Bearbeiter: Dr. Gernot Schmalz-Brüggemann
► Kaufvertrag über Oldtimer, § 433 BGB. ► Rechtsmangel (§ 435 BGB) infolge Ausschreibung eines Fahrzeugs in internationaler Fahndungsliste. ► Abgrenzung Rechtsmangel - Sachmangel bei behördlicher Interventionsbefugnis. ► Rücktritt nach §§ 437 Nr. 2, 323 BGB. ► Entbehrlichkeit einer Fristsetzung nach § 440 BGB. ► Abwicklung eines Kaufvertrages bei unklarer Eigentumslage der Kaufsache
BGH Urteil vom 18. 1. 2017 (VIII ZR 234/15) NJW 2017, 1666
Fall (Rolls Royce Cabrio)
Anfang des Jahres 2016 kaufte K von B durch einen mündlich geschlossenen Vertrag einen gebrauchten Pkw des Modells Rolls Royce Corniche Cabrio als Oldtimer zum Preis von 29.000 Euro. Anschließend erfolgte die Übergabe des Pkw und die Zahlung des Kaufpreises. Als K im April 2016 die Zulassung beantragte, stellte sich heraus, dass der in Frankreich ansässige frühere Eigentümer (FE) den Pkw als gestohlen gemeldet hatte. Die französischen Behörden hatten deshalb den Pkw Ende 2015 im Schengener Informationssystem (SIS) zur Fahndung (Identitätsfeststellung und Sicherstellung) ausgeschrieben. Demzufolge verfügte die zuständige deutsche Polizeidienststelle die Sicherstellung des Fahrzeugs. Auch leitete die Staatsanwaltschaft gegen B und K Ermittlungsverfahren wegen Hehlerei ein. Im Zuge der Ermittlungen kam die Vermutung auf, FE habe den Diebstahl zum Zwecke eines Versicherungsbetrugs nur vorgetäuscht. Ob der Pkw Gegenstand eines Diebstahls oder eines Versicherungsbetrugs war, konnte bisher nicht geklärt werden. Die StA stellte die Ermittlungen ein. Die Polizei gab K den Pkw zurück und erteilte eine Freigabebescheinigung, wonach keine Bedenken gegen die Zulassung bestehen. Der Pkw wurde auf K zugelassen.
Wegen der fortbestehenden Unklarheiten nahm die StA im Jahre 2017 die Ermittlungen wieder auf. Auch blieb die SIS-Ausschreibung bestehen. Mit Schreiben vom 2. Oktober 2017 erklärte K gegenüber B den Rücktritt vom Kaufvertrag und begründete das mit der Unsicherheit, ob er Eigentümer des Pkw geworden sei, und mit der fortbestehenden SIS-Ausschreibung, die ein ihm nicht mehr zumutbarer Mangel sei. Er verlangt von B Rückzahlung des Kaufpreises Zug um Zug gegen Rückgabe des - von ihm bisher nicht benutzten - Pkw. B verweigert das und verweist K darauf, dass FE den Pkw nicht herausverlangt habe und K den Pkw uneingeschränkt nutzen könne. Die SIS-Ausschreibung sei wegen der Freigabebescheinigung ohne Bedeutung, auch könne K deren Löschung verlangen. Ist der von K gegen B erhobene Anspruch begründet?
Hinweis: Die Daten wurden im Vergleich zum Originalfall aktualisiert und werden so auch in die Originalzitate übernommen.
Lösung
I. Anspruchsgrundlage für einen Anspruch des K gegen B kann § 346 I BGB sein, wonach nach einem Rücktritt vom Vertrag die empfangenen Leistungen zurückzugewähren sind. K könnte den Rücktritt wegen eines Rechtsmangels nach §§ 435, 437 Nr. 2, 323, 440 BGB wirksam erklärt haben.
Den hierfür erforderlichen Kaufvertrag haben K und B Anfang des Jahres 2016 geschlossen. Da die polizeilichen und staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen nicht zu der Feststellung geführt haben, dass der Pkw gestohlen wurde und K und B als Hehler (§ 259 StGB) beteiligt waren, bestehen unter dem Gesichtspunkt der §§ 134, 138 I BGB keine Bedenken gegen die Rechtswirksamkeit des Vertrages.
