Bearbeiter: Dr. Gernot Schmalz-Brüggemann

Gebrauchtwagenkauf; Sachmängelhaftung, § 434 BGB. Beschaffenheitsvereinbarung; Sachmangel nach § 434 I 2 Nr. 2 BGB. Abgrenzung Willenserklärung und Wissenserklärung. Verschulden bei Vertragsschluss, § 311 II Nr. 1 BGB; Verhältnis zu den Sachmängelansprüchen

BGH
Urteil vom 29. 6. 2016 (VIII ZR 191/15) NJW 2016, 3015

Fall (Gebrauchtwagen mit langer Standzeit)

K kaufte am 27. 6. 2016 von der B-GmbH, einer Kraftfahrzeughändlerin, einen Gebrauchtwagen der Marke Audi. Das Fahrzeug hatte eine Laufleistung von 38.000 km und kostete 33.000 Euro. K und der für B handelnde Verkäufer unterschrieben ein „Verbindliches Bestellformular“. Darin waren - neben den Fahrzeugdaten und dem Preis - folgende Angaben enthalten: „Datum der Erstzulassung lt. Fahrzeugbrief 18. 2. 2014“ und „Kein Reimport. Lt. Vorbesitzer als Mietwagen (Euromobilfahrzeug) eingesetzt.“ Über Baujahr und Modellreihe wurde weder gesprochen noch enthielt das Bestellformular dazu Angaben. Am 29. 6. 2016 wurde das Fahrzeug von B an K übergeben und von K bezahlt. Als K einige Tage später noch einmal bei der B-GmbH vorbeikam, erfuhr er, dass der Audi bereits Anfang Juli 2012 hergestellt worden war und danach 19,5 Monate bei B zum Verkauf gestanden hatte. Außerdem gehörte er zu der Modellreihe des Jahres 2012 und nicht zum Modell des Jahres 2014.

K erklärte gegenüber B den Rücktritt vom Vertrag mit der Begründung, der Audi entspreche nicht den Vereinbarungen. Die Erklärung in dem Bestellformular könne nur dahin ausgelegt werden, dass das Fahrzeug innerhalb einer üblichen Zeit vor der Erstzulassung hergestellt worden sei. Stattdessen habe der Audi mehr als anderthalb Jahre praktisch unverkäuflich „auf Halde“ gelegen, was vom Markt als erhebliche Wertminderung bewertet werde. K erklärte weiterhin, er habe sich mit dem Vorbesitzer in Verbindung gesetzt und erfahren, dass auch diesem die lange Standzeit nicht bekannt gewesen sei, so dass der Audi bereits als Neuwagen mit einem Mangel behaftet gewesen sei. Zumindest hätte B ihn als möglichen Käufer im Rahmen der Verkaufsverhandlungen über die lange Standzeit und die Modellreihe aufklären müssen; in diesem Fall hätte er das Auto jedenfalls nicht zu dem vereinbarten Preis gekauft. K verlangt von B Rücknahme des Fahrzeugs gegen Erstattung des Kaufpreises, abzüglich einer angemessenen Nutzungsentschädigung. Ist der Anspruch des K berechtigt?

Lösung

Hinweis: Die Zeitangaben des Originalfalls wurden verändert, was auch in den Originalzitaten berücksichtigt wird. Die Standzeit von 19,5 Monaten ist aber die gleiche wie im Originalfall.

A. K könnte gegen B einen Anspruch auf Rückzahlung des Kaufpreises nach Rücktritt vom Kaufvertrag wegen eines Sachmangels haben (§§ 437 Nr. 2, 434 I, 323 I, 346 BGB). K und B haben einen Kaufvertrag über den später übergebenen Pkw geschlossen.

Die für § 437 Nr. 2 BGB entscheidende Frage geht dahin, ob der Pkw einen Mangel i. S. des § 434 I BGB aufwies. Mangel könnte sein, dass die Standzeit vor dem Erstverkauf 19,5 Monate betrug, ferner dass das verkaufte Fahrzeug nicht aus der Modellreihe des Jahres 2014 stammte.

