Bearbeiter: Dr. Gernot Schmalz-Brüggemann

Überhöhtes Gutachterhonorar, Rückforderung. Verschulden bei Vertragsschluss, § 311 II BGB. Aufklärungspflicht nach § 241 II BGB. Objektiver und subjektbezogener Schaden, § 249 BGB.Schadensberechnung bei Verletzung der Aufklärungspflicht. Vorteilsausgleichung, § 249 BGB

BGH Urteil vom 1. Juni 2017 (VII ZR 95/16) NJW 2017, 2403 (für BGHZ vorgesehen)

Fall (Honorarvereinbarung)

Ein bei der V-Versicherung haftpflichtversicherter Autofahrer verschuldete einen Unfall, der zu einem größeren Schaden am Pkw des Geschädigten G führte. G beauftragte den ihm empfohlenen Kfz.-Sachverständigen S mit der Begutachtung des Schadens an seinem Pkw. Vor der Unterzeichnung des Auftrags unterschrieb G eine ihm von S vorgelegte Honorarvereinbarung. Am 8. 1. erstattete S das Gutachten und fügte die Rechnung über sein Honorar bei. Diese entsprach der Vereinbarung und belief sich auf 980 Euro. Die V-Versicherung erkannte ihre Verpflichtung zur Schadensregulierung an und zahlte die Kosten für die inzwischen durchgeführte Reparatur. Auf die Rechnung für das Gutachten zahlte sie nur 800 Euro und lehnte eine weitergehende Zahlung mit der Begründung ab, der vereinbarte Betrag sei überhöht. Tatsächlich wurde später bestätigt, dass das übliche Honorar für ein derartiges Gutachten nur 600 Euro beträgt.

Da G sich für verpflichtet hielt, das vereinbarte Honorar zu zahlen, überwies er dem S den Restbetrag von 180 Euro und erhob gegen V Klage auf Zahlung dieses Betrages. Das Gericht gab der Klage statt und begründete das damit, für G sei nicht erkennbar gewesen, dass S ein überhöhtes Honorar verlangt habe; auch habe er keine Markterforschung betreiben müssen, um einen preisgünstigeren Gutachter zu finden. Daraufhin zahlte V an G die 180 Euro, ließ sich aber von diesem mit Vereinbarung vom 9. 12. die Ansprüche abtreten, die G im Zusammenhang mit der Honorarrechnung vom 8. 1. und deren Abwicklung gegen S zustanden. Nunmehr verlangt V von S Zahlung von 380 Euro und beruft sich darauf, dass das von S verlangte Honorar das übliche Honorar in Höhe dieses Betrages überstieg. S ist der Auffassung, dass das von ihm in Rechnung gestellte Honorar angemessen war und schon deshalb verbindlich ist, weil G die Vereinbarung freiwillig unterschrieben hat. Ist der Anspruch der V gegen S begründet?

Lösung

I. Da zwischen V und S ursprünglich keine Rechtsbeziehungen bestanden, kann V einen Anspruch gegen S nur durch Abtretung von G erlangt haben. Einen Abtretungsvertrag (§ 398 BGB) haben G und V am 9. 12. geschlossen. Für dessen Rechtswirksamkeit ist erforderlich, dass G ein Anspruch gegen S zustand. Im Folgenden ist deshalb ein Anspruch des G gegen S zu prüfen.

II. Als Anspruchsgrundlage kommt eine ungerechtfertigte Bereicherung (§ 812 I 1 BGB) wegen Nichtigkeit des zwischen G und S geschlossenen Vertrages in Betracht.

Dieser Anspruch darf als erster geprüft werden, obwohl ein vertraglicher oder vertragsähnlicher Anspruch zwischen G und S eingreifen kann (vgl. dazu III.) und normalerweise vorrangig vor dem gesetzlichen Anspruch aus § 812 zu prüfen ist. Denn wenn der zwischen G und S geschlossene Vertrag nichtig ist, ist ein Rückzahlungsanspruch ohne weiteres gegeben. Demgegenüber ist der vertragliche oder vertragsähnliche Anspruch ein Schadensanspruch, bei dem der Schaden des G problematisch ist. Insofern rechtfertigt sich die vorrangige Prüfung des § 812 damit, dass eine Inzidenterprüfung vermieden wird. Ansonsten wäre man gezwungen, innerhalb der vertraglichen oder vertragsähnlichen Anspruchsgrundlagen deren Wirksamkeit zu prüfen. Auch der BGH prüft in dieser Reihenfolge (vgl. [12-16] und [17-32]). Schwab JuS 2018, 482, 484 (Besprechung des Falles) hält die vorrangige Prüfung des § 812 für zwingend.