II. Der verkaufte Pkw könnte im maßgeblichen Zeitpunkt einen Rechtsmangel (§ 435 BGB) aufgewiesen haben.
1. Ein bloßer Rechtsmangel würde allerdings von vornherein ausscheiden, wenn K nicht Eigentümer des Pkw geworden wäre. Eine dahingehende Überlegung klingt im Vorbringen des K an, wonach unsicher sei, ob er Eigentümer des Pkw geworden ist.
a) Verschafft der Verkäufer dem Käufer nicht, wie nach § 433 I 1 BGB geschuldet, das Eigentum an der Kaufsache, handelt es sich um eine Nichterfüllung des Kaufvertrages und nicht um einen Rechtsmangel (BGHZ 174, 61; Schwab JuS 2017, 683 und Jerger/Bühler NJW 2017, 1639, 1640 m. w. N. Fn. 15, jeweils Besprechungen dieses Falles).
b) Da zwischen B und K der Tatbestand des § 929 BGB - Einigung und Übergabe - erfüllt wurde, hat K nur dann kein Eigentum erlangt, wenn B nicht Eigentümer, sondern Nichtberechtigter war und entweder K bösgläubig (§ 932 I 1 BGB) oder der Pkw gestohlen war (§ 935 I 1 BGB). Jedoch ist keine dieser Anforderungen bisher festgestellt. K hat ihr Vorliegen nicht einmal behauptet. Dass er sich auf die Unsicherheit über seinen Eigentumserwerb beruft, reicht als Vortrag dafür, dass er nicht Eigentümer geworden ist, nicht aus. Da der möglicherweise bestohlene FE den Pkw nicht herausverlangt und nach wie vor die Vermutung besteht, dass FE einen Versicherungsbetrug versucht hat, ist durchaus möglich, dass FE den Pkw veräußert und der nachfolgende Erwerber den Pkw vom Berechtigten erworben hat. Dann hätte auch K vom Berechtigten erworben. Solange das nicht widerlegt ist, kann nicht angenommen werden, dass B dem K kein Eigentum an dem Pkw verschafft hat. Vielmehr ist bei der weiteren Prüfung davon auszugehen, dass K Eigentümer des Pkw geworden ist (vgl. Jerger/Bühler NJW 2017, 1642 unter b; von BGH [26] offen gelassen).
Ein fehlender Eigentumserwerb des K steht somit der Annahme eines Mangels nicht entgegen.
2. Bei der Bestimmung des Mangelbegriffs ist Ausgangsüberlegung des BGB in §§ 433 I 2, 434, 435 die Mangelfreiheit der Kaufsache. Für den Rechtsmangel (§ 435 BGB) ist daraus zu schließen, dass er vorliegt, wenn ein Dritter in Bezug auf die Sache ein nicht im Kaufvertrag übernommenes Recht gegen den Käufer geltend machen kann. BGH [16] Der Verkäufer muss, um seine Leistungspflicht vollständig zu erfüllen, nicht nur das materielle (Eigentums-)Recht verschaffen, sondern auch dafür sorgen, dass der Käufer die Kaufsache unangefochten und frei von Rechten Dritter erwirbt und nutzen kann. Das Ziel der Rechtsverschaffung ist umfassend, damit der Käufer, wie in § 903 Satz 1 BGB für den Eigentümer vorgesehen, in die Lage versetzt wird, nach Belieben mit der Sache zu verfahren (… Staudinger/Matusche-Beckmann, BGB, Neubearb. 2013, § 435 Rn. 8… ). Ein Rechtsmangel liegt deshalb vor, wenn Rechte eines Dritten eine individuelle Belastung des Käufers ergeben, also geeignet sind, ihn in der ungestörten Ausübung der ihm nach § 903 Satz 1 BGB gebührenden Rechtsposition zu beeinträchtigen (MünchKommBGB/Westermann, 7. Aufl., § 435 Rn. 4; BeckOK-BGB/Faust, Stand: August 2014, § 435 Rn. 6).