I. Für die Anwendung des § 434 I BGB ist erforderlich, dass der als Mangel in Betracht kommende Umstand eine Beschaffenheit der Kaufsache betrifft. Zu den unter den Begriff der Beschaffenheit fallenden Umständen gehören sowohl Umstände, die der Sache selbst anhaften, als auch alle Beziehungen der Sache zur Umwelt, die nach der Verkehrsauffassung Einfluss auf die Brauchbarkeit oder den Wert der Sache haben (BGH NJW 2013, 1948; Bacher MDR 2016, 1186 in einem Beitrag zur „Haftung für Sachmängel im Kraftfahrzeughandel“; auf der Grundlage dieses weiten Beschaffenheitsbegriffs hat BGH NJW 2016, 2874, JuS 2016, 1122, das Bestehen einer Herstellergarantie als Frage der Beschaffenheit der Kaufsache behandelt). Standzeit und Modellreihe eines Pkw sind zwar keine Umstände, die dem Auto anhaften und dessen physischen Zustand betreffen. Es handelt sich aber um Umstände, die Einfluss auf die Wertschätzung des Autos haben (Servais NJW 2016, 3022 in einer Anmerkung zum BGH-Urteil), ähnlich wie eine Herstellergarantie. Standzeit und Modellreihe betreffen somit die Beschaffenheit des Audis und können einen Mangel begründen.

II. § 434 I BGB enthält drei Fälle des Mangels, die eine Stufenfolge bilden (Bacher MDR 2016, 1186).

1. Nach § 434 I 1 BGB liegt ein Sachmangel vor, wenn die Parteien des Kaufvertrages eine Beschaffenheit vereinbart haben und die Kaufsache diese Beschaffenheit nicht hat.

a) BGH [16] Allerdings haben nach dem hier gegebenen Sachverhalt die Parteien keine ausdrückliche Beschaffenheitsvereinbarung über ein bestimmtes Höchstalter des Fahrzeugs oder seine Zugehörigkeit zu einer aktuell hergestellten Modellreihe getroffen (vgl. hierzu auch Reinking/Eggert, Der Autokauf, 12. Aufl., Rn. 2621, 2623).

b) Eine Beschaffenheitsvereinbarung i. S. des § 434 I 1 BGB kann auch schlüssig (konkludent) getroffen worden sein. Eine solche schlüssige Erklärung könnte in der Angabe „Datum der Erstzulassung lt. Fahrzeugbrief 18. 2. 2014“ zu sehen sein. Dann müsste diese Angabe Bestandteil der auf Abschluss des Kaufvertrages gerichteten Willenserklärung des für B handelnden Vertreters gewesen und dahin auszulegen sein, dass der Audi eine bestimmte Standzeit nicht überschritten hat, ferner dass er zur Modellreihe 2014 gehört.

BGH [18] Eine konkludente Beschaffenheitsvereinbarung kann…dadurch getroffen werden, dass in der im Vertrag enthaltenen Beschreibung des Kaufobjekts (gegebenenfalls in Verbindung mit mündlichen Erklärungen des Verkäufers) zugleich eine auf Bindung angelegte Aussage über seinen Charakter und damit einem diesem Charakter entsprechende Beschaffenheit enthalten ist (vgl. BGH NJW 2010, 1133 Rn. 14 m. w. N [zum Mietrecht]; …). Ob eine stillschweigend getroffene Beschaffenheitsvereinbarung vorliegt, hängt letztlich von den konkreten Umständen des jeweiligen Einzelfalls ab und ist eine Frage der…Vertragsauslegung.