1. Für einen Anspruch aus § 812 I 1 BGB müsste S etwas erlangt haben. An ihn sind 800 Euro, die letztlich von V stammten, und die von G gezahlten 180 Euro geflossen. Insgesamt hat er also 980 Euro erlangt, die die von V verlangten 380 Euro abdecken.

2. Als Voraussetzung für eine Leistungskondiktion müssten diese Beträge Gegenstand einer Leistung des G an S sein.

a) Geleistet hat G die 180 Euro. Der Vertrag über die Schadensbegutachtung war ein Werkvertrag nach § 631 I, II BGB, gerichtet auf einen durch Dienstleistung herbeizuführenden Erfolg. G bezweckte mit der Zahlung der 180 Euro, den noch ausstehenden Teil der Vergütung zu begleichen, die er nach seiner Vorstellung aus der Honorarvereinbarung und nach § 631 I BGB schuldete.

b) Die von V stammenden 800 Euro sind eine Leistung des G an S, wenn V den Betrag an G gezahlt und dieser ihn an S weitergeleitet hat. Denn damit hat G den Zweck verfolgt, den ersten Teil seiner vermeintlichen Verbindlichkeit zu tilgen. Aber auch wenn V die 800 Euro direkt an S überwiesen hat, diente diese Zahlung dem Zweck, die Schuld des G gegenüber S zu begleichen, und war daher eine Leistung des G (Schwab JuS 2018, 483). Ein Fall des § 267 BGB liegt darin nicht, weil V nicht als Dritte, sondern auf Anweisung des G gezahlt hat und Anweisungsfälle nicht unter § 267 BGB fallen (MüKo/Krüger, 7. Aufl. 2016, § 267 Rdnr. 9). § 267 BGB kann bei Versicherungsfällen angewendet werden, wenn die Versicherung eine Zahlung an den Geschädigten erbringt (BGH NJW 2018, 1079 [25]); S war aber nicht Geschädigter, sondern vermeintlicher Gläubiger des Geschädigten.

Beide Beträge sind somit von G an S geleistet worden.

3. Die Leistung erfolgte ohne Rechtsgrund, wenn der zwischen G und S geschlossene Werkvertrag einschließlich der Honorarvereinbarung nichtig war. Grund für eine Nichtigkeit kann sein, dass das von S verlangte Honorar überhöht war.

a) BGH [13] Der Vertrag ist nicht wegen Wuchers gemäß §138 Abs. 2 BGB nichtig. Die Vorschrift setzt neben einem auffälligen Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung (objektives Tatbestandsmerkmal) die Ausnutzung einer ­auf einer Zwangslage, der Unerfahrenheit, dem Mangel im Urteilsvermögen oder einer erheblichen Willensschwäche beruhenden ­besonderen Schwächesituation beim Bewucherten durch den Wucherer voraus (subjektives Tatbestandsmerkmal). Eine Ausbeutungsabsicht des Wucherers ist nicht erforderlich, wohl aber ist es notwendig, dass dieser Kenntnis von dem auffälligen Missverhältnis und der Ausbeutungssituation hat und sich diese Situation vorsätzlich zunutze macht (vgl. BGH NJW-RR 2011, 880 Rn. 9 f. m. w. N.). Diese Voraussetzungen sind bereits deshalb nicht erfüllt, weil keine Anhaltspunkte dafür bestehen, dass S bei Abschluss des Vertrages das Vorliegen einer besonderen Schwächesituation des G aufgrund einer der in § 138 Abs. 2 BGB genannten Umstände vorsätzlich ausgenutzt hat.

b) Es könnte ein nach § 138 I BGB nichtiges wucherähnliches Rechtsgeschäft vorliegen.