a) BGH [17] Hinsichtlich der rechtlichen Natur dieser individuellen Belastung kommen nicht nur dingliche Rechte eines Dritten, sondern auch obligatorische Rechte in Betracht, wenn ihre Ausübung eine tatsächliche Beeinträchtigung der Nutzung für den Käufer bedeuten, indem sie dem Rechtsinhaber ein Recht zum Besitz der Sache verschaffen (Miet- und Pachtverhältnisse betreffend: BGH NJW-RR 1988, 79 unter II 1; NJW 1991, 2700 unter III; vgl. auch MüKBGB/Westermann, 7. Aufl., § 435 Rn. 7; Erman/Grunewald, BGB, 14. Aufl., § 435 Rn. 8…). Im vorliegenden Fall besteht allerdings weder ein dingliches noch ein obligatorisches Recht eines Dritten, das gegenüber K geltend gemacht werden kann. Wäre FE noch Eigentümer des Pkw - wovon allerdings nicht ausgegangen wird -, wäre das kein Recht eines Dritten, das einen Rechtsmangel bedeutet (oben II 1 a).
b) Ein Rechtsmangel könnte sich aus der SIS-Ausschreibung ergeben. BGH [18] Auch auf öffentlichem Recht beruhende Eingriffsbefugnisse, Beschränkungen und Bindungen, die die Nutzung der Kaufsache beeinträchtigen, können einen Rechtsmangel begründen (…MüKoBGB/Westermann, a. a. O. Rn. 10; Erman/ Grunewald, a. a. O. Rn. 11).
aa) Aus behördlichen Interventionsbefugnissen können sich sowohl Sachmängel als auch Rechtsmängel ergeben, so dass es einer Abgrenzung bedarf. Dazu Schwab JuS 2017, 684 und BGH [19-21]:
(1) So hat der BGH in einem Fall, in dem Hasenfleisch verkauft wurde, bei dem der begründete Verdacht der Salmonellenverseuchung bestand, einen Sachmangel bejaht, weil die Kaufsache - unabhängig davon, dass sie in Folge des Verdachts der öffentlich-rechtlichen Beschlagnahme unterlag - nicht mehr für die vorgesehene Verwendung (Weiterveräußerung) tauglich war (BGH WM 1972, 1314 unter I 3). Wesentlich hierfür war, dass der Mangel auf der Beschaffenheit der Sache beruhte. Aus demselben Grund liegt in öffentlich-rechtlichen Beschränkungen der Bebaubarkeit eines verkauften Grundstücks, die an dessen Beschaffenheit (insbesondere die Lage) anknüpfen, ein Sachmangel (BGHZ 190, 272 Rn. 5 m. w. N.).
(2) Dagegen hat der BGH in Abgrenzung zu dem Hasenfleisch-Fall oben (1) angenommen (BGHZ 113, 106, 112 f.), dass sich ein Käufer, der Dieselkraftstoff zum Betrieb von Dieselmotoren bestellt, gegenüber dem Verkäufer mit Erfolg auf einen Rechtsmangel berufen kann, wenn in Abweichung von der Bestellung ein mit Heizöl verunreinigter Dieselkraftstoff geliefert wird. Die Besonderheit dieses Falles, die zur Annahme eines Rechtsmangels führte, lag darin, dass der gelieferte Kraftstoff zwar zur vertraglich vorgesehenen Verwendung (Betrieb von Dieselmotoren) auch mit der Verunreinigung tauglich war, er aber wegen der Heizölbeimischung der Gefahr der behördlichen Beschlagnahme unterlag. Die den Käufer treffende Beeinträchtigung lag mithin nicht in der tatsächlichen Beschaffenheit der Sache, sondern darin, dass der Verkäufer dem Käufer nur Eigentum ohne rechtlichen Bestand verschaffen konnte… Zu Rechtsmängeln führen auch die Sozialbindung einer mit öffentlichen Mitteln geförderten Wohnung, die von deren Beschaffenheit unabhängig ist… (BGHZ 67, 134, 135 ff.; NJW 2000, 1256 unter II 1), ebenso wie eine Veränderungssperre (BGHZ 96, 385, 390 f.) oder die öffentlich-rechtliche Verpflichtung des Grundstückseigentümers, einen Teil des verkauften Grundstücks als Straßenbauland an die Gemeinde zu veräußern (BGH NJW 1983, 275 unter II 3 b).