aa) BGH [19] Nach Auffassung des K ergibt sich eine konkludente Beschaffenheitsvereinbarung hinsichtlich einer zwölf Monate nicht überschreitenden Höchststandzeit zwischen Herstellung und Erstzulassung sowie einer Zugehörigkeit zur Modellreihe 2014 aus dem im Bestellformular angegebenen Datum der Erstzulassung. Demgegenüber hat das BerGer. der im Bestellformular enthaltenen Erklärung „Datum der Erstzulassung lt. Fahrzeugbrief" und der hierbei eingesetzten Datumsangabe „18. 2. 2014" in Anbetracht des genannten Zusatzes nicht den Gehalt einer (verbindlichen) Willenserklärung beigemessen, sondern sie lediglich als Wissenserklärung gewertet. In den anschließenden Ausführungen bezieht sich der BGH zustimmend auf das Berufungsurteil, in dem ausgeführt wurde, eine schlüssige Vereinbarung sei dann nicht anzunehmen, wenn es sich bei den Angaben über die Erstzulassung lediglich um eine bloße Wissenserklärung handelt und es erkennbar an dem Willen des Verkäufers fehlt, für eine Beschaffenheit bindend einzustehen. Im Streitfall steht einem Willen, für die Richtigkeit des Erstzulassungsdatums und für eine Beschaffenheit bezüglich des Herstellungszeitpunkts einzustehen, der dem Datum der Erstzulassung im Kaufvertrag hinzugefügte einschränkende Zusatz „laut Fahrzeugbrief" entgegen.

BGH [33, 34] Das steht damit in Einklang, dass der BGH in st. Rspr. bei der gebotenen objektiven Auslegung einschränkenden Zusätzen, wie „laut Fahrzeugbrief", „laut Vorbesitzer", „soweit ihm bekannt", keinen rechtsverbindlichen Erklärungsgehalt beimisst, sondern darin allein eine Wissenserklärung sieht (BGHZ 135, 393, 398; NJW 2008, 1517, Rn. 13;… dazu auch Bacher MDR 2016, 1187). Dafür spricht auch die beim Gebrauchtwagenhandel gegebene typische Interessenlage. Bei technischen Daten, die der Händler in aller Regel nicht selbst überprüfen kann, kann ein Käufer nicht erwarten, der Verkäufer wolle in vertragsmäßig bindender Weise die Gewähr für die Richtigkeit der Angabe übernehmen (…). Um eine solche technische Angabe handelt es sich bei dem Datum der Erstzulassung. Dieses kann der Gebrauchtwagenhändler typischerweise nur dem Fahrzeugbrief oder den Angaben des Vorbesitzers entnehmen.

Außerdem hätte es, wenn die Beteiligten eine Beschaffenheitsvereinbarung hätten treffen wollen, nahe gelegen, Baujahr und Modellreihe in das Bestellformular aufzunehmen, was aber nicht geschehen ist.

Somit war die für eine Auslegung in Betracht kommende Angabe „Datum der Erstzulassung lt. Kraftfahrzeugbrief 18. 2. 2014“ kein Bestandteil der von B beim Kaufvertrag abgegebenen Willenserklärung, hatte deshalb keine Bindungswirkung und kann keine Grundlage für eine schlüssige Beschaffenheitsvereinbarung sein.

bb) Selbst wenn die Angabe im Bestellformular eine Willenserklärung wäre, könnte ihr nicht der Inhalt einer Beschaffenheitsvereinbarung entnommen werden. Denn aus der Bezugnahme auf den Fahrzeugbrief ergibt sich, dass die Angabe nicht auf einem eigenen Wissen der B beruhte. BGH [36] Durch die Einschränkung „lt. Fahrzeugbrief" hat B deutlich gemacht, dass sie nicht einmal für die Richtigkeit des Erstzulassungsdatums einstehen will. Erst recht kann dieser Angabe keine stillschweigende Beschaffenheitsvereinbarung über das Baujahr oder eine Modellreihenzugehörigkeit des erworbenen Gebrauchtwagens entnommen werden.

Somit liegt eine Beschaffenheitsvereinbarung i. S. des § 434 I 1 BGB nicht vor. Aus einem Verstoß gegen eine Beschaffenheitsvereinbarung ergibt sich kein Sachmangel.

2. Für einen Sachmangel nach § 434 I 2 Nr. 1 BGB fehlt es an einer nach dem Kaufvertrag vorausgesetzten besonderen Verwendung des verkauften Fahrzeugs (vgl. Palandt/Weidenkaff, 75. Aufl. 2016, § 434 Rdnrn. 20 ff., der als Beispiel für Nr. 1 anführt: Verkauf eines Gebäudes, bei dem auch die Kellerräume als Wohnraum genutzt werden sollen).

