Bearbeiter: Dr. Gernot Schmalz-Brüggemann
► Rechtsbeziehungen zwischen einem prominenten Politiker und dem zum Schreiben von dessen Memoiren beigezogenen Ghostwriter. ► Recht am eigenen Wort. ► Eigentumserwerb durch Verarbeitung oder Umbildung zu einer neuen Sache, § 950 BGB; Abspeichern von Sprache auf Tonbändern. ► Konkludenter Abschluss eines auftragsähnlichen Rechtsverhältnisses, § 311 BGB. ► Herausgabeanspruch des Auftraggebers gegen den Auftragnehmer, § 667 BGB
BGH Urteil vom 10. 7. 2015 (V ZR 206/14) NJW 2016, 317 (teilweise für BGHZ vorgesehen)
Fall (Kohl-Tonbänder)
K (im Originalfall: Helmut Kohl) war von 1982 bis 1998 Bundeskanzler. 1999 bereitete er die Herausgabe seiner Memoiren vor und gewann dazu einen bekannten Journalisten B als Ghostwriter (im Originalfall: Heribert Schwan). K und B schlossen mit dem V-Verlag jeweils einen Verlagsvertrag, wobei die Verträge aufeinander abgestimmt waren und weitgehend die gleichen Formulierungen enthielten. Wesentlicher Inhalt der Verträge war: K sollte Autor des Werks und Eigentümer des Manuskripts sein. Das Erstellen des Manuskripts war Aufgabe des B; er hatte es persönlich anzufertigen. Das Honorar hierfür übernahm V. K sollte B mindestens 200 Stunden für Gespräche zur Verfügung stehen und ihm Einblicke in die für die Memoiren relevanten Unterlagen geben. Das Manuskript war nach den Vorgaben und Angaben des K zu verfassen. K durfte schon in der Phase seiner Entstehung jederzeit Einsicht nehmen und durch Weisungen an den B inhaltlich eingreifen. Die Einzelheiten der Zusammenarbeit waren zwischen K und B „direkt zu besprechen“. K war berechtigt, die Zusammenarbeit mit B jederzeit zu beenden und einvernehmlich mit dem Verlag einen Ersatz für ihn zu bestimmen.
In den Jahren 2001 und 2002 fanden im Wohnhaus des K Gespräche statt, in denen K ausführlich über die Zeit als Bundeskanzler, als Ministerpräsident und über seinen vorherigen Werdegang berichtete. B brachte ein Tonbandgerät und Tonbänder mit. Auf den Tonbändern wurde an über 100 Tagen während 630 Stunden die Ausführungen des K und die Fragen und Stichworte des B aufgezeichnet; insgesamt entstanden 135 besprochene Tonbänder. B nahm die Tonbänder jeweils wieder mit nach Hause und bereitete damit die Buchveröffentlichung vor. K hatte die Tonbänder zu keiner Zeit in den Händen gehalten.
Nach dem Erscheinen von drei Bänden der Memoiren („Helmut Kohl. Erinnerungen“) kam es zum Zerwürfnis zwischen K und B. K kündigte die Zusammenarbeit mit B auf und verlangt nunmehr Herausgabe sämtlicher Tonbänder, auf denen die Stimme des K zu hören ist und die in den Jahren 2001 und 2002 von B aufgenommen wurden. Er beruft sich darauf, er könne die Tonbänder aufgrund seines Rechts am gesprochenen Wort herausverlangen; der Wert der Tonbänder bestehe ausschließlich darin, dass er sie besprochen habe; im Vergleich dazu trete der Materialwert völlig dahinter zurück. B verweigert die Herausgabe unter Berufung darauf, dass die Tonbänder nach wie vor in seinem Eigentum stünden. Ist das Herausgabeverlangen des K berechtigt?
I. Ein Herausgabeanspruch des K könnte mit dem von ihm geltend gemachten Recht am gesprochenen Wort begründet werden gem. §§ 1004 I analog, 823 I BGB, Art. 2 I, 1 I GG .
