Bearbeiter: Dr. Gernot Schmalz-Brüggemann

Quasinegatorischer Unterlassungsanspruch analog §§ 1004 I 2, 823 I BGB. Allgemeines Persönlichkeitsrecht in der Ausprägung als Recht am eigenen Bild. Abgestuftes Schutzkonzept nach §§ 22, 23 Kunsturhebergesetz = KUG, drei Stufen: Grundsätzlich keine Veröffentlichung ohne Einwilligung, § 22 KUG. Veröffentlichungsbefugnis für Bildnisse der Zeitgeschichte, § 23 I Nr. 1 KUG. Berechtigtes Interesse des Abgebildeten, § 23 II KUG. Abwägung zwischen Persönlichkeitsrecht und Pressefreiheit im Rahmen des § 23 I Nr. 1 KUG

BGH Urteil vom 6. 2. 2018 (VI ZR 76/17) NJW 2018, 1820

Fall (Christian Wulff)

CDU-Politiker CW war Ministerpräsident eines Bundeslandes, war danach der zehnte Bundespräsident der Bundesrepublik Deutschland und hatte nach anderthalb Jahren Dienstzeit den Rücktritt erklärt. Als Alt-Bundespräsident betätigt er sich auch nach dem Rücktritt noch politisch und weist auf seiner Homepage darauf hin (http://christian-wulff.de/was-macht-eigentlich-ein-altbundespraesident). Er war verheiratet und trat mit seiner Ehefrau Bettina regelmäßig in der Öffentlichkeit auf. Über die Medien hatte er immer wieder Einblicke in sein Familien- und Eheleben gewährt. Nach dem Ausscheiden aus dem Bundespräsidentenamt wurde bekannt und darüber berichtet, dass CW und seine Frau sich getrennt hatten. Zwei Jahre später ließ CW durch eine Pressemitteilung bekanntgeben, dass das Ehepaar wieder zusammenlebt. Die Pressemitteilung endete mit den Sätzen: „Bettina W und CW bitten nachdrücklich darum, die ihrer Familie zustehende Privatsphäre zu respektieren. Wird diese verletzt - etwa durch Nachstellungen von Fotografen -, sind die Anwälte beauftragt, mit allen rechtlichen Mitteln dagegen vorzugehen.“

V ist Verlegerin der Illustrierten NEUE POST und PEOPLE. Am 13. Mai veröffentlichte V in der Zeitschrift PEOPLE unter der Überschrift „Liebes-Comeback" zwei Fotos von einem Einkauf des Ehepaares in einem Supermarkt. Das eine, das Auto-Foto, zeigt CW und seine Ehefrau gemeinsam an ihrem Auto, wobei nur der Kopf des CW zu sehen ist. Das andere, das Einkaufswagen-Foto, zeigt CW beim Schieben eines Einkaufswagens. In dem Begleittext zu den Bildern heißt es: „Liebe ist…mit seiner Frau zusammen für die Familie einzukaufen. Letzten Samstag schob der CDU-Politiker CW einen vollbepackten Einkaufswagen aus einem Supermarkt. Am Auto wartete schon seine Frau. Es ist zutreffend, dass Bettina und CW mit zwei Söhnen wieder zusammenleben.“ Am 20. Mai berichtete V in der Zeitschrift NEUE POST unter der Überschrift „Nach der Versöhnung - CW - Wer Bettina liebt, der schiebt" über den Supermarkteinkauf und bebilderte den Artikel mit dem Einkaufswagen-Foto. Im zugehörigen Text heißt es: „Mineralwasser, Baguette, Salat, Schokoküsse und vieles mehr. Brav hat CW den Einkaufszettel abgearbeitet und alles aus dem Supermarkt besorgt, was Ehefrau Bettina ihm wohl vorher aufgeschrieben hat. Seit der überraschenden Versöhnung der beiden gilt anscheinend: Der ehemalige Bundespräsident ist nun für den Einkauf der Familie verantwortlich." In das Foto ist eingefügt: „Hab den Wagen vollgeladen… CW beim Großeinkauf. Glücklich sieht er aber nicht aus."