3. Nach § 434 I 2 Nr. 2 BGB ist die Kaufsache frei von Sachmängeln, wenn sie sich für die gewöhnliche Verwendung eignet und eine Beschaffenheit aufweist, die bei Sachen der gleichen Art üblich ist und die der Käufer nach der Art der Sache erwarten kann. Darin stecken drei mögliche Begründungen für einen Mangel, wobei aber „üblich“ und „zu erwarten“ i. d. R. zusammenhängen (dazu sogleich unter b).

a) BGH [40] Für die gewöhnliche Verwendung eignet sich ein gebrauchter Pkw dann, wenn er keine technischen Mängel aufweist, die die Zulassung zum Straßenverkehr hindern oder die Gebrauchsfähigkeit aufheben oder beeinträchtigen (BGH NJW 2008, 53, Rn. 18 m. w. N; 2009, 1588 Rn. 12). Da technische Mängel des Fahrzeugs von K nicht behauptet werden und auch sonst nicht ersichtlich sind, ist diese Voraussetzung gegeben. Was die gewöhnliche Verwendung betrifft, ist der Audi also mangelfrei.

b) Für eine Mangelfreiheit ist weiter erforderlich, dass das Fahrzeug eine Beschaffenheit aufweist, die bei Sachen der gleichen Art üblich ist und die der Käufer nach der Art der Sache erwarten kann. BGH [42] Bei der Käufererwartung kommt es auf die objektiv berechtigte Erwartung an, die sich in Ermangelung abweichender Anhaltspunkte jedenfalls im Regelfall an der üblichen Beschaffenheit gleichartiger Sachen orientiert. Nicht entscheidend ist, welche Beschaffenheit der Käufer tatsächlich erwartet und wie er auf eine hiervon abweichende Beschaffenheit reagiert (BGHZ 181, 170 Rn. 14; …). Hat er in der Kaufsituation höhere Erwartungen, muss er eine entsprechende Beschaffenheit im Sinne von § 434 Abs. 1 Satz 1 BGB individuell vereinbaren.

Der von K gekaufte Audi könnte ein Auto sein, bei dem es üblich ist und bei dem der Käufer erwarten konnte, dass es keine Standzeit von mehr als z wölf Monaten zwischen Herstellung und Erstzulassung aufweist und dass es zur Modellreihe des Jahres der Erstzulassung gehört. Würde das bejaht, läge ein Mangel vor.

aa) Bei der Frage der Standzeit ist, d a bei einem Gebrauchtwagen keine weitergehenden Anforderungen bestehen können als bei einem Neuwagen, zunächst auf die Rechtslage bei einem Neuwagen abzustellen. Bei diesem schuldet der Verkäufer, dass er „fabrikneu“ ist. BGH [44-46] Ein unbenutztes Kraftfahrzeug erfüllt diese Eigenschaft nur dann, wenn und solange das Modell dieses Fahrzeugs unverändert weitergebaut wird, wenn es keine durch eine längere Standzeit bedingte Mängel aufweist und wenn zwischen Herstellung des Fahrzeugs und Abschluss des Kaufvertrags nicht mehr als zwölf Monate liegen(BGH NJW 2004, 160 unter II 3). Maßgeblich hierfür ist die Erwägung, dass eine lange Standdauer für einen Neuwagenkäufer einen wertmindernden Faktor darstellt. Jedes Fahrzeug unterliegt einem Alterungsprozess, der mit dem Verlassen des Herstellungsbetriebs einsetzt. Grundsätzlich verschlechtert sich der Zustand des Fahrzeugs durch Zeitablauf aufgrund von Materialermüdung, Oxidation und anderen physikalischen Veränderungen… Diese Rspr. hat der BGH auf den Verkauf eines Jahreswagens übertragen (NJW 2006, 2694 Rn. 7 ff.). In der Bezeichnung als „Jahreswagen" hat der BGH eine Beschaffenheitsvereinbarung dahin gesehen, dass es sich um ein Gebrauchtfahrzeug aus erster Hand handelt, das von einem Werksangehörigen ein Jahr lang ab der Erstzulassung gefahren worden ist… Aus der Sicht eines verständigen Käufers dient die an das Alter des Fahrzeugs anknüpfende Kennzeichnung eines Gebrauchtfahrzeuges als „Jahreswagen" dem Zweck, das Fahrzeug einerseits von („fabrikneuen") Neufahrzeugen und andererseits von älteren Gebrauchtfahrzeugen abzugrenzen…

