Bearbeiter: Dr. Gernot Schmalz-Brüggemann

Sachmangel, § 434 BGB. Minderung (§§437 Nr. 2, 441 BGB) als Gestaltungsrecht; Bindungswirkung; Verhältnis zum Rücktritt und zum Schadensersatz. Schadensersatz neben der Leistung (§ 280 I BGB) und statt der Leistung (§§ 280 I, III, 281). Schadensersatz im Kaufrecht (§ 437 Nr. 3 BGB), kleiner und großer Schadensersatz

BGH
Urteil vom 9. 5. 2018 (VIII ZR 26/17) NJW 2018, 2863 (für BGHZ vorgesehen)

Fall (Montagsauto)

K hat von der Mercedes-Benz-Vertretung B für einen Kaufpreis von 99.000 Euro ein Neufahrzeug gekauft, das B in seinen Verkaufsräumen ausgestellt hatte und das über eine besondere Ausstattung verfügte. Nach Zahlung des Kaufpreises wurde es ihm übereignet und übergeben. In der Folgezeit zeigten sich immer wieder Mängel an dem Fahrzeug (u. a. ein Kurzschluss an einem Steuergerät, ein Aussetzen der Gangschaltung, Fehlfunktionen der Elektronik), so dass K das Fahrzeug siebenmal in die Werkstatt des B brachte; dort wurden die Mängel behoben. Mit Anwaltsschreiben vom 12. 8. hat K unter Hinweis auf die Fehleranfälligkeit des Fahrzeugs die Minderung des Kaufpreises um 20 % erklärt und - nach Anrechnung von Gebrauchsvorteilen - die Zahlung von 8.562 Euro verlangt. Nachdem sich in den folgenden Wochenzwei weitere Mängel gezeigt und zu Reparaturen geführt hatten,forderte K mit Schreiben vom 17. 11. B auf, das Auto zurückzunehmen und den Kaufpreis nach Abzug von Nutzungsvorteilen in Höhe von 88.700 Euro zu erstatten. In einem beigefügten Gutachten eines neutralen Sachverständigenwird ausgeführt und begründet, dass das Fahrzeug herstellungsbedingt an Qualitätsmängeln leidet, insbesondere was die Gangschaltung und die Elektronik betrifft. Es sei ein typisches „Montagsauto", bei dem immer wieder mit einem Ausfall gerechnet werden müsse und das sich mit zumutbaren Mitteln nicht vollständig reparieren lasse.Nach Auffassung des K steht die am 12. 8. erklärte Minderung einem Umstieg auf das Rückabwicklungsverlangen nicht entgegen, weil diese nur ein Angebot an B gewesen sei, auf das B nicht reagiert habe. Im Übrigen zeige die ausdrückliche Regelung im Gesetz, nach der nach einem Rücktritt noch Schadensersatz verlangt werden könne, dass nach einer Minderung erst recht noch andere Rechtsbehelfe geltend gemacht werden könnten.

B wendet ein, einen „Gesamtmangel“ kenne das Gesetz nicht. Es regele nur einzelne Mängel, und die von K beanstandeten Mängel habeereinwandfrei beseitigen lassen. Im Übrigen schließe die erklärte Minderung eine Rückabwicklung des Vertrages aus. Ist der von K gegenüber B geltend gemachte Anspruch begründet?

Lösung

Vorbemerkung: Der Fall ist auch abgedruckt in JZ 2018, 890 und MDR 2018, 852. Er wird besprochen von Stöber NJW 2018, 2834; Markworth JZ 2018, 897; Müller/Mertens MDR 2018, 970; Looschelders JA 2018, 787; OmlorJuS 2018, 1235. Umfassend zum Verhältnis der Rechtsbehelfe wegen Sachmängeln zueinander Stöber NJW 2017, 2785, aber noch vor der hier behandelten BGH-Entscheidung.

