Bearbeiter: Dr. Gernot Schmalz-Brüggemann

Nachbarstreit wegen störender Bäume an der Grundstücksgrenze; Duldungspflicht nach § 906 I 1 BGB. Nachbarrechtlicher Ausgleichsanspruch, § 906 II 2 BGB, unmittelbar und analog. Störer i. S. des § 1004 BGB. Einschränkung der privatrechtlichen Störerhaftung durch Baumschutzsatzung

BGH
Urteil vom 27. 10. 2017 (V ZR 8/17) NJW 2018, 1010

Fall (Laub und Schatten)

K und B sind Eigentümer benachbarter und mit Wohnhäusern bebauter Grundstücke. Auf dem Grundstück des B stehen unmittelbar an der Grundstücksgrenze zu K mehrere hochgewachsene Bäume, die vom früheren Eigentümer des Grundstücks angepflanzt wurden. Nach dem Landes-Nachbarrechtsgesetz ist bei Bäumen, die diese Größe voraussichtlich erreichen, ein Mindestabstand von 4 m von der Grundstücksgrenze vorgeschrieben. Ein wegen eines geringeren Abstands begründeter Beseitigungsanspruch erlischt, wenn er nicht innerhalb von sechs Jahren nach dem Anpflanzen geltend gemacht wird. Als B das Grundstück erwarb, standen die Bäume seit vier Jahren dort. Mittlerweile sind mehr als sechs Jahre vergangen, ohne dass K dagegen vorgegangen ist.

Die Bäume sind inzwischen so hoch gewachsen, dass von ihnen Laub, Nadeln, Blüten und Zapfen auf das Haus des K und in dessen Dachrinnen fallen. Dadurch wird ein erheblich größerer Reinigungsbedarf ausgelöst, der zu Mehrkosten von mindestens 2. 000 Euro im Jahr führt. Außerdem verschatten die Bäume einen Teil des Gartens des K, in dem dieser sonst Obst und Gemüse anbauen könnte. Da K stattdessen das Obst und Gemüse einkaufen muss, entstehen ihm Mehrkosten von jährlich 470 Euro. K verlangt von B Zahlung von 2.470 Euro für das laufende Jahr.

Unter dem Druck der von K geforderten Zahlung hat B sich an die Stadtverwaltung gewandt und vom Amt für Grünflächen und Umwelt die - zutreffende - Auskunft erhalten, dass die städtische Baumschutzsatzung das Fällen solcher Bäume untersagt und dass die Voraussetzungen für eine Ausnahmegenehmigung nicht vorliegen. Ist der Zahlungsanspruch des K gegen B begründet?

Lösung

I. Anspruchsgrundlage für K kann § 906 II 2 BGB sein,der zum Nachbarrecht des BGB gehört und als nachbarrechtlicher Ausgleichsanspruch bezeichnet wird. Hauptinhalt des § 906 BGB ist allerdings die Frage, inwieweit ein Grundstückseigentümer die „Zuführung unwägbarer Stoffe“ von einem anderen Grundstück dulden muss. Die Entschädigungsfrage steht in diesem Zusammenhang.

1. Voraussetzung für eine Anwendung des § 906 BGB ist, dass einem Grundstück Gase, Dämpfe, Gerüche, Rauch, Ruß, Wärme, Geräusch, Erschütterungen oder ähnliche Einwirkungen (Immissionen; vgl. auch § 3 II - IV BImSchG) zugeführt werden. Im vorliegenden Fall könnten solche Immissionen vom Grundstück des B auf das Grundstück des K einwirken.

