Bearbeiter: Dr. Gernot Schmalz-Brüggemann

Veräußerung eines GmbH-Anteils; beiderseitiger Irrtum über den Wert des Unternehmens. Störung der Geschäftsgrundlage, § 313 BGB; Vorrang der Gewährleistungsregelung. Rechtskauf, § 453 BGB; entsprechende Anwendung der §§ 434, 435 BGB.

BGH
Urteil vom 26. 9. 2018 (VIII ZR 187/17) NJW 2019, 145 (für BGHZ vorgesehen)

Fall (Share Deal)

Die K-AG und die B-AG sind Unternehmen, die auf dem Energiesektor tätig sind. Um ihre Aktivitäten auf neue Geschäftsfelder auszudehnen, gründeten sie - als Joint Venture - die E-GmbH, an der K und B zu je 50 % beteiligt waren. Die E-GmbH nahm ihren Geschäftsbetrieb auf und erwarb u. a. ein Grundstück. Nach einiger Zeit entstand zwischen den Geschäftsleitungen der K und der B Streit über die künftige Ausrichtung der E. Da dieser sich nicht beilegen ließ, kamen die zuständigen Vorstandsmitglieder überein, dass K künftig Alleininhaberin der GmbH werden sollte; dazu sollte B ihren Geschäftsanteil an K übertragen. Wegen der Höhe des von K dafür zu zahlenden Betrages gaben K und B bei dem Wirtschaftsprüfer W ein Gutachten in Auftrag. Dieses bezifferte den Wert des Unternehmens der E auf acht Millionen Euro. Daraufhin schlossen K und B am 5. 10. einen notariellen Kaufvertrag, in dem B ihren Geschäftsanteil zu einem Kaufpreis von vier Mio. Euro an K veräußerte. § 4 des Vertrages enthielt neben Garantieabreden, die sich nicht auf die wirtschaftliche Lage des Unternehmens bezogen, die Vereinbarung, dass Gewährleistungsansprüche jeder Art ausgeschlossen sind, „soweit das rechtlich möglich ist“. K zahlte den Kaufpreis, B übertrug K den GmbH-Anteil.

Kurz danach wollte die Geschäftsführung der E einen Kredit aufnehmen. Da die Bank das Wertgutachten des W als fehlerhaft betrachtete, wurde bei der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft G ein neues Gutachten in Auftrag gegeben. Dieses überprüfte auch die Vermögenslage der E im Zeitpunkt des Vertrages vom 5. 10. und stellte fest, dass die von W zugrunde gelegte Bilanz und andere Geschäftsdaten grob fehlerhaft waren, so dass am 5. 10. in Wahrheit eine Unterkapitalisierung der GmbH von 12 Mio. Euro bestand. Der Geschäftsführer der E bestätigte, dass die GmbH bereits Anfang Oktober praktisch insolvent war. K verlangt von B Rückzahlung des Kaufpreises in Höhe von vier Mio. Euro mit der Begründung, der Vertrag habe auf einem Irrtum beruht und müsse korrigiert werden. B lehnt das ab und verweist auf den Gewährleistungsausschluss in § 4 des Vertrages. Gibt es einen rechtlichen Weg für K, um die gezahlten vier Mio. Euro von B zurückzuerhalten?

Lösung

Hinweis: Die Entscheidung ist auch abgedruckt in JZ 2019, 569 mit Anm. Thiessen.

A. Über eine Irrtumsanfechtung (§§ 119 I, II, 142 I BGB) und einen anschließenden Bereicherungsanspruch (§ 812 I BGB) kann K den Kaufpreis nicht zurückerhalten. Der Irrtum über den Wert des der GmbH gehörenden Unternehmens ist weder ein Inhaltsirrtum noch ein Irrtum über wesentliche Eigenschaften des Vertragsgegenstandes, sondern ein reiner Motivirrtum, der nicht zur Anfechtung berechtigt (Palandt/Ellenberger, BGB, 78. Aufl. 2019, § 119 Rdnr. 27). Außerdem ist § 119 BGB nur auf den einseitigen Irrtum anwendbar (Palandt/Ellenberger § 119 Rdnrn. 21 a, 30). Im vorliegenden Fall haben aber K und B das Gutachten des W für richtig gehalten, so dass ein beiderseitiger Irrtum vorlag. Bei diesem kommen andere Rechtsbehelfe in Betracht, insbesondere eine Störung der Geschäftsgrundlage (§ 313 BGB, dazu unten C).

