Bearbeiter: Dr. Gernot Schmalz-Brüggemann
► Rücksichtnahmepflicht eines Fußballfans aus dem Zuschauervertrag, § 241 II BGB. ► Schadensersatzanspruch des Fußballvereins aus § 280 I BGB wegen Werfens eines Knallkörpers im Stadion. ► Verbandsstrafe des Sportgerichts als Schaden des Vereins. ► Zurechnungszusammenhang und Schutzzweck der Norm. ► Anspruch wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung, § 826 BGB
BGH Urteil vom 22. September 2016 (VIII ZR 14/16) NJW 2016, 3715 (für BGHZ vorgesehen)
Fall (Pyros im Fußballstadion)
Die K-GmbH betreibt den Profifußballbereich des 1. FC K e. V. (im Originalfall: 1. FC Köln), wobei der 1. FC K an der K-GmbH sämtliche Anteile hält und das alleinige Stimmrecht hat. Am 09.02. hatte der 1. FC K in der Bundesliga ein Heimspiel gegen den SC P (im Originalfall: SC Paderborn). B ist Fußballfan und besuchte das Spiel aufgrund einer Dauerkarte. In der zweiten Halbzeit zündete B an seinem Platz im Oberrang der Nordtribüne einen Knallkörper (Produktbezeichnung: „La Bomba“) und warf ihn auf den Unterrang, wo er explodierte. Dabei wurden sieben Zuschauer verletzt.
Wegen dieses Vorfalls und vier weiterer vorangegangener Vorfälle bei anderen Spielen der Mannschaft des FC K verhängte das Sportgericht des Deutschen Fußball-Bundes e.V. (DFB) gegen K eine Verbandsstrafe in Höhe von 50.000 Euro, verbunden mit Auflagen. Für den von B verursachten Vorfall wurde eine Strafe von 30.000 Euro festgesetzt, die als Einsatzstrafe unvermindert in die Gesamtstrafe einfloss. Das Urteil erging in Anwendung des § 9 a der Rechts- und Verfahrensordnung (RuVO) des DFB. Danach sind Vereine und Tochtergesellschaften für das Verhalten ihrer Spieler, Offiziellen, Mitarbeiter, Mitglieder, Anhänger, Zuschauer und weiterer Personen, die im Auftrag des Vereins eine Funktion während des Spiels ausüben, verantwortlich. Der gastgebende Verein und der Gastverein bzw. ihre Tochtergesellschaften haften im Stadionbereich vor, während und nach dem Spiel für Zwischenfälle jeder Art. K bezahlte die Geldstrafe und verlangt von B Ersatz in Höhe von 30.000 Euro. K stützt sich dabei u. a. auf die Vorschrift der Stadionordnung, nach der das Mitführen und Abbrennen von Feuerwerkskörpern und das Werfen von Gegenständen verboten ist; die Stadionordnung wird auf den Eintrittskarten für verbindlich erklärt.
B verweigert die Zahlung und begründet das damit, die Stadionordnung rechtfertige keinen Anspruch auf Ersatz einer Verbandsstrafe. Vor allem betreffe eine Verbandsstrafe ausschließlich das Verhältnis des Vereins zum DFB und ahnde ein Fehlverhalten des Vereins, u. a. wegen unzulänglicher Kontrolle oder mangelnder Aufsicht. Damit sei ein Weiterreichen der Strafe an ihn unvereinbar. Würde er für die Verbandsstrafe haftbar gemacht, wäre das eine rechtsstaatswidrige Strafe zu Lasten eines an dem Sportgerichtsverfahren gar nicht beteiligten Dritten. Zu seinen Gunsten müsse auch berücksichtigt werden, dass er zwar mit einer Reaktion des Vereins gerechnet habe, etwa mit einem Stadionverbot oder einer Vertragsstrafe; mit der Zahlung einer Verbandsstrafe, zu der der Verein vom Sportgericht verurteilt wurde, habe er aber nicht gerechnet. Ist der Anspruch der K gegen B begründet?