1. § 201 StGB stellt die Verletzung der Vertraulichkeit des gesprochenen Worts unter Strafe. Würde B diesen Tatbestand verwirklichen, hätte K einen Störungsbeseitigungsanspruch aus §§ 1004 I analog, 823 II BGB, § 201 StGB als Schutzgesetz. Jedoch verlangt § 201 I, II StGB ein unbefugtes Handeln. Die Aufnahme der Texte durch B erfolgte mit Zustimmung des K, war also befugt. Im Übrigen könnte über die genannte Anspruchsgrundlage nur eine Beseitigung der Beeinträchtigung verlangt werden, die nicht notwendig durch eine Herausgabe der Tonbänder an K erfolgen müsste.
2. Anders als das durch § 22 KunstUrhG geschützte Recht am eigenen Bild wird das Recht am gesprochenen Wort nicht durch eine spezielle Vorschrift, sondern als Ausprägung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts (Art. 2 I, 1 I GG) geschützt. Danach fällt unter den Schutz des Persönlichkeitsrechts die Befugnis einer Person, selbst zu bestimmen, ob ihre Äußerungen aufgezeichnet und ob aufgezeichnete Tonaufnahmen veröffentlicht oder einer anderen Person zugänglich gemacht werden (BVerfGE 106, 28; Palandt/Sprau, 75. Aufl. 2016, § 823 Rdnr. 120 mit Beispielen; nicht mehr unter den Schutz fällt aber die Wiedergabe eines vertraulichen Gesprächs aus der Erinnerung, BGHZ 80, 25).
a) Die Aufzeichnung der Texte und die Verwertung in den Memoiren bedeutet keine Verletzung, weil sie mit Zustimmung des K erfolgt ist. Eine weitere Veröffentlichung der aufgezeichneten Texte durch B ist nicht erfolgt und ist auch nicht geplant; insoweit liegt keine Beeinträchtigung des Rechts des K am gesprochenen Wort vor, und es ist auch keine zukünftige Beeinträchtigung zu besorgen. (Hinweis: Schwan hat allerdings in der Buchveröffentlichung „Schwan/Jens, Vermächtnis. Die Kohl-Protokolle“ aus den Texten zitiert, was Gegenstand weiterer Prozesse zwischen Kohl und Schwan ist; in einem davon verlangt Kohl von Schwan 5 Mio. Euro als Entschädigung.)
b) In einer Anmerkung zu der BGH-Entscheidung in NJW 2016, 321 hat Götting als erwägenswert angesehen, in der Kündigung der Zusammenarbeit durch K einen Widerruf der Zustimmung zu dem Eingriff in das Recht an der eigenen Stimme zu sehen mit der Folge, dass der Eingriff nunmehr rechtswidrig ist und einen Beseitigungsanspruch auslöst. Ob eine Zustimmung in dieser Weise widerrufen werden kann, ist aber fraglich. Auch bliebe das Bedenken, dass die Störungsbeseitigung nicht notwendig dadurch zu erfolgen hätte, dass B die Tonbänder an K herausgibt.
Folglich ergibt sich aus dem Recht am gesprochenen Wort kein Anspruch des K auf Herausgabe der Tonbänder. (Der BGH und die Vorinstanzen haben diese Anspruchsgrundlage nicht behandelt.)