B. Auch das kaufrechtliche Gewährleistungsrecht führt zu keinem Anspruch. Dabei kann an dieser Stelle noch offen bleiben, ob die Überschuldung eines Unternehmens eine Gewährleistung auslösen kann. Denn K und B haben in dem Kaufvertrag Gewährleistungsansprüche jeder Art ausgeschlossen. Das war rechtlich möglich (§ 444 BGB). Die in § 444 enthaltenen Ausnahmen greifen nicht ein: B hat die Überschuldung der E nicht arglistig verschwiegen. Der Vertrag enthält zwar in § 4 „Garantieabreden“, die sich aber nicht auf die wirtschaftliche Lage bezogen und deshalb keine Garantie für die Werthaltigkeit des Unternehmens waren.

C. § 313 BGB ist Grundlage für einen Rückzahlungsanspruch der K, wenn eine Störung der Geschäftsgrundlage vorliegt und entweder eine Vertragsanpassung oder ein Rücktritt die Folge hat, dass der Kaufpreis zurückzuzahlen ist.

I. K und B haben am 5. 10. formwirksam (§ 15 IV GmbHG) einen Kaufvertrag über die entgeltliche Veräußerung des GmbH-Anteils der B zu einem Kaufpreis von vier Mio. Euro geschlossen.

II. Der Anwendung des § 313 BGB könnte entgegenstehen, dass die Gewährleistungsregelung des Kaufrechts vorrangig ist und zur Unanwendbarkeit des § 313 BGB führt.

1. BGH [14-16] Dem BerGer. ist zuzustimmen, dass eine Anpassung des streitgegenständlichen Kaufvertrags nach § 313 Abs. 1, 2 BGB grundsätzlich auszuscheiden hat, soweit aufgrund der…Überschuldung sowie der daraus resultierenden Insolvenzreife der E-GmbH der Anwendungsbereich des Sach- und Rechtsmängelgewährleistungsrechts der §§ 434 ff. BGB eröffnet ist. Denn nach § 313 Abs. 1, 2 BGB kommt die Anpassung eines Vertrags wegen wesentlicher Vorstellungen, die zur Grundlage des Vertrags geworden sind und sich als falsch herausstellen, nur in Betracht, wenn und soweit die Parteien den Vertrag nicht oder mit anderem Inhalt geschlossen hätten…und einem Vertragsteil unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere der vertraglichen oder gesetzlichen Risikoverteilung, das Festhalten am unveränderten Vertrag nicht zugemutet werden kann. In dem Verweis auf die gesetzliche Risikoverteilung kommt zum Ausdruck, dass eine Anwendung der Regeln über die Störung der Geschäftsgrundlage auszuscheiden hat, wenn und soweit es um Fehlvorstellungen geht, deren Auswirkungen auf den Vertrag der Gesetzgeber durch Aufstellung bestimmter anderer gesetzlicher Regeln zu erfassen versucht hat (vgl. BGHZ 208, 18 Rn. 23). Dementsprechend kann § 313 BGB im Anwendungsbereich der kaufrechtlichen Sach- und Rechtsmängelhaftung grundsätzlich nicht herangezogen werden, da andernfalls die den Bestimmungen der §§ 434 ff. BGB zugrunde liegende Risikoverteilung durch die Annahme einer Störung der Geschäftsgrundlage verändert werden würde (vgl. BGHZ 191, 139 Rn. 12; 117, 159, 162…).

Das gilt auch dann, wenn die Voraussetzungen einer Mängelhaftung im Einzelfall - etwa aufgrund eines wirksamen Haftungsausschlusses…nicht gegeben sind (vgl. BGHZ 191, 139).