CW verlangt von V, die Veröffentlichung der Fotos zu unterlassen. Er weist darauf hin, dass die Fotos entgegen seinem in der Pressemitteilung ausdrücklich erklärten Willen von einem „Paparazzo“ geschossen wurden. In den Fotos liege ein Eingriff in seine Privatsphäre, deren Schutz auch ein ehemaliges Bundespräsident verlangen könne, zumal die Bilder einen völlig belanglosen Vorgang beträfen, an deren Berichterstattung keinerlei öffentliches Interesse bestehe. Die Unzulässigkeit der Veröffentlichung ergebe sich auch daraus, dass die Überschriften und der eingefügte Text für ihn abträglich, wenn nicht sogar gehässig seien. V beruft sich auf die Pressefreiheit und auf ein Interesse der Leserschaft an solchen Beiträgen. Ist der Unterlassungsanspruch des CW gegen V begründet?

Lösung

A. CW könnte sich auf das Recht am eigenen Bild berufen, das durch §§ 22, 23 des Gesetzes über das Urheberrecht an Werken der bildenden Künste und der Photographie von 1907 (Kunsturhebergesetz - KUG) geschützt wird. §§ 22, 23 KUG sind aber nur Verbots- und Erlaubnisnormen und keine Anspruchsgrundlage. Sie können deshalb nur innerhalb einer Anspruchsgrundlage geltend gemacht werden.

B. Ein Anspruch des CW gegen V setzt voraus, dass es eine Anspruchsgrundlage gibt und dass deren Voraussetzungen vorliegen.

I. Bei der Frage nach dem Bestehen einer Anspruchsgrundlage ist festzustellen, dass es eine ausdrückliche Anspruchsgrundlage, nach der Unterlassung der Veröffentlichung eines Bildes verlangt werden kann, nicht gibt. Das BGB bleibt bei den Beseitigungs- und Unterlassungsansprüchen weit hinter den Schadensersatzansprüchen zurück und gewährt diese nur zugunsten einiger absoluten Rechte: in § 1004 I 1, 2 zugunsten des Eigentums, zugunsten anderer dinglicher Rechte (z. B. zugunsten einer Hypothek, § 1134), in § 12 zugunsten des Namensrechts.

1. Da aber Beseitigungs- und Unterlassungsansprüche zugunsten eines jeden in § 823 BGB geschützten Rechts und Schutzgesetzes bestehen müssen, wird § 1004 I 1, 2 BGB auf diese Rechtspositionen analog angewendet (quasinegatorischer Beseitigungs- und Unterlassungsanspruch; dazu Omlor JuS 2018, 487, 488 in einer Besprechung dieses Falles). Die analoge Anwendung erstreckt sich auf sämtliche deliktisch, vor allem durch §§ 823 I, II BGB, geschützten Rechte und Rechtsgüter. Somit können im vorliegenden Fall §§ 1004 I 2, 823 I BGB in analoger Anwendung Anspruchsgrundlage sein. Da dem § 823 I nur das möglicherweise verletzte Recht entnommen wird, im Übrigen § 1004 maßgebend ist, sind beim Unterlassungsanspruch weder ein Verschulden noch ein Schaden erforderlich.

2. Innerhalb dieser Anspruchsgrundlage könnte zugunsten des CW das allgemeine Persönlichkeitsrecht zur Anwendung kommen, das ein absolut geschütztes privatrechtliches Recht i. S. des § 823 I BGB ist (Omlor JuS 2018, 487 m. w. N. Fn. 2). Es wurde aus Art. 1 I, 2 I GG entwickelt, ist inzwischen aber gewohnheitsrechtlich anerkannt.

a) Dessen Prüfung könnte hier in der üblichen Weise erfolgen, indem gefragt wird, ob ein Eingriff vorliegt und ob dieser gerechtfertigt ist; dabei wäre wegen der Eigenart des Persönlichkeitsrechts als Rahmenrecht (BGH NJW 2017, 2029 [23]; Omlor JuS 2018, 488) die Rechtswidrigkeit durch eine umfassende Güter- und Interessenabwägung festzustellen. (Vgl. auch BVerfG NJW 2018, 1744; dort war im Rahmen einer Verfassungsbeschwerde zwischen dem Recht am eigenen Bild und der Kunstfreiheit abzuwägen, wobei das Recht am eigenen Bild Vorrang erhielt.)