A. Schadensersatzanspruch aus Vertrag
I. K könnte gegen B einen Schadensersatzanspruch aus § 280 I BGB haben. Durch den Kauf der Eintrittskarte ist zwischen K und B ein Vertrag zustande gekommen. Es handelt sich um einen Werkvertrag (§ 631 I, II BGB), weil die Veranstaltung eines Fußballspiels ein durch Dienstleistung herbeizuführender Erfolg ist (Palandt/Sprau, BGB, 76. Aufl. 2017, § 631 Rdnr. 29; Otting/Thelen JA 2017, 381 in einer Besprechung des Falles: Werkvertrag mit mietrechtlichem Einschlag). BGH [11] bezeichnet ihn als „Zuschauervertrag“. Da ein Vertrag vorliegt und § 280 I BGB als Anspruchsgrundlage in Betracht kommt, ist die - für sich genommen richtige - Auffassung des B, dass die Stadionordnung keinen Anspruch auf Ersatz der Verbandsstrafe gewährt, unerheblich.
II. B müsste als Schuldner aus dem Vertrag eine Pflicht schuldhaft verletzt haben. Hauptleistungspflicht des B war, die Eintrittskarte zu bezahlen; diese Pflicht hat er erfüllt. B könnte eine Rücksichtnahmepflicht als Nebenpflicht verletzt haben. (Die nachfolgend behandelten Pflichten nach § 241 II BGB werden auch anders bezeichnet: von Palandt/Grüneberg, BGB, § 241 Rdnr. 6 als Rücksichtspflichten; von BGH [11] als Verhaltenspflichten, dem folgt Mäsch JuS 2017, 262 in einer Besprechung des BGH-Urteils, und von Martens NJW 2016, 3691 auf S. 3692 als Schutzpflichten.)
1. Nach § 241 II BGB kann ein Schuldverhältnis nach seinem Inhalt jeden Vertragsteil zur Rücksicht auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen des anderen Teils verpflichten.
a) BGH [17, 18] stimmt der Auffassung des BerGer. zu, dass die allgemeine Nebenpflicht aus § 241 Abs. 2 BGB zur Rücksichtnahme auf die Interessen der K dazu dient, einen ungestörten Spielablauf zu gewährleisten… Es ist eine Selbstverständlichkeit, dass ein Zuschauervertrag zum Besuch eines Fußballspiels den Zuschauer, dessen einzige Hauptleistungspflicht in der Zahlung des Eintrittspreises besteht, daneben zur Rücksichtnahme auf das Interesse des Veranstalters an einem ungestörten Ablauf des Fußballspiels verpflichtet. Denn das ist ein auf der Hand liegendes Hauptinteresse des Veranstalters. Es handelt sich um ein gleichgerichtetes Interesse mit allen Vertragspartnern (Zuschauern), die ebenfalls einen ungestörten Spielablauf erwarten und erwarten können. Eine derartige Rücksichtnahmepflicht belastet den Zuschauer nicht. Er ist lediglich verpflichtet, alles zu unterlassen, was in einen ungestörten Spielablauf eingreifen würde. Derartige Handlungen unterlässt der verständige Zuschauer bereits aus dem eigenen Interesse an einem ungestörten Spielablauf.
b) Da der Einsatz von Knallkörpern zu Verletzungen anderer Zuschauer und zu Störungen des Spielablaufs führen kann bis hin zu einem Spielabbruch, hat B durch das Werfen und Zünden eines Knallkörpers mit erheblicher Sprengenergie seine Rücksichtnahmepflicht aus dem Zuschauervertrag schuldhaft verletzt.
2. Nach der Stadionordnung ist das Mitführen und Abbrennen von Feuerwerkskörpern und das Werfen von Gegenständen verboten; die Stadionordnung wird auf den Eintrittskarten für verbindlich erklärt. Die Stadionordnung enthält Allgemeine Geschäftsbedingungen, d. h. Vertragsbedingungen, die vom veranstaltenden Fußballverein für eine Vielzahl von Verträgen vorformuliert sind und den Zuschauern als anderen Vertragsparteien bei Abschluss der Zuschauerverträge gestellt werden (§ 305 I 1 BGB). Durch den Aufdruck auf der Eintrittskarte hat K die Verpflichtung aus § 305 II Nr. 1 BGB erfüllt. Auch kann davon ausgegangen werden, dass ein Aushang der Stadionordnung jedem Zuschauer ermöglicht, davon Kenntnis zu nehmen (§ 305 II Nr. 2 BGB). Folglich ergab sich eine Rücksichtnahmepflicht des B auch aus der Stadionordnung. B hat auch diese Pflicht schuldhaft verletzt. BGH [11] Die Rücksichtnahmepflichten des B ergeben sich…sowohl aus der wirksam in den Vertrag einbezogenen Stadionordnung als auch unabhängig hiervon gemäß § 241 Abs. 2 BGB allgemein aus dem Zuschauervertrag (vgl. etwa OLG Rostock NJW 2006, 1819). Zutreffend gelangt das BerGer. zu dem Ergebnis, dass B durch das Zünden des Knallkörpers pflichtwidrig das Interesse der K an einem ungestörten Spielablauf beeinträchtigt hat.