2. Somit wird § 313 BGB verdrängt, wenn die kaufrechtliche Sach- oder Rechtsmängelhaftung anwendbar ist und ein von ihr erfasster Mangel vorliegt. BGH [17] Der Vorrang des Gewährleistungsrechts besteht insoweit, als der maßgebliche Umstand - hier also die…Überschuldung und die daraus resultierende Insolvenzreife der E-GmbH - geeignet ist, entsprechende Mängelansprüche auszulösen (vgl. BGHZ 191, 139 Rn. 13 m. w. N.).

a) Für die Bestimmung der anwendbaren Gewährleistungsregelung ist der Kaufgegenstand des Vertrages vom 5. 10. näher zu betrachten, da das BGB zwischen Sachkauf und Rechtskauf unterscheidet.

aa) §§ 433 ff. BGB sind, wie sich aus dem Wortlaut beispielsweise der §§ 433, 434 ergibt, unmittelbar nur auf Kaufverträge über Sachen anwendbar. Demgegenüber ist der Kauf von Rechten in § 453 BGB geregelt, wo in Abs. 1 bestimmt ist, dass die Vorschriften über den Kauf von Sachen auf den Kauf von Rechten und sonstigen Gegenständen entsprechende Anwendung finden (gesetzlich vorgeschriebene Analogie).

bb) Der zwischen K und B geschlossene Vertrag überträgt einen Anteil an einem Unternehmen. Im Normalfall kommen bei Unternehmensübertragungen zwei Formen in Betracht: die Übertragung der einzelnen zu dem Unternehmen gehörenden Wirtschaftsgüter, zu denen im vorliegenden Fall beispielsweise das Grundstück gehören würde („Asset Deal“), oder die Übertragung der Gesellschaftsanteile, beispielsweise eines Aktienpakets oder der Geschäftsanteile einer GmbH („Share Deal“; zu den Formen der Unternehmenstransaktionen und ihrem Ablauf vgl. Grädler/Wehlage JuS 2019, 109 ff.). Im vorliegenden Fall wurde ein Geschäftsanteil übertragen, also lag ein Share Deal vor (dazu Grädler/Wehlage S. 110). Ein Asset Deal kam praktisch nicht in Betracht, weil die zur GmbH gehörenden Wirtschaftsgüter ihren Inhaber nicht wechseln sollten.

cc) Da ein nach § 15 I, III GmbHG übertragbarer Geschäftsanteil verkauft wurde, handelt es sich um einen Rechtskauf. BGH [13] Vertragsgegenstand eines solchen Kaufvertrags ist allein die Beteiligung in Höhe von 50 %, so dass es sich insoweit… um einen Anteilskauf handelt.

b) Auf diesen Rechtskauf sind über § 453 I BGB die §§ 434, 435 BGB entsprechend anwendbar.

aa) § 434 BGB stellt beim Sachmangel auf die Beschaffenheit ab. Ein GmbH-Anteil als bloße Rechtsposition ist kein Gegenstand mit einer Beschaffenheit; folglich führt Palandt/Weidenkaff, BGB, 78. Aufl. 2019, § 453 Rdnr. 17 aus: Ein Recht kann keinen Sachmangel haben; Ausnahme ist § 453 III BGB. Auch macht K keinen Sachmangel des verkauften Rechts geltend, sondern begründet seinen Anspruch mit (Vermögens-) Eigenschaften des zu der GmbH gehörenden Unternehmens. Jedoch sind einerseits der Geschäftsanteil und andererseits das Unternehmen und die zu ihm gehörenden Sachen und Rechte, im vorliegenden Fall das erworbene Grundstück, zu unterscheiden, dies trotz des wirtschaftlichen und rechtlichen Zusammenhangs. BGH [22] An dem von der GmbH betriebenen Unternehmen und den von diesem gehaltenen Sachwerten erwirbt ein Anteilskäufer kein unmittelbares Recht, sondern kann vielmehr nur im Rahmen der ihm durch Gesetz und Satzung eingeräumten Befugnisse als Gesellschafter Einfluss nehmen. Der Geschäftsanteil ist auch kein Recht i. S. des § 453 III BGB, das zum Besitz einer Sache berechtigt.

