Bearbeiter: Dr. Gernot Schmalz-Brüggemann
► Grundstückskauf, Sachmangelanspruch, §§ 433, 437 BGB. ► Sachmangel wegen Fehlens der üblichen Beschaffenheit, § 434 I 2 Nr. 2 BGB; Altlastenverdacht. ► Haftungsausschluss, Arglist, § 444 BGB. ►Verdacht als Grundlage für Schadensberechnung, § 249 BGB
BGH Urteil vom 21. 7. 2017 (V ZR 250/15) NJW 2018, 389
Fall (Asphaltmischanlage)
Verkäuferin V hatte der B-GmbH ein größeres Gewerbegrundstück verkauft. Auf diesem hatte V über viele Jahre im Rahmen eines Bauunternehmens u. a. eine Asphaltmischanlage und ein Klärschlammrückhaltebecken betrieben; auch wurde dort Bodenaushub gelagert, der mit Blei belastet war. Im Zusammenhang mit dem Verkauf war V vom Geschäftsführer G der B-GmbH auf die frühere Nutzung angesprochen worden und hatte die Versicherung abgegeben, ihr sei von Bodenverunreinigungen nichts bekannt. In einem internen Vermerk schrieb G dazu: „Versicherung ist wenig glaubhaft, mangels konkreter Verdachtsmomente aber nicht widerlegbar.“ Später veräußerte B durch notariellen Vertrag das Grundstück weiter an K. Die B-GmbH wurde dabei wiederum durch G vertreten. Der Kaufvertrag enthielt einen Haftungsausschluss für Sachmängel jeder Art, mit Ausnahme einer Haftung für Vorsatz und Arglist. Bei der Veräußerung von B an K lagen die Verkaufsunterlagen aus dem früheren Verkauf der V an B nicht vor.
Bei den Planungen für die Bebauung des Grundstücks erhielt K Kenntnis von der früheren Nutzung des Grundstücks; die Planung geriet dadurch ins Stocken. K forderte B auf, zu der Altlastenfrage Stellung zu nehmen und für etwaige Schäden einzustehen. In erster Linie halte er B für verpflichtet, für die Kosten eines einzuholenden Schadstoffgutachtens aufzukommen. B verweist auf die von V abgegebene Versicherung, die sie auch heute noch nicht widerlegen könne. Insbesondere könne sie nicht ausschließen, dass bereits vor dem Verkauf durch V an B der Altlastenverdacht ausgeräumt worden sei. Nicht zuletzt aufgrund des Haftungsausschlusses müsse sie jede Art von Ansprüchen definitiv ablehnen. K fragt, ob ihm ein Schadensersatzanspruch gegen B zusteht.
Lösung
I. K könnte einen Schadensersatzanspruch wegen eines Sachmangels haben ( §§ 437 Nr. 3, 434, 280 BGB). K und B haben einen Kaufvertrag über das Gewerbegrundstück geschlossen (§ 433 BGB). Der Vertrag wurde notariell beurkundet und ist damit rechtswirksam zustande gekommen (§ 311 b I 1 BGB). Die Haftungsausschlussklausel war zulässig (vgl. § 444 BGB).
II. Das Grundstück müsste im Zeitpunkt des Gefahrübergangs (§ 446, 1 BGB) mit einem Sachmangel (§ 434 BGB) behaftet gewesen sein. Eine Beschaffenheit des Grundstücks (§ 434 I 1 BGB) wurde nicht vereinbart. Es wurde auch keine Verwendung (§ 434 I 2 Nr. 1 BGB) im Vertrag vorausgesetzt. Dem Gewerbegrundstück könnte aber die Eignung für die gewöhnliche Verwendung gefehlt haben, so dass es nicht die übliche Beschaffenheit aufwies, die K erwarten konnte (§ 434 I 2 Nr. 2 BGB). Ein solcher Eignungsmangel könnte sich wegen des Verdachts von Altlasten ergeben.
1. Ein Grundstück wird als Altlast bezeichnet, wenn es infolge früherer menschlicher Tätigkeiten gesundheits- oder umweltschädliche Veränderungen (Bodenkontaminationen) aufweist (genauere Definition in § 2 V Bundesbodenschutzgesetz). Ist das der Fall, fehlt dem Grundstück die übliche Beschaffenheit. Beim im vorliegenden Fall verkauften Grundstück steht aber nicht fest, dass bei der früheren Nutzung Schadstoffe angefallen und im Boden verblieben sind. Selbst der gelagerte Bodenaushub ist beseitigt, ohne dass eine verbliebene Verunreinigung nachgewiesen ist. Ein Gutachten könnte die Frage abklären. Es wurde bisher aber nicht in Auftrag gegeben, und es kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass K es einholen lässt, ohne dass die Kostenfrage geklärt ist. Über eine Altlast lässt ein Sachmangel somit nicht begründen.