II. K könnte die Tonbänder von B nach § 985 BGB herausverlangen. Dann müsste er das Eigentum an den Tonbändern, die ursprünglich im Eigentum des B standen, erworben haben. Nach § 929 BGB hat B dem K die Tonbänder nicht übereignet; es ist weder eine Einigung erfolgt noch hat eine Übergabe stattgefunden. Eigentumserwerbsgrund für K könnte aber § 950 I BGB sein. Danach erwirbt Eigentum, wer durch Verarbeitung oder Umbildung eine neue bewegliche Sache herstellt. Als Verarbeitung gilt auch das Schreiben, Zeichnen, Malen, Drucken, Gravieren oder eine ähnliche Bearbeitung der Oberfläche. Das Besprechen der Tonbänder könnte eine Verarbeitung oder Umbildung sein, durch die eine neue Sache hergestellt worden ist. BGH [17, 13-16]
1. Ob durch Verarbeitung oder Umbildung eine neue Sache hergestellt wird, bestimmt sich maßgeblich nach der Verkehrsauffassung unter Berücksichtigung wirtschaftlicher Gesichtspunkte (vgl. BGH NJW 1978, 697 f.;…Bamberger/Roth/Kindl, BGB, 3. Aufl., § 950 Rn. 5; MüKoBGB/Füller, 6. Aufl., § 950 Rn. 7 f.; Palandt/Bassenge, BGB, 74. Aufl., § 950 Rn. 3). Eine neue Sache liegt dann vor, wenn sie eine eigenständige, gegenüber den einzelnen verarbeiteten Sachen weitergehende Funktion erfüllt (vgl. BGH NJW 1995, 2633). Hat sich durch die Verarbeitung der wesentliche wirtschaftliche Verwendungszweck geändert und hat der Ausgangsstoff nach der Verkehrsauffassung durch die vorgenommenen Handlungen eine Wesensänderung erfahren, spricht dies für das Entstehen einer neuen Sache. Entscheidend ist, dass zwischen Ausgangsstoff und Verarbeitungsprodukt keine Identität mehr besteht. In diesem Zusammenhang ist ein wesentliches Indiz für das Entstehen einer neuen Sache, wenn das Ergebnis der Verarbeitung im allgemeinen Sprachgebrauch mit einem anderen Begriff bezeichnet wird als der verarbeitete Stoff (vgl. Staudinger/Wiegand, BGB [2011], § 950 Rn. 9 m. w. N.; Erman/Ebbing, BGB, 14. Aufl., § 950 Rn. 4… ). Weitere Anhaltspunkte sind erhebliche Veränderungen der Sachsubstanz, die Dauerhaftigkeit der Veränderung und ein neues äußeres Erscheinungsbild (vgl. Staudinger/Wiegand, BGB [2011], § 950 Rn. 9 m. w. N.…).
2. Ob das Speichern von Daten auf einem Datenträger - und insbesondere wie hier das Bespielen eines Tonbandes - als Herstellung einer neuen Sache anzusehen ist, wird in Rechtsprechung und Literatur nicht einheitlich beantwortet.
a) Nach der bejahenden Ansicht wird angenommen, das Aufspielen eines Programms auf eine für Firmenzwecke bestimmte Diskette oder auf einen Rechner stellten Verarbeitungsvorgänge im Sinne des § 950 BGB dar (…).
Entsprechend dieser Auffassung hatte das BerGer. (OLG Köln GRUR-RR 2014, 419) den Tatbestand des § 950 BGB bejaht. Durch den Aufzeichnungsvorgang seien die Tonbänder physisch verändert worden. Wertungsmäßig sei der Vorgang mit dem in § 950 I 2 BGB ausdrücklich genannten „Beschreiben" vergleichbar. Nach der maßgeblichen Verkehrsauffassung werde jedenfalls dann eine neue Sache hergestellt, wenn die Aufzeichnung für eine längerfristige Nutzung bestimmt sei. K sei Hersteller dieser neuen Sache. Auch Götting NJW 2016, 321 hält an dieser Auffassung fest und lehnt deshalb die gegenteilige Auffassung des BGH (dazu 3.) ab.
b) Demgegenüber wird in der Literatur ganz überwiegend die Aufzeichnung auf einen Ton- oder Datenträger, jedenfalls wenn die Aufnahme ohne weiteres löschbar oder übertragbar ist, nicht als Herstellung einer neuen Sache angesehen (Bamberger/Roth/Kindl, BGB, 3. Aufl., § 950 Rn. 5 aE; MüKoBGB/Füller, 6. Aufl., § 950 Rn. 10; …Staudinger/Wiegand, BGB [2011], § 950 Rn. 9 aE; Westermann/Gursky/Eickmann, Sachenrecht, 8. Aufl., § 53 II 2 Rn. 7;…). Zur Lösung dieses Falles dürfte der Aspekt „ohne weiteres löschbar“ allerdings nicht geeignet sein, weil die Tonbänder von „größtem historischen, ideellen und auch kommerziellen Wert“ sind (Götting NJW 2016, 321) und deshalb praktisch nicht löschbar sind.
c) Nach einer differenzierenden Auffassung soll dann von einer Verarbeitung ausgegangen werden, wenn die Datenträger durch den Speichervorgang nicht nur eine neue Funktion und Bezeichnung erhalten, sondern - wie im Falle von zum Verkauf bestimmten Musik-CDs oder Video-Kaufkassetten - erst ihre eigene wirtschaftliche Bedeutung erlangen (jurisPK-BGB/Vieweg, 7. Aufl., § 950 Rn. 15).