b) Jedoch enthalten §§ 22, 23 KUG eine Konkretisierung des Persönlichkeitsrechts bei der Veröffentlichung von Bildern einer Person. BGH [21] Anwendbar ist das allgemeine Persönlichkeitsrecht in seiner Ausprägung als Recht am eigenen Bild. Deshalb sind bei der Prüfung §§ 22, 23 KUG zugrunde zu legen , insbesondere ist die rahmenrechtlich geforderte Abwägung im Zusammenhang mit ihrer Anwendung vorzunehmen. Dazu hat die Rechtsprechung ein abgestuftes Schutzkonzept entwickelt (BGHZ 171, 275 [9, 10]; 180, 114 [9]; im vorliegenden Fall [10]). Es umfasst drei Stufen: 1) Nach § 22 KUG dürfen Bildnisse nur mit Einwilligung des Abgebildeten verbreitet werden, also ist zu fragen, ob eine ausdrückliche oder schlüssige Einwilligung erteilt wurde. 2) Ausnahmen enthält § 23 I KUG, insbesondere für Bildnisse aus dem Bereich der Zeitgeschichte. 3) Die Veröffentlichung bleibt nach § 23 II KUG unzulässig, wenn ein berechtigtes Interesse des Abgebildeten verletzt wird.

Zu den auf diese Stufen zu verteilenden Argumenten gehört - neben dem von § 22 KUG geschützten Persönlichkeitsrecht - die Pressefreiheit. Sie wird von § 23 KUG nicht ausdrücklich angesprochen, ist aber von der Frage, ob Fotos von Menschen in Medien wiedergegeben werden dürfen, intensiv betroffen und ist deshalb mit besonderem Gewicht in die Anwendung des § 23 I KUG einzubringen (genauer dazu II 2 a).

II. Als Voraussetzung für einen Unterlassungsanspruch des CW gegen V nach §§ 1004 I 2, 823 I BGB analog muss eine Verletzung des Rechts am eigenen Bild vorliegen, deren Vorliegen nach dem abgestuften Schutzkonzept zu prüfen ist (im Folgenden 1.-3.).

1. Die beiden Fotos sind Bilder des CW und wurden in den Zeitschriften der V verbreitet. Die nach § 22 I KUG grundsätzlich erforderliche Einwilligung wird zwar von Prominenten meist erteilt, weil sie an der Veröffentlichung interessiert sind. Im vorliegenden Fall hat CW jedoch nicht eingewilligt, sondern einer Veröffentlichung von Bildern aus seinem Privatleben widersprochen. Danach war die Verbreitung der Fotos unzulässig.

2. Die Veröffentlichung ist nach § 23 I Nr. 1 KUG aber zulässig, wenn es sich um Bildnisse aus dem Bereich der Zeitgeschichte handelt. Das ist insbesondere der Fall, wenn die abgebildete Person eine Person der Zeitgeschichte ist.

a) Bei dieser Prüfung ist nicht nur auf den Begriff der Zeitgeschichte abzustellen, sondern es sind entsprechend dem Zweck der Vorschrift, die Pressefreiheit zu schützen, auch die Pressefreiheit und das Informationsinteresse der Öffentlichkeit zu berücksichtigen. BGHZ 171, 275 [14]: Eine Abwägung der widerstreitenden Rechte der abgebildeten Person einerseits und der Pressefreiheit andererseits ist schon bei der Zuordnung zum Bereich der Zeitgeschichte erforderlich (ebenso BGHZ 180, 114 [10] und im vorliegenden Fall [16]). Bei den widerstreitenden Rechten verweist der BGH nicht nur auf die (Grund-) Rechte aus Art. 2 I, 1 I GG und Art. 5 I 2 GG, sondern auch auf die entsprechenden Art. 8, 10 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK), weil die Rspr. des BGH von der des EGMR (vgl. NJW 2004, 2647) beeinflusst worden ist.