bb) Im vorliegenden Fall handelt es sich weder um einen Neuwagen noch um einen Jahreswagen, sondern um einen normalen, älteren Gebrauchtwagen. Welche Bedeutung bei diesem Standzeit und Zugehörigkeit zu einer Modellreihe haben, kann unterschiedlich beurteilt werden.

(1) BGH [48, 49] In der obergerichtlichen Rechtsprechung wird teilweise die Auffassung vertreten, die vom BGH zum Kauf eines Neuwagens angestellten Erwägungen seien grundsätzlich auch auf einen Gebrauchtwagenkauf zu übertragen (folgen Nachweise)…. Auch der Käufer eines Gebrauchtwagens dürfe regelmäßig davon ausgehen, dass zwischen der Herstellung des Fahrzeugs und seiner Erstzulassung ein relativ überschaubarer Zeitraum liege. Würde dieser Auffassung gefolgt, wäre der Audi wegen einer Standzeit von mehr als 12 Monaten mangelhaft gewesen. K hätte nach § 323 I BGB vom Vertrag zurücktreten können, dies ohne Fristsetzung, weil der Mangel nicht behebbar war (§ 326 V BGB).

(2) Demgegenüber vertreten andere Obergerichte die Ansicht, dass beim Kauf eines Gebrauchtwagens mit einer Zulassungsdauer oberhalb eines Jahreswagens die Frage, ob eine wesentliche Abweichung zwischen Herstellungsdatum und Erstzulassung vorliegt, die sich als Mangel im Sinne von § 434 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BGB darstellt, im Einzelfall unter Berücksichtigung des Fahrzeugalters, insbesondere der Dauer der Zulassung im Straßenverkehr, zu beurteilen sei (folgen Nachweise). Danach ist die Dauer einer Standzeit nicht maßgebend.

Nach BGH [50, 52] gebührt der letztgenannten Auffassung…der Vorzug. Bereits in NJW 2006, 2694 hatte der BGH ausgeführt, dass Gebrauchtwagen, die nicht als Jahreswagen verkauft werden, nach der Verkehrsanschauung regelmäßig eine geringere Wertschätzung zukommt. Anders als bei einem Jahreswagen, bei dem schon die standardisierte Bezeichnung an ein geringeres Alter anknüpft (…), lassen sich bei einem sonstigen Gebrauchtwagen keine allgemein gültigen Aussagen dahin treffen, ab welcher Grenze eine Standzeit zwischen Herstellung und Erstzulassung eine Beschaffenheit darstellt, die nicht mehr üblich ist und die der Käufer auch nicht erwarten musste.

Vielmehr hängt die Frage, welche Beschaffenheit bei einem Gebrauchtwagen üblich ist, regelmäßig von den jeweiligen Umständen des Einzelfalls ab, wie beispielsweise dem Alter (beziehungsweise der Dauer der Zulassung zum Straßenverkehr) und der Laufleistung des Fahrzeugs, der Anzahl der Vorbesitzer und der Art der Vorbenutzung (…). Je länger das Fahrzeug vor dem Weiterverkauf als Gebrauchtwagen genutzt worden ist, desto mehr verliert eine mögliche Werteinbuße durch eine lange Standzeit vor der Erstzulassung an Bedeutung, weil sie durch sonstige, den Wert des Fahrzeugs beeinflussende Umstände überlagert wird (…).

