Bearbeiter: Dr. Gernot Schmalz-Brüggemann
► Zustandekommen eines Vertrages bei eBay-Auktion, §§ 145, 147 BGB. ► Hochtreiben des Kaufpreises durch verdeckte Eigengebote des Verkäufers. ► Angebot nach § 145 BGB nur bei Personenverschiedenheit des Adressaten. ► Unwirksamkeit der Eigengebote des Verkäufers; Auswirkung auf Maximalgebot des Käufers. ► Extremes Missverhältnis zwischen Preis und Wert der versteigerten Sache (Pkw für 1,50 Euro). ► Wucherähnliches Rechtsgeschäft, § 138 I BGB. ► Rechtsmissbrauch, § 242 BGB. ► Schadensersatz gemäß §§ 281, 249, 251 I BGB
BGH Urteil vom 24. 08. 2016 (VIII ZR 100/15) NJW 2017, 468 (für BGHZ vorgesehen)
Fall (Shill Bidding)
V bot am 20. Juni bei eBay im Rahmen einer Verkaufsauktion unter seinem Benutzerkonto „g“ einen gebrauchten Pkw VW Golf 6 zu einem Startpreis von 1 Euro an und bestimmte als Angebotsdauer zehn Tage. Die „Al lgemeinen Geschäftsbedingungen von eBay“, zu denen jeder Nutzer der Auktionsplattform sein Einverständnis erklärt, enthalten in § 10 auszugsweise folgende Regelungen:
1. Stellt ein Anbieter auf der eBay-Website einen Artikel im Angebotsformat Auktion ein, gibt er ein verbindliches Angebot zum Abschluss eines Vertrags über diesen Artikel ab. Dabei bestimmt er einen Startpreis und eine Frist (Angebotsdauer). Der Bieter nimmt das Angebot durch Abgabe eines Gebots über die Bieten-Funktion an. Das Gebot erlischt, wenn ein anderer Bieter ein höheres Gebot abgibt. Bei Auktionsende oder bei vorzeitiger Beendigung des Angebots durch den Anbieter kommt zwischen Anbieter und Höchstbietendem ein Vertrag über den Erwerb des Artikels zustande.
2. Jeder Bieter kann ein Maximalgebot abgeben. Das Maximalgebot stellt den Höchstbetrag dar, den der Bieter bereit ist, für den Artikel zu bezahlen. Das Maximalgebot bleibt dem Anbieter und anderen Bietern verborgen. Bieten weitere Mitglieder auf den Artikel, so wird das aktuelle Gebot automatisch schrittweise erhöht, so dass der Bieter so lange Höchstbietender bleibt, bis sein Maximalgebot von einem anderen überboten wird.
Dabei werden Erhöhungsschritte abhängig von der Höhe des aktuellen Gebots vorgegeben. Erhöhungsschritt ist der Mindestbetrag, um den der Teilnehmer das aktuelle Höchstgebot überbietet, um selbst Höchstbietender zu werden. Bis zu einer Gebotshöhe von 49,99 Euro beträgt der Erhöhungsschritt 0,50 Euro und steigert sich in Stufen, ab 5.000 Euro auf 50 Euro.
6. Teilnehmer dürfen den Verlauf einer Auktion nicht durch die Abgabe von Geboten unter Verwendung eines weiteren Kontos oder durch die gezielte Einschaltung eines Dritten manipulieren. Insbesondere ist es dem Anbieter untersagt, selbst Gebote auf die von ihm eingestellten Angebote abzugeben. -
Zu Beginn der Auktion des V bot ein nicht bekannter Dritter (D) 1 Euro für den Pkw. Danach gab K, ein gewerblicher Fahrzeughändlers, über sein Benutzerkonto „m“ ein Gebot ab. Es war ein Maximalgebot, dessen Höhe verborgen blieb und das dazu führte, dass das Gebot des K zu 1,50 Euro ausgewiesen wurde. Noch am selben Tag gab V über ein weiteres Benutzerkonto „k“ in verdeckter Form ein höheres Gebot ab. Es folgten wechselseitige Maximalgebote von K und V, wobei K sein Maximalgebot mehrfach erhöhte. Andere Personen beteiligten sich nicht. Um 12:43 Uhr betrug das Gebot des V 17.000 Euro. Den gleichen Betrag von 17.000 Euro erreichte K um 15:37 Uhr. Da K ihn nicht weiter erhöhte, wurde das über „k“ abgegebene Gebot wegen des zeitlichen Vorrangs als Höchstgebot geführt und blieb es bis zum Ende der Auktion am 30. 06.; K wurde deshalb nicht als Höchstbietender anerkannt.