a) Der von K beanstandete Anfall von Laub, Nadeln, Blüten und Zapfen fällt nicht unter die in § 906 I 1 BGB konkret aufgeführten Immissionsarten. Er ist aber eine ähnliche Einwirkung. Im vorliegenden Fall trifft BGH [14] nur kurz die dahingehende Feststellung, dass das Abfallen von Laub, Nadeln, Blüten und Zapfen von Sträuchern und Bäumen zu den „ähnlichen Einwirkungen“ im Sinne des § 906 Abs. 1 Satz 1 BGB gehört. Er verweist dazu auf BGHZ 157, 33, 45, wo ausgeführt wird: Die von § 906 BGB erfassten Einwirkungen stimmen darin überein, dass sie in ihrer Ausbreitung weithin unkontrollierbar und unbeherrschbar sind, in ihrer Intensität schwanken und damit andere Grundstücke überhaupt nicht, unwesentlich oder wesentlich beeinträchtigen können (BGHZ 117, 110, 112). Das trifft auf das Abfallen von Laub, Nadeln, Blüten und Zapfen von Sträuchern und Bäumen zu (vgl.…OLG Stuttgart, NJW 1986, 2768; OLG Frankfurt a.M., NJW-RR 1991, 1364, 1365; MünchKomm/Säcker, 3. Aufl., § 906 Rdn. 81; Palandt/Bassenge, 62. Aufl., § 906 Rdn. 13; Staudinger/Roth, BGB [2002], § 906 Rdn. 169;…).

b) Dagegen ist der Schattenwurf keine solche Einwirkung. Dass Bäume Schatten werfen - auch als „Schatten spenden“ positiv gewürdigt -, ist eine ihrer natürlichen Wirkungen und untrennbar mit der Gemeinwohlfunktion der Bäume für Menschen und Natur verbunden. BGH [14] Deshalb stellt der Entzug von Luft und Licht durch Anpflanzungen auf dem Nachbargrundstück keine derartige Einwirkung dar (vgl. BGH NJW-RR 2015, 1425 Rn. 15 m. w. N.). Der Eigentümer hat solche sog. negativen Einwirkungen auch unter Berücksichtigung der Pflichten aus dem nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnis grundsätzlich hinzunehmen. § 906 BGB insgesamt und damit auch § 906 II 2 BGB ist somit auf den Schattenwurf nicht anwendbar.

Da eine andere Anspruchsgrundlage für eine Entschädigung wegen des Schattenwurfs nicht ersichtlich ist, steht fest, dass K dafür, dass er in einemTeil des Gartens kein Obst und Gemüse anbauen kann, keinen Ausgleich erhält. Der geltend gemachte Anspruch ist in Höhe von 470 Euro unbegründet.

Die weitere Prüfung bezieht sich auf den Anfall von Laub, Nadeln, Blüten und Zapfen (künftig nur noch „Laub“).

2. Während § 906 Abs. 1 S. 1 BGB den Eigentümer verpflichtet, unwesentliche Beeinträchtigungen entschädigungslos zu dulden, betrifft § 906 Abs. 2 wesentliche Beeinträchtigungen. Dass der Entschädigungsanspruch eine wesentliche Beeinträchtigung zur Voraussetzung hat, ergibt sich aus der Formulierung des § 906 II 2, wonach der Eigentümer „hiernach eine Einwirkung zu dulden“ hat, und dem darin liegenden Verweis auf Satz 1.

Laub, das auf den Boden des Nachbargrundstücks gelangt und dort weggefegt werden kann, ist im Normalfall eine unwesentliche Beeinträchtigung, die ein Eigentümer hinzunehmen hat. Der hier zu beurteilende Fall weicht aber vom Normalfall ab. Nach BGH [19] liegt eine wesentliche Beeinträchtigung dann vor, wenn…das von den Bäumen des B abfallende Laub dazu führt, dass die Dachrinnen und die Abläufe am Haus des K häufiger als es sonst nötig wäre gereinigt werden müssen (vgl. BGHZ 157, 33, 42 f.). Dass das der Fall ist, ergibt sich aus der dahingehenden Feststellung im Sachverhalt. Auch die ungewöhnlich hohen Mehrkosten von jährlich 2.000 Euro - im Fall BGHZ 157, 33 waren es 204 Euro - zeigen, dass die Einwirkungen nicht nur unwesentlich sind.