I. K hat seinem Anspruchsbegehren zwar die Forderung nach Rücknahme des Autos vorangestellt, die wesentliche Forderung zielt aber auf die Rückzahlung des Kaufpreises in Höhe von 88.700 Euro. Ein darauf gerichteter Anspruch könnte sich aus einem Rücktritt von einem Kaufvertrag wegen eines Sachmangels ergeben (§§ 437 Nr. 2, 434 I, 323 I, 346 I BGB).

1. Zwischen K und B ist ein Kaufvertrag über einen Pkw der Marke Mercedes-Benz zu einem Kaufpreis von 99.000 Euro abgeschlossen worden. Der Pkw müsste einen Sachmangel (§434 BGB) aufweisen.

a) Die einzelnen aufgetretenen Mängel waren Sachmängel. Denn ein Fahrzeug, das die im Sachverhalt aufgeführten Mängel aufweist (Kurzschluss u. a.), eignetsich nicht zur gewöhnlichen Verwendung und hat nicht die Beschaffenheit, die bei einem fabrikneuen Fahrzeug üblich ist und vom Käufer erwartet wird (§ 434 I 2 Nr. 2 BGB). Jedoch ist Voraussetzung für § 437 BGB, dass die Sache noch mangelhaft ist, d. h. dass der Mangel noch vorliegt. K hat dadurch, dass er das Fahrzeug bei B hat reparieren lassen, Ansprüche auf Nacherfüllung durch Beseitigung des Mangels (§§437 Nr. 1, 439 I BGB) geltend gemacht, und B ist dieser Verpflichtung nachgekommen. Deshalb erfüllen die früheren Mängel nicht mehr die Voraussetzungen des § 437 Nr. 2 BGB.

b) Hinter zumindest einem Teil dieser Mängel stehen aber, wie das Sachverständigengutachten ausführt, Qualitätsmängel,insbesondere betreffend die Gangschaltung und die Elektronik. Darin liegt ein Mangel i. S. des § 434 I 2 Nr. 2 BGB, der über die Einzelmängel hinausgeht und Quelle der bereits aufgetretenen und noch zu befürchtenderweiterer Einzelmängel ist. Zu dem vom Sachverständigen in diesem Zusammenhang verwendeten Begriff des „Montagsautos" hat BGH NJW 2013, 1523 [26] ausgeführt: „Ein Neufahrzeug ist dann als ´Montagsauto` zu qualifizieren, wenn der bisherige Geschehensablauf aus Sicht eines verständigen Käufersdie Befürchtung rechtfertigt, es handele sich um ein Fahrzeug, das wegen seiner auf herstellungsbedingten Qualitätsmängeln - namentlich auf schlechter Verarbeitung - beruhenden Fehleranfälligkeit insgesamt mangelhaft ist und das auch zukünftig nicht über längere Zeit frei von herstellungsbedingten Mängeln sein wird (…). Entscheidend ist letztlich, ob bei verständiger Würdigung aus Sicht des Käufers das Vertrauen in eine ordnungsgemäße Herstellung des Fahrzeugs durch die zutage getretene Fehleranfälligkeit ernsthaft erschüttert worden ist.“ Im vorliegenden Fall ist K wegen der neunmaligen Reparaturen, den in dem Gutachten dargelegten Qualitätsmängeln und der Feststellung, dass immer wieder mit Ausfällen gerechnet werden muss, zuzubilligen, dass er das Vertrauen in das Funktionierendes Fahrzeugsverloren hat. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass bei einem Pkw, der 99.000 Euro gekostet hat, strenge Anforderungen an dessen Qualität und Zuverlässigkeit gestellt werden dürfen. Somit leidet der von K gekaufte Pkw an einem Sachmangel.