b) Auszugehen ist vom Begriff der Zeitgeschichte, die vom BGH als Zeitgeschehen verstanden wird. [12-14]:

aa) Der Begriff des Zeitgeschehens darf nicht zu eng verstanden werden. Im Hinblick auf den Informationsbedarf der Öffentlichkeit umfasst er nicht nur Vorgänge von historisch-politischer Bedeutung, sondern ganz allgemein das Geschehen der Zeit, also alle Fragen von allgemeinem gesellschaftlichem Interesse. Er wird mithin vom Interesse der Öffentlichkeit bestimmt. Dabei gehört es zum Kern der Presse- und Meinungsfreiheit, dass die Medien im Grundsatz nach ihren eigenen publizistischen Kriterien entscheiden dürfen, was sie des öffentlichen Interesses für wert halten und was nicht (vgl.… BGHZ 187, 200 Rn. 20; 180, 114 Rn. 11; BVerfGE 120, 180, 197; jeweils m. w. N.). Auch unterhaltende Beiträge, etwa über das Privat- und Alltagsleben prominenter Personen, nehmen grundsätzlich an diesem Schutz teil (…BGHZ 187, 200 Rn. 20;…BVerfGE 120, 180, 197, 205; 101, 361, 389 ff.), ohne dass dieser von der Eigenart oder dem Niveau des jeweiligen Beitrags oder des Presseerzeugnisses abhängt (…BGHZ 171, 275 Rn. 32 m. w. N.). Gerade prominente Personen können der Allgemeinheit Möglichkeiten der Orientierung bei eigenen Lebensentwürfen bieten sowie Leitbild- und Kontrastfunktionen erfüllen. Auch Aspekte aus ihrem Privatleben wie beispielsweise die Normalität ihres Alltagslebens können der Meinungsbildung zu Fragen von allgemeinem Interesse dienen (…). Vgl. die Urteilsanmerkung von Elmenhorst NJW 2018, 1823: „Die Presse darf auch unterhalten.“

Im Rahmen einer zulässigen Berichterstattung steht es den Medien demnach grundsätzlich frei, Textberichte durch Bilder zu illustrieren.
Folglich ist - entgegen der von CW geäußerten Auffassung - die Verbreitung der umstrittenen Fotos nicht schon deshalb unzulässig, weil sie das Privatleben des CW betreffen.

bb) [15-20] Ein Informationsinteresse besteht jedoch nicht schrankenlos, vielmehr wird der Einbruch in die persönliche Sphäre des Abgebildeten durch den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit begrenzt (BGH NJW 2017, 804 Rn. 7…m. w. N.). Nicht alles, wofür sich Menschen aus Langeweile, Neugier und Sensationslust interessieren, rechtfertigt dessen visuelle Darstellung in der breiten Medienöffentlichkeit….Es bedarf mithin einer abwägenden Berücksichtigung der kollidierenden Rechtspositionen (…). Die Belange der Medien sind dabei in einen möglichst schonenden Ausgleich mit dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht des von einer Berichterstattung Betroffenen zu bringen.

Im Rahmen der Abwägung ist von maßgeblicher Bedeutung, ob die Medien im konkreten Fall eine Angelegenheit von öffentlichem Interesse ernsthaft und sachbezogen erörtern, damit den Informationsanspruch des Publikums erfüllen und zur Bildung der öffentlichen Meinung beitragen oder ob sie lediglich die Neugier der Leser nach privaten Angelegenheiten prominenter Personen befriedigen (vgl. BGHZ 180, 114 Rn. 12; BVerfGE 101, 361, 391; 120, 180, 205; EGMR, NJW 2012, 1053 Rn. 108 ff.; 1058 Rn. 89 ff.). Je größer der Informationswert für die Öffentlichkeit ist, desto mehr muss das Schutzinteresse desjenigen, über den informiert wird, hinter den Informationsbelangen der Öffentlichkeit zurücktreten. Umgekehrt wiegt der Schutz der Persönlichkeit des Betroffenen umso schwerer, je geringer der Informationswert für die Allgemeinheit ist… Auch ist bedeutsam, in welcher Situation der Betroffene erfasst und wie er dargestellt wird… Stets abwägungsrelevant ist die Intensität des Eingriffs in das allgemeine Persönlichkeitsrecht (vgl. BVerfGE 120, 180, 209).

