Bearbeiter: Dr. Gernot Schmalz-Brüggemann
► Quasinegatorischer Unterlassungsanspruch analog §§ 1004 I 2, 824 und 823 I BGB. ► Allgemeines Persönlichkeitsrecht und Recht am Gewerbebetrieb als Rahmenrechte. ► Feststellung der Rechtswidrigkeit des Eingriffs durch Güterabwägung. ► Meinungs- und Medienfreiheit im Zusammenhang mit einem kritischen, aber wahrheitsgemäßen Fernsehbeitrag. ► Rechtswidrige Beschaffung von Filmaufnahmen; Verwertungsverbot
BGH Urteil vom 10. 4. 2018 (VI ZR 396/16) NJW 2018, 2877
Fall (Bio-Hühnerstall)
Die K-GmbH ist ein Zusammenschluss von elf ökologisch wirtschaftenden landwirtschaftlichen Betrieben zum Zwecke der gemeinsamen Vermarktung ihrer Bio-Produkte, vor allem von Eiern. K bewirbt die Eier damit, dass sie von frei laufenden „glücklichen“ Hühnern stammen, und zeigt in der Werbung Hühner mit einem vollständigen und gesunden Federkleid. F, Vorsitzender eines örtlichen Tierschutzvereins, verschaffte sich zweimal nachts Eingang in die Hühnerställe zweier zu K gehörender Betriebe und fertigte Filmaufnahmen an. Sie zeigen Hühner, die tot auf dem Boden liegen, andere, die nur noch wenige Federn haben, und Ställe, in denen 20.000 Tiere auf engstem Raum untergebracht sind, unterteilt in Einheiten von 3.000 Tieren. F überließ die Aufnahmen der B-Rundfunkanstalt, die sie zum Thema eines Fernsehbeitrags machte. Dieser wurde unter dem Titel „Wie billig kann Bio sein?“ in der Reihe ARD Exklusiv und unter dem Titel „Biologische Tierhaltung und ihre Schattenseiten“ in dem Magazin FAKT ausgestrahlt. Dabei wurde mehrfach auf den Betrieb der K unter voller Namensnennung hingewiesen.
Im Text zum Beitrag führte ein Agraringenieur (A) aus, d er Einstieg der Discounter und Supermärkte in die Bio-Vermarktung habe zu einem Bio-Boom geführt, aber auch ein neues „Bio“ geschaffen, das sich weit von den ursprünglichen Zielen der Bio-Bewegung entfernt habe. Der vom Handel ausgeübte Druck zur Billigproduktion führe auch im Bio-Bereich zur Massentierhaltung und einem bemitleidenswerten Zustand vieler Tiere. „Wenn hier 20.000 Hühner auf dieser begrenzten Fläche gehalten werden, dann widerspricht das den Vorstellungen der Verbraucher von einer Bio-Landwirtschaft und ist eine Mogelpackung.“ Diese Produktionsweise führe auch zu einem unberechtigten Vorteil gegenüber den Tierhaltern, die sich wirklich um eine tiergerechte Haltung bemühen, und benachteilige diese. In den Beitrag wurden Interviews aufgenommen, u. a. mit dem Geschäftsführer der K und mit der die Bio-Betriebe zertifizierenden Stelle; diese bestätigte, dass die Haltung in den Betrieben der K weder gegen Rechtsvorschriften noch gegen die Regeln für Bio-Betriebe verstößt. Den Bildern aus den K-Betrieben wurden solche aus einem Betrieb gegenübergestellt, in dem Landhühner in kleinen Gruppen, in mobilen Ställen und mit Auslauf auf grünen Wiesen gehalten werden. Dazu erklärte A: „So stehen sich zwei Bio-Welten gegenüber: Hier die der Bio-Pioniere, dort das neue Bio-Business.“
K verlangt von B Unterlassung einer erneuten Ausstrahlung des Beitrags mit den von F stammenden Filmaufnahmen. Der Filmbeitrag sei für sie in hohem Maße schädlich. Bilder und Text seien in wesentlichen Teilen auch unzutreffend. Der Zuschauer müsse ihnen entnehmen, tote Hühner und mangelnde Federn seien auf eine nicht artgerechte Haltung zurückzuführen; jedoch könne das bei den wenigen Tieren, die betroffen seien, auch andere Ursachen haben. Auch der mit den Aufnahmen erweckte Eindruck, die Hühner würden ausschließlich in dunklen Ställen ohne Tageslicht und ohne Auslauf gehalten, sei unzutreffend. Da die gezeigte Hühnerhaltung weder strafbar noch sonst rechtswidrig sei, brauche K nicht hinzunehmen, angeprangert zu werden. Überdies dürften die Aufnahmen schon deshalb nicht verwendet werden, weil sie auf strafbare Weise beschafft worden seien.