Ebenso Otting/Thelen JA 2017, 381. - Martens NJW 2016, 3692 weist darauf hin, dass viele Fußballvereine, u. a. FC Bayern und FC Schalke, in den AGB für ihre Tickets ausdrücklich eine Schadensersatzpflicht bei Störungen aufgenommen haben. Diese Klauseln haben aber im Vergleich zur hier zugrunde gelegten gesetzlichen Rechtslage keine eigenständige Bedeutung, denn wenn nach BGB kein Anspruch bestehen würde, wäre die Klausel nach § 307 I BGB unwirksam.
III. Nach § 280 I BGB kann K als Gläubigerin Ersatz des durch die Pflichtverletzung des B entstehenden Schadens verlangen. Als Schaden i. S. des § 249 I BGB kommen die von K als Verbandsstrafe gezahlten 30.000 Euro in Betracht. Dann müssten die 30.000 Euro Verbandsstrafe durch die Pflichtverletzung des B entstanden sein.
1. Hierfür ist zunächst einfache Kausalität erforderlich („conditio sine qua non“, Martens NJW 2016, 3692; Mäsch JuS 2017, 262/3). Diese ist gegeben, denn ohne den Einsatz des Knallkörpers durch B wäre keine Verbandsstrafe verhängt worden.
2. Auch das Erfordernis der adäquaten Kausalität ist erfüllt. BGH [12] Denn es ist weder völlig unwahrscheinlich noch ungewöhnlich, dass Fußballklubs im Anschluss an Pyrotechnikvorfälle im Stadion Verbandsstrafen auferlegt werden (vgl. nur Walker NJW 2014, 119, 120; Kober, Pyrotechnik in deutschen Fußballstadien, 2015, S. 131;…).
3. Weiterhin ist für einen Schadensersatzanspruch erforderlich, dass ein Zurechnungszusammenhang (auch: Rechtswidrigkeitszusammenhang) zwischen der Rechts- oder Pflichtverletzung und dem Schaden besteht (BGH [13, 16]; Mäsch JuS 2017, 262). Da dieser grundsätzlich durch die adäquate Kausalität vermittelt wird, empfiehlt sich die (negative) Prüfung, ob es einen Grund dafür gibt, den Zurechnungszusammenhang zu verneinen. Ein solcher Grund kann darin bestehen, dass der Schutzzweck der Norm nicht auf die Verhinderung des eingetretenen Schadens gerichtet ist (Schutzzweck der Norm als Unterfall des Zurechnungszusammenhangs, vgl. Palandt/Grüneberg vor § 249 Rdnrn. 24, 29). Die Norm, auf deren Schutzzweck es ankommt, ist bei Ansprüchen aus § 823 I, II BGB das verletzte Recht (Leben, Körper, Eigentum) oder das Schutzgesetz. Bei vertraglichen Ansprüchen, insbesondere bei § 280 BGB, ist Norm die verletzte Pflicht, im vorliegenden Fall § 241 II BGB i. V. mit dem Zuschauervertrag.