3. Aus dem Verweis in § 906 II 2 BGB auf § 906 II 1 ergibt sich weiterhin, dass die Einwirkung durch eine Benutzung des Grundstücks erfolgen muss, die ortsüblich ist, die nicht durch zumutbare Maßnahmen verhindert werden kann und die deshalb als rechtmäßig vom Eigentümer zu dulden ist. Beispiel ist, dass ein Gewerbebetrieb, der technisch nicht vermeidbaren Lärm verursacht, in einem Gewerbegebiet liegt, wo der Lärm gestattet und deshalb ortsüblich ist. Folglich muss der Eigentümer eines angrenzenden Miethauses den Lärm, obwohl er erheblich ist, dulden, kann aber eine Entschädigung für den Mietausfall verlangen. Der Entschädigungsanspruch des § 906 II 2 BGB ist der Ausgleich dafür, dass § 906 II 1 BGB dem Grundstückseigentümer den ihm an sich zustehenden Abwehranspruch aus § 1004 BGB nimmt. Insofern ist § 906 II 2 BGB ein Anspruch wegen einer privatrechtlichen Aufopferung (Westermann/Gursky/Eickmann, Sachenrecht, 8. Aufl. 2011, § 61 Rdnr. 25, S. 549).

a) Ob Bäume, wie sie auf dem Grundstück des B stehen, in der dortigen Gegend üblich sind, lässt sich nach dem Sachverhalt nicht entscheiden. Es ist aber davon auszugehen, dass normalerweise der vom Nachbarrecht vorgeschriebene Abstand eingehalten wird. Dieser Abstand hat auch den Zweck, dass das Laub zu einem größeren Teil auf dem Grundstück des Baumeigentümers und nicht auf dem Nachbargrundstück anfällt. Die Bäume des B halten den vorgeschriebenen 4-m-Abstand nicht ein, sondern stehen dicht an der Grenze zum Grundstück des K. Dadurch gelangt mehr Laub auf das Grundstück und das Haus des K, als wenn der Abstand eingehalten würde. Eine solche Nutzung ist nicht ortsüblich. Sie ist darüber hinaus wegen Verstoßes gegen das Nachbarrechtsgesetz rechtswidrig und auch deshalb von K nicht zu dulden.

b) Zu einer Duldungspflicht des K könnte der Ablauf der Sechs-Jahres-Frist führen. Dieser hat jedoch lediglich die Bedeutung, dass K nicht mehr die Beseitigung oder das Zurückschneiden der Bäume verlangen kann; insoweit soll die Rechtslage zwischen den Nachbarn geklärt bleiben. Für die weitergehende Annahme, dass wegen des Fristablaufs die Nutzung nunmehr ortsüblich ist, besteht kein Grund. - Im Originalfall hat der BGH eine unmittelbare Anwendung des § 906 II 2 - so wie in der hier angebotenen Lösung unter I. - nicht geprüft, sondern ist ohne Weiteres davon ausgegangen, dass K die Einwirkungen nicht zu dulden hat, vgl. [10]. Er hat aber in einem anderen Zusammenhang ausgeführt [18]: Dass wegen Fristablaufs nicht mehr die Beseitigung oder das Zurückschneiden der Bäume auf die zulässige Höhe verlangt werden kann, hat nicht zur Folge, dass der Bewuchs nunmehr ordnungsgemäßer Bewirtschaftung entspricht (vgl. BGHZ 157, 33, 42 f.).

Folglich liegt keine von K ortsübliche und von K zu duldende Benutzung des Grundstücks des B vor. Einen Anspruch unmittelbar aus § 906 II 2 BGB hat K nicht.

II. Indem § 906 II 2 BGB zur Voraussetzung hat, dass die störende Benutzung des Nachbargrundstücks vom Eigentümer als ortsüblich und rechtmäßig zu dulden ist, lässt das BGB die Fälle ungeregelt, in denen der Eigentümer aus anderen Gründen eine wesentliche Beeinträchtigung hinnehmen muss, etwa weil ein Abwehranspruch aus § 1004 BGB die faktisch eingetretene Beeinträchtigung weder verhindern konnte noch rückgängig machen kann oder weil der Eigentümer - wie im vorliegenden Fall - wegen Ablaufs der Sechs-Jahres-Frist den Laubanfall nicht mehr verhindern kann. Da auch in diesen Fällen ein Bedarf nach einer Entschädigungsregelung besteht, handelt es sich um eine Gesetzeslücke, die vom BGH und der h. M. durch eine analoge Anwendung des § 906 II 2 BGB geschlossen wird. Die Fälle der analogen Anwendung des § 906 II 2 BGB sind häufiger als die Fälle der unmittelbaren Anwendung, weil letztere nach dem Trennungsgrundsatz des § 50 BImSchG durch planungsrechtliche Maßnahmen vermeidbar sind, während das in den sonstigen Fällen, in denen der Eigentümer die Beeinträchtigung hinnehmen muss, nicht möglich ist.