Nachdem B die Abgabe einer Unterlassungserklärung abgelehnt hat, verfolgt K ihren Anspruch auf Unterlassung im Klagewege weiter. Ist der geltend gemachte Anspruch begründet?
Lösung
Hinweise: Im Originalfall stammten die Aufnahmen aus Betrieben der Fürstenhof GmbH in Mecklenburg-Vorpommern, der späteren Klägerin. Produziert wurde die Reportage vom Mitteldeutschen Rundfunk MDR; gegen diesen richtete sich auch die Klage. Dem Abdruck der BGH-Entscheidung in der NJW ist auf S. 2882 eine Anmerkung von Gostomzyk angefügt; weitere Besprechung: Mäsch JuS 2019, 63.
I. Weil Anspruchsgegner eine Rundfunkanstalt ist, fragt sich, ob der Anspruch nach Privatrecht oder nach öffentlichem Recht zu beurteilen ist. Nach dem Sachverhalt kann davon ausgegangen werden, dass B - wie im Originalfall - eine zur ARD gehörende Anstalt des öffentlichen Rechts ist. Aus dieser Organisationsform wird teilweise geschlossen, auch die Rechtsbeziehungen zu Dritten richteten sich nach öffentlichem Recht (Kopp/Schenke/Ruthig, VwGO, 24. Aufl. 2018, § 40 Rdnr. 28 b m. w. N.). Der BGH wendet dagegen Privatrecht an, grundlegend BGHZ 66, 182 (ferner in BGHZ 110, 284 und im vorliegenden Fall; ebenso BVerwG DVBl 1994, 1245). In BGHZ 66 auf S. 186 wird dazu festgestellt: „Die Grenze für eine vom Bürger hinzunehmende Rundfunk- oder Fernsehkritik wird vom Privatrecht gezogen; es bestimmt über Vorliegen und Folgen von Eingriffen insbesondere in das Persönlichkeitsrecht und das Recht am Gewerbebetrieb.“ Für diese Auffassung spricht, dass Rundfunkanstalten im Programmbereich keine hoheitlichen Befugnisse haben und dass es geboten ist, Rundfunkt und Presse, die zwingend privatrechtlich zu beurteilen ist, gleich zu behandeln (BGHZ 66, 187). Somit ist Privatrecht anzuwenden; für eine Klage ist der Zivilrechtsweg gegeben.
II. Bei der Suche nach einer Anspruchsgrundlage ist davon auszugehen, dass es keine ausdrückliche Anspruchsgrundlage gibt, nach der Unterlassung der Verbreitung von Filmaufnahmen im Fernsehen verlangt werden kann. Insoweit könnte eine Gesetzeslücke bestehen, die durch Analogie zu schließen ist.
1. Während das BGB umfangreich Schadensersatzansprüche vor allem in §§ 823 ff. regelt, bleibt es bei den Beseitigungs- und Unterlassungsansprüchen hinter diesen zurück. Es gewährt sie zugunsten absoluter dinglicher Rechte (in § 1004 I 1, 2 zugunsten des Eigentums, z. B. in § 1134 zugunsten einer Hypothek) und in § 12 zugunsten des Namensrechts. Zum Schutz eines anderen Persönlichkeitsrechts oder eines Rechts am Gewerbebetrieb gewährt es sie nicht.
2. Da aber Beseitigungs- und Unterlassungsansprüche zugunsten eines jeden in §§ 823 ff. BGB geschützten Rechts und Schutzgesetzes bestehen müssen, wird § 1004 I 1, 2 BGB auf diese Rechtspositionen analog angewendet (bezeichnet als quasinegatorischer Beseitigungs- und Unterlassungsanspruch; dazu Mäsch JuS 2019, 64; BGH NJW 2018, 1820 im Fall der Veröffentlichung von Fotos des früheren Bundespräsidenten Christian Wulff ). Die analoge Anwendung erstreckt sich auf sämtliche deliktisch geschützten Rechte und Rechtsgüter. Somit ist die im vorliegenden Fall zu prüfende Anspruchsgrundlage § 1004 I 2 BGB analog i. V. mit einem in §§ 823 ff. BGB geschützten Recht oder Rechtsgut. Da den §§ 823 ff. nur das verletzte Recht oder Rechtsgut entnommen wird, im Übrigen aber § 1004 maßgebend ist, sind beim Unterlassungsanspruch weder Verschulden noch Schaden erforderlich.