3. Die Streitfrage ist in Anwendung der oben 1. dargestellten Kriterien zu entscheiden. BGH [19-21]
a) Ein Tonband erfährt durch das Aufnehmen von Tondokumenten als solches keine substantielle Veränderung. Die Aufnahme führt zwar dazu, dass sich die Magnetschicht des Tonbands physikalisch verändert. Diese Veränderung ist aber Voraussetzung und Kernstück seiner bestimmungsgemäßen Benutzung… Für seine Funktion als Speichermedium ist es typisch, dass es sowohl zum einmaligen Aufnehmen von Tondokumenten als auch zum wiederholten Aufnehmen und Löschen verschiedener Tondokumente verwendet werden kann. Zu einer anderen Sache kann ein Tonband - ebenso wie ein CD-Rohling - durch das Aufnehmen oder Speichern von Tondokumenten deshalb nur werden, wenn es dadurch seine typische Funktion verändert. Das wäre etwa dann der Fall, wenn eine unbespielte Musikkassette in einem Musikverlag mit Musiktiteln oder einem Hörbuch bespielt wird, die in dieser Form vertrieben werden sollen. Dann wird…aus einem Speichermedium ein Instrument zum Vertrieb der Musiktitel oder des Hörbuchs. Eine solche Veränderung haben die Tonbänder durch die Aufnahme der Gespräche zwischen K und B aber gerade nicht erfahren. Sie sind während dieser Gespräche angefertigt worden, damit die Parteien für die Herstellung der Memoiren des K die Gespräche noch einmal anhören können. Die Tonbänder sind damit als Speichermedium eingesetzt worden und dienen diesem Zweck weiterhin.
b) Sie sind…auch nicht dadurch verändert und Eigentum des K geworden, dass die auf ihnen aufgenommenen Gespräche von großer historischer Bedeutung sind und die Bänder deshalb weder gelöscht noch mit anderen Inhalten überschrieben werden sollen. Auch das einmalige Bespielen eines Tonbands mit Tondokumenten, die - etwa zur persönlichen Erinnerung - dauernd aufbewahrt und erhalten werden sollen, gehört, wie ausgeführt, zum gewöhnlichen Funktionsumfang und Zweck eines Tonbands. Ob Tondokumente nur vorübergehend oder dauernd gespeichert werden sollen, hängt nicht von der besonderen Eigenart oder von einer Veränderung des Tonbands durch die Aufnahme ab, sondern von den aufgenommenen Inhalten. Ihre Bedeutung und Einmaligkeit zeichnen nur die Inhalte, aber nicht die Tonbänder als Speichermedien aus und besagen über die eigentumsrechtliche Zuordnung des Speichermediums nichts.
c) Die Unterscheidung zwischen dem Recht an dem Inhalt der Aufzeichnungen und dem Eigentum am Speichermedium vertieft der BGH noch durch folgende Überlegung. Entschließt sich der an den Inhalten Berechtigte dazu, die Inhalte nicht auf einem eigenen Tonband zu speichern, sondern beispielsweise auf einem über das Internet zugänglichen Speicherplatz in einem entfernten Rechenzentrum (sog. Cloud), bleibt er weiterhin alleiniger Berechtigter der gespeicherten Inhalte. Er wird dadurch weder rechtsgeschäftlich noch kraft Gesetzes Miteigentümer der Speichermedien in der Computeranlage des Dienstleisters, der ihm den Speicherplatz eingeräumt hat. Diese Anlage verändert durch die bestimmungsgemäße Benutzung als virtueller Speicher weder ihre Substanz noch ihre Funktion. Ebenso läge es, wenn B die Gespräche mit K statt in analoger Form auf einem Tonband in digitaler Form auf seinem Notebook oder Smartphone gespeichert hätte. Auch dann stünden K zwar die Rechte an den Inhalten, aber nicht das Eigentum an dem Notebook oder Smartphone des B zu.
d) Schließlich erfahren die Tonbänder durch das Besprechen keine Wesensänderung, es bleibt die Identität der unbesprochenen mit den besprochenen Bändern erhalten, und die besprochenen Tonbänder werden nicht mit einem anderen Begriff bezeichnet.