2. Für einen Rücktritt ist grundsätzlich eine Fristsetzung erforderlich (§ 323 I BGB). Sie ist aber entbehrlich, wenn besondere Umstände den Rücktritt rechtfertigen (§ 323 II Nr. 3 BGB) oder eine Nacherfüllung unzumutbar ist (§ 440, 1, 3. Fall BGB). Nach dem Sachverständigengutachten hat der Pkw prinzipielle Mängel, so dass immer wieder mit einem Ausfall gerechnet werden muss, und er lässt sich mit zumutbaren Mitteln auch nicht vollständig reparieren. In solchem Fall ist eine Fristsetzung mit dem Ziel einer Reparatur unzumutbar. Eine Fristsetzung mit dem Ziel der Nacherfüllung durch Lieferung eines anderen Neuwagens (§ 439 I 2. Fall) scheidet aus, weil das von K gekaufte Fahrzeug keine Gattungsschuld, sondern eine Stückschuld war. Eswar in den Verkaufsräumen des B ausgestellt und verfügte über eine besondere Ausstattung; K hat also nur dieses bestimmte Fahrzeug gekauft.

3. Dem Rücktritt steht aber die erklärte Minderung entgegen. Nach § 437 Nr. 2 BGB hat der Käufer das Recht auf Minderung „oder“ Rücktritt. BGH [40] Dementsprechend sieht § 441 Abs. 1 Satz 1 BGB vor, dass der Käufer „statt zurückzutreten" den Kaufpreis mindern kann… Die auf gegenläufige Ziele - Festhalten am Vertrag oder Lösen vom Vertrag - ausgerichteten Gewährleistungsrechte der Minderung (§ 441 BGB) und des Rücktritts (§ 323 BGB) hat der Gesetzgeber als Gestaltungsrechte ausgeformt, die dem Käufernur alternativ zur Verfügung stehen. Alsosteht nach einer Minderung der Rücktritt nicht mehr zur Verfügung ( Müller/Mertens MDR 2018, S. 971 m. w. N. Fn. 1; anders Stöber NJW 2017, 2786 unter 3 a). K hat im Schreiben vom 12. 8. „die Minderung…erklärt“ und nicht nur ein Angebot abgegeben. Folglich war die Minderung verbindlich und ist die Rücktrittserklärung vom 17. 11. unwirksam. K steht kein Anspruch auf Rückzahlung des Kaufpreises aus §§ 437 Nr. 2, 434 I, 323, 346 I BGB zu.

II. K könnte einen Anspruch auf Rückabwicklung des Kaufvertrages nach §§ 437 Nr. 3, 280 I, III, 281 I 1, 3 BGB haben.

1. Dann müsste sich aus dieser Anspruchsgrundlage alsRechtsfolgeein Anspruch auf Rückabwicklung des Kaufvertrages ergeben können. Sie ist auf Schadensersatzgerichtet (§ 280 BGB).Was Schadensersatz bei Pflichtverletzungen insbesondere im Kaufrecht bedeutet, ergibt sich nicht nur aus §§ 249 ff. BGB, sondern hierfür gelten weitere Grundsätze. So unterscheidet das Schuldrecht zwischen dem Schadensersatz neben der Leistung und dem Schadensersatz statt der Leistung (Medicus/Lorenz, Schuldrecht I AT, 21. Aufl. 2015, Rdnrn. 341, 342; Stöber NJW 2017, 2787).Eine wesentliche Bedeutung der Unterscheidung besteht darin, dass beim Schadensersatz statt der Leistung grundsätzlich eine Fristsetzung erforderlich ist.