III. Ein zugunsten der K eingreifendes und analog § 1004 I 2 BGB geschütztes Rechtsgut kann sich aus § 824 BGB („Kreditgefährdung“ oder „Geschäftsehre“) ergeben. Nach § 824 I BGB ist es untersagt, d er Wahrheit zuwider eine Tatsache zu behaupten oder zu verbreiten, die geeignet ist, den Kredit eines anderen zu gefährden oder sonstige Nachteile für dessen Erwerb oder Fortkommen herbeizuführen.
1. BGH [8] § 824 BGB schützt die wirtschaftliche Wertschätzung von Personen und Unternehmen vor unmittelbaren Beeinträchtigungen, die durch Verbreitung unwahrer Behauptungen über sie herbeigeführt werden (BGHZ 138, 311, juris Rn. 12; …). Eine solche Verbreitung kann auch durch das Ausstrahlen von Filmaufnahmen erfolgen, mit denen Vorgänge oder Zustände dokumentiert werden sollen (vgl. BGHZ 138, 311).
2. Somit müsste der von B ausgestrahlte Filmbeitrag unwahre Behauptungen verbreitet haben. Darunter fallen nur Tatsachenbehauptungen, keine Meinungsäußerungen, diese können nicht unwahr sein.
a) BGH [10] Unabdingbare Voraussetzung für die richtige rechtliche Würdigung ihres Aussagegehalts ist die zutreffende Erfassung des Informationsgehalts einer Filmberichterstattung. Maßgeblich für die Deutung ist weder die subjektive Absicht des Produzenten noch das subjektive Verständnis der von der Filmberichterstattung Betroffenen, sondern der Sinn, den sie nach dem Verständnis eines unvoreingenommenen und verständigen Durchschnittsrezipienten hat… Zu berücksichtigen ist, dass der Aussagegehalt von Fernsehberichten regelmäßig durch das Zusammenwirken von Bild und gesprochenem Wort bestimmt wird (…). Regelmäßige Aufgabe der Fernsehbilder ist, das gesprochene Wort „ins Bild zu setzen", so wie umgekehrt die Bildaussage durch den gesprochenen Text erklärt und durch ihn strukturiert und eingegrenzt wird… Dabei müssen Bild und Wort nicht genau aufeinander abgestimmt werden. Es ist vielmehr möglich, eine Aussage nur dem Bild oder nur dem Text zu entnehmen.
b) Bei der Prüfung, ob unwahre Tatsachen Gegenstand des Filmbeitrages sind, ist von dem Vortrag der K auszugehen. (Sie trägt die Beweislast, Mäsch JuS 2019, 64.)
aa) K macht geltend, die Zuschauer müssten dem Beitrag entnehmen, tote Hühner und mangelnde Federn seien auf eine nicht artgerechte Haltung zurückzuführen, was unzutreffend sei. Dazu BGH [12] Jedoch entnimmt der unbefangene Zuschauer den angegriffenen Filmaufnahmen nicht die Aussage, das unvollständige Federkleid der nicht befiederten Hühner sei allein auf eine nicht artgerechte Tierhaltung zurückzuführen und könne keine natürlichen Ursachen haben. Die Filmberichterstattung trifft keine Aussage zu den Ursachen für das unvollständige Federkleid der Hühner. Sie beschreibt und illustriert lediglich die…vorgefundenen Zustände, zu denen…auch die Art ihrer Unterbringung auf engstem Raum gemeinsam mit unzähligen anderen Tieren sowie der Umstand gehören, dass sich unter ihnen auch tote Tiere befinden.
bb) BGH [13] Auch entnimmt der unbefangene Zuschauer den angegriffenen Bildaufnahmen nicht die Aussage, die Hühner würden in den Produktionsgesellschaften der K ausschließlich in dunklen Ställen ohne Tageslicht gehalten und erhielten keinerlei Auslauf… Die Bilder stellen ersichtlich nächtliche Momentaufnahmen dar, deren Informationsgehalt sich darauf beschränkt, die im Zeitpunkt der Aufnahme gegebenen Zustände zu dokumentieren… Ein Informationsgehalt dahingehend, dass sich die Hühner auch tagsüber im Stall aufhalten, ist ihnen nicht zu entnehmen.
c) Somit sind die von K beanstandeten angeblichen Tatsachenbehauptungen in dem Filmbeitrag nicht enthalten und werden deshalb nicht verbreitet; sie können deshalb auch nicht unwahr sein. Die anderen Tatsachenbehauptungen, dass 20.000 Hühner auf einer begrenzten Fläche gehalten werden, dass Hühner mit wenig Federn und tote Hühner gefunden wurden, sind nicht unwahr. BGH [9,11] F hat die Umstände in den Ställen ohne Eingriffe und Manipulationen so gefilmt, wie sie von ihm vorgefunden wurden…. Die angegriffenen Filmaufnahmen transportieren keine unwahren Tatsachenbehauptungen. Folglich liegen die Voraussetzungen des § 824 I BGB nicht vor.