4. Folglich ist durch das Besprechen der Tonbänder keine neue Sache i. S. des § 950 BGB hergestellt worden. K ist nicht nach dieser Vorschrift Eigentümer der Tonbänder geworden und hat keinen Herausgabeanspruch nach § 985 BGB.
III. K könnte ein Herausgabeanspruch aus § 667 BGB zustehen. Einen schriftlichen Vertrag haben K und B nur mit V geschlossen und nicht zwischen sich.
1. In Betracht kommt, dem Verlagsvertrag zwischen V und B - unter Heranziehung auch des Verlagsvertrages zwischen K und V - eine Verpflichtung des B zur Herausgabe der Tonbänder zu entnehmen. Da diese Verpflichtung im Interesse des K bestehen würde, wäre der sich daraus ergebende Anspruch des K ein Anspruch aus dem Vertrag B - V als Vertrag zugunsten eines Dritten (§ 328 BGB).
a) BGH [24] Es wäre nicht von vornherein ausgeschlossen, dem Verlagsvertrag des B einen eigenen Anspruch des K als Drittberechtigtem im Sinne von § 328 Abs. 1 BGB auf Herausgabe des dem B zugänglich gemachten Materials und der Aufzeichnungen über die Gespräche zu entnehmen.
b) [25] Jedoch ergibt sich aus dem Verlagsvertrag V - B deshalb kein Herausgabeanspruch des K, weil ein solcher Anspruch darin erkennbar nicht geregelt werden sollte. Die Parteien haben sich in ihren Verträgen mit dem Verlag auf die Regelung der grundsätzlichen Verpflichtung des K beschränkt, dem B Material zugänglich zu machen und zu Gesprächen zu Verfügung zu stehen, und dem K dabei ein Bestimmungsrecht eingeräumt. Alles Weitere haben sie ausdrücklich einer „direkten Besprechung“ der Parteien untereinander vorbehalten. Damit wäre unvereinbar, den Verlagsverträgen eine Regelung über den Verbleib der Tonbänder, von denen bei Vertragsschluss noch keine Rede war, zu entnehmen.
2. Anspruchsgrundlage könnte § 667 BGB sein, wonach bei einem Auftrag der Beauftragte verpflichtet ist, dem Auftraggeber alles, was er zur Ausführung des Auftrags erhält und was er aus der Geschäftsbesorgung erlangt, herauszugeben.
a) Da K und B schriftliche Verträge nur mit V geschlossen haben, ist zunächst zu prüfen, ob auch zwischen K und B eine rechtlich verbindliche Vereinbarung getroffen worden ist. Diese könnte nur schlüssig (konkludent) zustande gekommen sein. BGH [27-30]
Die Parteien haben die ihrer „Besprechung“ vorbehaltenen Modalitäten der Ausstattung des B mit dem zur Erstellung des Manuskripts erforderlichen Material nicht in einem schriftlichen Vertrag fixiert. Sie haben sich aber rein tatsächlich darüber verständigt, indem K dem B Unterlagen zugänglich gemacht und für lange Gespräche zur Verfügung gestanden hat. Für die Frage, ob darin eine rechtlich verbindliche Vereinbarung zu sehen ist, ist diese zur bloßen Absprache im außerrechtlichen, rein gesellschaftlichen Bereich sowie zur bloßen Gefälligkeit abzugrenzen.