Demgegenüber hatte das BerGer. im BGH-Fall nach dessen bei BGH [10] wiedergegebenen Ausführungen die Auffassung vertreten, der für einen Sachmangel gemäß § 434 Abs. 1 BGB maßgebende Begriff der „Beschaffenheit" sei weit auszulegen, so dass auch das Vorhandensein eines positiven Eigenkapitals und die damit verbundene Fortführungsfähigkeit der Gesellschaft als Beschaffenheit und spiegelbildlich deren Fehlen als Sachmangel des Unternehmens im Sinne von § 434 Abs. 1 BGB einzuordnen seien. Im Ergebnis ähnlich wird von Teilen der Literatur, wie von BGH [31] wiedergegeben, die Ansicht vertreten, die Sachmängelhaftung der §§ 434 ff. BGB gelte auch für Sachen und sonstige Gegenstände, auf die sich das verkaufte Recht lediglich beziehe, so dass auch bei einem bloßen Anteilskauf gemäß § 453 Abs. 1 Alt. 1 BGB… (Sach-)Mängel einzelner Sachen, Rechte oder sonstiger Gegenstände beziehungsweise des Unternehmensvermögens als Gewährleistungsrechte auslösende Mängel des Anteils selbst anzusehen seien (vgl. BeckOGK-BGB/Wilhelmi, Stand 1. Juli 2018, § 453 Rn. 42 ff., 58 ff., 566 ff.; MünchKommHGB/Thiessen, 4. Aufl., § 25 Anhang Rn. 112;….). Denn es dürfe nicht übersehen werden, dass die zu erwerbenden Gesellschaftsanteile nicht um ihrer selbst willen existierten, sondern die Beteiligung an einem Unternehmen verkörperten, auf das es infolgedessen auch gewährleistungsrechtlich primär ankomme (MünchKommHGB/Thiessen, 4. Aufl., § 25 Anhang Rn. 113;…).

Diese Erweiterungen der §§ 453, 434 BGB werden aber überwiegend abgelehnt (Palandt/Weidenkaff § § 453 Rdnr. 23: Nicht gehaftet wird für den Verkehrswert des Unternehmens), auch von BGH [32-36] Diese Auffassungen lassen außer Acht, dass der von den Parteien übereinstimmend und im Rahmen ihrer Vertragsfreiheit bestimmte Kaufgegenstand eben keine Sache, sondern ein Recht ist (….). Den Verkäufer eines Rechts trifft kraft Gesetzes… nach allgemeiner Auffassung (…) nur eine Gewährleistung für den Bestand des Rechts (Verität), nicht aber für die Einbringlichkeit der Forderung (Bonität) und dementsprechend ebenso nicht für die Güte des Gegenstands, auf welchen sich das Recht bezieht. Eine solche Bonitätshaftung besteht vielmehr nur, wenn sie vertraglich besonders übernommen ist… Diese Auslegung wird bestätigt durch die Gesetzessystematik der in § 453 BGB enthaltenen Bestimmungen. Nach § 453 Abs. 3 BGB haftet der Verkäufer, sofern ein Recht verkauft ist, das zum Besitz an einer Sache berechtigt, dafür, dass die Sache frei von Sach- und Rechtsmängeln ist. Im Umkehrschluss zeigt diese nur für bestimmte Fälle des Rechtskaufs geltende Ausnahmeregelung, dass eine solche Gewährleistung in allen anderen Fällen des Rechtskaufs (§ 453 Abs. 1 BGB) gerade nicht besteht, da diese Vorschrift ansonsten überflüssig wäre.

Somit betrifft die Überschuldung der GmbH, an der ein Anteil verkauft wurde, keine Beschaffenheit i. S. der §§ 453 I, 434 BGB. Die Gewährleistung für Sachmängel greift nicht ein und verdrängt § 313 BGB nicht.

bb) Eine Anwendung der §§ 453, 434 BGB wird vom BGH und der h. M. aber dann bejaht, wenn praktisch sämtliche Anteile an einem Unternehmen veräußert werden und das Unternehmen einen Mangel aufweist. BGH [19, 20] Die Sachmängelhaftung wird in den Fällen entsprechend angewendet, in denen sich der Erwerb dieses Rechts sowohl nach der Vorstellung der Parteien als auch objektiv als Kauf des Unternehmens selbst und damit bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise als Sachkauf darstellt (vgl. … BGHZ 65, 246, 248 f., 251; 85, 367, 370; 138, 195, 204;…). Ein solcher Unternehmenskauf wird insbesondere dann bejaht, wenn der Käufer von seinem Verkäufer sämtliche oder nahezu sämtliche Geschäftsanteile erwarb und damit, ohne durch die Befugnisse von Mitgesellschaftern beeinträchtigt zu sein, uneingeschränkt über das Unternehmen verfügen konnte, obgleich formell die GmbH Trägerin des Unternehmens und Eigentümerin der Sachwerte desselben blieb. Nach Palandt/Weidenkaff § 453 Rdnr. 23 müssen wenigstens 80 % der Anteile erworben werden.