(3) In Fällen, in denen es zur Beschlagnahme der Kaufsache gekommen war oder eine Beschlagnahme drohte, hatte bereits das Reichsgericht einen Rechtsmangel angenommen (RGZ 105, 390; 111, 86). In dem einen Fall war gegen Einfuhrbeschränkungen, im anderen gegen Zollvorschriften verstoßen worden. In beiden Fällen hat es das RG für die Annahme eines Rechtsmangels ausreichen lassen, dass bei Gefahrübergang ein Sachverhalt vorlag, der einen staatlichen Zugriff auf die Kaufsache im Wege einer künftigen Beschlagnahmeanordnung ermöglichte (RGZ 105, 390, 391 f.; RGZ 111, 86, 88 f.). Dementsprechend hat der BGH die nach § 111 b StPO (rechtmäßig) durchgeführte Beschlagnahme eines im Ausland als gestohlen gemeldeten Kraftfahrzeugs… als Rechtsmangel angesehen und es insoweit als genügend erachtet, wenn der Sachverhalt, aufgrund dessen die (spätere) Beschlagnahme erfolgte, bereits bei Gefahrübergang vorhanden war (NJW 2004, 1802 unter II 1). (Die Rechte des Käufers nach Beschlagnahme der Kaufsache behandeln Jerger/Bühler NJW 2017, 1639.)
bb) Daran anschließend führt BGH [22-29] zum vorliegenden Fall aus:
Zwar handelt es sich bei dem Schengener Informationssystem (nur) um eine interne Datenbank der Sicherheitsbehörden des Schengen-Raumes, mit der - anders als bei einer bereits vollzogenen behördlichen Beschlagnahme oder Sicherstellung - noch kein unmittelbarer Eingriff in Form des Entzugs der Sache verbunden ist. Die Eigenart der auf einem internationalen Abkommen beruhenden SIS-Sachfahndung gebietet es jedoch, bereits die Eintragung als solche und nicht erst eine daraufhin erfolgende Beschlagnahme oder Sicherstellung als Rechtsmangel einzuordnen. Denn bereits die Eintragung eines Kraftfahrzeugs in dieses Fahndungssystem ist für den Käufer mit der Gefahr einer erheblichen Nutzungsbeeinträchtigung verbunden und führt damit zu einer individuellen Belastung, die geeignet ist, den Käufer in der ungestörten Ausübung der ihm nach § 903 Satz 1 BGB gebührenden Rechtsposition zu beeinträchtigen.
In dem Beschluss des Europäischen Rates, der Grundlage für das SIS ist, ist geregelt, dass Daten in Bezug auf Kraftfahrzeuge, die zur Sicherstellung oder Beweissicherung in Strafverfahren gesucht werden, in das Fahndungssystem eingegeben werden können. Wird das gesuchte Fahrzeug aufgefunden, wird dem aufgreifenden Mitgliedsstaat in Art. 39 Abs. 3 des Beschlusses aufgegeben, Maßnahmen nach Maßgabe seines nationalen Rechts zu ergreifen. Vor dem Hintergrund dieser Rechtslage ist die SIS-Ausschreibung eines Kraftfahrzeugs mit der konkreten, im gesamten Schengen-Raum bestehenden Gefahr verbunden, dass bei der Zulassung des Fahrzeugs, einer Halteränderung oder bei einer polizeilichen Kontrolle die Eintragung festgestellt wird und das Fahrzeug behördlicherseits…sichergestellt oder beschlagnahmt wird, wie es auch im vorliegenden Fall im Jahre 2016 für die Dauer von mehreren Monaten geschehen ist.
Der Einordnung als Rechtsmangel steht nicht entgegen, dass der streitgegenständliche Pkw hier nach der Sicherstellung…von der Polizei wieder freigegeben wurde und K das Fahrzeug anschließend zum Straßenverkehr zulassen konnte. Denn die Ausschreibung besteht nach wie vor, weil ungeachtet der schon länger andauernden Ermittlungen der Strafverfolgungsbehörden bisher nicht abschließend geklärt werden konnte, ob der Pkw dem (früheren) französischen Eigentümer abhandengekommen oder er Gegenstand eines Versicherungsbetruges gewesen ist; auch das - zwischenzeitlich für kurze Zeit eingestellte - Ermittlungsverfahren gegen beide Parteien dauerte jedenfalls bis in das Jahr 2017 hinein an.