K hat keinen Unterlassungsanspruch aus §§ 1004 I 2 analog, 824 BGB.
IV. Anspruchsgrundlage können §§ 1004 I 2 analog, 823 I BGB sein. Dann müsste ein Eingriff in ein nach § 823 I BGB geschütztes absolutes Recht vorliegen. Ein Eingriff in eines der dort ausdrücklich aufgeführten Rechte liegt nicht vor. Da B die Aufnahmen nicht selbst angefertigt hat, hat sie nicht in das Eigentum der K eingegriffen. In Betracht kommt aber ein Eingriff in ein sonstiges Recht.
1. Es könnte ein Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht der K erfolgt sein. Dieses ist ein absolutes Recht i. S. des § 823 I BGB (Palandt/Sprau, BGB, 77. Aufl. 2018, § 823 Rdnrn. 19, 83 ff.; Omlor JuS 2018, 487) und steht als Unternehmenspersönlichkeitsrecht auch einer juristischen Person zu, die ein Unternehmen betreibt ( BGH NJW 2017, 2029 [16]; Mäsch JuS 2019, 64 ). Durch die für die K-GmbH schädliche Reportage wird in ihr Unternehmenspersönlichkeitsrecht eingegriffen.
Dazu näher BGH [15] Betroffen ist der durch Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 19 Abs. 3 GG, Art. 8 Abs. 1 EMRK gewährleistete soziale Geltungsanspruch der K als Wirtschaftsunternehmen (vgl. BGHZ 98, 94, 97; 206, 289 Rn. 27…). Die Filmaufnahmen, die eine Massentierhaltung dokumentieren und tote oder nur mit unvollständigem Federkleid versehene Hühner zeigen, sind geeignet, das Ansehen und den wirtschaftlichen Ruf der K in der Öffentlichkeit zu beeinträchtigen. Sie stehen im klaren Widerspruch zur öffentlichen Selbstdarstellung der K, die mit „glücklichen" frei laufenden Hühnern wirbt. Zwar sind die Bilder nicht in einem eigenen Betrieb der K, sondern in Betrieben ihrer in der Rechtsform der GmbH verfassten und damit rechtlich selbstständigen Gesellschafterinnen aufgenommen worden. In den angegriffenen Beiträgen wird die Verantwortlichkeit für die dokumentierten Zustände aber vollumfänglich der K zugeschrieben; eine Differenzierung zwischen der K und den in ihr zusammengeschlossenen Betrieben wird nicht vorgenommen. Die Kritik trifft also die K selbst unmittelbar (vgl. BGHZ 78, 24, 25 f.). Somit enthält der Filmbeitrag einen Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht der K.
2. Außerdem könnte ein Eingriff in das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb erfolgt sein. Auch dieses ist ein absolutes Recht i. S. des § 823 I BGB (Palandt/Sprau § 823 Rdnrn. 20, 133 ff.) und steht einer juristischen Person zu.
a) Grundsätzliche Ausführungen zum Schutzbereich dieses Rechts und zum Eingriff finden sich bei BAG NJW 2016, 666 [35, 36]: Zu den nach § 823 I BGB deliktisch geschützten sonstigen Rechten gehört das Recht des Betriebsinhabers am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb. Es ist auf die ungestörte Betätigung und Entfaltung seines Betriebs gerichtet und umfasst alles, was in der Gesamtheit den wirtschaftlichen Wert des Betriebs als bestehende Einheit ausmacht (BGHZ 86, 156; BAGE 132, 140). Allerdings ist nicht jede Beeinträchtigung ein Eingriff. Da der Schutz des eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetriebs keinen - dem Deliktsrecht fremden - Vermögensschutz bezweckt, bedarf es einer sachgerechten Eingrenzung des Haftungstatbestandes. Dem dient das Erfordernis des unmittelbaren Eingriffs. Ein Anspruch besteht nur, wenn die Beeinträchtigung unmittelbar in den Bereich des Gewerbebetriebs eingreift, also betriebsbezogen ist, und nicht nur Rechtsgüter betrifft, die von diesem ohne weiteres ablösbar sind (Brox/Walker, SchuldR BT, 42. Aufl. 2018, § 45 Rdnr. 20; Mäsch JuS 2019, 64).