Als K Kenntnis von dem Ablauf und der Beteiligung des V erlangte, forderte er V unter Fristsetzung auf, ihm den angebotenen Pkw gegen Zahlung von 1,50 Euro zu übergeben und zu übereignen. Als V dem innerhalb der Frist nicht nachkam, erklärte K gegenüber V den Rücktritt vom Vertrag. Inzwischen hat V den Pkw anderweit für 16.500 Euro verkauft. K fragt, ob er von V Schadensersatz verlangen kann. V verteidigt sich damit, dass K 17.000 Euro geboten habe, der Pkw aber nur 16.500 Euro wert gewesen sei, so dass K durch die unterbliebene Lieferung des Pkw keinen Schaden erlitten habe.
Lösung
Vorbemerkung: „Shill“ = Lockvogel (kann der Verkäufer selbst sein oder ein Freund oder Verwandter); „to bid“ = bieten; dazu Mankowski JZ 2017, 253 (Fn. 1) in einer Besprechung der BGH-Entscheidung. Weitere Besprechungen: Pfeiffer NJW 2017, 1437; Petersen JURA 2017, 487.
A. K könnte gegen V einen Anspruch auf Schadensersatz statt der Leistung aus §§ 280 I, III, 281 I 1 BGB haben. Der von K zugleich erklärte Rücktritt vom Vertrag steht nach § 325 BGB einem Schadensersatzanspruch nicht entgegen.
I. Zwischen K und V müsste ein Kaufvertrag (§ 433 BGB) zustande gekommen sein.
Eine spezielle gesetzliche Regelung über das Zustandekommen von Verträgen im Internet gibt es nicht. Insbesondere findet § 156 BGB auf eBay-Auktionen keine Anwendung, weil diese keinen Zuschlag vorsehen (BGHZ 149, 129; im vorliegenden Fall LS 3). Deshalb sind die allgemeinen Vorschriften der §§ 145 ff. BGB anzuwenden (BGH [19]; Sutschet NJW 2014, 1041; Oechsler NJW 2015, 665/6). Nicht von vornherein klar ist die Bedeutung der „Allgemeinen Geschäftsbedingungen“ von eBay (eBay-AGB). Sie sind keine AGB i. S. des § 305 BGB, weil sie von eBay vorgegeben werden und nicht von einer Vertragspartei (V oder K) der anderen gestellt werden (Sutschet NJW 2017, 1663). Nach der Rechtsprechung des BGH (NJW 2017, 1660 [12], im vorliegenden Fall [19]; ebenso Pfeiffer NJW 2017, 1437) richtet sich der Erklärungsgehalt der zu beurteilenden Willenserklärungen neben den sich dafür aus §§ 133, 157 BGB ergebenden Auslegungsregeln auch nach den Bestimmungen über den Vertragsschluss in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen von eBay, denen die Parteien vor der Teilnahme an der Verkaufsaktion zugestimmt haben (…). Deren Aussagegehalt ist, wenn die Erklärungen der Teilnehmer an der Verkaufsaktion nicht aus sich heraus verständlich oder lückenhaft sind und der Auslegung bedürfen, in die Auslegung der abgegebenen Willenserklärungen einzubeziehen (…). Erst recht mit heranzuziehen sind die eBay-AGB für das Verständnis der Abläufe.
1. V hat, indem er am 20. Juni bei eBay einen gebrauchten Pkw VW Golf 6 zu einem Startpreis von 1 Euro angeboten hat, ein Verkaufsangebot abgegeben, das nach seinem Inhalt, nach § 145 BGB und nach § 10 Nr. 1 Satz 1 eBay-AGB bindend war. BGH [20] V hat dadurch, dass er die Auktion des zum Verkauf gestellten Fahrzeugs mit einem Anfangspreis von 1 Euro gestartet hat, ein verbindliches Verkaufsangebot im Sinne von § 145 BGB abgegeben, welches an denjenigen gerichtet war, der zum Ablauf der Auktionslaufzeit als der nach § 148 BGB bestimmten Annahmefrist das Höchstgebot abgegeben haben würde. Allerdings war, wie die Beteiligten wussten und in § 10 Nr. 1 Sätze 3 bis 5 eBay-AGB niedergelegt ist, der Startpreis von 1 Euro nicht der endgültige Kaufpreis, sondern dieser ergab sich erst aus der weiteren Entwicklung.