BGH [15] Ein gegenseitiger Vertrag ist als wucherähnliches Rechtsgeschäft nach §138 Abs. 1 BGB sittenwidrig, wenn zwischen Leistung und Gegenleistung ein auffälliges Missverhältnis besteht und außerdem mindestens ein weiterer Umstand hinzukommt, der den Vertrag bei Zusammenfassung der subjektiven und der objektiven Merkmale als sittenwidrig erscheinen lässt. Dies ist insbesondere der Fall, wenn eine verwerfliche Gesinnung des Begünstigten hervorgetreten ist. Ist das Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung besonders grob, kann dies den Schluss auf eine verwerfliche Gesinnung des Begünstigten zulassen (vgl. BGHZ 196, 299 Rn. 21, m. w. N.). Das Missverhältnis im vorliegenden Fall lässt sich dahin bestimmen, dass das vereinbarte Honorar in Höhe von 980 Euro das ortsübliche Honorar in Höhe von 600 Euro um ca. 60 % übersteigt. Der BGH hat erwogen, aber offen gelassen, ob ein besonders grobes Missverhältnis bei Verträgen über die Begutachtung von Kraftfahrzeugschäden regelmäßig erst vorliegt, wenn der Wert der Leistung und der Wert der Gegenleistung um mindestens 90 % voneinander abweichen (so für Grundstückskaufverträge BGH NJW-RR 2016, 692). Denn bei einem Honorar, das ca. 60 % über dem ortsüblichen Honorar für eine vergleichbare Leistung liegt, kann ein besonders grobes Missverhältnis, das einen Schluss auf eine verwerfliche Gesinnung des S zuließe, jedenfalls noch nicht angenommen werden.

c) Eine Sittenwidrigkeit i. S. des § 138 I BGB könnte sich daraus ergeben, dass S mit der Vereinbarung des überhöhten Honorars letztlich die Versicherung belasten wollte, die aber an der Vereinbarung nicht beteiligt war und sich gegen die Belastung zunächst nicht wehren konnte (vgl. auch die Anmerkung von Vuia NJW 2017, 2406, li. Sp. unten). Hierfür ist wesentlich, dass V nach § 115 I Nr. 1 Versicherungsvertragsgesetz (VVG) dem G zum Ersatz des beim Unfall mit dem Versicherungsnehmer der V entstandenen Schadens verpflichtet war. Dazu gehören auch die Kosten eines Gutachtens, das dem Geschädigten ermöglicht, den wirtschaftlich sinnvollsten Weg der Schadensbeseitigung zu wählen, beispielsweise zu beurteilen, ob sich eine Reparatur lohnt (BGH [32]; Schwab JuS 2018, 483: Gutachterkosten sind Kosten der Rechtsverfolgung, die ohne den Unfall nicht entstanden wären). Deshalb war die Honorarvereinbarung wirtschaftlich ein Vertrag zu Lasten eines Dritten, der V. Gleichwohl rechtfertigt auch hier eine Erhöhung des normalen Honorars um 60 % noch nicht die Annahme der Sittenwidrigkeit. BGH [16] Das folgt bereits daraus, dass die Vorschrift des § 138 Abs. 1 BGB unter dem Gesichtspunkt der Verletzung von Interessen der Allgemeinheit oder Dritter grundsätzlich nur anwendbar ist, wenn beide Vertragsparteien sittenwidrig handeln (BGH NJW 2007, 1447 Rn. 13;…), also die Tatsachen kennen oder sich zumindest ihrer Kenntnis grob fahrlässig verschließen, die die Sittenwidrigkeit des Rechtsgeschäfts begründen. Das trifft jedenfalls auf G nicht zu.

4. Somit ist die Honorarvereinbarung nicht nichtig. Sie war Rechtsgrund für die Zahlung des Honorars. Ein Anspruch aus § 812 I BGB besteht nicht.

III. Ein Anspruch des G gegen S auf Zahlung der 380 Euro könnte sich aus einem Schadensersatzanspruch wegen Verletzung einer die Höhe des Honorars betreffenden Aufklärungspflicht ergeben (§§ 280 I, 241 II BGB).

1. Sowohl § 280 I BGB als auch § 241 II BGB haben ein Schuldverhältnis zur Voraussetzung.

a) Schuldverhältnis ist der zwischen G und S geschlossene Werkvertrag über die Schadensbegutachtung. Dieser reicht aber als Grundlage für einen Anspruch aus § 241 II BGB nicht aus. Denn eine Aufklärungspflicht hinsichtlich der Höhe des Honorars müsste vor der Unterzeichnung der Honorarvereinbarung bestanden haben, weil sie nach der Unterzeichnung keine Folge mehr haben kann. G hat aber die Honorarvereinbarung vor der Auftragserteilung unterschrieben, also ist der Werkvertrag erst nach der Honorarvereinbarung abgeschlossen worden und konnte keine Pflicht zu einem Verhalten vor der Honorarvereinbarung begründen.

b) Nach § 311 II Nr. 1 BGB entsteht ein Schuldverhältnis mit Pflichten nach § 241 II BGB auch durch Aufnahme von Vertragsverhandlungen. Zwischen G und S wurden Vertragsverhandlungen geführt, während derer die Honorarvereinbarung geschlossen wurde. Somit bestand zwischen G und S ein Schuldverhältnis, das Grundlage für eine Haftung wegen Verschuldens bei Vertragsschluss (culpa in contrahendo = c. i. c.) nach §§ 311 II Nr. 1, 241 II BGB sein kann.