aa) Ob eine Partei eine rechtlich verbindliche Vereinbarung oder nur eine unverbindliche Absprache treffen will, ist an Hand der Umstände des jeweiligen Einzelfalles zu bewerten (vgl. BGHZ 56, 204, 209 f.). Es kommt darauf an, ob die andere Partei unter den gegebenen Umständen nach Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte auf einen solchen Willen schließen musste. Dies ist anhand objektiver Kriterien aufgrund der Erklärungen und des Verhaltens der Parteien zu ermitteln. Dabei sind vor allem die wirtschaftliche sowie die rechtliche Bedeutung der Angelegenheit, insbesondere für den Begünstigten, die Interessenlage der Parteien (vgl. BGHZ 21, 102, 106 f., NJW-RR 2006, 117, 120, NJW 2009, 1141 Rn. 7 und NJW 2012, 3366 Rn. 14) und das objektive Bedürfnis nach einer rechtsverbindlichen Regelung (vgl. MüKoBGB/Seiler, 6. Aufl., § 662 Rn. 59 f.) zu berücksichtigen.
bb) Die Regelung der Zusammenarbeit war in den Verlagsverträgen der Parteien mit dem Verlag offen gelassen und einer „Besprechung“ der Parteien vorbehalten worden. Hierbei handelt es sich aber nicht, worauf die Verwendung des Begriffs „besprechen“ in den Verträgen auf den ersten Blick hindeuten mag, um einen unbedeutenden Nebenpunkt wie die Absprache eines Termins. Es ging vielmehr um die Einzelheiten der für das Gelingen des Gesamtprojekts und der Verträge der Parteien mit dem Verlag entscheidenden Ausstattung des B mit dem erforderlichen Material im weitesten Sinne. Gegenstand der „Besprechung“ sollten mithin vertrauliche Unterlagen wie Handakten, Briefverkehr, Redemanuskripte und andere Dokumente aus der Zeit der politischen Tätigkeit des Klägers sein, die dieser dem Beklagten zugänglich machen sollte… Dabei war K darauf angewiesen, dass er nicht nur Herr über das überlassene Material, sondern auch Herr über seine aufgezeichneten Äußerungen blieb. Das setzt neben dem persönlichen Vertrauensverhältnis eine rechtlich verbindliche Vereinbarung voraus, die ihm die zur Durchsetzung der Vertraulichkeit erforderlichen Ansprüche verschaffte und die die Parteien nach den Verlagsverträgen auch miteinander treffen sollten.
BGH [26] Folglich haben K und B gewissermaßen „unter dem Dach ihrer Verträge“ mit dem Verlag und zur Durchführung der dort nur allgemein angesprochenen Fragen der Materialsammlung konkludent eine rechtsverbindliche Vereinbarung getroffen.
b) Diese Vereinbarung war zwar kein Auftrag i. S. des § 662 BGB, weil B nicht unentgeltlich handeln sollte, sondern dafür ein Honorar seitens des V erhielt. Gleichwohl könnte § 667 BGB auf diese Vereinbarung anzuwenden sein. BGH [31-34] Die durch die Parteien zur Ausgestaltung ihrer Zusammenarbeit konkludent getroffene Vereinbarung ist eine nach § 311 Abs. 1 BGB ohne weiteres zulässige Vereinbarung eigener Art, die keinen der gesetzlich geregelten Vertragstypen voll abbildet. Auf eine solche Vereinbarung sind, soweit möglich, die Regelungen für den gesetzlichen Vertragstyp anzuwenden, dem sie am nächsten kommt (Bamberger/Roth/Gehrlein, BGB, 3. Aufl., § 311 Rn. 19).