2. Das von K abgegebene erste Gebot war eine Annahmeerklärung i. S. der §§ 146 - 150 BGB, § 10 Nr. 1 Satz 3 eBay-AGB. Sie war aber nur wirksam, wenn sich daraus ein Kaufpreis ergab. Es handelte sich um ein Maximalgebot i. S. von § 10 Nr. 2 eBay-AGB.
a) Ein Maximalgebot enthält keinen aktuellen Kaufpreis. BGH [26, 27] Nach § 10 Nr. 2 eBay-AGB veranlasst ein Bieter durch die Eingabe eines den anderen Bietern und dem Anbieter (zunächst) verborgenen Maximalgebotes, dass sein aktuelles Gebot automatisch schrittweise erhöht wird, wodurch der Bieter solange Höchstbietender bleibt, bis sein Maximalgebot von einem anderen Bieter übertroffen wird. Mit dieser Art der Gebotsabgabe wird den Bietern die Möglichkeit eröffnet, bei den nicht auf eine ständige Präsenz der Beteiligten angelegten Auktionen nach vorgegebenen Regeln Maximalgebote abzugeben, um ihnen die Teilnahme im Rahmen des häufig über viele Tage laufenden Bietverfahrens zu erleichtern… Vor diesem Hintergrund ergibt die Auslegung der Maximalgebote und -erhöhungen, dass K hierdurch noch keine unbedingte, betragsmäßig bezifferte Annahmeerklärung abgegeben hat. Er hat vielmehr nur erklärt, das im Vergleich zum Mindestbetrag oder bereits bestehenden Geboten jeweils nächsthöhere Gebot abzugeben, um dadurch den Mindestbetrag zu erreichen oder bereits bestehende Gebote von Mitbietern um den von eBay jeweils vorgegebenen Bietschritt zu übertreffen und auf diese Weise bis zum Erreichen des von ihm vorgegebenen Maximalbetrages Höchstbietender zu werden oder zu bleiben.
b) Danach hat das Gebot des K nur den Erhöhungsschritt von 0,50 Euro ausgelöst, so dass sich aus der in dem Gebot liegenden Annahmeerklärung ein Kaufpreis von 1,50 Euro ergab. Folglich haben sich V und K auf einen Kaufvertrag über den Pkw zu einem Kaufpreis von 1,50 Euro geeinigt. Die Einigung stand aber unter dem Vorbehalt, dass kein zu einem Erlöschen des bisherigen Gebots gemäß § 10 Nr. 1 Satz 4 eBay-AGB führendes höheres Gebot abgegeben wurde.
3. Das über 1,50 Euro lautende Gebot des K könnte aufgrund der Eigengebote des V nach § 10 Nr. 1 Satz 4 eBay-AGB erloschen und durch ein höheres Gebot ersetzt worden sein. Sinn der Eigengebote war, den Kaufpreis in die Höhe zu treiben. Im vorliegenden Fall stand fest, dass V Eigengebote abgegeben hat. In anderen Fällen ist es naturgemäß ein Problem für den düpierten Bieter, das Vorliegen von Eigengeboten zu erkennen und nachzuweisen (dazu Mankowski JZ 2017, 254).
a) Um eine Rechtsfolge auszulösen, müssten die Eigengebote des V rechtswirksam gewesen sein.