a) Schadensersatz neben der Leistung, auch als einfacher Schadensersatz bezeichnet, kann nach § 280 BGBohne zusätzliche Voraussetzungen verlangt werden.Er umfasst den Schaden, der unabhängig davon ist, ob die Leistung ordnungsgemäß erbracht wird oder würde, d. h. der bereits endgültig eingetretene, durch (gedachte) (Nach-) Erfüllung nicht mehr behebbare Schaden (Medicus/Lorenz Rdnr. 342; 346). Beispiel ist ein durch ein fehlerhaftes Gerät an den Rechtsgütern des Käufers (Gesundheit, Eigentum) eingetretener - über den Mangel hinausgehender - weiterer Schaden (teilweise als Mangelfolgeschaden bezeichnet, Stöber NJW 2017, 2788 m. w. N. Fn. 33). Ein weiteres Beispiel ist eindurch den Mieter an der Mietsache verursachter Schaden, der unabhängig von der Zahlung der Miete und der Rückgabe der Mietsache besteht (BGH NJW 2018, 1746, JuS 2018, 999; JZ 2018, 946 mit Anmerkung Schermaier). Beim Kaufvertrag schützt die Pflicht zum Ersatz des Schadens neben der Leistung das Integritätsinteresse des Käufers (Jacoby/v. Hinden, Studienkommentar BGB, 15. Aufl. 2015, § 280 Rdnrn. 9, 10). Danach kann im vorliegenden Fall eine Rückabwicklung des Kaufvertrages über einen Schadensersatz neben der Leistung nicht erreicht werden, weil bei dieser Art Schadensersatz die Leistung, d. h. die Kaufsache, gerade dem Käufer bleibt.

b) Schadensersatz statt der Leistung ist geregelt in (§ 280 I, III) § 281 BGB.Er erfasst den Schaden, der durch das Ausbleiben der geschuldeten Leistung entsteht (Medicus/Lorenz Rdnr. 342). In Abgrenzung zu a) ist es der Schaden, der entfällt, wenn die Leistung erbracht würde. Der Anspruch schützt das Erfüllungs- oder Äquivalenzinteresse des Käufers und soll den Käufer so stellen, wie er bei ordnungsgemäßer Leistung stehen würde. Es gibt ihn als kleinen und als großen Schadensersatz (Jacoby/v. Hinden, Studienkommentar, § 281 Rdnr. 5; Palandt/Grüneberg, BGB, 77. Aufl. 2018, § 281 Rdnrn. 45, 46; Jauernig/Stadler, BGB, 15. Aufl. 2014, § 281 Rdnrn. 28, 29; Stöber NJW 2017, 2787/8). Der Gläubiger (Käufer) kann bestimmen, in welcher Form der Schaden ersetzt werden soll (BGH NJW 2018, 1675 [12]).In beiden Fällen ist grundsätzlich eine Fristsetzung (§ 281 I BGB) erforderlich.

aa) Beim kleinen Schadensersatzbehält der Gläubiger (Käufer) die mangelhafte Leistung und erhält den Defizitausgleich durch eine Geldzahlung, z. B. in Höhe des für die Beseitigung des Mangels erforderlichen Betrages (zur Anwendung beim Werkvertrag: BGH JZ 2018, 671 [21, 24]; beim Erwerb einer Finanzanlage: BGH NJW 2018, 1675[12, 13]). Das Ergebnis ist ähnlich wie das bei einer Minderung. Eine Rückabwicklung des Kaufvertrages über einen kleinen Schadensersatz ist nicht möglich.

bb) Der große Schadensersatz ist der in § 281 I 2, 3, V BGB geregelte „Schadensersatz statt der ganzen Leistung“. Bei ihm wird die fehlerhafte Leistung zurückgewährt, und der Gläubiger erhält den vollen Wert, den eine ordnungsgemäße Leistung für ihn hatte (bei der Berechnung kann es auf die Anwendung der Differenz- oder der Surrogationstheorie ankommen, Jacoby/v. Hinden § 281 Rdnr. 5, § 325 Rdnrn. 2 ff.; vgl. auch BGH JZ 2018, 671 Rdnrn. 27 ff.) Bei Teilleistungen und bei Schlechtleistungen wird der Anspruch - über die Notwendigkeit einer Fristsetzung hinaus - durch § 281 I 2 und 3 BGB beschränkt. Über diesen Anspruch kannbei Vorliegen der Voraussetzungen eine Rückabwicklung des Vertrages verlangt werden (Müller/Mertens MDR 2018, 971: rein faktisch kommt der große Schadensersatz einer Kombination aus kleinem Schadensersatz und Rücktritt gleich; Stöber NJW 2017, 2787/9: Anspruch hat eine rücktrittsgleiche Wirkung). Somit sind im Folgenden die Voraussetzungen der §§ 437 Nr. 3, 280 I, III, 281 I 1, 3 BGB zu prüfen.