Informationsinteresse und -wert sind, wie vorstehend ausgeführt, Elemente der Abwägung. Deshalb ist die Auffassung des CW unzutreffend, dass die Veröffentlichung der Fotos bereits deshalb unzulässig sei, weil sie belanglose Umstände betreffe und an ihr kein öffentliches Interesse bestehe; das könnte erst Ergebnis einer Abwägung sein. Die geäußerte Auffassung widerspricht auch der Bezugnahme oben b aa) auf die „Normalität des Alltagslebens“.

c) Es folgt die nach den Überlegungen unter b) erforderliche Abwägung zwischen dem Interesse der Presse und dem Informationsinteresse der Öffentlichkeit einerseits und dem Persönlichkeitsinteresse des CW andererseits.

aa) BGH [22, 23] Als Inhaber des höchsten Staatsamtes war CW in besonders herausgehobener Weise politische Person…, weshalb das öffentliche Interesse an seiner Person in besonderer Weise als grundsätzlich gerechtfertigt anzusehen ist (…). Die politische Bedeutung des CW und die Berechtigung des öffentlichen Interesses an seiner Person endeten auch nicht mit dem Rücktritt; die besondere Bedeutung des Amtes wirkt vielmehr nach. Es besteht ein berechtigtes Interesse der Öffentlichkeit, darüber informiert zu werden, wie ein hochrangiger Politiker sein Leben nach dem Abschied aus der aktiven Politik gestaltet. Ein Politiker ist daher auch nach seinem Ausscheiden aus der Politik nicht wie jedwede Privatperson zu behandeln, sondern bleibt - jedenfalls für eine Übergangszeit - trotz des Amtsverlustes politische Person, die Leitbild- oder Kontrastfunktion erfüllen kann und deren Verhalten weiterhin Gegenstand öffentlicher Diskussionen sein darf (vgl. BGHZ 177, 119 Rn. 21). Für die andauernde Bedeutung des CW spricht auch sein weiteres politisches Engagement, ferner die Tatsache, dass er vom Staat eine andauernde Unterstützung erhält, indem ihm lebenslang die bisherigen Amtsbezüge gezahlt und ein Büro mit Mitarbeitern sowie ein Dienstwagen mit Fahrer zur Verfügung gestellt werden.

bb) Obwohl Bilder über das Privatleben nicht von vornherein ausgeschlossen sind, könnte doch die konkrete Situation, in der CW auf den Fotos wiedergegeben wird, wegen einer für CW abträglichen Darstellung eine stärkere Berücksichtigung des Persönlichkeitsrechts erfordern. Das ist aber nicht der Fall. BGH [30, 31] Die Aufnahmen würdigen CW nicht herab, sondern zeigen ihn in unverfänglichen Alltagssituationen. Dies gilt ohne weiteres für das Auto-Foto, auf dem nur der Kopf des CW zu sehen ist, während der Rest seines Körpers vom Auto verdeckt wird. Dies gilt aber auch für das Einkaufswagen-Foto, das CW in gepflegter Alltagskleidung hinter seinem Einkaufswagen und damit in der sympathischen Rolle eines fürsorgenden Familienvaters zeigt. Auch die mit dem Einkaufswagen-Foto übermittelte Information über die vom CW erworbenen Produkte führt zu keinem anderen Ergebnis. Soweit sich auf dem Foto überhaupt einzelne Produkte identifizieren lassen, sind diese in der zugehörigen Textberichterstattung ausdrücklich benannt („Mineralwasser, Baguette, Salat, Schokoküsse"), so dass der Abbildung keine zusätzliche Information zu entnehmen ist.