aa) BGH [21-23] Das mit Eröffnung der Auktion erklärte Angebot des V war nur an von ihm personenverschiedene Bieter gerichtet. Denn das in § 145 BGB geregelte Angebot ist bereits definitionsgemäß darauf angelegt, die Schließung eines Vertrages „einem anderen" als dem Anbietenden anzutragen. Dies entspricht dem gängigen, auch von § 10 Nr. 1 eBay-AGB vorausgesetzten Verständnis eines Vertrages als mindestens zweiseitigem Rechtsgeschäft in Gestalt einer von zwei oder mehreren Personen erklärten Willensübereinstimmung über die Herbeiführung eines rechtlichen Erfolges. Ein Vertrag setzt deshalb zu seiner wirksamen Entstehung begrifflich mindestens zwei zustimmende Willenserklärungen verschiedener Rechtssubjekte voraus (BGH NJW-RR 2016, 784 Rn. 18 m. w. N.; Palandt/Ellenberger, BGB, 75. Aufl., Einf. v. § 145 Rn. 1; Erman/Müller, BGB, 14. Aufl., Einl. § 104 Rn. 16; Staudinger/Bork, BGB, Neubearb. 2015, Vorbem. zu §§ 145 - 156 Rn. 2). Mit diesem Erfordernis einer Personenverschiedenheit der Vertragspartner korrespondiert das Erlöschen eines Schuldverhältnisses bei nachträglicher Vereinigung von Gläubiger- und Schuldnerstellung in einer Person (Konfusion;…). Es kann dahinstehen, ob das Erfordernis der Personenverschiedenheit bei Willenserklärungen, die auf das Zustandekommen eines Vertrages abzielen, als eine der Grundvoraussetzungen des Vertragsrechts überhaupt abdingbar wäre. Denn auch die bei der Auslegung der Parteierklärungen zu berücksichtigenden eBay-AGB gehen in § 10 ersichtlich von einer Personenverschiedenheit von Anbieter und Bieter aus. Das wird noch dadurch unterstrichen, dass der Plattformbetreiber es in § 10 Nr. 6 eBay-AGB verbietet, die innerhalb desselben Benutzerkontos technisch ausgeschlossene Abgabe von Eigengeboten durch Nutzung eines weiteren Kontos zu umgehen.
bb) War danach das in die Auktion eingestellte Angebot des V zu seiner Annahmefähigkeit begriffsnotwendig an einen anderen gerichtet, konnte es von ihm selbst…bereits mangels Adressateneignung nicht wirksam angenommen werden (…). Insbesondere hat sein Auftreten unter verschiedenen Benutzernamen die einem wirksamen Vertragsschluss entgegenstehende Identität von Anbieter und Bieter nicht beseitigen können… Es ist also nicht von Bedeutung, dass V einmal unter „g“ und daneben unter „k“ gehandelt hat.
b) Die Eigengebote des V waren somit unwirksam und konnten nicht dazu führen, dass das Gebot des K in Höhe von 1,50 Euro gemäß § 10 Nr. 1 Satz 4 eBay-AGB erlosch und durch ein anderes Gebot ersetzt wurde. (In der mündlichen Verhandlung vor dem BGH hat die Vorsitzende Richterin laut Frankfurter Rundschau Nr. 198 vom 25. 08. 2016, S. 40, erklärt: „Eigengebote kann man - unjuristisch ausgedrückt - vergessen.“) - Hätte ein Verwandter oder Bekannter für V ein Angebot abgegeben, wäre das nach § 117 BGB nichtig gewesen (Mankowski JZ 2017, 254).
4. Das Gebot des K über 1,50 Euro könnte als Folge der weiteren Gebote des K erloschen und durch die höheren Gebote des K ersetzt worden sein.
a) K hat sein ursprüngliches Gebot über 1,50 Euro durch eine Mehrzahl weiterer Gebote auf 17.000 Euro erhöht. Auch soweit diese Erhöhungen Folge eines Maximalgebots waren und schrittweise erfolgten, handelte es sich um einzelne Willenserklärungen und nicht um eine Gesamterklärung (Pfeiffer NJW 2017, 1439). Nach dem Wortlaut des § 10 Nr. 1 Satz 4 eBay-AGB führen höhere Gebote zum Erlöschen vorangegangener Gebote, was auch auf das vorangegangene Gebot des K über 1,50 Euro zutreffen könnte.
b) Hierfür müssten die weiteren Gebote des K rechtswirksam gewesen sein.