2. Die Voraussetzungen Kaufvertrag und Sachmangelliegen vor (oben I 1). Der Sachmangel ist auch erheblichi. S. des § 281 I 3 BGB.

3. Dass eine Fristsetzung entbehrlich war, wurde oben I 2 festgestellt.

4. Für einen Schadensersatzanspruch muss der Verkäufer nach § 280 I 1 BGB die in dem Sachmangel liegende Pflichtverletzung zu vertreten haben, was aber nach § 280 I 2 BGB vermutet wird. Nach dem im Sachverhalt wiedergegebenen Verteidigungsvortrag des B hat dieser zum Verschulden nicht Stellung genommen, hat die Vermutung also nicht widerlegt. Im Originalfall des BGH war das Fahrzeug „von der Beklagten hergestellt“ (Tatbestand des Urteils, 1. Satz). Der Hersteller eines derart mangelhaften Fahrzeugs hat bei der Produktion und bei der Qualitätskontrolle nicht die erforderliche Sorgfalt (§ 276 II BGB) walten lassen. Nach obigem Sachverhalt ist allerdings nicht gesichert, dass B Hersteller war. Eine Mercedes-Benz-Vertretung ist nicht notwendig eine Filiale der Daimler AG, sondern kann auch ein selbstständiges Unternehmen sein. Ist B aber nicht Hersteller, lässt sich ein Verschulden des B nicht positiv feststellen. § 278 BGB greift nicht ein, weil der Hersteller als Vorlieferant nicht Erfüllungsgehilfe des Verkäufers ist (BGH NJW 2014, 2183 [31, 32]). Diese Überlegungen reichen aber nicht aus, um ein Verschulden der Verkäuferseite auszuschließen und die Vermutung des § 280 I 2 BGB durch einen „Beweis des Gegenteils“ (§ 292 ZPO) zu widerlegen. Folglich ist von einem Vertretenmüssen des B auszugehen.

5. Der Schadensersatzanspruch könnte dadurch ausgeschlossen sein, dass K mit Schreiben vom 12. 8. die Minderung erklärt hat.

a) Während das Verhältnis zwischen Minderung und Rücktritt sich durch das „oder“ in § 437 Nr. 2 BGBüberzeugend klären lässt (oben I 3), ist das beim Verhältnis zwischen der Minderung und dem großen Schadensersatz nicht der Fall; vielmehr werdenMinderung und Schadensersatz in § 437 Nr. 2 BGB durch ein „und“ verbunden. Deshalb ist die Behandlung dieser Problematik streitig und war vom BGH in dem hier behandelten Urteil grundsätzlich zu entscheiden. Bis zu der Entscheidung gab es im wesentlichen zwei Meinungen hierzu (Müller/Mertens MDR 2018, 971):

(1) Die eine Meinung eröffnet dem Käufer die Möglichkeit, nach einer Minderung noch den großen Schadensersatz geltend zu machen und sich dadurch vom Vertrag zu lösen (Gsell JZ 2004, 643, 649; Dauner-Lieb/Konzen/Schmidt NJW 2003, 998, 1003; Stöber NJW 2027, 2788; in Besprechungen des BGH-Urteils halten Stöber NJW 2018, 2834 und Markworth JZ 2018, 897 an dieser Auffassung fest).