BGH [10] Nach der ständigen Rechtsprechung des BGH ist ein nachbarrechtlicher Ausgleichsanspruch (§ 906 Abs. 2 Satz 2 BGB analog) gegeben, wenn von einem Grundstück im Rahmen privatwirtschaftlicher Benutzung rechtswidrige Einwirkungen auf ein anderes Grundstück ausgehen, die der Eigentümer oder Besitzer des betroffenen Grundstücks nicht dulden muss, aus besonderen Gründen jedoch nicht gemäß § 1004 Abs. 1 BGB bzw. § 862 BGB unterbinden kann, sofern er hierdurch Nachteile erleidet, die das zumutbare Maß einer entschädigungslos hinzunehmenden Beeinträchtigung übersteigen (vgl. BGH NJW-RR 2016, 588 Rn. 20 m. w. N.; BGHZ 157, 33, 44 f.). Hierzu bisher entschiedene Fälle sind z. B. Vertiefungsschäden (BGHZ 72, 289, 292; 85, 375, 384), Abschwemmen von Pestiziden (BGHZ 90, 255 ff.), Schaden durch Brand im Nachbarhaus (BGHZ 142, 66); Störung durch Drogenhilfezentrum (144, 200); durch umgestürzte Bäume (BGH NJW 2005, 3701); zu den verschiedenen Fällen auch Bruns NJW 2018, 1013 in einer Anmerkung zur Entscheidung des BGH. Wie die Beispiele zeigen, ist die analoge Anwendung des § 906 II 2 BGB nicht wie die unmittelbare auf Feinimmissionen beschränkt, sondern erfasst auch Grobimmissionen (BGHZ 155, 99, Leitungswasser) .

1. Voraussetzung auch für die analoge Anwendung des § 906 II 2 BGB ist, dass auf das Grundstück des Anspruchstellers Immissionen einwirken, die von einem anderen Grundstück ausgehen. Dazu kann auf die Ausführungen unter I 1 a) verwiesen werden.

2. Weiterhin ist Voraussetzung auch für die analoge Anwendung des § 906 II 2 BGB, dass eine wesentliche Beeinträchtigung vorliegt. Denn andernfalls könnte der Fall, dass der Eigentümer solche Na chteile erleidet, die das zumutbare Maß einer entschädigungslos hinzunehmenden Beeinträchtigung übersteigen, nicht eintreten (vgl. auch BGH [12]). Dass die von den Bäumen des B ausgehenden Einwirkungen wesentlich sind, ergibt sich aus den Ausführungen oben I 2.

3. Die bei der unmittelbaren Anwendung des § 906 II 2 BGB bestehende Voraussetzung, dass die Einwirkung vom Eigentümer als ortsüblich zu dulden ist, wird bei der analogen Anwendung durch die Voraussetzung ersetzt, dass eine rechtswidrige Einwirkung vorliegt, die der Eigentümer nicht zu dulden brauchte, die er aber aus besonderen Gründen nicht verhindern konnte.

a) K brauchte den Laubanfall nach § 906 II 1 BGB nicht zu dulden, dieser war vielmehr rechtswidrig, was sich aus den Ausführungen oben I 3 a) ergibt.

b) Ob K den Laubanfall nicht verhindern konnte oder kann, ist zweifelhaft. Denn während der Sechs-Jahres-Frist war eine Verhinderung möglich, danach ist sie wegen des Fristablaufs nicht mehr möglich. Es ist somit zu entscheiden, ob der Umstand, dass K gegenüber B einen Anspruch auf Fällen der Bäume nicht geltend gemacht hat, dazu führt, dass er auch den Entschädigungsanspruch verliert. Anders als das BerGer. hat der BGH diese Frage verneint und K damit die Möglichkeit eines Anspruchs erhalten.