Dazu genauer BGH [14] Es entspricht ganz überwiegender Auffassung und der ständigen Rechtsprechung des BGH, dass die Schadensersatzpflicht durch den Schutzzweck der Norm begrenzt wird. Eine Haftung besteht nur für diejenigen…Schadensfolgen, die aus dem Bereich der Gefahren stammen, zu deren Abwendung die verletzte Norm erlassen oder die verletzte Vertragspflicht übernommen wurde. Der geltend gemachte Schaden muss in einem inneren Zusammenhang mit der durch den Schädiger geschaffenen Gefahrenlage stehen. Ein „äußerlicher", gleichsam „zufälliger" Zusammenhang genügt dagegen nicht. Insoweit ist eine wertende Betrachtung geboten (vgl. BGHZ 201, 263 Rn. 10; NJW 2013, 1679 Rn. 12;… Palandt/Grüneberg, BGB, 75. Aufl., vor § 249 Rn. 29 f. m. w. N.). Im Vertragsrecht hat der Schuldner nur für die Einbußen einzustehen, die die durch den Vertrag geschützten Interessen betreffen (Lange/Schiemann, Schadensersatz, 3. Aufl., S. 104 m. w. N.).
a) Im vorliegenden Fall könnte der Schutzzweck der Rücksichtnahmepflicht des B die Verbandsstrafe deshalb nicht erfassen, weil - wie B geltend macht - die Strafe auf einer selbstständigen Entscheidung des DFB-Sportgerichts beruht und das Verhältnis zum K-Verein betrifft. Dadurch könnte der Zurechnungszusammenhang zwischen Pflichtverletzung und Verbandsstrafe als Schaden unterbrochen sein.
aa) BGH [15} Allerdings wird nach der gefestigten Rechtsprechung des BGH die haftungsrechtliche Zurechnung nicht schlechthin dadurch ausgeschlossen, dass außer der in Rede stehenden Handlung noch weitere Ursachen zu dem eingetretenen Schaden beigetragen haben. Dies gilt auch dann, wenn der Schaden erst durch das…Dazwischentreten eines Dritten verursacht wird. Der Zurechnungszusammenhang fehlt auch in derartigen Fällen nur, wenn die zweite Ursache den Geschehensablauf so verändert hat, dass der Schaden bei wertender Betrachtung nur noch in einem „äußerlichen", gleichsam „zufälligen" Zusammenhang zu der durch die erste Ursache geschaffenen Gefahrenlage steht. Wirken dagegen in dem Schaden die besonderen Gefahren fort, die durch die erste Ursache gesetzt wurden, kann der haftungsrechtliche Zurechnungszusammenhang nicht verneint werden (vgl. BGHZ 199, 237 Rn. 55 m. w. N.).
bb) Im BGH-Fall hatte das BerGer. (OLG Köln MDR 2016, 209; BGH [8]) ausgeführt, es fehle an dem erforderlichen Zurechnungszusammenhang. Denn die Verhängung der Verbandsstrafe unterfalle nicht mehr dem Schutzzweck der von B verletzten Pflicht. Maßgeblich für das Verbot des Zündens von Knallkörpern im Stadion und hierdurch verursachter Spielstörungen sei die besondere Gefährlichkeit von Knallkörpern für die menschliche Gesundheit. Jedoch habe sich diese von B geschaffene Gefahrenlage hinsichtlich des geltend gemachten Schadens nicht realisiert. Realisiert habe sich vielmehr das durch die Unterwerfung der K unter die Regeln des DFB geschaffene Risiko, dass der Verein für sportliche Vergehen seiner Anhänger die Verantwortung zu übernehmen habe und dementsprechend im Rahmen des Verbandes mit Strafen belegt werden könne. Die gegen eine Haftung des Zuschauers sprechenden Argumente werden von Otting/Thelen JA 2017, 385-388 zusammengestellt (auch m. w. Nachw.) und als überwiegend beurteilt, so dass in diesem Aufsatz eine Regresshaftung aus §§ 280 I, 241 II BGB abgelehnt wird. Stattdessen wird empfohlen, gegen störende Zuschauer mit Vertragsstrafen vorzugehen, etwa in Höhe von 1.000 Euro, so Otting/Thelen JA 2017, 389.