aa) Die Gebote des K waren Folge von Maximalgeboten. Ein Maximalgebot enthält noch keine Zusage eines bestimmten Kaufpreises (oben A I 2 a), sondern bewirkt eine Erhöhung des eigenen Gebots, wenn ein anderes Gebot vorliegt und dieses mit Hilfe des von E-Bay vorgegebenen Bietschritts zu dem Zweck übertroffen werden soll, dass der Bieter des Maximalgebots Höchstbietender bleibt. Die Erhöhung ist also abhängig davon, dass ein anderes Gebot vorliegt und überboten werden muss. Im vorliegenden Fall konnte das andere Gebot nur das des V sein, weil es kein weiteres, drittes Gebot gab. Die Gebote des V waren aber, wie oben A I 3 b) ausgeführt, unwirksam und konnten ein aus dem Maximalgebot des K folgendes Erhöhungsbedürfnis nicht auslösen. Folglich waren (auch) die Erhöhungen der Gebote des K unwirksam. BGH [28] Da die Eigengebote des V von vornherein nicht geeignet waren,…einen Vertragsschluss herbeizuführen, handelte es sich bei ihnen auch nicht um Gebote, die K übertreffen musste und - entsprechend dem Erklärungsgehalt der Maximalgebote - wollte, um Höchstbietender zu werden. [38] Eigengebote sind keine Gebote eines „anderen Bieters", die ein Bieter mit seinem (Maximal-)Gebot übertreffen muss und will.
bb) Somit traten wegen der Unwirksamkeit der Eigengebote des V und der daraus folgenden Unwirksamkeit der Erhöhungsschritte des K die Rechtswirkungen des § 10 Nr. 1 Satz 4 E-Bay-AGB nicht ein, so dass das vorangegangene Gebot des K nicht erloschen ist. BGH [29]: K ist mit dem oben A I 2 b) in Höhe von 1,50 Euro festgestellten Gebot bis zum Auktionsende nicht mehr übertroffen worden.
c) Den vorstehenden Überlegungen, nach denen die Wirksamkeit der Gebote des K von der Wirksamkeit der Gebote des V abhängt, hatte das BerGer. entgegen gehalten (so BGH [37, 38]), eBay-Auktionen seien mangels Transparenz nicht mehr beherrschbar, wenn zur Ermittlung eines Höchstgebots stets die Wirksamkeit aller vorangegangenen Gebote festgestellt werden müsse… Dabei hat es aber übersehen, dass der vorliegende Fall nicht generell die Behandlung unwirksamer Zwischengebote, sondern lediglich die spezielle Konstellation vom Verkäufer mit Manipulationsabsicht abgegebener Eigengebote betrifft. Letztere sind bereits, wie unter A I 3 a aa) dargestellt, keine Gebote eines „anderen Bieters", die ein Bieter mit seinem (Maximal-)Gebot übertreffen muss und will. Insofern stellt sich die Situation anders dar als bei Geboten regulärer, also vom Verkäufer personenverschiedener Bieter, die - beruhend etwa auf Defiziten bei der Geschäftsfähigkeit (§§ 104 ff. BGB) oder auf Willensmängeln (§§ 119 ff., § 142 f. BGB) - unwirksam sind oder werden, die aber - anders als Eigengebote - nicht den Anschein der Unwirksamkeit gleichsam „auf der Stirn tragen" und bei denen deshalb der Schutz des Rechtsverkehrs einen höheren Stellenwert beanspruchen kann. Denn bei ihnen handelt es sich im Gegensatz zu Eigengeboten oder zu in kollusivem Zusammenwirken mit dem Anbieter abgegebenen Scheingeboten Dritter (§ 117 Abs. 1 BGB) zunächst einmal um Gebote „anderer Bieter" mit dem ernst gemeinten Ziel, Höchstbietender zu werden oder zu bleiben, um bei Auktionsende den Versteigerungsgegenstand tatsächlich zu erwerben.
Somit bleibt es bei dem oben A I 2 b) gefundenen Ergebnis, dass V und K einen Kaufvertrag über den Pkw mit einem Kaufpreis von 1,50 Euro geschlossen haben.