b) Zum vorliegenden Fall führt BGH [16] aus, dass die Ausstrahlung der beanstandeten Bildaufnahmen das durch Art. 12 Abs. 1 i. V. m. Art. 19 Abs. 3 GG verfassungsrechtlich gewährleistete Recht der K am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb berührt. Die Verbreitung nicht genehmigter Filmaufnahmen über Betriebsinterna, zu denen die Produktionsbedingungen gehören, stellt einen betriebsbezogenen Eingriff in den Gewerbebetrieb dar. Denn dadurch wird das Interesse des Unternehmensträgers betroffen, seine innerbetriebliche Sphäre vor der Öffentlichkeit geheim zu halten (vgl. BGHZ 80, 25; 138, 311;…). Es ist davon auszugehen, dass die Bedingungen, unter denen die von K als Erzeugerzusammenschluss vermarkteten Produkte hergestellt werden, ihrer innerbetrieblichen Sphäre zuzurechnen sind mit der Folge, dass das bildliche Festhalten dieser Umstände ihr Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb unmittelbar beeinträchtigt (…).
3. Somit enthält der Filmbeitrag einen Eingriff sowohl in das allgemeine Persönlichkeitsrecht der K als auch in ihr Recht am Gewerbebetrieb und damit in sonstige Rechte i. S. des § 823 I BGB. - Was die Herleitung beider Rechte betrifft, ist allerdings fragwürdig, dass der BGH sich auf Grundrechte beruft. Hierfür reicht nicht aus, dass eine Rundfunkanstalt des öffentlichen Rechts nach der wortgetreuen Auslegung des Art. 1 III GG durch das BVerfG (E 128, 226, 244, Fraport; NJW 2016, 3153, Freizeitbad) an Grundrechte gebunden ist. Denn für die hier bestehenden privatrechtlichen Beziehungen (dazu oben I) gilt der Grundsatz, dass primär und vorrangig das BGB anzuwenden ist, jedenfalls soweit dieses mit den Grundrechten in Einklang steht und kein Bedarf an einer verfassungskonformen Auslegung besteht. Das allgemeine Persönlichkeitsrecht und das Recht am Gewerbebetrieb sind seit langem als privatrechtliche Rechte anerkannt und innerhalb des § 823 I BGB als solche anzuwenden. Die Ausführungen unter 1. und 2. haben gezeigt, dass ihre Anwendung ohne spezifisch grundrechtliche Überlegungen möglich ist. Folglich besteht für eine Heranziehung von Grundrechten in diesem Zusammenhang kein Bedarf (anders nachfolgend V 1, 2 bei Bestimmung des der Rundfunkanstalt zustehenden Rechtsguts).
V. Um einen Unterlassungsanspruch auszulösen, müssten die Eingriffe rechtswidrig sein.
1. Persönlichkeitsrecht und Recht am Gewerbebetrieb sind Rahmenrechte ( NomosHandkommentar BGB/Staudinger, 9. Aufl. 2017, § 823 Rdnr. 91; Brox/Walker, SchuldR BT, 42. Aufl. 2018, § 45 Rdnr. 52; Mäsch JuS 2019, 64). Während bei Rechten wie Eigentum, Gesundheit und Freiheit durch den Eingriff die Rechtswidrigkeit indiziert ist und deshalb bei der Frage der Rechtswidrigkeit nur noch geprüft wird, ob ein Rechtfertigungsgrund eingreift, muss bei den Rahmenrechten die Rechtswidrigkeit positiv festgestellt werden, indem eine Güter- und Interessenabwägung vorgenommen wird. BGH [19] Sowohl das allgemeine Persönlichkeitsrecht als auch das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb stellen offene Tatbestände dar, deren Inhalt und Grenzen sich erst aus einer Abwägung mit den im Einzelfall konkret kollidierenden Interessen anderer ergeben (BGHZ 138, 311, 318; 166, 84 Rn. 97; BVerfG NJW-RR 2004, 1710, 1711 f.). Bei der Abwägung sind die betroffenen Grundrechte und Gewährleistungen der Europäischen Menschenrechtskonvention interpretationsleitend zu berücksichtigen. Der Eingriff in den Schutzbereich des jeweiligen Rechts ist nur dann rechtswidrig, wenn das Interesse des Betroffenen die schutzwürdigen Belange der anderen Seite überwiegt (BGHZ 199, 237 Rn. 22; 206, 347 Rn. 20…).