2. Ein Sachmangel könnte aufgrund eines Altlastenverdachts bestehen.
a) BGH [6, 7] Besteht aufgrund der früheren Nutzung eines Grundstücks ein Altlastenverdacht, stellt bereits dies… regelmäßig einen offenbarungspflichtigen Sachmangel dar. Ein altlastenverdächtiges Grundstück weist unabhängig von dem mit dem Kauf verfolgten Zweck in aller Regel schon wegen des Risikos der öffentlich-rechtlichen Inanspruchnahme und wegen der mit einem Altlastenverdacht verbundenen Wertminderung nicht die übliche Beschaffenheit i.S.v. § 434 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BGB auf (…). Zwar ist nicht jedes Grundstück, dessen Nutzung als Industriegelände schon Jahrzehnte zurückliegt, von vornherein als altlastenverdächtig einzustufen (…). Anders liegt es aber, wenn die frühere Nutzung die Gefahr von erheblichen Schadstoffbelastungen begründet, wie etwa bei einer ehemaligen „wilden Müllkippe“ (BGH NJW 1991, 2900, 2901) oder einer Tankstelle (BGH NJW 1999, 3777, 3778 unter II. 1.). Auch die Nutzung eines Grundstücks als Werksdeponie in den sechziger und siebziger Jahren des letzten Jahrhunderts ohne anschließend durchgeführte Entsorgung stellt nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung einen offenbarungspflichtigen Sachmangel dar, weil bei einer Deponie immer die Möglichkeit in Rechnung gestellt werden muss, dass auf ihr auch Abfälle gelagert wurden, die wegen ihrer chemischen Zusammensetzung eine besondere Gefahr darstellen (BGHZ 117, 363, 369).
b) Mit den genannten Fällen sind der Betrieb einer Asphaltmischanlage, eines Klärschlammrückhaltebeckens und die Lagerung von bleihaltigem Bodenaushub vergleichbar. Von allen drei Aktivitäten konnten Schadstoffe emittiert werden, die sich teilweise im Boden angesammelt haben und gesundheitsschädliche Wirkungen auslösen. Deshalb ist BGH [59] davon ausgegangen, dass die frühere Nutzung der streitgegenständlichen Grundstücke objektiv einen Altlastenverdacht… begründet. Dabei steht auf dieser „Verdachtsstufe“ noch nicht die Altlast selbst im Mittelpunkt, da ihr Vorhandensein noch nicht feststeht, sondern die Verpflichtung des Verkäufers, den Verdacht zu offenbaren, damit der Käufer auf den Verdacht reagieren kann.
c) Allerdings hatte das BerGer. einen nur allgemein begründeten Verdacht nicht ausreichen lassen, sondern hatte konkretere Verdachtsmomente verlangt. Dem widerspricht BGH [8] Anders als das BerGer. meint, muss der aus der früheren Nutzung des Grundstücks abgeleitete Altlastenverdacht nicht durch „konkrete und gewichtige Tatsachen“ untermauert werden, die das Vorhandensein von Altlasten nahelegen. Er muss auch nicht „konkret und naheliegend“ sein. Begründet die frühere Nutzung eines Grundstücks objektiv einen Altlastenverdacht, weist dieses vielmehr einen Sachmangel i.S.v. § 434 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BGB auf, ohne dass weitere Umstände hinzutreten müssen.
Das verkaufte Gewerbegrundstück war folglich mangelhaft i. S. der §§ 434 I 2 Nr. 2, 437 BGB.
