Bearbeiter: Dr. Gernot Schmalz-Brüggemann

Haftung des Kfz.-Herstellers für illegale Abschalteinrichtung, § 826 BGB. Sittenwidriges Handeln eines Unternehmens. Zurechnung eines schädigenden Verhaltens, § 31 BGB; sekundäre Darlegungslast. Schaden durch einen wegen Stilllegungsgefahr ungewollten Vertrag. Vorteilsausgleichung, § 249 BGB

BGH
Urteil vom 25.5.2020 (VI ZR 252/19) NJW 2020, 1962 (für BGHZ vorgesehen)

Fall (Dieselskandal)

K erwarb am 10. Januar von dem Autohändler A einen Gebrauchtwagen des Typs VW Sharan 2.0, der einen Kilometerstand von 20.000 aufwies, zum Preis von 31.490 Euro. Wie alle Fahrzeuge dieses Modells ist er mit einem 2,0-Liter-Dieselmotor des Typs EA189 ausgestattet. Hersteller des Pkw ist die B-AG. Nach der Werbung der B war der Motor besonders leistungsstark und schadstoffarm. Da der Motor EA189 diese Anforderungen aber nicht erfüllte, wurde eine spezielle Software eingebaut. Diese erkannte, wenn das Fahrzeug sich auf einem Prüfstand befand, und schaltete in den Stickoxid (NOx)-optimierten Abgasrückführungsmodus 1. Auf dieser Grundlage erhielt das Fahrzeug eine Typgenehmigung des Kraftfahrt-Bundesamtes nach der maßgeblichen EU-VO, Schadstoffklasse Euro 5. Im realen Fahrbetrieb außerhalb des Prüfstands lief der Motor dagegen im Abgasrückführungsmodus 0, bei dem die Abgasrückführungsrate weit geringer war und der Stickoxidausstoß den zulässigen Grenzwert für die Emissionsklasse Euro 5 deutlich übertraf. Die B-AG verkaufte von den in dieser Weise ausgestatten Autos mehr als eine Million.

Noch im Laufe des Jahres, in dem K das Auto erworben hatte, wurde die Verwendung der illegalen, weil nur für den Prüfbetrieb bestimmten Abschalteinrichtung bekannt. K entschloss sich dazu, den Pkw gegen Erstattung des Kaufpreises zurückzugeben. Er begründet das damit, dass er auf den behaupteten geringen Schadstoffausstoß vertraut habe und über den wirklichen Stickoxidausstoß getäuscht worden sei. Er könne auch nicht ausschließen, dass die Typgenehmigung zurückgenommen und der Pkw stillgelegt würde. Gegen A will er nicht vorgehen, weil dieser keine Kenntnis von den Manipulationen hatte und weil in dem Kaufvertrag Sachmangelansprüche ausgeschlossen wurden. Er verlangt von B die Rückabwicklung. Er trägt Indizien vor, nach denen der Leiter der Entwicklungsabteilung der B den Einbau der speziellen Software gebilligt und auch das verantwortliche Vorstandsmitglied davon Kenntnis hatte. B weist den Anspruch des K zurück. Sie bestreitet, dass Führungskräfte der B Kenntnis von der Abschalteinrichtung hatten. Sie bot den Käufern ein Software-Update an, das den NOx-Ausstoß deutlich absenkte, und das K auch durchführen ließ. Nach Auffassung der B ist damit der Mangel beseitigt und auch eine Rücknahme der Typgenehmigung nicht mehr zu befürchten. Dem von K geltend gemachten Anspruch stehe auch entgegen, dass der Pkw den von K gezahlten Kaufpreis wert war, ferner dass K den Pkw bis heute benutzt und dadurch dessen Gebrauchsvorteile in Anspruch nimmt. Ist der von K gegen B geltend gemachte Anspruch berechtigt?

Lösung

Vorbemerkung: Das BGH-Urteil wird besprochen von Lorenz NJW 2020, 1924; Arnold JuS 2020, 684; Heese NJW 2020, 2779; Hager JA 2020, 781.