Die SIS-Ausschreibung erschöpft sich deshalb entgegen der Auffassung der Revision nicht in einem vorübergehenden Zulassungshindernis. Die durch die Eintragung begründeten Zugriffsmöglichkeiten der staatlichen Strafverfolgungsbehörden des Schengen-Raums bestehen fort, solange die Eintragung nicht beseitigt ist. Damit kann K gerade nicht, wie in § 903 Satz 1 BGB vorgesehen, unbelastet von (Zugriffs-)Rechten Dritter nach Belieben mit der Kaufsache verfahren. Denn sobald er das Fahrzeug im öffentlichen Raum bewegt, muss er damit rechnen, dass dieses, je nach Erkenntnisstand der Ermittlungsbehörden, erneut beschlagnahmt wird. Dies wäre für K… nicht nur mit einem Verlust der Nutzungsmöglichkeit für einen nicht ohne weiteres abzusehenden Zeitraum, sondern mit Blick auf die zur Wiedererlangung des Fahrzeugbesitzes erforderlichen Anstrengungen auch mit erheblichen weiteren Nachteilen - insbesondere bei einer Sicherstellung im Ausland - verbunden.
Darüber hinaus ist die Verkäuflichkeit des Pkw durch die Eintragung stark beeinträchtigt; denn der Kläger wäre redlicherweise gehalten, einen potentiellen Käufer über die nach wie vor bestehende Ausschreibung aufzuklären.
Somit folgt ein Rechtsmangel aus der Gefahr, dass der Pkw erneut beschlagnahmt wird (zustimmend Schwab JuS 2017, 684, ebenso die bei BGH [22] zitierte Rspr. der OLGe). Infolgedessen ist das Argument des B, dass FE den Pkw nicht herausverlangt habe, unerheblich, und der weitere Vortrag, dass K den Pkw uneingeschränkt nutzen könne, unzutreffend. Soweit B auf die Freigabebescheinigung verweist, fehlt es an der Sicherheit, dass eine auf den Pkw zugreifende Behörde dieser Bescheinigung, die in den Regeln des SIS nicht vorgesehen ist, eine Bedeutung zumisst, zumal im Ausland. Auch das Vorbringen des B, dass K Löschung der SIS-Ausschreibung verlangen könne, ist unerheblich, weil die Verpflichtung zur Beseitigung des Rechtsmangels den B als Verkäufer trifft (§ 433 I 2 BGB). K ist es nicht zuzumuten, sich bei den französischen Behörden um eine Löschung der SIS-Ausschreibung zu bemühen.
3. In welchem Zeitpunkt der Rechtsmangel vorliegen muss, ist in § 435 BGB - anders als in § 434 BGB- nicht geregelt. Der BGH spricht - wie bei § 434 BGB - vom Zeitpunkt des Gefahrübergangs (oben II 1 b aa (3)). Nach h. M. kommt es auf den Zeitpunkt des Rechtsübergangs an: In dem Moment, in dem das Eigentum übertragen wird, dürfen Rechte Dritter nicht bestehen (Schwab JuS 2017, 684 m. w. N. Fn. 19, u. a. auf BGHZ 113, 106, 113; NK-BGB/Büdenbender, 3. Aufl. 2016, § 435 Rdnr. 15). Im vorliegenden Fall kommt es auf den genauen Zeitpunkt nicht an, weil die SIS-Ausschreibung die ganze Zeit, vom Vertragsschluss Anfang 2016 bis zur Rücktrittserklärung am 2. 10. 2017 bestanden hatte.
Somit wies der Pkw im maßgeblichen Zeitpunkt einen Rechtsmangel i. S. der §§ 435, 437 BGB auf.
III. § 437 Nr. 2 BGB gewährt dem Käufer das Recht, nach den §§ 440, 323 BGB vom Vertrag zurückzutreten. Die Rücktrittserklärung (§ 349 BGB) hat K mit Schreiben vom 2. 10. 2017 abgegeben. Für die Rechtswirksamkeit des Rücktritts müssen weiterhin die Voraussetzungen der §§ 323, 440 BGB vorliegen.