cc) Der BGH folgt der bereits bisher herrschenden Auffassung (Nachw. bei Otting/Thelen JA 2017, 380 Fn. 1 und 2). BGH [19-21] Die von K auf die gegen sie verhängte Verbandsstrafe geleistete Zahlung steht in dem notwendigen inneren Zusammenhang mit der Störung des Spielablaufs… Die hier in Rede stehende Verbandsstrafe ist eine für den Veranstalter nicht zu vermeidende Folge gravierender Störungen des Ablaufs eines Fußballspiels. Denn ihm ist die Durchführung eines Profi-Fußballspiels im Rahmen eines Wettbewerbs (hier: Bundesliga) nur mit Hilfe einer übergeordneten Organisation wie eines Verbandes möglich. K konnte somit nicht ohne…Unterwerfung unter die Statuten des DFB ein Fußballspiel der Bundesliga durchführen und den Zuschauern den Besuch anbieten. Deshalb musste sich K auch der DFB-Sportgerichtsbarkeit unterwerfen. Die Verurteilung durch das Sportgericht des DFB erfolgte auf der Grundlage von § 9 a der Rechts- und Verfahrensordnung des DFB… Damit beruht die ausgesprochene Strafe direkt auf der Störung durch B. Sie ist gerade nicht nur „zufällig" aus Anlass der Störung verhängt worden… Ihr Zweck ist dementsprechend ausweislich des dem Urteil des Sportgerichts zugrundeliegenden Antrags des Kontrollausschusses des DFB auch, zukünftiges Zuschauerfehlverhalten auszuschließen oder zumindest zu minimieren; dieses Ziel wird auch gefördert, wenn potenzielle Täter damit rechnen müssen, solche Strafzahlungen ersetzen zu müssen.
Somit können Schutzzweck und Zurechnungszusammenhang nicht mit der Begründung verneint werden, die Strafe beruhe auf einer selbstständigen Entscheidung des DFB-Sportgerichts und betreffe ausschließlich das Verhältnis zum K-Verein. Vielmehr betrifft sie auch das Verhältnis zu einem störenden Zuschauer.
b) Der Strafzweck gegenüber den Vereinen und den Zuschauern - das pönale Element der Verbandsstrafe - schließt eine Wertung als zurechenbarer Schaden nicht aus, weil pönale Elemente dem Schadensersatzrecht nicht fremd sind (Martens NJW 2016, 3692/3 unter Hinweis darauf, dass beispielsweise im Bauvertragsrecht Vertragsstrafen an Subunternehmer weitergereicht werden können).
c) Die Anerkennung der Verbandsstrafe als Schaden setzt eine Anwendung der DFB-RuVO und des Urteils des Sportgerichts voraus, da nur dadurch der Schaden entstanden ist.
aa) Ob die RuVO-DFB (ist eine Vereinssatzung, vgl. dazu BGH NJW 2017, 402, Zwangsabstieg), insbesondere der § 9 a rechtmäßig und wirksam ist, wird unterschiedlich beurteilt. Die verneinende Ansicht wird von Martens NJW 2016, 3693/4 vertreten und wie folgt begründet: Das Schuldprinzip bei Strafen hat ebenso wie das Verbot unangemessener Strafen Verfassungsrang und gilt auch im Privatrecht (BVerfG NJW 2016, 1149, 1152; Walker NJW 2014, 121). Bedenken gegen die Angemessenheit des § 9 a RuVO ergeben sich bereits wegen der darin niedergelegten weitgehenden Haftung der Vereine, insbesondere der Haftung für jedes Fehlverhalten von Zuschauern und Anhängern. Vor allem aber verfolgt der DFB mit der Regelung in § 9 a den Zweck, die Vereine mit Hilfe einer Verbandsstrafe in die Lage zu versetzen, die Störer in Anspruch nehmen, um diese abzuschrecken. Martens NJW 2016, 3694: Damit hat der DFB „eine Konstruktion ersonnen, die es den Sportgerichten im Ergebnis ermöglicht, unverhältnismäßige Strafen gegen Täter in einem Verfahren zu verhängen, in dem deren elementare Verfahrensgrundrechte nicht gewährleistet sind. Derartige verbandsgerichtliche Verfahren zu Lasten Dritter sind unzulässig.“ Dem entspricht auch der im Sachverhalt wiedergegebene Vortrag des B. Würde man dem folgen, wäre § 9 a RuVO nichtig und das Urteil des Sportgerichts gegen K wäre rechtswidrig. Der Schutzzweck der Rücksichtnahmepflicht könnte nicht darauf erstreckt werden, eine Verbandsstrafe zu verhindern, die gar nicht hätte verhängt werden dürfen. Die Rechtswidrigkeit der Verbandsstrafe würde den Zurechnungszusammenhang zwischen Pflichtverletzung und der den Schaden bildenden Verbandsstrafe unterbrechen.