5. Bedenken gegen die Wirksamkeit des Kaufvertrages oder dessen Durchsetzbarkeit ergeben sich mit Rücksicht darauf, dass ein extremes Missverhältnis zwischen dem Wert des Pkw und dem Kaufpreis von 1,50 Euro besteht.
a) Der Vertrag könnte nach § 138 BGB nichtig sein.
aa) § 138 II BGB (Wucher) scheidet wegen Fehlens der subjektiven Voraussetzungen aus. Der Vertrag könnte aber als wucherähnliches Rechtsgeschäft nach § 138 I BGB sittenwidrig und nichtig sein. Hierfür bedarf es nicht nur - objektiv - eines groben Missverhältnisses zwischen Leistung und Gegenleistung, sondern auch - subjektiv - einer verwerflichen Gesinnung des K. Diese könnte bereits aus dem extremen Missverhältnis zwischen Preis und Wert zu schließen sein. Nach der Rechtsprechung des BGH wird ein grobes Missverhältnis und eine daraus zu schließende verwerfliche Gesinnung bei Kaufverträgen über wertvolle Sachen regelmäßig angenommen, wenn der Wert der Leistung annähernd doppelt so hoch ist wie derjenige der Gegenleistung (BGH NJW 2000, 1487; WM 1998, 932). Für eBay-Auktionen gilt das aber nicht, BGH NJW 2015, 548 unter [9]: Bei einer Internetauktion rechtfertigt ein grobes Missverhältnis zwischen dem Maximalgebot eines Bieters und dem Wert des Versteigerungsobjekts nicht ohne Weiteres den Schluss auf eine verwerfliche Gesinnung des Bieters im Sinne von § 138 Abs. 1 BGB…Vielmehr macht es gerade den Reiz einer Internetauktion aus, den Auktionsgegenstand zu einem „Schnäppchenpreis" zu erwerben, während umkehrt der Veräußerer die Chance wahrnimmt, durch den Mechanismus des Überbietens einen für ihn vorteilhaften Preis zu erzielen.
bb) Zum vorliegenden Fall BGH [43] Der damit zu einem Kaufpreis von 1,50 Euro über das angebotene Fahrzeug zustande gekommene Kaufvertrag ist ungeachtet des weit über diesem Betrag liegenden Verkehrswerts nicht gemäß § 138 Abs. 1 BGB wegen Sittenwidrigkeit nichtig. Umstände, aus denen auf eine verwerfliche Gesinnung des K - in Bezug auf die Höhe der abgegebenen Gebote - geschlossen werden könnte, lassen sich nicht feststellen… Abgesehen davon, dass es gerade den Reiz einer Internetauktion ausmacht, den Auktionsgegenstand zu einem Schnäppchenpreis zu erwerben (…), kann K im Streitfall allein schon angesichts seines letzten Gebots von 17.000 Euro nicht angelastet werden, nur zur Zahlung eines Preises weit unterhalb des Marktpreises bereit gewesen zu sein. Mangels einer verwerflichen Gesinnung des K ist der Vertrag daher nicht nach § 138 BGB nichtig.
b) Dass K die Möglichkeit genutzt hat, den wertvollen Pkw gegen Zahlung eines eher bloß symbolischen Kaufpreises zu erwerben, könnte als Rechtsmissbrauch gegen § 242 BGB verstoßen. Dafür müsste es geboten sein, V vor einem solchen Anspruch des K zu schützen; das ist jedoch nicht der Fall.
aa) BGH [39] Schutzwürdige Interessen des Anbieters sind im Fall von Eigengeboten der im Streit stehenden Art nicht ersichtlich. Ein solcher Anbieter verfolgt das unlautere Bestreben, über Eigengebote den Gebotsstand irregulär zu seinem Vorteil in die Höhe zu treiben oder sich unter Umgehung kostenträchtiger Mindest- oder Festpreisangebote (vgl. § 10 Nr. 4 der eBay-AGB) missbräuchlich einen in der gewählten Auktionsform nicht vorgesehenen Mindestpreis zu sichern. Auch ist V das Risiko eines für ihn ungünstigen Auktionsverlaufs durch die Wahl eines extrem niedrigen Startpreises und ohne Einrichtung eines Mindestpreises eingegangen, so dass es gerechtfertigt ist, ihn auch die Folgen tragen zu lassen (Mankowski JZ 2017, 253).
bb) [49, 50] Dass K sich die im Ergebnis selbstschädigende Unlauterkeit des B zunutze macht, indem er sich auf die ihm daraus erwachsenen gesetzlichen Ansprüche beruft, ergibt - auch wenn es sich um einen unvorhergesehenen Gewinn („windfall profit") handelt - keinen Grund zu rechtlicher Beanstandung… Anhaltspunkte dafür, dass K sich bei der Gebotsabgabe rechtsmissbräuchlich verhalten haben könnte, sind nicht ersichtlich. Insbesondere hat K ausweislich der Gebotsübersicht ein in jeder Hinsicht normales Bieterverhalten gezeigt, als er sich nicht - etwa in aussichtsreicher Erwartung eines alsbaldigen Auktionsabbruchs - auf ein einziges niedriges Gebot beschränkt, sondern insgesamt fünfzehn Maximalgebote abgegeben hat… (Mit dem „etwa“-Einschub bezieht sich der BGH auf die Fälle sog. Abbruchjäger, in denen ein Rechtsmissbrauch bejaht wird; dazu BGH VIII ZR 182/15 [13]; Pfeiffer NJW 2017, 1437.)