2. Zwischen S und G könnte eine Aufklärungspflicht des S über die Höhe des Honorars bestanden haben.

a) Zu den Nebenpflichten, Schutz- und Rücksichtnahmepflichten des § 241 II BGB gehören auch Aufklärungspflichten (MüKo/Bachmann, BGB, 7. Aufl. 2016, § 241 Rdnrn. 110 ff). Sie greifen insbesondere ein, wenn ein Vertragspartner über ein für den Vertragsschluss des anderen entscheidendes Experten- oder Insiderwissen verfügt (MüKo/Emmerich § 311 Rdnrn. 64 ff., 69).

BGH [18] Nach § 311 Abs. 2, § 241 Abs. 2 BGB besteht bei Anbahnung eines Vertragsverhältnisses eine Aufklärungspflicht einer Vertragspartei hinsichtlich derjenigen Umstände, die erkennbar für die Willensbildung der anderen Vertragspartei von ausschlaggebender Bedeutung sind, deren Mitteilung zumutbar ist und nach Treu und Glauben erwartet werden kann. Das Bestehen und der Umfang der Aufklärungspflicht richten sich nach den Umständen des Einzelfalls, insbesondere nach der Person der anderen Vertragspartei und deren erkennbarer Geschäftserfahrenheit oder -unerfahrenheit. Allerdings ist eine Vertragspartei nicht gehalten, der anderen Vertragspartei das Vertragsrisiko abzunehmen. Grundsätzlich muss in der Marktwirtschaft derjenige, der den Abschluss eines Vertrags beabsichtigt, selbst prüfen und entscheiden, ob dieser für ihn vorteilhaft ist oder nicht. Das bedeutet, dass die Interessen der Vertragsparteien unter Berücksichtigung des Informationsbedürfnisses einerseits und der Zumutbarkeit andererseits abzuwägen sind (vgl. BGHZ 168, 168 Rn. 15, 28).

b) [19] Nach Maßgabe dieser Grundsätze hat der BGH eine Aufklärungspflicht des Vermieters von Kraftfahrzeugen bejaht, wenn er einem durch einen Verkehrsunfall Geschädigten ein Mietfahrzeug zu einem Tarif anbietet, der deutlich über dem Normaltarif auf dem örtlich relevanten Markt liegt, und deshalb die Gefahr besteht, dass der Haftpflichtversicherer des Schädigers nicht den vollen Tarif übernimmt (vgl. BGHZ 168, 168 Rn. 16 ff.;…). Ähnlich hat BGH NJW 2017, 3586 in dem Fall, dass bei einem Kfz.-Reparaturauftrag unverhältnismäßig hohe Kosten entstehen konnten, eine Aufklärungspflicht des Unternehmers bejaht.

c) Dieselben Überlegungen könnten auch im vorliegenden Fall eingreifen. BGH [21-25]

aa) Ein durchschnittlicher Unfallgeschädigter gerät durch einen Verkehrsunfall nicht nur unvermittelt, sondern in aller Regel erstmals in eine Situation, ein Schadensgutachten über sein Kraftfahrzeug einholen zu müssen. Wendet er sich an einen Gutachter, der derartige Gutachten zur Einreichung bei dem gegnerischen Haftpflichtversicherer auf dem Markt anbietet, geht er davon aus, dass dieser im Rahmen einer hundertprozentigen Einstandspflicht das Gutachterhonorar in vollem Umfang erstattet. Liegt das vereinbarte Honorar deutlich über dem ortsüblichen Honorar, besteht das Risiko, dass der gegnerische Haftpflichtversicherer die Erstattung teilweise ablehnt, weil die Kosten bei objektiver Betrachtung den zur Herstellung erforderlichen Aufwand im Sinne des § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB übersteigen. Der Geschädigte ist in diesem Fall auf eine Auseinandersetzung mit dem gegnerischen Haftpflichtversicherer verwiesen und läuft Gefahr, die Differenz selbst tragen zu müssen. Dieser ihm drohende Nachteil ist dem Besteller eines Schadensgutachtens in der Regel nicht bekannt; vielmehr geht er davon aus, dass das Gutachterhonorar in vollem Umfang zu den objektiv erforderlichen Herstellungskosten gehört und von dem gegnerischen Haftpflichtversicherer akzeptiert wird.