bb) Dem folgt der BGH aber nicht. [23, 24] Der Zurechnungszusammenhang kann nicht mit der Erwägung verneint werden, K hätte die Geldstrafe nicht zahlen müssen, weil § 9 a RuVO des DFB unwirksam sei (allgemein zum Diskussionsstand: Walker NJW 2014, 119; 120 ff.; Kober, Pyrotechnik in deutschen Fußballstadien, 2015, S. 126 ff.; Müller-Eiselt, Die Gewährleistung der Sicherheit bei Fußballspielen, 2015, S. 219 ff., 267;…jeweils m. w. N.) Verurteilungen auf dieser Grundlage erfolgen regelmäßig und werden von den betroffenen Vereinen auch befolgt (vgl. Walker NJW 2014, 119, 124). Sowohl in der deutschen als auch in der internationalen Verbandsschiedsgerichtsbarkeit ist die Zulässigkeit dieser und vergleichbarer Normen, nach denen der Verein für ein schuldhaftes Verhalten der Zuschauer einzustehen hat, anerkannt (Ständiges Schiedsgericht für Vereine und Kapitalgesellschaften der Lizenzligen, SpuRt 2013, 200; TAS/CAS, Schiedsspruch vom 20. April 2007 CAS 2007/A/1217 Feyenoord Rotterdam v/ UEFA, SpuRt 2007, 164). Aus diesen Gründen kann es der K auch nicht zum Mitverschulden gereichen, dass sie die Strafe gezahlt hat, ohne Rechtsmittel gegen die Verurteilung auf der Grundlage dieser Norm einzulegen. Solange die Rechtspraxis dieser Rechtsansicht folgt, muss diese auch bei der Bearbeitung dieses Falles zugrunde gelegt werden. Folglich ist davon auszugehen, dass zumindest das Urteil des Sportgerichts rechtswirksam ist und für die Bestimmung des Schadens zugrunde zu legen ist.
d) Somit fällt die Verbandsstrafe noch unter den Schutzzweck der von B verletzten Rücksichtnahmepflicht; der Zurechnungszusammenhang zwischen Pflichtverletzung, und der als Schaden geltend gemachten Verbandsstrafe ist nicht unterbrochen.
4. Der sich aus § 280 I BGB ergebende Schadensersatzanspruch könnte wegen eines Mitverschuldens der K nach § 254 BGB gemindert sein. Möglicherweise hätten Ordner der K bei der Einlasskontrolle oder später bei der Überwachung der Zuschauer B das Verbringen des Knallkörpers ins Stadion oder dessen Verwendung verhindern können. Das begründet nach BGH aber kein Mitverschulden [31] Im Verhältnis zu B bestand für K weder eine Verpflichtung noch eine Obliegenheit, Handlungen vorzunehmen, die ihn von Störungen des Spiels abhielten. Eine solche Beaufsichtigung oder Kontrolle darf ein Zuschauer nicht erwarten; er benötigt sie auch nicht, um Spielstörungen ohne weiteres unterlassen zu können. Eingesetzte Ordner sind deshalb keine Personen, derer sich K zur Erfüllung einer Obliegenheit im Sinne einer gemäß § 254 Abs. 2 Satz 2 BGB entsprechenden Anwendung von § 278 Satz 1 BGB gegenüber B bedient hat (vgl. BGHZ 197, 252 Rn. 20-22; NJW 2016, 3022 16-18).
5. Ein Anspruch der K gegen B aus § 280 I BGB ist in vollem Umfang, d. h. in Höhe von 30.000 Euro begründet.
(Das Urteil des BGH hat allerdings noch nicht zu einer Verurteilung des B geführt. Da noch einige Feststellungen zu treffen waren - u. a. zur Schuldfähigkeit des B, der schwer betrunken war und Haschisch im Blut hatte -, wurde das Verfahren an das OLG zurückverwiesen.)