Anhaltspunkte für die Frage, ob Bilder gezeigt werden dürfen, können sich auch aus der Zuordnung zu einer bestimmten Sphäre der Persönlichkeitsentfaltung ergeben. Den stärksten Schutz erhalten die Intimsphäre und die Geheimsphäre. Das BVerfG anerkennt einen „absolut geschützten Kernbereich privater Lebensgestaltung“ (E 80, 367, 380/1), der sich mit dem über die Würde des Menschen (Art 1 I GG) geschützten Bereich deckt. Ist dieser betroffen, ist eine Abwägung weder nötig noch zulässig. Die Privatsphäre umfasst den häuslichen Bereich, den Besuch einer Gaststätte (BGHZ 131, 341/2), das nichtöffentlich gesprochene Wort (BVerfGE 34, 238, 246). Hier erfolgt ein weitgehender Schutz, jedoch ist möglich, dass überwiegende Interessen der Allgemeinheit oder Dritter Vorrang vor dem Persönlichkeitsinteresse haben (BVerfGE 34, 249; 80, 373). Die am wenigsten geschützte Sozialsphäre umfasst den Bereich, innerhalb dessen sich der Einzelne im Kontakt mit anderen entfaltet, insbesondere bei einem Handeln in der Öffentlichkeit. Zu dieser gehört das Motiv auf den streitigen Fotos. BGH [28] Die Fotos sind zur Einkaufszeit auf dem Parkplatz eines Supermarktes und damit im öffentlichen Raum entstanden (…). Sie beruhen ausschließlich auf Wahrnehmungen, die typischerweise durch die Öffentlichkeit des Orts ermöglicht wurden und keine indiskrete Beobachtung im Einzelnen voraussetzen (vgl. hierzu BVerfG, NJW 2000, 2194, 2195). Die Zuordnung zur Sozialsphäre spricht also gegen einen besonderen Schutz der Persönlichkeit und auch dagegen, dass es sich um einen intensiven Eingriff handelt.

cc) Die Intensität der Beeinträchtigung könnte sich aber dadurch verstärken, dass die Bilder das Familien- und Eheleben des CW betreffen. BGH [24-27] Angesichts der politischen Bedeutung der von CW ausgeübten Staatsämter sowie der im Verlauf seiner politischen Karriere und darüber hinaus von ihm und seiner Frau immer wieder gewährten tiefen Einblicke in ihr Eheleben - das Berufungsgericht spricht insofern wiederholt von „medialer Inszenierung" - hatte die Versöhnung des Ehepaares Nachrichten- und Informationswert und war damit unter Berücksichtigung des weiten, die Reichweite der Pressefreiheit angemessen berücksichtigenden Begriffsverständnisses ein zeitgeschichtliches Ereignis. CW hat sein Ehe- und Familienleben in der Vergangenheit immer wieder intensiv öffentlich thematisiert und sich dadurch mit einer öffentlichen Erörterung dieses Themas einverstanden gezeigt. Diese Selbstöffnung wirkt fort… Dem entspricht, dass CW mit der Pressemitteilung diesem Nachrichten- und Informationswert selbst Rechnung getragen hat.

dd) Der Informationsgehalt von Bildern ist auch unter Berücksichtigung der zugehörigen Wort berichterstattung zu würdigen (BGHZ 171, 275 [32]; im vorliegenden Fall [18]). Bilder und Texte sind aufeinander bezogen. BGH [25, 26] Beide weisen einen hinreichenden aktuellen Bezug zum Versöhnungsereignis auf. In dem Artikel knüpft V an die „überraschende Versöhnung der beiden" an, um diesen eher abstrakten Umstand im Folgenden für ihre Leserschaft anschaulich zu machen durch eine Erörterung der damit verbundenen Alltagspflichten wie der Erledigung des Großeinkaufs der Familie. Die Fotos bebildern diese Berichterstattung, indem sie CW und seine Ehefrau gemeinsam am Auto (Auto-Foto) und CW beim Schieben eines gefüllten Einkaufswagens (Einkaufswagen-Foto) zeigen. Damit machen sie die praktischen Konsequenzen der Versöhnungsnachricht sichtbar und dienen zugleich als deren Beleg. Sie sind kontextgerecht, ergänzen und veranschaulichen den jeweiligen Wortbeitrag. Unter diesen Umständen musste sich V nicht auf die Verwendung eines genehmigten oder genehmigungsfrei verwendbaren Fotos verweisen lassen.

