behauptet hat, dass V den Betrag nicht an P weiterleitet.
Ergebnis: Der von V gegen B geltend gemachte Anspruch auf Zahlung von 84.000 Euro ist begründet.
Zusammenfassung