Demgegenüber weiß ein Gutachter, der nach Verkehrsunfällen Schadensgutachten über Kraftfahrzeuge zur Einreichung bei dem gegnerischen Haftpflichtversicherer erstellt, dass ein deutlich über dem Ortsüblichen liegendes Honorar zu dem genannten Nachteil führen kann, und er weiß auch, dass dem Geschädigten dies in der Regel nicht bekannt ist… Damit besteht zwischen den Vertragspartnern ein Informationsgefälle. Treu und Glauben gebieten es, dass der Gutachter, der seine Leistungen zu einem Honorar anbietet, das deutlich über dem ortsüblichen Honorar liegt, den (unwissenden) Besteller aufklärt.

bb) Die Aufklärung ist dem Gutachter auch zumutbar. Eine Unzumutbarkeit kann…insbesondere nicht damit begründet werden, dass ein ortsübliches Gutachterhonorar im Sinne des § 632 Abs. 2 BGB nicht zu ermitteln sei… Bei der von Privatpersonen beauftragten Erstellung von Schadensgutachten über Kraftfahrzeuge nach Verkehrsunfällen zur Einreichung bei dem gegnerischen Haftpflichtversicherer handelt es sich um massenhaft durchgeführte Geschäfte. Es besteht daher ein hinreichend großer Markt, der die Ermittlung einer ortsüblichen Vergütung ermöglicht. Zu diesem Zweck kann unter anderem auf frei zugängliche Honorarumfragen von Verbänden freier Kraftfahrzeugsachverständiger, etwa des Bundesverbandes der freiberuflichen und unabhängigen Sachverständigen… oder des TÜV, zurückgegriffen werden… Als Marktteilnehmer, der Privatpersonen die Erstellung von Schadensgutachten über Kraftfahrzeuge nach Verkehrsunfällen zur Einreichung bei dem gegnerischen Haftpflichtversicherer anbietet, wird sich ein Gutachter schon aus Eigeninteresse regelmäßig einen Überblick über die Honorare seiner Mitbewerber verschaffen. Dies ist ihm angesichts der oben angeführten frei zugänglichen und zumindest den Anbietern auf diesem Marktbekannten Quellen auch leicht möglich.

cc) Da das Honorar des S mit ca. 60 % deutlich über dem ortsüblichen Honorar lag, bestand eine Aufklärungspflicht. Die Aufklärungspflicht richtet sich in einem solchen Fall darauf, den Geschädigten auf das Risiko hinzuweisen, dass der Haftpflichtversicherer das vereinbarte Honorar möglicherweise nicht in vollem Umfang erstattet.

3. Diese Pflicht hat S dadurch verletzt, dass die Aufklärung unterblieben ist (zustimmend Schwab JuS 2018, 484). Dass S die Pflichtverletzung zu vertreten hat, wird nach § 280 I 2 BGB vermutet. S hat mit seinem Vorbringen, das von ihm in Rechnung gestellte Honorar sei angemessen und G habe die Vereinbarung freiwillig unterschrieben, die Vermutung nicht widerlegt. Vielmehr hätte er seine Pflicht erkennen und danach handeln können, so dass ihm mindestens Fahrlässigkeit vorzuwerfen ist.

4. Folglich ist S dem G gegenüber zum Schadensersatz verpflichtet (§ 280 I 1 BGB). Nach § 249 I BGB hat er den Zustand herzustellen, der bestehen würde, wenn der zum Ersatz verpflichtende Umstand nicht eingetreten wäre.

a) Um danach den Schaden zu bestimmen, ist der Zustand zu ermitteln, der bestehen würde, wenn S seine Aufklärungspflicht erfüllt hätte. BGH [27-29] Da der Geschädigte so zu stellen ist, wie er ohne das schädigende Verhalten gestanden hätte, kommt es darauf an, wie er sich bei erteilter Aufklärung verhalten hätte, wobei zugunsten des Geschädigten die Vermutung „aufklärungsrichtigen" Verhaltens streitet. Unsicherheiten darüber, ob der Geschädigte ein Schadensgutachten zu einem günstigeren und im Rahmen des Ortsüblichen liegenden Honorareingeholt hätte, gehen deshalb zu Lasten des S (vgl. BGHZ 168, 168 Rn. 31). Danach ist davon auszugehen, dass der Geschädigte bei Aufklärung nur ein Schadensgutachten zu einem ortsüblichen Honorar eingeholt hätte… Folglich kann er die Differenz zu dem vereinbarten höheren Honorar als Schaden geltend machen. Der Schaden entsteht bereits im Zeitpunkt des Vertragsschlusses, weil damit der höhere und hinsichtlich der Erstattungsfähigkeit risikobehaftete Honoraranspruch gegen den Geschädigten begründet wird… Hat der Geschädigte das Honorar bereits vollständig an den Gutachter gezahlt, steht ihm als Schadensersatz ein Anspruch auf Rückzahlung in Höhe des überschießenden Betrags zu. Das sind im vorliegenden Fall die 380 Euro als Differenz zwischen dem vereinbarten (980 Euro) und dem ortsüblichen (600 Euro) Honorar, also der Betrag, den V aus abgetretenem Anspruch des G verlangt.