BGH [11, 12] Auch in dieser Konstellation ist der betroffene Eigentümer aus besonderen Gründen gehindert, Einwirkungen, die er grundsätzlich nicht - hier gemäß § 906 Abs. 1 und 2 BGB - dulden müsste, sondern nach § 1004 Abs. 1 BGB abwehren könnte, zu unterbinden. Eine andere Möglichkeit zur Störungsbeseitigung als die, dass die Bäume entfernt oder so weit gekürzt werden, dass das Abfallen von Laub und ähnlichem auf das Grundstück des Nachbarn nahezu ausgeschlossen ist, besteht nicht. Entfernung oder Kürzung der Bäume kann der Nachbar wegen des Ablaufs der Ausschlussfrist nicht mehr verlangen; er muss das Höhenwachstum der Bäume dulden (BGHZ 157, 33, 45…).…Die Überlegung des BerGer., der Eigentümer habe es selbst in der Hand gehabt, den Baumwuchs als Ursache der Beeinträchtigungen zu verhindern, veranlasst keine abweichende Beurteilung. Sie misst der Ausschlussfrist nach den nachbarrechtlichen Vorschriften…eine Bedeutung bei, die ihr nicht zukommt. Ausgeschlossen ist hiernach der Anspruch auf Beseitigung oder Rückschnitt der Bäume, der dem Nachbarn bereits alleine wegen der Missachtung der Grenzabstandsregelungen eingeräumt wird; auf eine konkrete Beeinträchtigung des Eigentums kommt es insoweit nicht an (BGH NJW-RR 2010, 807 Rn. 24;…). Dies besagt jedoch nichts darüber, ob der Nachbar, der wegen der von den Bäumen ausgehenden Beeinträchtigungen durch das Abfallen von Laub und ähnlichem in seinem Eigentum wesentlich und über das Zumutbare hinaus beeinträchtigt wird, diese Beeinträchtigung entschädigungslos hinzunehmen hat…

Ebenso wie im unmittelbaren Anwendungsbereich der Vorschrift hat der Grundstückseigentümer wesentliche Beeinträchtigungen seines Eigentums durch von einem Nachbargrundstück ausgehende Immissionen zu dulden. Diese Duldung soll nach der Wertung des § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB nicht entschädigungslos erfolgen und rechtfertigt eine entsprechende Anwendung der Vorschrift.
Folglich führt der Ablauf der Frist nicht zum Verlust des Entschädigungsanspruchs; die Voraussetzung, dass K den Laubanfall nicht verhindern kann, ist zu bejahen.

4. Ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal des § 906 II 2 ist, dass derjenige, von dem Ersatz wegen der Immissionen verlangt wird, Störer i. S. des § 1004 BGB ist. Denn § 906 II 2 BGB ist der Ausgleich dafür, dass dem Eigentümer der Abwehranspruch aus § 1004 BGB genommen wird (oben I 3), und ein Anspruch aus § 1004 BGB richtet sich nur gegen den für die Eigentumsbeeinträchtigung verantwortlichen Störer. BGH NJW 2008, 992 [8]: Es ist davon auszugehen, dass sich der nachbarrechtliche Ausgleichsanspruch nur gegen einen Störer i. S. des § 1004 I BGB richten kann… Das gilt auch bei der analogen Anwendung. Somit ist zu fragen, ob B im Hinblick auf den Laubanfall Störer ist. Störer kann B als Handlungsstörer oder als Zustandsstörer sein.

a) Handlungsstörer wäre B, wenn er die Bäume unter Verstoß gegen die Abstandsvorschriften des Nachbarrechts gepflanzt hätte. Das ist aber nicht der Fall, vielmehr wurden die Bäume von dem früheren Eigentümer gepflanzt.

b) B könnte als Eigentümer des Grundstücks und der Bäume Zustandsstörer sein. Grundsätzlich ist ein Eigentümer für den Zustand auf seinem Grundstück verantwortlich, aber nicht uneingeschränkt. BGH NJW 2016, 863 [21] Es genügt nicht, dass er Eigentümer oder Besitzer der Sache ist, von der die Störung ausgeht. Für die erforderliche Zurechnung der Beeinträchtigung ist nach st. Rspr. des BGH vielmehr erforderlich, dass die Beeinträchtigung wenigstens mittelbar auf den Willen des Eigentümers oder Besitzers der störenden Sache zurückgeht.