aa) B hatte nach den Verlagsverträgen das Manuskript der Memoiren des K persönlich zu erstellen. Diese Aufgabe ist intellektuell anspruchsvoll und erfordert eine Einarbeitung des B in die Thematik. Auch bei den Gesprächen beschränkte sich seine Rolle nicht darauf, das Tonband nach Weisung des K an- oder auszuschalten. Sie erforderte ein Gesprächskonzept, mit dem die Erinnerung des K und sein Wissen gewissermaßen „erschlossen“ werden konnten. Das bedeutet aber nicht, dass B an den Memoiren des K als gleichberechtigter Autor mitwirken sollte wie das etwa bei einem gemeinsamen Buch mehrerer Autoren der Fall ist. Mit dem Abschluss seines Verlagsvertrags hat er - dem Sujet des Werks geschuldet - eine trotz ihres intellektuellen Anspruchs dienende Rolle übernommen. Autor sollte allein K sein. Er hatte das Recht, schon in der Entstehungsphase des Werks jederzeit in das Manuskript einzugreifen und der weiteren Arbeit des Beklagten die Richtung zu geben, die er für richtig hielt…
bb) Die dienende Rolle des B tritt bei der Vereinbarung über die Zusammenarbeit bei der Materialsammlung noch deutlicher zutage. Hierbei war erforderlich, dass sich B bei der Sammlung des Materials in den Dienst des K stellte und, dieser Rolle entsprechend, das gesammelte Material für den K zu treuen Händen verwaltete. Diese Rollenverteilung ist aber das typische Merkmal eines Auftragsverhältnisses (vgl. Staudinger/Martinek, BGB [2006], § 662 Rn. 2; Erman/ Berger, BGB, 14. Aufl., § 662 Rn. 3), dessen Regeln deshalb auf die Vereinbarung der Parteien über die Zusammenarbeit bei der Sammlung des Materials anzuwenden sind. Somit ist § 667 BGB auf die Vereinbarung zwischen K und B anzuwenden.
c) § 667 BGB müsste B zur Herausgabe der Tonbänder verpflichten. BGH [36, 37]
aa) Zur Ausführung des Auftrags erhalten ist alles, was dem Beauftragten zum Zwecke der Geschäftsbesorgung zur Verfügung gestellt worden ist. Aus der Geschäftsbesorgung erlangt ist jeder Vorteil, den der Beauftragte aufgrund eines inneren Zusammenhangs mit dem geführten Geschäft erhalten hat (BGH NJW-RR 1992, 560 und NJW-RR 2004, 1290; MüKoBGB/Seiler, 6. Aufl., § 667 Rn. 9; Staudinger/Martinek, BGB [2006], § 667 Rn. 7 ff.). Hierzu zählen nicht nur von Dritten erhaltene Gegenstände, sondern auch die selbst über die Geschäftsführung angelegten Urkunden und Belege, Aufzeichnungen und Unterlagen, Akten und Notizen, soweit sie nicht nur für den Beauftragten selbst bedeutsam sind (vgl. BGHZ 109, 260, 264 f. und NJW-RR 2004, 1290; Staudinger/Martinek, BGB [2006], § 667 Rn. 8). Herauszugeben sind nicht nur körperliche Gegenstände, sondern auch Datenbestände (BGH NJW-RR 2004, 1290). Für die Herausgabepflicht ist es unerheblich, ob das Erlangte dem Beauftragten gehört (…). Nur so ist der Auftraggeber imstande, darüber zu entscheiden, ob und wie die Angelegenheit nach dem Ende des Auftrags fortgeführt oder abgewickelt werden soll.
bb) Die Tondokumente gehören zu den zentralen Teilen des Materials, das K dem B zur Verwendung für die Erstellung des Manuskripts der Memoiren zugänglich machen sollte. Dass sie als solche keine körperlichen Gegenstände sind, ist - wie bei den erwähnten elektronischen Datenbeständen - ohne Bedeutung. Dass es sich bei den Äußerungen des K nicht um Monologe, sondern um Antworten auf Fragen des B oder Stellungnahmen zu Stichworten handelt, die dieser dem K gegeben hat, steht der Herausgabepflicht schon deshalb nicht entgegen, weil diese Form, die Informationen abzurufen und festzuhalten, Teil der Absprache der Parteien war. Ohne Bedeutung ist schließlich, dass die Gedanken und Erinnerungen des K auf Tonbändern aufgenommen worden sind, die dem B gehören. Setzt ein Beauftragter zur Erfüllung des Auftrags untergeordnete Hilfsmittel - wie Papier, Notizblöcke, Karteikarten oder Aktenordner, aber eben auch Tonbänder - ein, muss er - gegebenenfalls gegen Erstattung seiner Aufwendungen (§ 670 BGB) - auch das Eigentum daran an den Auftraggeber übertragen, wenn diesem der alleinige Zugriff auf das Erlangte wie hier anders nicht verschafft werden kann.
d) Somit hat K gegen B einen Anspruch aus § 667 BGB auf Herausgabe der Tonbänder. Das Herausgabeverlangen des K ist berechtigt.
Zusammenfassung