(2) Nach der anderen Meinung schließt die erklärte Minderung eine Rückabwicklung des Vertrages durch einen großen Schadensersatz aus (Palandt/Grüneberg, BGB, 77. Aufl. 2018, § 281 Rdnr. 41; Palandt/Weidenkaff § 441 Rdnr. 19; Lögering MDR 2009, 664, 666; w. N. BGH nachfolgend unter b aa).

b) Der BGH folgt der Meinung (2), versagt also dem Käufer nach einer erklärten Minderung einen Anspruch auf den großen Schadensersatz, und begründet das wie folgt.

aa) BGH [22-24] Das Gestaltungsrecht der Minderung ermöglicht es dem Käufer, durch einseitiges Rechtsgeschäft eine Veränderung der bestehenden Rechtslage, nämlich die Herabsetzung des vertraglich vereinbarten Kaufpreises um den angemessenen Betrag unter Beibehaltung des Kaufvertrags im Übrigen, herbeizuführen. Diese Gestaltungswirkung tritt unmittelbar mit dem Zugang (§ 130 Abs. 1 BGB) der das Gestaltungsrecht ausübenden einseitigen Willenserklärung beim Erklärungsempfänger ein. Vorliegend hat die von K erklärte Minderung ihre Gestaltungswirkung mithin mit dem Schreiben vom 12. August entfaltet und das bisherige Vertragsverhältnis hinsichtlich des geschuldeten Kaufpreises umgestaltet.Ab dem Eintritt der Gestaltungswirkung ist der Käufer an die von ihm erklärte Minderung gebunden und kann sie einseitig weder zurücknehmen noch widerrufen (vgl. BGHZ 205, 151 Rn. 29; NJW 2017, 1607 Rn. 55 [zu § 638 BGB]; Erman/Grunewald, BGB, 15. Aufl., § 437 Rn. 45; Staudinger/Matusche-Beckmann, BGB, Neubearb. 2013, § 441 Rn. 5;…BT-Drucks. 14/6040, S. 221).Die beschriebene Bindungswirkung ergibt sich dabei zwingend aus der vom Gesetzgeber bewusst gewählten Natur eines Gestaltungsrechts… Ein solches Recht verträgt grundsätzlich keinen Schwebezustand… So wie der wirksam ausgeübte Rücktritt unmittelbar zu einem nicht mehr umkehrbaren Rückabwicklungsverhältnis führt, hat die wirksam erklärte Minderung zur Folge, dass der vertraglich vereinbarte Kaufpreis unmittelbar - und ebenfalls unumkehrbar - um den angemessenen Betrag herabgesetzt wird (§ 441 Abs. 3 BGB)….

[32] Folglich ist es Kverwehrt, von der wirksam erklärten und… nicht mehr einseitig abänderbaren Minderung des Kaufpreises Abstand zu nehmen und stattdessen unter Berufung auf denselben Mangel (d. h. die herstellungsbedingte Fehleranfälligkeit des streitgegenständlichen Fahrzeugs) Schadensersatz statt der ganzen Leistung gemäß § 437 Nr. 3, § 434 Abs. 1, § 280 Abs. 1, 3, § 281 Abs. 1 Satz 3, Abs. 5 BGB (sog.großer Schadensersatz) und damit die Rückabwicklung des Kaufvertrags zu verlangen.

bb) Während die Überlegungen unter aa) der Frage nachgingen, ob der Käufer statt der Minderung noch Schadensersatz verlangen kann, erörtert der BGH unter [32-34] noch, ob dem Käufer ein Anspruch auf den großen Schadensersatz neben der bzw. zusätzlich zur verbindlich erklärten Minderung zusteht, verneint das aber konsequenterweise.Zwar gestattet es das Gesetz dem Käufer grundsätzlich, bei Mängeln der Kaufsache neben der Minderung des Kaufpreises zusätzlich den Ersatz ihm entstandener Schäden geltend zu machen. Dies bringt es dadurch zum Ausdruck, dass § 437 Nr. 3 BGB, welcher die bei Mängeln in Betracht kommenden Schadensersatzansprüche des Käufers auflistet, durch das Wort „und" mit dem vorangestellten § 437 Nr. 2 BGB verbunden ist, der den Rücktritt und die Minderung betrifft… Ein solcher Anspruch kommt aber nur dann in Betracht, wenn der Käufer zusätzlich zu dem mangelbedingten Minderwert der Sache Schäden erlitten hat (etwa entgangenen Gewinn).…