1. Nach § 323 I BGB kann der Gläubiger, wenn der Schuldner bei einem gegenseitigen Vertrag eine fällige Leistung nicht oder nicht vertragsgemäß erbringt, eine angemessene Frist setzen und nach erfolglosem Ablauf der Frist von dem Vertrag zurücktreten.
a) Die Voraussetzung, dass B eine fällige Leistung nicht vertragsgemäß erbracht hat, folgt aus dem festgestellten Vorliegen eines gegen §§ 433 I 2, 435 BGB verstoßenden Rechtsmangels.
b) Ein Rücktrittsrecht würde nach § 323 V 2 BGB allerdings nicht bestehen, wenn die Pflichtverletzung unerheblich wäre. Jedoch ist die die Pflichtverletzung begründende Gefahr, dass der Pkw während einer Benutzung durch K erneut beschlagnahmt wird, eine erhebliche Benutzungserschwerung. Auch ist die stark erschwerte Verkäuflichkeit des Pkw erheblich. BGH [27] Die gravierenden Folgen rechtfertigen es, die aufgrund behördlicher Verfügung erfolgte SIS-Ausschreibung als einen - im Sinne des § 323 Abs. 5 Satz 2 BGB erheblichen - Rechtsmangel anzusehen.
c) Für ein Rücktrittsrecht allein nach § 323 I BGB fehlt aber die Fristsetzung durch K.
2. Die Fristsetzung könnte entbehrlich sein.
a) Nach § 326 V BGB kann der Gläubiger ohne Fristsetzung zurücktreten, wenn der Schuldner nach § 275 BGB nicht zu leisten braucht, d. h. wenn ihm die Leistung unmöglich ist. Unmöglich könnte die Löschung der SIS-Ausschreibung sein, wenn der Pkw wirklich gestohlen war, denn dann entsprach die Ausschreibung der Sachlage, die auch noch andauert. Davon kann aber nicht ausgegangen werden. Vielmehr kann es auch so liegen, dass der Pkw Gegenstand eines Versicherungsbetrugs war und von FE veräußert wurde (vgl. oben II 1 b). Dann wäre es B möglich, die Löschung zu veranlassen, entweder direkt bei den französischen Behörden, die die Ausschreibung veranlasst haben, oder mit Hilfe der deutschen Polizei. Dass die Löschung unmöglich ist, steht also nicht fest. (Der BGH ist auf § 326 V BGB nicht eingegangen, hat also keine Unmöglichkeit angenommen.) Davon abweichend bejaht Schwab JuS 2017, 685 die Voraussetzungen des § 326 V BGB, indem er annimmt, es handele es um eine vorübergehende Unmöglichkeit der Nacherfüllung, die ausnahmsweise der dauernden gleichzustellen sei (hierzu auch Jerger/Bühler NJW 2017, 1641). Eine einleuchtende Begründung dafür wird aber nicht gegeben. Der von Schwab herangezogene Vergleich mit dem Fall, dass in einem Land eine Anlage gebaut werden soll und dort ein Bürgerkrieg ausgebrochen ist, passt nicht. Somit lässt sich über § 326 V BGB die Entbehrlichkeit der Fristsetzung nicht begründen.
b) Nach § 323 II Nr. 1 ist die Fristsetzung entbehrlich, wenn der Schuldner die Leistung ernsthaft und endgültig verweigert. Das hatte das BerGer. im vorliegenden Fall angenommen, wird vom BGH aber nicht gebilligt, [31-33] Nach der Rspr. des BGH…sind an das Vorliegen einer ernsthaften und endgültigen Erfüllungsverweigerung im Sinne des § 323 Abs. 2 Nr. 1 BGB strenge Anforderungen zu stellen. Eine Erfüllungsverweigerung in diesem Sinne liegt nur vor, wenn der Schuldner unmissverständlich und eindeutig zum Ausdruck bringt, er werde seinen Vertragspflichten unter keinen Umständen nachkommen (st. Rspr.; BGH NJW 2015, 3455 Rn. 33 m. w. N.; vgl. auch BGH NJW 2017, 153, Kupplungspedal)… Das BerGer. hat…das prozessuale Bestreiten eines Mangels dahin gewürdigt, B habe die Erfüllung endgültig und ernsthaft verweigert. Damit hat es in Abweichung von höchstrichterlichen Rechtsprechungsgrundsätzen die Anforderungen an eine endgültige und ernsthafte Erfüllungsverweigerung zu niedrig angesetzt. Nach der Rspr. des BGH kann aus dem bloßen Bestreiten von Mängeln nicht ohne das Hinzutreten weiterer Umstände - die das BerGer. hier nicht festgestellt hat - auf eine endgültige Nacherfüllungsverweigerung geschlossen werden.