cc) BGH [57,58] Danach ist im vorliegenden Fall maßgebend, dass es sich bei dem von K erworbenen Fahrzeug nicht um einen „jungen Gebrauchtwagen" mit einer (sehr) geringen Laufleistung und/oder einer nur wenige Monate zurückliegenden Erstzulassung handelte, sondern das erworbene Gebrauchtfahrzeug zum Zeitpunkt des Gefahrübergangs bereits seit zwei Jahren und vier Monaten zum Straßenverkehr zugelassen war und bei Vertragsschluss eine Laufleistung von ca. 38.000 Kilometern aufwies. Bei Fahrzeugen mit einer solchen Laufleistung und einer mehrere Jahre zurückliegenden Erstzulassung darf ein Käufer ohne das Hinzutreten besonderer Umstände nicht davon ausgehen, das Fahrzeug weise nur eine…Standzeit vor der Erstzulassung von höchstens zwölf Monaten auf. So gilt im Fall des K, dass bereits durch die recht hohe Laufleistung eine nicht unerhebliche Abnutzung des Fahrzeugs eingetreten ist und daher eine vor der Erstzulassung eingetretene Standzeit von 19,5 Monaten und der hierauf entfallende Alterungsprozess…zunehmend an Bedeutung verloren hat. Dies gilt erst recht, wenn man weiter in Rechnung stellt, dass das Fahrzeug während seiner bisherigen Nutzung als Mietfahrzeug infolge der ständig wechselnden Nutzer einer besonderen (wertmindernden) Beanspruchung ausgesetzt war.

Im Ergebnis das Gleiche gilt für die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Modellreihe. Bei dem hier veräußerten älteren Gebrauchtwagen konnte K nicht darauf vertrauen, dass er zu einer bestimmten Modellreihe gehört. Es ist deshalb kein Mangel, dass das Auto zur Modellreihe 2012 und nicht zu der aus 2014 gehört.

dd) Allerdings hatte der Vorbesitzer den Audi als Neuwagen erworben und brauchte deshalb nicht mit einer Standzeit von 19,5 Monaten zu rechnen; insoweit war das Auto nach den Überlegungen aa) mangelhaft. Dieser Mangel ist aber infolge der Nutzung durch den Vorbesitzer während einer Zeit von 2 Jahren und 4 Monaten entfallen. BGH [53] Zwar hat K geltend gemacht, ein Fahrzeug, dem als Neufahrzeug einmal der Mangel einer zu langen Standzeit angehaftet habe, könne diesen nicht behebbaren Mangel später als Gebrauchtfahrzeug nicht verlieren. Hierbei übersieht K aber, dass es für die Frage, ob einem verkauften Fahrzeug ein Mangel anhaftet, allein auf den konkreten Kaufgegenstand und die diesbezüglich getroffenen Absprachen ankommt. Dass ein Fahrzeug zu einem früheren Zeitpunkt trotz einer überlangen Standzeit möglicherweise als mangelhafter Neuwagen verkauft worden ist - zwingend ist dies nicht, da es auch als Lagerfahrzeug veräußert worden sein kann - besagt nicht, dass es bei seiner späteren Veräußerung als Gebrauchtwagen wegen der vor der Erstzulassung liegenden Standzeit ebenfalls als mangelhaft anzusehen ist. Eine andere Sichtweise liefe darauf hinaus, dass entgegen der Verkehrsanschauung beim Verkauf eines betagten Fahrzeugs solchen Umständen (entscheidende) Bedeutung zukäme, die vor dessen Erstzulassung lagen und durch seine weitere Nutzung „überholt" sind.

c) Aus den Überlegungen zu b) folgt (BGH [55]), dass bei dem von K erworbenen Gebrauchtwagen eine Standzeit von 19,5 Monaten vor der Erstzulassung nicht unüblich ist und dass K nicht erwarten konnte, dass das Fahrzeug vor der Erstzulassung höchstens zwölf Monate gestanden hatte und einer aktuellen Modellreihe angehörte.

4. Ergebnis zu A: Der Audi war nicht mangelhaft. K hat keinen Anspruch aus §§ 437 Nr. 2, § 434 I, 323 I, 346 BGB.

B. K könnte gegen B einen Schadensersatzanspruch wegen Verschuldens bei Vertragsschluss haben (§§ 280 I, 311 II Nr. 1, 241 II BGB). B könnte eine Pflicht verletzt haben, nach der sie K vor Abschluss des Kaufvertrages Aufklärung über Standzeit und Modellreihe schuldete.