3. Einem sich aus §§ 434 I 2 Nr. 2, 437 BGB ergebenden Anspruch des K könnte die vertraglich vereinbarte Haftungsausschlussklausel entgegen stehen. Sie erfasst Sachmängel jeder Art, also auch einen Sachmangel wegen eines Altlastenverdachts. Der Haftungsausschluss entfällt aber, wenn der Verkäufer arglistig gehandelt hat. Beim Abschluss des Kaufvertrages zwischen K und B wurde die B-GmbH durch den Geschäftsführer G vertreten, also kam es auf dessen Kenntnis und Verhalten an (§ 166 I BGB). B/G könnten dadurch, dass G die frühere Nutzung des Grundstücks durch V kannte, aber bei Abschluss des Kaufvertrages mit K und Vereinbarung des Haftungsausschlusses darüber geschwiegen haben, K arglistig über einen bestehenden Altlastenverdacht getäuscht haben.
a) BGH [11, 12] Arglistig i.S.v. § 444 BGB handelt bei einer Täuschung durch Verschweigen eines offenbarungspflichtigen Mangels, wer einen Sachmangel mindestens für möglich hält und gleichzeitig weiß oder damit rechnet und billigend in Kauf nimmt, dass der Vertragsgegner den Sachmangel nicht kennt und bei Offenbarung den Vertrag nicht oder nicht mit dem vereinbarten Inhalt geschlossen hätte (vgl. nur BGH NJW 1995, 1549, 1550). Verschweigt der Verkäufer eine ihm bekannte frühere Nutzung des Grundstücks, die einen Altlastenverdacht begründet, so handelt er objektiv arglistig i.S.v. § 444 BGB…. Auch insoweit müssen keine konkreten - dem Verkäufer bekannten - Tatsachen hinzutreten, die den Altlastenverdacht erhärten. So kommt es etwa bei einer früheren Nutzung als Deponie oder wilde Müllkippe nicht darauf an, ob der Verkäufer Kenntnis von den konkret dort hingelangten Materialien und Schadstoffen hatte (vgl. BGHZ 117, 363, 369; …). Dem Käufer soll durch die Offenbarung der früheren Nutzung gerade die Möglichkeit zur Untersuchung des Baugrundes und zur Abschätzung etwaiger Mehrkosten im Falle der Übernahme des mangelhaften Grundstücks gegeben werden. Dieser Zielrichtung der Aufklärungspflicht liefe es zuwider, wenn den Verkäufer eine Offenbarungspflicht erst dann träfe, wenn er konkrete, über das Wissen um die frühere Nutzung hinausgehende Anhaltspunkte dafür hat, dass das Grundstück tatsächlich kontaminiert ist.
Beim Erwerb des Grundstücks von V hatte G einen Altlastenverdacht für möglich gehalten und V dementsprechend darauf angesprochen. Objektiv hatte sich die Situation bis zum Verkauf von B an K nicht geändert. G musste damit rechnen, dass K keine Kenntnis von der früheren Nutzung des Grundstücks hatte, an einer solchen Kenntnis aber im Hinblick auf die künftige Verwendung des Grundstücks ein erhebliches Interesse hatte. Gleichwohl hat er darüber geschwiegen und K nicht informiert, was nach den vorstehenden Ausführungen des BGH Arglist begründet.
b) Einer Arglist könnte aber entgegen stehen, dass G sich von V hat versichern lassen, dass ihr von Bodenvereinigungen nichts bekannt war.
aa) BGH [14] Zwar kann ein arglistiges Handeln zu verneinen sein, wenn Umstände vorliegen, aufgrund derer der Verkäufer davon ausgehen darf, eine Schadstoffbelastung bestehe trotz einer gefahrenträchtigen Nutzung nicht (…). So kann es beispielsweise liegen, wenn der Verkäufer oder ein Dritter - etwa ein vormaliger Eigentümer - das Grundstück mit negativem Ergebnis auf Altlasten hat untersuchen oder tatsächlich vorhandene Schadstoffe durch eine Spezialfirma hat beseitigen lassen (vgl. BGH NJW 2016, 2315 Rn. 17 ff. für die Beseitigung von Hausbock in einem Holzhaus). Solche konkreten, zu Gunsten der B sprechenden Umstände sind hier aber nicht gegeben.