c) Weitere Fälle, in denen die Fristsetzung im Zusammenhang mit einem Rücktritt entbehrlich ist, finden sich in § 440 BGB, wobei hier Satz 1 Alt. 3 in Betracht kommt. Danach bedarf es der Fristsetzung nicht, wenn die dem Käufer zustehende Art der Nacherfüllung unzumutbar ist.
aa) Nach BGH [34] hatte K einen Anspruch auf Nacherfüllung (§ 439 I BGB) dahingehend, dass B bei den französischen einen Antrag auf Beseitigung der SIS-Eintragung stellte (oben III 2 a).
bb) Die Geltendmachung dieses Anspruchs durch eine Fristsetzung müsste für K unzumutbar sein.
Grundsätzliche Ausführungen zur Unzumutbarkeit finden sich im Fall BGH NJW 2017, 153, Kupplungspedal, unter [23]: Für die Beurteilung, ob die Nacherfüllung für den Käufer in diesem Sinne gemäß § 440 Satz 1 Alt. 3 BGB unzumutbar ist, sind alle Umstände des Einzelfalles zu berücksichtigen. Dazu zählen neben Art und Ausmaß einer Beeinträchtigung der Interessen des Käufers etwa auch die Zuverlässigkeit des Verkäufers und diesem vorzuwerfende Nebenpflichtverletzungen sowie ein dadurch möglicherweise gestörtes Vertrauensverhältnis zwischen den Parteien (vgl. BGH NJW 2015, 1669 Rn. 22). Da die Interessen des Käufers im Vordergrund stehen, ist eine Interessenabwägung unter Einbeziehung der Interessen des Verkäufers wie bei § 281 II Alt. 2 BGB und § 323 II Nr. 3 BGB bei § 440 BGB nicht vorgesehen (Mankowski NJW 2017, 156). Deshalb hat § 440 Satz 1 Alt. 3 BGB Vorrang vor § 323 II Nr. 3 BGB.
Im vorliegenden Fall müsste B, um seine Nacherfüllungspflicht zu erfüllen, sich bei den französischen Behörden um die Löschung der SIS-Eintragung bemühen und zu diesem Zweck nachweisen, dass der Pkw nicht gestohlen wurde. Dass B zu solchen Bemühungen bereit ist, ist nicht ersichtlich, vielmehr hat er darauf verwiesen, dass K die Löschung verlangen könnte. Noch weniger besteht die Aussicht, dass der Nachweis des Nicht-Diebstahls innerhalb einer für K zumutbaren Frist gelingt. Unter diesen Umständen hatte das BerGer. Unzumutbarkeit bejaht, was von BGH [34-36] gebilligt wird: Das BerGer. hat maßgeblich darauf abgestellt, dass nach wie vor sowohl der Verdacht eines durch den französischen Eigentümer begangenen Versicherungsbetruges als auch eines zu dessen Nachteil begangenen Diebstahls im Raum stand… Bei der Beurteilung der Unzumutbarkeit kommt es auf den Erkenntnisstand des K als Käufer im Zeitpunkt der Rücktrittserklärung an. Aus dessen Sicht war es am 2. 10. 2017 entscheidend, dass es in einem nach Übergabe des Fahrzeugs verstrichenen Zeitraum von 18 Monaten nicht einmal den strafrechtlichen Ermittlungsbehörden gelungen war, den Sachverhalt aufzuklären… Die Einschätzung des BerGer., dass es K unter diesen Umständen im Oktober 2017 nicht zumutbar war abzuwarten, ob B nunmehr (erfolgreich) versuchen könnte, den Sachverhalt in absehbarer Zeit doch noch aufzuklären und eine Löschung des Eintrags zu erreichen, ist deshalb nicht zu beanstanden.
Eine Fristsetzung war somit entbehrlich. Der Rücktritt ist wirksam erfolgt.
IV. Folglich kann K nach §§ 346, 348 BGB Rückzahlung des Kaufpreises Zug-um Zug gegen die Rückgabe des Pkw verlangen. Nutzungen (§ 346 I BGB) braucht K nicht zu ersetzen, weil er das Fahrzeug nicht benutzt hat. Der von K gegen B geltend gemachte Anspruch ist begründet.
Zusammenfassung