I. Dann müssten die §§ 280, 311 II Nr. 1 BGB anwendbar sein, was nicht der Fall ist, wenn §§ 434 ff. BGB eine Sperrwirkung haben und als speziellere Regelung den § 311 II BGB verdrängen.

Hierfür ist zunächst Voraussetzung, dass §§ 434 ff. anwendbar sind. Dem steht nicht entgegen, dass - wie unter A dargelegt - die Voraussetzungen für einen Sachmangelanspruch nicht vorliegen. Vielmehr reicht für die Anwendbarkeit der §§ 434 ff. BGB nach BGHZ 180, 205 [15] aus, dass „es um Verhaltenspflichten des Verkäufers im Zusammenhang mit der Beschaffenheit der Kaufsache geht“. Standzeit und Modellreihe betreffen die Beschaffenheit des verkauften Fahrzeugs, wie unter A I ausgeführt wurde. Wird der Verkäuferin B vorgeworfen, K darüber nicht hinreichend aufgeklärt zu haben, geht es um ein Verhalten der Verkäuferin im Zusammenhang mit der Beschaffenheit der Kaufsache.

Somit sind §§ 434 ff. BGB im vorliegenden Fall anwendbar. Damit stellt sich die Frage des Verhältnisses von § 434 BGB zu § 311 II BGB. Da das BGB dieses Verhältnis nicht regelt, kann es unterschiedlich beurteilt werden.

1. Genauer befasst mit diesem Verhältnis hat sich BGHZ 180, 205, dessen wesentliche Ausführungen nachfolgend wiedergegeben werden.

[13-18] Ob und ggfs. unter welchen Voraussetzungen auf die Grundsätze des Verschuldens bei Vertragsschluss (§ 280 i. V. m. § 311 Abs. 2 Nr. 1 BGB) im Sachbereich der §§ 434 ff. BGB zurückgegriffen werden darf, ist umstritten…

a) Teilweise wird vertreten, Ansprüche aus kaufrechtlicher Gewährleistung und solche aus Verschulden bei Vertragsschluss bestünden stets nebeneinander…(Bamberger/Roth/Faust, BGB, 2. Aufl., § 437 Rdn. 190; MünchKomm-BGB/ Emmerich, 5. Aufl., § 311 Rdn. 143; …).

b) Eine zweite Auffassung lehnt einen Rückgriff auf die Regeln des Verschuldens bei Vertragsschluss nach Gefahrübergang stets ab, sofern es um Verhaltenspflichten des Verkäufers im Zusammenhang mit der Beschaffenheit der Kaufsache geht. Der Käufer sei durch das Gewährleistungsrecht der §§ 434 ff. BGB hinreichend geschützt…(…Erman/Kindl, BGB, 12. Aufl., § 311 Rdn. 45 f.; Jauernig/Stadler, BGB, 12. Aufl., § 311 Rdn. 38;…).

c) Der BGH schließt sich der wohl h. M. (Erman/Grunewald, BGB, 12. Aufl., vor § 437 Rdn. 15 ff.;… MünchKomm-BGB/Westermann, 5. Aufl., § 437 Rdn. 58;…) an, wonach zwar von einem grundsätzlichen Vorrang der §§ 434 ff. BGB auszugehen ist, eine Ausnahme jedoch zumindest bei vorsätzlichem Verhalten geboten ist.

aa) Nach BGH [20-23] bestehen kaufrechtliche Besonderheiten, die die Annahme einer Sperrwirkung gebieten. So steht dem Verkäufer grundsätzlich das Recht zur Nacherfüllung zu (§ 439 BGB), und Ansprüche wegen eines Mangels sind grundsätzlich schon bei grob fahrlässiger Unkenntnis des Käufers ausgeschlossen (§ 442 Abs. 1 Satz 2 BGB). Diese Sonderregelungen würden unterlaufen, wenn die Regeln über das Verschulden bei Vertragsschluss daneben stets anwendbar wären… Außerdem ist von Bedeutung, dass der Gesetzgeber die Verletzung vorvertraglicher Verpflichtungen im Zusammenhang mit der Beschaffenheit der Kaufsache dem späteren Vertrag zuordnet (…). Es unterliegt nämlich keinem Zweifel, dass Schadensersatzansprüche wegen Lieferung einer anfänglich mangelbehafteten Sache, die an einen vor Abschluss der Vertrages liegenden Umstand anknüpfen (§ 311 a Abs. 2 BGB), nach § 438 BGB verjähren (…).