aa) Da B die Bäume nicht gepflanzt hat und das Entstehen von Laub ein natürlicher Vorgang ist, könnte verneint werden, dass der Laubanfall auf den Willen des B zurückgeht. Grundsätzlich haftet ein Eigentümer nicht für Naturereignisse (BGHZ 122, 283; Bruns NJW 2018, 1013). Jedoch hängen auch solche natürlichen Vorgänge davon ab, wie der Eigentümer das Grundstück bewirtschaftet. Der BGH macht die Freistellung von der Verantwortlichkeit des Eigentümers davon abhängig, dass das Grundstück ordnungsgemäß bewirtschaftet wird. Dementsprechend führt er im vorliegenden Fall unter [18] aus, dass ein Eigentümer für die Eigentumsbeeinträchtigung durch Laubabwurf der Bäume verantwortlich ist…, wenn die Bäume unter Verletzung der einschlägigen landesrechtlichen Bestimmungen über den Grenzabstand unterhalten werden und sich die Nutzung des störenden Grundstücks deshalb nicht mehr im Rahmen ordnungsgemäßer Bewirtschaftung hält… Hiernach ist B für den Laubabwurf verantwortlich, weil…die streitgegenständlichen Bäume sich unmittelbar an der Grundstücksgrenze befinden…und die im Landes-Nachbarrechtsgesetz aufgeführten Grenzabstände nicht eingehalten sind. (Ebenso bereits BGHZ 157, 33 LS 4.)

bb) Einer Inanspruchnahme des B entgegenstehen könnte jedoch die Baumschutzsatzung, die zum Naturschutzrecht gehört (vgl. § 29 I 2 BNatSchG: Schutz von Bäumen). Auf den Willen eines Eigentümers geht eine Störung nur dann zurück, wenn er sie verhindern kann. Im vorliegenden Fall lässt sich der Anfall von Laub nur so verhindern, dass die Bäume gefällt werden. Das könnte aber nach dem naturschutzrechtlichen Verbot der Baumschutzsatzung unzulässig sein. Im Froschteich-F all BGHZ 120, 239, 245 ff., 254 hat der BGH die Störereigenschaft eines Teichbesitzers für den von den Fröschen ausgehenden Lärm nur unter dem Vorbehalt bejaht, dass von der Naturschutzbehörde eine Ausnahmegenehmigung für Maßnahmen zur Vertreibung der Frösche erteilt wird. Im vorliegenden Fall ist die Auskunft der Stadtverwaltung als zutreffend zugrunde zu legen, dass die städtische Baumschutzsatzung das Fällen der Bäume untersagt und die Voraussetzungen für eine Ausnahmegenehmigung nicht vorliegen. Damit scheidet eine Verpflichtung des B zum Fällen der Bäume unter dem Vorbehalt einer Ausnahmegenehmigung aus. Folglich ist B nicht als Störer verantwortlich und braucht auch keinen nachbarrechtlichen Ausgleich zu zahlen. BGH [21] Ein nachbarrechtlicher Ausgleichsanspruch analog § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB ist ausgeschlossen, wenn das Naturschutzrecht dem Störer verbietet, die Einwirkung auf das Grundstück des Gestörten zu unterlassen oder abzustellen. Hätte der Störer gleichwohl an den Gestörten einen Ausgleich zu leisten, müsste er eine Entschädigung für die Folgen einer gesetzlichen Regelung bezahlen, die der Gesetzgeber nicht im Interesse des Störers, sondern im Allgemeininteresse für notwendig hält. Hierfür gibt es keine Grundlage (vgl. BGHZ 120, 239, 252). (Insoweit abweichend Bruns NJW 2018, 1013.)

Dieses Ergebnis lässt sich noch durch die Überlegung stützen, dass das Laub von den Bäumen auch auf das Grundstück des B fällt und dieser sich um dieses Laub kümmern muss. Somit sind die Störungen, die von den im Allgemeininteresse stehen bleibenden Bäumen ausgehen, von jedem Eigentümer in dem Umfang zu tragen, in dem sie sein Eigentum treffen. Dann ist es nicht unbillig, dass zu den Unterhaltskosten des K für sein Hausgrundstück auch Kosten für die Beseitigung des darauf entfallenden Laubs gehören.

Der von K geltend gemachte Anspruch ist in vollem Umfang unbegründet.


Zusammenfassung