2. Werden zunächst das Interesse des Betroffenen und die Belange der anderen Seite für sich erfasst, so ergibt sich:
a) Das Interesse der K als Betroffene wird durch das Persönlichkeitsrecht und das Recht am Gewerbebetrieb geschützt (oben IV 1 und 2). Es handelt sich zwar um absolute, d. h. gegenüber jedermann wirkende Rechte, diese sind jedoch - wie grundsätzlich alle privaten Rechte - einschränkbar.
b) Das Interesse der B lässt sich zunächst in tatsächlicher Hinsicht so beschreiben, dass es auf Ausstrahlung des Filmbeitrags in unveränderter Form gerichtet ist. Für dessen rechtlichen Schutz gibt es keine privatrechtlichen Regelungen. Deshalb können die Kommunikationsfreiheitsrechte des Art. 5 I GG herangezogen werden, auf die sich B trotz ihrer Stellung als öffentlich-rechtlicher Anstalt berufen kann (Mäsch JuS 2019, 65). Wird jedes dieser Rechte für sich betrachtet, enthält die strittige Reportage sowohl Meinungsäußerungen i. S. des Art. 5 I 1 GG als auch ein Handeln im Schutzbereich der - Fernsehen und Hörfunk (Radio) umfassenden - Rundfunkfreiheit i. S. des Art. 5 I 2 GG. Wegen der Ähnlichkeit einer solchen Reportage mit Presseberichten lässt sich auch die Pressefreiheit (Art. 5 I 2 GG) mit heranziehen. In welchem Verhältnis die genannten Kommunikationsrechte zueinander stehen, ist streitig (vgl. Jarass/Pieroth, GG, 15. Aufl. 2018, Art. 5 Rdnr. 46; Dreier/Schulze-Fielitz, GG, 3. Aufl. 2013, Rdnrn. 39 ff., 103 und Fn. 540). Teilweise wird erwogen, die einzelnen Gewährleistungen zu einem einheitlichen Recht der Medienfreiheit zusammenzufassen (Jarass/Pieroth Art. 5 Rdnr. 2). Der BGH - dem hier gefolgt wird - lässt die Zuordnung zu den einzelnen Gewährleistungen offen und schützt die Reportage der B über die „Meinungs- und Medienfreiheit“. BGH [20] Im Streitfall sind die Schutzinteressen der K mit dem in Art. 5 Abs. 1 GG, Art. 10 Abs. 1 EMRK verankerten Recht der B auf Meinungs- und Medienfreiheit abzuwägen. Auch dieses Recht ist einschränkbar, sowohl als Grundrecht (Art. 5 II GG) als auch als privatrechtliches Recht in der Abwägung mit den Rechten der K.
3. Ein Vorrang der Rechte der K könnte sich bereits daraus ergeben, dass F nachts ohne Erlaubnis in die Ställe eingedrungen ist, dabei das Hausrecht der Betriebe der K verletzt hat und folglich die Filmaufnahmen auf rechtswidrige Weise beschafft wurden. Ein sich daraus ergebendes Verwertungsverbot könnte einer weiteren Ausstrahlung der Aufnahmen entgegen stehen.
a) Jedoch reicht die rechtswidrige Beschaffung einer Information für ein Verwertungsverbot nicht aus. Nach BGH [21] wird auch die Veröffentlichung rechtswidrig beschaffter oder erlangter Informationen vom Schutz der Meinungsfreiheit (Art. 5 Abs. 1 GG) umfasst. Andernfalls wäre die Funktion der Presse als „Wachhund der Öffentlichkeit" beeinträchtigt, zu der es gehört, auf Missstände von öffentlicher Bedeutung hinzuweisen (vgl. BGHZ 73, 120, 124 ff.;…). Darüber hinaus könnte die Freiheit des Informationsflusses, die gerade durch die Pressefreiheit erhalten und gesichert werden soll, leiden. Unter diesem Gesichtspunkt würde ein gänzlicher Ausschluss der Verbreitung rechtswidrig beschaffter Informationen aus dem Schutzbereich des Art. 5 Abs. 1 GG dazu führen, dass der Grundrechtsschutz von vornherein auch in Fällen entfiele, in denen es seiner bedarf (BVerfGE 66, 116, 138 f.;…).
b) Stattdessen ist bei der Frage, ob die rechtswidrige Beschaffung von Informationen zu einem Verwertungsverbot führt, eine differenzierende Betrachtung geboten. BGH [22] Maßgeblich ist auf den Zweck der beanstandeten Veröffentlichung und auf das Mittel abzustellen, mit dem der Zweck verfolgt wird.