bb) [24] Auch unter der Geltung des neuen Schuldrechts ist eine Ausnahme jedenfalls bei arglistigem (vorsätzlichem) Verhalten des Verkäufers gerechtfertigt. Kaufrechtliche Sonderregelungen, die umgangen werden könnten, greifen dann nämlich nicht ein. Die Verjährung richtet sich bei Arglist nach der regelmäßigen Verjährungsfrist (§ 438 Abs. 3 Satz 1 BGB). Der Verkäufer kann sich auf einen Haftungsausschluss nicht berufen (§ 444 BGB). Er haftet auch bei grob fahrlässiger Unkenntnis des Käufers (§ 442 Abs. 1 Satz 2 BGB) und verliert im Regelfall die Möglichkeit der Nacherfüllung (BGH NJW 2007, 835, 837; NJW 2008, 1371, 1373).

2. Im vorliegenden Fall NJW 2016, 3016 legt der BGH diese Auffassung zugrunde und führt unter [63] aus: K kann keinen Schadensersatz gemäß § 280 Abs. 1, § 311 Abs. 2, § 241 Abs. 2 BGB wegen unterbliebener Aufklärung über das Herstellungsjahr des Gebrauchtwagens beanspruchen. Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung steht einem Schadensersatzanspruch des Käufers gegenüber dem Verkäufer wegen Verschuldens bei Vertragsschluss der grundsätzliche Vorrang des in §§ 434 ff. BGB geregelten Sachmängelrechts entgegen (BGHZ 180, 205 Rn. 19 ff.;…). Ein ( vorsätzliches) Verhalten hinsichtlich des Sachmangels, für das nach der vorstehend genannten Rechtsprechung der Vorrang des Sachmängelrechts nicht gilt (BGH NJW 2016, 1814 [24] m. w. N.), liegt hier…nicht vor. Das BerGer. hat im Hinblick darauf, dass K ein Fahrzeug erhalten hat, das eine übliche und objektiv berechtigterweise zu erwartende Beschaffenheit aufwies, das Bestehen einer Aufklärungspflicht der B und damit ein arglistiges Verhalten rechtsfehlerfrei verneint. Auch nach dem hier gegebenen Sachverhalt kann eine Arglist der B nicht festgestellt werden.

Somit steht einem Anspruch aus §§ 280, 311 II, 241 II BGB bereits entgegen, dass diese Vorschriften wegen des Vorrangs der §§ 434 ff. BGB nicht anwendbar sind.

II. Selbst wenn die Vorschriften über das Verschulden bei Vertragsschluss anwendbar wären (im Sinne der oben I 1 a wiedergegebenen Meinung), bestünde kein Anspruch, weil der Tatbestand der Anspruchsgrundlage nicht erfüllt ist. Zwar ist mit Aufnahme von Kauf vertragsverhandlungen zwischen K und B ein vorvertragliches Schuldverhältnis i. S. des § 311 II Nr. 1 BGB entstanden, das nach § 241 II BGB B zur Rücksichtnahme auf die Interessen des K verpflichtete. Im Anschluss an die Überlegungen A I 3 b cc) und B I 2 ist aber festzustellen, dass weder die längere Standzeit des Audsi noch dessen Zugehörigkeit zur Modellreihe 2012 eine Gefährdung der Interessen des K von so großem Gewicht bedeuteten, dass B diese Umstände ungefragt hätte offenbaren müssen.

C. Somit hat K weder einen Anspruch wegen eines Sachmangels noch einen Anspruch wegen Verletzung einer Aufklärungspflicht. Der von ihm erhobene Anspruch ist nicht berechtigt.


Zusammenfassung