Hingegen wird dem Käufer vom Gesetz nicht die Möglichkeit eröffnet, nach einer bindend gewordenen Minderung des Kaufpreises wegen desselben Mangels anstelle dieses Gestaltungsrechts oder neben diesem einen auf Rückabwicklung des Kaufvertrags gerichteten Schadensersatzanspruch statt der ganzen Leistung…zu verlangen.


cc) Anschließend unter [36-42] stellt der BGH die bisherigen Überlegungen noch in einen größeren Zusammenhang. Das Sachmangelgewährleistungsrecht der §§ 434 ff. BGB verlangt dem Käufer einer mangelhaften Sache, der den Verkäufer vergeblich zur Nacherfüllung (§ 439 BGB) aufgefordert hat oder hierzu ausnahmsweise nicht verpflichtet war, die grundlegende Entscheidung ab, ob er den Kaufvertrag (unterLiquidation entstandener Vermögenseinbußen) weitergelten lassen oder ob er sich von diesem - was regelmäßig nur unter strengeren Voraussetzungen möglich ist (vgl. etwa § 323 Abs. 5 Satz 2, § 281 Abs. 1 Satz 3 BGB) - lösen will. Dafür stehen ihm jeweils zwei Wege zur Verfügung. Will er die Kaufsache behalten, kann er entweder durch eine Gestaltungserklärung den Kaufpreis unter den Voraussetzungen des § 437 Nr. 2, § 441 BGB mindern oder im Wege der Geltendmachung eines Schadensersatzanspruches statt der Leistung gemäß § 437 Nr. 3, § 280 Abs. 1, 3, § 281 Abs. 1 Satz 1 BGB die Liquidation des Minderwerts erreichen (sog. kleiner Schadensersatz).… Will er sich hingegen vom Kaufvertrag lösen, kann er entweder den Rücktritt vom Vertrag nach § 437 Nr. 2, § 323 BGB erklären oder aber Schadensersatz statt der ganzen Leistung nach § 437 Nr. 3, § 280 Abs. 1, 3, § 281 Abs. 1 Satz 3 BGB fordern(großer Schadensersatz…). Also sind unter dem Blickwinkel desselben Mangels unvereinbar:Minderung und Schadensersatz statt der Leistung (großer und kleiner), Rücktritt und Schadensersatz statt der Leistung (großer und kleiner), ferner der kleine und der große Schadensersatz wegen desselben Mangels (BGH [41]).

dd) Die im vorliegenden Falle relevante Unvereinbarkeit von Minderung und großem Schadensersatz begründet der BGH weiterhin mit folgender Überlegung: Der Käufer, der wirksam von dem Gestaltungsrecht der Minderung Gebrauch macht, bringt… seinen Willen zum Ausdruck, die Kaufsache trotz des ihr anhaftenden Mangels zu behalten und an dem Kaufvertrag mit dem durch die Herabsetzung des Kaufpreises wiederhergestellten Äquivalenzverhältnis festzuhalten (….). Diese Erklärung ist integraler Bestandteil der Gestaltungswirkung der Minderung und mithin ab dem Wirksamwerden dieses Gestaltungsrechts für den Käufer bindend… Ein Käufer, der sich hinsichtlich eines Mangels für eine Minderung entschieden hat, hat diesbezüglich sein Wahlrecht insofern „verbraucht" als, dass er eine Rückgängigmachung des Kaufvertrags weder in Form eines Rücktritts noch als großen Schadensersatz beanspruchen kann.