d) Die nach den vorstehenden Ausführungen vorzunehmende Gesamtwürdigung ergibt, dass die für die Pressefreiheit sprechenden Argumente deutlich überwiegen, so dass die Fotos Bildnisse der Zeitgeschichte sind und unter die Ausnahmevorschrift des § 23 I Nr. 1 KUG fallen. (Im Originalfall hatten das LG und das OLG Köln als Vorinstanzen das allerdings anders gesehen, hatten wegen des zur Privatsphäre gehörenden Vorgangs ein Bild der Zeitgeschichte abgelehnt und der Klage stattgegeben. Dem war der BGH aber nicht gefolgt.)

3. Gleichwohl ist die Veröffentlichung nicht zulässig, wenn durch die Verbreitung der Bilder ein berechtigtes Interesse des Abgebildeten verletzt wird (§ 23 II KUG). Die meisten für das Interesse des abgebildeten CW sprechenden Argumente wurden bereits im Zusammenhang mit § 23 I Nr. 1 KUG gewürdigt, so dass an dieser Stelle nur noch zwei Überlegungen bleiben.

a) Ein berechtigtes Interesse des CW könnte durch die Überschriften oder durch bestimmte Textteile verletzt werden; dann könnte CW Unterlassung der Veröffentlichung mit diesen Überschriften bzw. Textteilen verlangen. Jedoch handelt es sich bei den von CW beanstandeten Überschriften und dem eingefügten Text nur um eine Anspielung auf eine Redewendung („Wer liebt, der schiebt“) und auf ein Lied („Hab den Wagen vollgeladen“). Das soll den Unterhaltungswert der Meldung steigern und ist weder gehässig noch für CW auch nur abträglich.

b) Dadurch dass die Bilder entgegen seinem Willen von einem „Paparazzo“ geschossen und nunmehr veröffentlicht wurden, wird das Interesse des CW verletzt. Berechtigt ist dieses Interesse aber nur, wenn es geeignet ist, sich gegenüber dem Interesse der V an der pressemäßigen Verbreitung durchzusetzen. Das ist nicht der Fall. BGH [33] Die zugunsten der V sprechenden Umstände werden durch die Tatsache, dass die Fotos nicht zufällig entstanden sind, sondern von einem „Paparazzo" geschossen wurden, nicht aufgewogen. Dies gilt zumal deshalb, weil die Fotos…weder heimlich aufgenommen noch CW oder seine Frau durch die konkrete Aufnahmesituation besonders belästigt wurden. BGH [29] Folglich kommt bei dieser Sachlage und der gebotenen Würdigung der Berichterstattung in ihrer Gesamtheit (…) den einer Veröffentlichung der Abbildungen entgegenstehenden Interessen des CW kein überwiegendes Gewicht zu (§ 23 Abs. 2 KUG).

4. Die Anwendung des abgestuften Schutzkonzepts hat ergeben, dass die Fotos als Bildnisse der Zeitgeschichte (§ 23 I Nr. 1 KUG) nicht rechtswidrig in das Recht am Bild und das Persönlichkeitsrecht des CW eingreifen. Die für §§ 1004 I 2, 823 I BGB (analog) wesentliche Voraussetzung einer Rechtsverletzung liegt nicht vor.

An der weiteren Voraussetzung der Wiederholungsgefahr würde der Anspruch allerdings nicht scheitern. V hat sich auf die Zulässigkeit einer solchen Bildberichterstattung berufen und nimmt daher für sich in Anspruch, solche Bilder erneut zu veröffentlichen.

Der Unterlassungsanspruch des CW gegen V ist nicht begründet.

Ergänzender Hinweis: Einen Überblick über das Presse- und Äußerungsrecht im Jahre 2017 gibt Sajuntz NJW 2018, 589, zu Bildveröffentlichungen S. 591.


Zusammenfassung