[26] Ein solcher Fall liegt nicht vor, wenn der Käufer - wie hier K - lediglich einen Anspruch auf Übertragung der Hälfte der Geschäftsanteile hat. Denn unter derartigen Umständen fehlt es nach der Parteivorstellung und der Verkehrsanschauung an einem - gemäß den dargestellten Grundsätzen für die entsprechende Anwendung der Sachmängelhaftung entscheidenden - auf den Erwerb des Unternehmens insgesamt gerichteten Ziel des Vertrags… Demgegenüber ist unerheblich, dass K durch den Vertrag Alleininhaber der GmbH wurde, denn das war nicht Gegenstand des Vertrags vom 5. 10., sondern eine Folge davon, dass sie bereits vorher zur Hälfte Mitgesellschafter war. Eine weitere Begründung des BGH ist die Überlegung [28] Die Anwendbarkeit der Vorschriften über die Mängelgewährleistung kann nicht von Umständen außerhalb des von den Parteien übereinstimmend im Rahmen ihrer Vertragsfreiheit gewählten Vertragsgegenstands abhängen. BGH [13] Vertragsgegenstand eines solchen Kaufvertrags ist allein die Beteiligung in Höhe von 50 %, so dass es sich nicht um einen Unternehmenskauf, sondern um einen nicht der Sachmängelhaftung unterliegenden Anteilskauf handelt.

cc) Die Verweisung in § 453 I BGB bezieht sich auch auf § 435 BGB, die Vorschrift über Rechtsmängel. Nach § 435, 1 BGB besteht ein Rechtsmangel, wenn ein Dritter ein Recht gegen den Käufer geltend machen kann. Beim Verkauf eines GmbH-Anteils wäre das zu bejahen, wenn der verkaufte Anteil mit dem Recht eines Dritter wie einem Stimmrecht oder einem Anspruch auf einen Gewinnanteil belastet wäre, was aber bei dem von B verkauften Anteil nicht der Fall ist.

Möglicherweise ist aber der Begriff des Rechtsmangels in diesem Zusammenhang auch auf den Vermögensstand des der GmbH gehörenden Unternehmens zu erstrecken. (Es folgt ein ähnlicher Gedankengang wie oben C II 2 b aa) zum Sachmangel, hier zum Rechtsmangel). BGH [41, 42]

Zwar wird in der gesellschaftsrechtlichen Literatur teilweise die Auffassung vertreten, dass Überschuldung und Insolvenzreife einer Gesellschaft auch „Rechtsmängel" von an dieser erworbenen Geschäftsanteilen begründen würden, weil hierdurch zugleich deren Bestand gefährdet sei (… Ebbing in Michalski/Heidinger/Leible/Schmidt, GmbH-Gesetz, 3. Aufl., § 15 Rn. 177;…). Dabei wird aber übersehen, dass die Überschuldung oder auch Insolvenzreife einer Gesellschaft für sich den rechtlichen Bestand eines vom Verkäufer abgetretenen Gesellschaftsanteils gerade noch nicht beeinträchtigen, da Stimmrechte und Gewinnansprüche wie vor Eintritt der Überschuldung bestehen (…). Somit wird die geschuldete Rechtsstellung auch bei Überschuldung und Insolvenzreife der Gesellschaft mangelfrei übertragen (…). Hieran vermag auch der Umstand nichts zu ändern, dass diese Rechtsstellung für die Zukunft möglicherweise - etwa bei Auflösung der Gesellschaft durch Eröffnung eines Insolvenzverfahrens gemäß § 60 Abs. 1 Nr. 4 GmbHG - gefährdet sein könnte. Andernfalls würde sich im Einzelfall stets die Frage anschließen, ab welcher Vermögenslage einer Gesellschaft von einer rechtsmängelbegründenden Gefährdung in dem vorbezeichneten Sinne auszugehen wäre. Dass bei Eintritt derartiger Umstände die tatsächliche Gewinnerwartung wegfallen und der wirtschaftliche Wert der Anteile gemindert werden kann, begründet ebenso wenig einen Rechtsmangel des Geschäftsanteils, da, wie ausgeführt, den Verkäufer keine Haftung für die Bonität des veräußerten Rechts trifft.