c) K macht geltend, eine ausdrückliche Regelung im Gesetz zeige, dass nach einer Minderung noch andere Rechtsbehelfe geltend gemacht werden könnten. Damit verweist er auf § 325 BGB, wonach d as Recht, bei einem gegenseitigen Vertrag Schadensersatz zu verlangen, durch den Rücktritt nicht ausgeschlossen wird. Unmittelbar ist diese Vorschrift nicht anwendbar, weil K keinen Rücktritt, sondern die Minderung erklärt hat. Es könnte also nur eine Analogie eingreifen, bei der der Rücktritt durch die Minderung ersetzt wird. Die bisherigen Überlegungen haben aber keine Regelungslücke aufgezeigt, vielmehr entspricht die Unvereinbarkeit von Minderung und großem Schadensersatz dem Plan des Gesetzgebers (oben b). Auch ist die Interessenlage nicht gleich: BGH [58] Die Bestimmung des § 325 BGB gestattet dem Käufer schon in seinem direkten Anwendungsbereich nicht die „Neutralisierung" voreiliger Rücktrittserklärungen, sondern sieht nur ein Nebeneinander eines bindenden Rücktritts und der Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen vor. Bereits aus diesem Grunde kann nicht unter Berufung auf eine vergleichbare Interessenlage aus § 325 BGB analog die Befugnis zu einem Übergang von einer Minderung zu einem großen Schadensersatzanspruch abgeleitet werden.… [60] Der Umstand, dass ein Wechsel von Minderung auf großen Schadensersatz für den Käufer in einigen Fällen vorteilhaft sein könnte, etwa wenn sich ein zunächst für unerheblich gehaltener Mangel später doch noch als erheblich (vgl. § 281 Abs. 1 Satz 3 BGB) herausstellen sollte, rechtfertigt angesichts der vom Gesetzgeber im Rahmen des Gewährleistungsrechts nach §§ 434 ff. BGB getroffenen Wertentscheidungen keine Analogie zu § 325 BGB. Bei der Gestaltung des Gewährleistungsrechts hatte er nicht nur die schutzwürdigen Belange des Käufers, sondern auch die gleichermaßen beachtlichen Interessen des Verkäufers zu berücksichtigen, der auf Rechtssicherheit angewiesen ist, weil er sich als Reaktion auf die vom Käufer getroffene Entscheidung für oder gegen den Fortbestand des Vertrages seinerseits darüber klar werden muss, ob er Dispositionen treffen oder von solchen absehen soll. Würde der Käufer, der die Minderung erklärt hat, wahlweise die Möglichkeit zur Rückgabe der Kaufsache gegen Erstattung des Kaufpreises erhalten, würde das die Dispositionsfreiheit des Verkäufers zu stark beeinträchtigen.

(In den Besprechungen des Falles von Looschelders JA 2018, 784, 787 und Müller/Mertens MDR 2018, 970, 976 wird der Entscheidung des BGH zugestimmt; Stöber NJW 2018, 2834 und Markworth JZ 2018, 897 halten sie für nicht überzeugend.)

d) Es bleibt somit bei dem unter 5 b) gefundenen Ergebnis: Wegen der bindenden Wirkung der Minderung kann K über einen Anspruch aus einem großen Schadensersatz ( §§ 437 Nr. 3, 280 I, III, 281 I 1, 3 BGB) keine Rückabwicklung des Kaufvertrages verlangen.

III. Folglich ist der von K geltend gemachte Anspruch auf Rückzahlung des Kaufpreises in Höhe von 88.700 Euro gegen Rückgabe des verkauften Autos unbegründet. K behält aber einen Anspruch aus der Minderung (§ 441 IV BGB), der sich, falls der Betrag dem § 441 III BGB entspricht, auf Zahlung von 8.562 Euro richtet.


Zusammenfassung