bb) Eine bloße Versicherung dahingehend, keine Kenntnis von Bodenverunreinigungen zu haben, ist bei einer Grundstücksnutzung, die typischerweise Altlasten auslöst, von nur geringer Bedeutung. BGH [16] Dass der Verkäuferin keine Bodenverunreinigungen bekannt waren, besagt für sich genommen nichts über das Bestehen eines - von der tatsächlichen Kontamination eines Grundstücks zu trennenden - Altlastenverdachts. Ein solcher Verdacht kann durchaus auch dann bestehen, wenn der Eigentümer subjektiv keine Kenntnis von konkreten Bodenverunreinigungen hat. Zusätzlich spricht gegen eine Entlastung der B vom Arglistvorwurf der Vermerk des G, wonach die Versicherung der V „wenig glaubhaft“ war. Nach dem Vermerk hielt G es also für möglich, dass Bodenverunreinigungen vorhanden waren und dass V davon Kenntnis hatte. Dadurch war die von V abgegebene Versicherung für den weiteren Umgang mit dem Grundstück praktisch wertlos geworden. Der weitere Hinweis des G, dass er die Versicherung der V für nicht widerlegbar hielt, ist unerheblich. Eine Widerlegung der Erklärung der V wurde von B/G nicht verlangt, sondern nur, den Verdacht an K weiter zu leiten und ihn nicht zu verschweigen. Dass B nicht ausschließen könne, dass bereits vor dem Verkauf durch V an B der Altlastenverdacht ausgeräumt worden sei, ist ebenfalls unerheblich. Relevant wäre lediglich gewesen, wenn die Gewissheit bestanden hätte, dass der Altlastenverdacht ausgeräumt wurde, was aber nicht der Fall war.
c) Somit haben B/G arglistig gehandelt. Die Haftungsausschlussklausel steht einem Anspruch des K wegen eines Sachmangels am Grundstück nicht entgegen.
III. Hat somit B für einen Sachmangel einzustehen, kommt die Verweisung in § 437 Nr. 3 BGB zur Anwendung.
1. Die nach § 280 I BGB erforderliche Pflichtverletzung der B liegt in dem Übereignen des - entgegen der Verpflichtung aus § 433 I 2 BGB - mit einem Sachmangel behafteten Grundstücks, ohne dass K über den Altlastenverdacht aufgeklärt wurde. Diese Pflichtverletzung hatte B auch zu vertreten (§ 280 I 2 BGB).
2. Der Schadensersatzanspruch des K müsste die Voraussetzungen nach §§ 280 III; 281 BGB erfüllen, wenn K Schadensersatz statt der Leistung verlangen würde. Doch treten weder die Kosten für ein Schadstoffgutachten noch Sanierungskosten an die Stelle der Leistung des Grundstücks, vielmehr will K offenbar das Grundstück und damit die von B geschuldete Leistung behalten. Letztlich kann offen bleiben, ob § 281 BGB anzuwenden ist. An der Notwendigkeit einer Nachfristsetzung nach § 281 I BGB scheitert der Anspruch des K nicht. Eine Nachfristsetzung war jedenfalls entbehrlich, weil B jede Art von Ansprüchen definitiv abgelehnt hat (§ 281 II BGB).
3. Positive Kenntnis von dem Altlastenverdacht (§ 442 I 1 BGB) hatte K nicht. Selbst eine grob fahrlässige Unkenntnis würde ihm nicht schaden, weil B arglistig gehandelt hat (§ 442 I 2 BGB). § 442 BGB steht einem Anspruch somit nicht entgegen.
Die Voraussetzungen für einen Schadensersatzanspruch nach § 437 Nr. 3 BGB dem Grunde nach liegen vor.
IV. Nunmehr bedarf es der Bestimmung des dem K zu ersetzenden Schadens (§ 249 BGB).
1. Schadensbegründender Sachmangel ist der Altlastenverdacht. Ein Verdacht lässt sich jedoch nicht beseitigen und auch nicht finanziell ausgleichen. Zwar bewirkt der Verdacht eine Wertminderung des Grundstücks. Diese kann aber nicht unabhängig davon bewertet werden, ob der Verdacht begründet ist und welche Kontamination das Grundstück aufweist. Würde sich - umgekehrt - herausstellen, dass das Grundstück nicht kontaminiert ist, hätte der Verdacht keine weitere Schadensfolge.
2. Es bedarf deshalb der Aufklärung, ob und ggfs. in welchem Umfang das Grundstück kontaminiert ist und welche Sanierung geboten ist, einschließlich der zu erwartenden Kosten. Dafür muss das von K angesprochene Gutachten eingeholt werden. Der Ersatz der dadurch entstehenden Kosten ist der zur Zeit von B geschuldete Schadensausgleich. K ist also berechtigt, ein Gutachten in Auftrag zu geben und B die Kosten dafür in Rechnung zu stellen. In diesem Umfang steht K ein Schadensersatzanspruch gegen B zu.
3. Ob und in welchem Umfang K einen weitergehenden Anspruch hat, hängt vom Ergebnis des Gutachtens ab. Auch im Originalfall des BGH war der Zustand des Grundstücks noch nicht ermittelt, so dass der BGH den Fall an das BerGer. zurückverwiesen hat (vgl. den abschließenden Hinweis unter [25]).
Zusammenfassung