aa) Zweck der Veröffentlichung war, durch einen Fernsehbeitrag die Verbraucher darüber aufzuklären, dass auch als Bio-Ware vertriebene Produkte nicht stets den Erwartungen der Verbraucher entsprechen, und durch die Kritik in dem Beitrag Verbesserungen anzustoßen. Dieser Zweck ist legitim.
bb) Das Mittel, mit dem der Zweck verfolgt wurde, war zwar die Veröffentlichung rechtswidrig beschaffter Informationen. Dabei gebieten aber die Umstände eine unterschiedliche Bewertung. BGH [23-26] In den Fällen, in denen der Publizierende sich die Informationen widerrechtlich durch Täuschung in der Absicht verschafft hat, sie gegen den Getäuschten zu verwerten, hat die Veröffentlichung grundsätzlich zu unterbleiben… Gleiches gilt, wenn der Publizierende selbst sich das Material durch Hausfriedensbruch beschafft hat. Dieser Grundsatz kommt dagegen nicht zum Tragen, wenn dem Publizierenden die rechtswidrige Informationsbeschaffung nicht selbst anzulasten ist (vgl. BGHZ 138, 311;…). Im vorliegenden Fall hat sich B die Filmaufnahmen nicht durch vorsätzlichen Rechtsbruch verschafft, um sie anschließend auszustrahlen. Sie hat sich an dem von F begangenen Hausfriedensbruch nicht beteiligt, sondern aus dem erkannten Rechtsbruch lediglich Nutzen gezogen. In solchem Fall begründet die rechtswidrige Beschaffung noch kein Verwertungsverbot.
(Auch im Dashcam-Fall hat BGH NJW 2018, 2883 entschieden, dass das ständige Mitlaufenlassen einer Videokamera im Auto zwar gegen den Datenschutz verstößt - heute gegen Art. 6 I DS-GVO, vgl. Schmidt JA 2018, 869, 872 -, die Aufnahmen also rechtswidrig erlangt wurden, dass ihre Verwertung im Unfallhaftpflichtprozess aber nicht ausgeschlossen ist. - Weitere Hinweise zum Verwertungsverbot bei Medien bei Gostomzyk NJW 2018, 2882.)
4. BGH [22] Bei der nunmehr vorzunehmenden Abwägung kommt dem Grundrecht der Meinungsfreiheit umso größeres Gewicht zu, je mehr es sich um einen Beitrag zum geistigen Meinungskampf in einer die Öffentlichkeit wesentlich berührenden Frage handelt. Dagegen kommt der Gewährleistung des Art. 5 Abs. 1 GG umso geringeres Gewicht zu, je mehr sich die Veröffentlichung unmittelbar gegen ein privates Rechtsgut richtet und im privaten Verkehr in Verfolgung eigennütziger Ziele erfolgt (vgl. BGHZ 73, 120, 127 ff.; 138, 311, BVerfGE 66, 116, 138 f.).
a) Zu den Belangen auf Seiten der B BGH [28, 29] Mit der Ausstrahlung der Filmaufnahmen hat B einen Beitrag zum geistigen Meinungskampf in einer die Öffentlichkeit wesentlich berührenden Frage geleistet. Die Filmberichterstattung setzt sich…kritisch mit der Massenproduktion von Bio-Erzeugnissen auseinander und zeigt die Diskrepanz zwischen den nach Vorstellung vieler Verbraucher gegebenen, von Erzeugerzusammenschlüssen wie der K suggerierten hohen ethischen Produktionsstandards einerseits und den tatsächlichen Produktionsumständen andererseits auf. Sie beleuchtet die Auswirkungen, die die Aufnahme von Bio-Erzeugnissen in das Sortiment der Supermärkte und Discounter zur Folge hat, insbesondere den Druck auf die Erzeuger, immer größere Mengen zu möglichst geringen Preisen zu liefern… Durch die bildliche Gegenüberstellung der - durch die beanstandeten Filmaufnahmen ins Bild gesetzten - „Bio-Massenproduktion" auf der einen Seite und der - auf ausladenden sattgrünen Wiesen freilaufenden - „Landhühner" auf der anderen Seite stellt B dem Verbraucher zwei „Bio-Welten" vor, die sich hinsichtlich der Produktions- und Haltungsbedingungen wie auch hinsichtlich des Preises erheblich voneinander unterscheiden. Dabei werden, wie oben III 2 c) ausgeführt wurde, keine unwahren Behauptungen aufgestellt, auch berichtet der Beitrag ausgewogen und lässt K und die zertifizierende Stelle zu Wort kommen. Sämtliche vorgenannten Argumente sprechen für ein besonders hohes Gewicht der Meinungs- und Medienfreiheit im vorliegenden Fall.