B. K könnte auch ein Anspruch aus § 826 BGB zustehen. Dann müsste B in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise der K vorsätzlich einen Schaden zugefügt haben.
I. Schaden ist die Verbandsstrafe über 30.000 Euro.
II. Nach üblicher Formel handelt sittenwidrig, wer bei seiner Handlung gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden verstößt. Ein solcher Verstoß liegt jedenfalls in einer strafbaren Handlung. B hat durch das Werfen des Knallkörpers, durch den sieben Personen verletzt wurden, eine fahrlässige Körperverletzung (§ 229 StGB) begangen. Darin liegt zugleich ein sittenwidriges Handeln.
III. B müsste vorsätzlich gehandelt haben, wobei sich der Vorsatz auf den Schaden beziehen muss, im vorliegenden Fall also auf die Verhängung der Verbandsstrafe. Ausreichend ist, dass der Täter den Schaden billigend in Kauf genommen hat (bedingter Vorsatz, dolus eventualis; MüKo/Wagner, 6. Aufl. 2013, § 826 Rdnr. 26).
1. Hierzu hatte das BerGer. ausgeführt (vgl. BGH [9]), für eine Haftung aus § 826 BGB fehle es an dem Schädigungsvorsatz des B. Hierzu gehöre, dass der Schädiger Art und Richtung des Schadens und die Schadensfolgen vorausgesehen und die Schädigung im Sinne eines direkten Vorsatzes gewollt oder im Sinne eines bedingten Vorsatzes zur Erreichung seines Ziels billigend in Kauf genommen habe…. Es sei nicht ersichtlich, dass B eine hinreichend konkrete Vorstellung von den schädigenden Folgen seines Handelns gehabt habe, und zwar gerade in Bezug auf die Verhängung einer Geldstrafe durch das Sportgericht des DFB.
2. Dazu BGH [32] Sollte es hierauf noch ankommen, wird die Zurückverweisung dem BerGer. die Gelegenheit geben, erneut eine Haftung nach § 826 BGB zu prüfen. Mit der bisher gegebenen Begründung kann eine solche Haftung nicht verneint werden… Denn das BerGer. hatte ausdrücklich festgestellt, dass es B nicht entgangen sein dürfte, dass der DFB den Vereinen bei entsprechenden Vorfällen eine Verbandsstrafe auferlegen kann. Es bedarf zwar der Feststellung, dass der bedingte Schädigungsvorsatz die gesamten Schadensfolgen umfasst hat. Dabei braucht sich der Schädiger den genauen Kausalverlauf aber nicht vorgestellt und den Umfang sowie die Höhe des Schadens nicht vorausgesehen zu haben (…). Das BerGer. wird, wenn es nach nochmaliger Überprüfung die bei B vorhandene Kenntnis von den möglichen Schadensfolgen für ausreichend erachten sollte, sodann zu prüfen haben, ob B diese bei seinem Handeln billigend in Kauf genommen hat.
3. Nach dem hier gegebenen Sachverhalt hat B erklärt, er habe zwar mit einer Reaktion des Vereins gerechnet, etwa mit einem Stadionverbot oder einer Vertragsstrafe, aber nicht mit der Zahlung einer Verbandsstrafe, zu der der Verein vom Sportgericht verurteilt wurde. Das erscheint plausibel, kann zumindest nicht widerlegt werden, und ist deshalb zugrunde zu legen. Danach kann nicht festgestellt werden, dass B die Verbandsstrafe billigend in Kauf genommen hat. Ein Anspruch aus § 826 BGB besteht nicht.
Ergänzende Hinweise: Welche Maßnahmen der Polizei zur Verhinderung von Ausschreitungen bei Fußballspielen zur Verfügung stehen, behandeln Winkler/Schadtle JuS 2015, 435 anhand einer Klausurbearbeitung (die ebenfalls ein Heimspiel des 1. FC Köln gegen den SC Paderborn zum Gegenstand hat). - OLG Oldenburg NJW 2016, 887 LS: „Die Teilnahme an einem sogenannten Fanmarsch in einer belebten Innenstadt, bei dem Hassparolen skandiert werden, kann nach § 118 OWiG ordnungswidrig sein.“
Zusammenfassung