b) Da der Schaden in der Person des G entstanden sein muss, könnte sich schadensausschließend auswirken, dass V dem G die gesamten Gutachterkosten erstattet hat.

aa) Ob eine mit dem Schadensereignis zusammenhängende Vermögensvermehrung zu berücksichtigen ist, ist in Anwendung der Grundsätze über die Vorteilsausgleichung zu entscheiden. Danach ist grundsätzlich ein Vorteil anzurechnen, der dem Geschädigten in adäquatem Kausalzusammenhang mit dem schädigenden Ereignis zugeflossen ist (BGH NJW 2007, 2913 [24]). BGH [31] Die Verletzung der Aufklärungspflicht durch S hat für G auch zu dem Vorteil geführt, dass V ihm nach den Grundsätzen der subjektbezogenen Schadensbetrachtung das Honorar in vollem Umfang erstattet hat.

bb) Eine Anrechnung erfolgt aber nicht, wenn der Schutzzweck des Schadensersatzrechts im konkreten Fall einer Anrechnung entgegensteht, was nach BGH [31] durch eine „wertende Betrachtung“ festzustellen ist.

G konnte von V Erstattung der objektiv erforderlichen Gutachterkosten verlangen (§ 249 II 1 BGB: „den dazu erforderlichen Geldbetrag“). Objektiv erforderlich waren nur die ortsüblichen Kosten von 600 Euro, da davon auszugehen ist, dass ein Gutachten für dieses Entgelt zu erlangen war.

BGH [32] Allerdings ist Rücksicht auf die spezielle Situation des Geschädigten zu nehmen. Daher sind bei der Beurteilung, welcher Herstellungsaufwand erforderlich ist, insbesondere auch seine Erkenntnis- und Einflussmöglichkeiten sowie die möglicherweise gerade für ihn bestehenden Schwierigkeiten zu berücksichtigen, so genannte subjektbezogene Schadensbetrachtung. Zu einer Erforschung des ihm zugänglichen Markts zwecks Beauftragung eines möglichst günstigen Gutachters ist er nicht verpflichtet (vgl. BGH NJW 2016, 3092 Rn. 13; …). Liegt das mit dem Gutachter vereinbarte und vom Geschädigten beglichene Honorar über dem ortsüblichen Honorar, ist dies jedoch für den Geschädigten nicht erkennbar, ist es folglich dennoch erstattungsfähig. Bei wertender Betrachtungsweise dient die Erstattungsfähigkeit solcher Kosten unter dem Gesichtspunkt der subjektbezogenen Schadensbetrachtung allein dem Schutz des Geschädigten. Erstattet der Haftpflichtversicherer auf dieser Grundlage dem Geschädigten seinen Aufwand für das Gutachterhonorar, soll dies nicht den wegen Aufklärungspflichtverletzung schadensersatzpflichtigen Gutachter entlasten. - Ein weiterer Fall, in dem ein Vorteil nur dem Geschädigten und nicht dem Schädiger zugute kommen soll, ist BGH NJW 2018, 1242, 1244 [17].

Somit soll die Zahlung des 600 Euro übersteigenden Betrages durch V an G den S nicht entlasten, so dass eine Vorteilsausgleichung nicht stattfindet. Es bleibt bei dem oben 4 a) errechneten Schaden über 380 Euro. In der Person des G war ein Schadensersatzanspruch gegen S aus §§ 280 I, 311 II Nr. 1, 241 II BGB auf Zahlung von 380 Euro entstanden.

IV. Dieser Anspruch ist durch Abtretung von G auf V übergegangen. Der Anspruch der V gegen S auf Zahlung von 380 Euro ist begründet.


Zusammenfassung