b) Für die Belange der K sprechen die Argumente, mit denen der Eingriff in ihre Rechte begründet wurde.
aa) Der Eingriff in das Recht am Gewerbebetrieb wurde im wesentlichen damit begründet, dass ohne Zustimmung der K über innerbetriebliche Produktionsvorgänge berichtet wird. Diese sind aber keine Geschäftsgeheimnisse, von denen niemand anderes etwas erfahren darf (BGH [27]); vielmehr sind diese Umstände einem größeren Kreis von Personen bekannt. Dieser Umständ hat deshalb kein größeres Gewicht.
bb) Der Eingriff in das Persönlichkeitsrecht ergab sich daraus, dass der Bericht den sozialen Geltungsanspruch der K beschädigt. Dass dieses Argument kein überwiegendes Interesse der K begründet, folgt nach BGH [32] daraus, dass ein Gewerbetreibender eine der Wahrheit entsprechende Kritik an seinen Leistungen grundsätzlich hinnehmen muss und dass bei der Annahme eines rechtswidrigen Eingriffs Zurückhaltung geboten ist, wenn eine gewerbliche Leistung durch eine wahre Berichterstattung betroffen ist (BGHZ 138, 311;…).
[33] Entgegen der Auffassung der K ist ihre Herausstellung in der Filmberichterstattung auch nicht als unzulässige Anprangerung zu werten. Wenn sich Presse und Fernsehen mit allgemein interessierenden Vorgängen kritisch auseinandersetzen, ist es ihnen grundsätzlich gestattet, ihren Bericht durch konkrete Beispiele unter Identifikation des Kritisierten zu verdeutlichen (…). Eine Anprangerung wäre es, wenn B die gewerbliche Tätigkeit der K ohne jeden sachlichen Anlass in der geschehenen Weise herausgestellt hätte. Dies war jedoch nicht der Fall. K tritt nach außen als Vermarkterin von Bio-Produkten auf und nimmt für sich in Anspruch, an der Produktion von Eiern von gut befiederten, „glücklichen" freilaufenden Hühnern beteiligt zu sein und diese im Handel anzubieten. Sie muss sich eine kritische Auseinandersetzung mit der Frage gefallen lassen, ob sie den von ihr öffentlich und werbewirksam erhobenen Anspruch auch erfüllt.
c) Aus dem Argument der K, die gezeigte Hühnerhaltung sei weder strafbar noch rechtswidrig, ergibt sich keine Beschränkung für die Berichterstattung. BGH [31] Die Funktion der Presse ist nicht auf die Aufdeckung von Straftaten oder Rechtsbrüchen beschränkt; sie nimmt im demokratischen Rechtsstaat vielmehr auch insoweit eine wichtige Aufgabe wahr, als sie die Bevölkerung über Themen von allgemeinen Interesse informiert (…). Hierzu gehören auch Fragen des Verbraucherschutzes (vgl. BGH AfP 2015, 41 Rn. 23 m. w. N. ; EGMR AfP 2016, 239 Rn. 56, 61 - Haldimann u.a. gegen Schweiz).
VI. Somit lässt sich nicht feststellen, dass die über das Persönlichkeitsrecht und das Recht am Gewerbebetrieb geschützten Belange der K das über die Meinungs- und Medienfreiheit geschützte Interesse der B überwiegt, vielmehr überwiegen die zugunsten der B sprechenden Interessen daran, dass ein solcher Bericht ausgestrahlt werden darf. BGH [25] Folglich hat das Interesse der K am Schutz ihres sozialen Achtungsanspruchs und ihrer innerbetrieblichen Sphäre gegenüber dem Recht der B auf Meinungs- und Medienfreiheit trotz des Umstands zurückzutreten, dass die veröffentlichten Filmaufnahmen von dem Tierschutzaktivisten F rechtswidrig beschafft worden sind.
(Eine ausführliche Abwägung zwischen Persönlichkeitsrecht und Meinungs- bzw. Pressefreiheit findet sich auch in BGH NJW 2018, 3509 [19-27]).
VII. An der weiteren Voraussetzung der Wiederholungsgefahr (§ 1004 I 2 BGB) würde der Anspruch allerdings nicht scheitern. B hat die Abgabe einer Unterlassungserklärung abgelehnt, behält sich also das Recht vor, die Aufnahmen erneut zu senden.
Ergebnis: Da die Eingriffe in die Rechte der K nicht rechtswidrig sind, besteht kein Unterlassungsanspruch der K.
Zusammenfassung