Somit bestand zwischen K und V ein wirksamer Kaufvertrag, der V zur Leistung des Pkw gegen Zahlung von 1,50 Euro verpflichtete.
II. Es sind die weiteren Voraussetzungen für einen Anspruch auf Schadensersatz statt der Leistung nach §§ 280 I, III, 281 I 1 BGB zu prüfen.
1. V hat den Pkw, den Kaufgegenstand, nicht geliefert und damit sein Leistungspflicht aus § 433 I 1 BGB verletzt.
2. Das hat er auch i. S. des § 280 I 2 BGB zu vertreten. Er hat den Pkw vorsätzlich nicht geliefert und statt dessen anderweitig veräußert.
3. Die nach § 281 I 1 erforderliche Frist hat K gesetzt; sie ist ergebnislos abgelaufen.
III. K kann von V infolgedessen Schadensersatz verlangen (§ 280 I 1 BGB). Er kann nach §§ 249, 251 I BGB verlangen, so gestellt zu werden, als hätte V den Pkw geliefert. Damit hängt die Höhe des Schadens vom Wert des Pkw ab. Eine ausdrückliche Angabe dazu enthält der Sachverhalt nicht. Es kann aber daran angeknüpft werden, dass V das Fahrzeug für 16.500 Euro verkauft hat und diesen Betrag auch als Wert des Pkw angibt. Demgegenüber handelt es sich bei dem von K und V gebotenen Preis von 17.000 Euro möglicherweise um einen überhöhten Betrag, der als Grundlage für die Schadensbestimmung zu wenig abgesichert ist. Von den 16.500 Euro sind die 1,50 Euro Kaufpreis abzuziehen, so dass der Schaden auf 16.498,50 Euro zu beziffern ist. Wenn V demgegenüber einen Schaden mit der Begründung bestreitet, dass K 17.000 Euro geboten habe, der Pkw aber nur 16.500 Euro wert gewesen sei, verkennt er, dass das Gebot des K über 17.000 Euro nicht wirksam war (oben A I 4 b aa) und K deshalb diesen Betrag nicht zu zahlen brauchte.
.
(Im Originalfall hatte K 16.500 Euro eingeklagt. Das LG hatte, vom BGH unter [44-46] nicht beanstandet, den Wert des Pkw gemäß § 287 ZPO auf „mindestens 16.501.50 Euro“ geschätzt, so dass es V auf Zahlung von 16.500 Euro verurteilt hat. Diese Verurteilung hat der BGH bestätigt.)
B. Anspruchsgrundlagen aus Gesetz (von den Gerichten im vorliegenden Fall nicht geprüft) greifen nicht ein.
I. Für § 823 I BGB fehlt es an der Verletzung eines absoluten Rechts des K durch V.
II. Als verletztes Schutzgesetz i. S. des § 823 II BGB könnte an § 263 StGB gedacht werden. Es kann jedoch offen bleiben, ob V einen Betrug oder Betrugsversuch begangen hat (dazu Böse/Jutzi MDR 2015, 680 f.). Denn dadurch wäre kein unter §§ 823 II, 249 BGB fallender Schaden entstanden. Der oben A III begründete Schaden ist ausschließlich dadurch entstanden, dass V den Kaufvertrag nicht erfüllt hat, und ist keine Folge eines eventuellen Betruges.
III. Auch bei § 826 BGB kann offen bleiben, ob V eine vorsätzliche und sittenwidrige Schädigung des K begangen hat, weil auch diese nicht ursächlich für den Nichterfüllungsschaden des K wäre.
Ergebnis: K kann von V Schadensersatz in Höhe von 16.498,50 Euro verlangen.
Zusammenfassung