[38] Folglich vermögen die Überschuldung und die daraus resultierende Insolvenzreife der E-GmbH - entgegen vereinzelter Auffassungen im Schrifttum - einen Rechtsmangel des von ihr erworbenen Anteils nicht zu begründen.

Zwischenergebnis zu II: Zwar ist die kaufrechtliche Mängelregelung über § 453 I BGB anwendbar. Die Überschuldung der GmbH ist aber weder ein Sachmangel noch ein Rechtsmangel des verkauften GmbH-Anteils. Somit verdrängt die kaufrechtliche Mängelregelung § 313 BGB nicht, § 313 BGB ist anwendbar.

III. Die Voraussetzungen für eine Störung der Geschäftsgrundlage ergeben sich, da die in § 313 I BGB behandelte nachträgliche Veränderung der Umstände nicht vorliegt, aus § 313 II, I BGB.

1. Es müssen wesentliche Vorstellungen, die zur Grundlage des Vertrags geworden sind, sich als falsch herausgestellt haben. K und B haben bei dem Wirtschaftsprüfer W ein Gutachten in Auftrag gegeben, um den Wert des Unternehmens zu bestimmen. Der in dem Gutachten ermittelte Wert von acht Mio. Euro wurde zur Grundlage der Bestimmung des Kaufpreises in Höhe von vier Mio. gemacht. Dem Gutachten der G ist zu entnehmen, dass in Wahrheit eine Unterkapitalisierung der GmbH von zwölf Mio. Euro bestand, die vom Geschäftsführer der E bestätigt wurde. Folglich haben sich die beiderseits zugrunde gelegten Vorstellungen über die wirtschaftliche Situation der E-GmbH als falsch herausgestellt.

2. Unter diesen Umständen ist K nicht zuzumuten, an einem Vertrag festzuhalten, nach dem er einen Kaufpreis von vier Mio. Euro für ein insolventes Unternehmen zu zahlen und damit allein die Folgen des Kapitalverlustes und des beiderseitigen Irrtums zu tragen hat. Die Voraussetzungen einer Störung der Geschäftsgrundlage liegen vor.

IV. Rechtsfolge ist grundsätzlich die Anpassung des Vertrages (§ 313 I BGB), bei Unmöglichkeit oder Unzumutbarkeit ein Rücktritt (§ 313 III BGB). Aus der Überlegung vorstehend 2. ergibt sich, dass es für K nicht zumutbar ist, dass B den Kaufpreis für den Geschäftsanteil an der insolventen GmbH behält. Fraglich ist, ob dieses Ziel durch Anpassung oder durch Rücktritt zu erreichen ist. BGH [12] spricht von Vertragsanpassung in Form der Rückzahlung des Kaufpreises. Es spricht allerdings mehr dafür, dass d ie vollständige Rückgabe der Leistung einer Partei über eine bloße Anpassung nicht zu erreichen ist. Wird dieser Auffassung gefolgt, kann K den Rücktritt erklären und hat nach § 346 I BGB einen Anspruch auf Rückzahlung der vier Mio. Euro. Falls B eine Rückgabe des Geschäftsanteils verlangt - was wegen der Wertlosigkeit des Anteils nicht sicher ist -, muss K den Geschäftsanteil zurückübertragen (§ 346 I BGB). Wird obiger Formulierung des BGH gefolgt und nicht über Rücktritt, sondern über eine Vertragsanpassung gelöst, braucht K nicht zuvor einen Klageantrag auf Anpassung zu stellen, sondern kann sofort auf das Ergebnis der Anpassung, d. h. auf Rückzahlung des Kaufpreises klagen (Palandt/Grüneberg, BGB; 78. Aufl. 2019, § 313 Rdnr. 41).

Besprechung des Urteils von Looschelders JA 2019, 382, S. 384: „Lösung des BGH kann in jeder Hinsicht überzeugen.“


Zusammenfassung