I. Ein Anspruch aus Kaufvertrag wegen eines Sachmangels (§§ 434, 437 Nr. 2, 346 I BGB) steht K gegen B als Hersteller nicht zu, weil der Kaufvertrag über den Pkw mit A geschlossen wurde und nicht mit B. Dass der Kaufvertrag nicht im Namen des Herstellers geschlossen wird, ist bereits beim Kauf eines Neuwagens der Normalfall, umso mehr beim Gebrauchtwagenkauf (Lorenz NJW 2020, 1924). Deshalb scheidet auch ein Anspruch auf Rückabwicklung nach Anfechtung wegen arglistiger Täuschung (§§ 123, 812 BGB) aus.

Hinweis: Den Anspruch des getäuschten Käufers gegen den Verkäufer behandelt BGH NJW 2019, 1133; dazu Staudinger/Ruks NJW 2019, 1179; Arnold JuS 2019, 489; als Klausur Pohlmann/Scholz JA 2020, 576 m. w. N. a. E.; ferner Weller/Smela/Habrich JZ 2019, 1016.

II. Ein Anspruch gegen B aus § 823 I BGB besteht nicht, weil B kein dort aufgeführtes absolut geschütztes Recht, auch nicht ein sonstiges Recht, des K verletzt hat. Ein Schutzgesetz (§ 823 II BGB) zugunsten des K wurde nicht verletzt. Zwar lag in der Zulassung nach der maßgeblichen EU-VO eine Verletzung dieser VO, weil die Voraussetzungen für die erfolgte Zulassung objektiv nicht gegeben waren. Der Schaden des K fällt jedoch nicht unter den Schutzbereich dieser Norm. BGH [76] Die…Rechtsakte der Europäischen Union zielen vor allem auf eine hohe Verkehrssicherheit, hohen Gesundheits- und Umweltschutz, rationelle Energienutzung und wirksamen Schutz vor unbefugter Benutzung… Sie bezwecken aber nicht den Schutz des Autokäufers davor, dass der Kaufgegenstand nicht dessen Erwartungen entspricht, auch dann nicht, wenn sie berechtigt sind. BGH: Das hier betroffene Interesse des K, nicht zur Eingehung einer ungewollten Verbindlichkeit veranlasst zu werden, liegt nicht im Aufgabenbereich der Norm (ebenso Weller/Smela/Habrich JZ 2019, 1025). Ein Anspruch aus §§ 823 II BGB, 263 StGB setzt voraus, dass einer bestimmten Person ein vorsätzlich betrügerisches Verhalten vorgeworfen werden kann, was nach obigem Sachverhalt nicht feststellbar ist (zur Behandlung des Falles als strafrechtlicher Betrug Lück JuS 2018, 1148).

Ein Anspruch aus § 1 ProduktHaftG besteht nicht, weil durch die Abgasreinigungseinrichtung weder eine Körper- noch eine Gesundheitsverletzung des K herbeigeführt wurde und auch kein Sachschaden an einer anderen Sache (§ 1 I 2 ProduktHaftG) eingetreten ist.

III. Ein Anspruch des K könnte sich aus § 826 BGB ergeben. Voraussetzungen sind ein sittenwidriges Verhalten eines für B Verantwortlichen, durch das K vorsätzlich ein Schaden zugefügt wurde.

1. Auf Seiten der B müsste ein sittenwidriges Verhalten vorgelegen haben.

a) BGH [14-27] Sittenwidrig ist ein Verhalten, das nach seinem Gesamtcharakter, der durch umfassende Würdigung von Inhalt, Beweggrund und Zweck zu ermitteln ist, gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden verstößt. Dafür genügt es nicht, dass der Handelnde eine Pflicht verletzt und einen Vermögensschaden hervorruft. Vielmehr muss eine besondere Verwerflichkeit seines Verhaltens hinzutreten, die sich aus dem verfolgten Ziel, den eingesetzten Mitteln, der zutage getretenen Gesinnung und den eingetretenen Folgen ergeben kann (st. Rspr., vgl. BGH NJW 2017, 250 Rn. 16; NJW 2019, 2164 Rn. 8, jeweils m. w. N.). Schon zur Feststellung der Sittenwidrigkeit kann es auf Kenntnisse, Absichten und Beweggründe des Handelnden ankommen, die die Bewertung seines Verhaltens als verwerflich rechtfertigen. Die Verwerflichkeit kann sich auch aus einer bewussten Täuschung ergeben (BGH NJW 2017, 250 Rn. 16 m. w. N.). Insbesondere bei mittelbaren Schädigungen kommt es darauf an, dass den Schädiger das Unwerturteil, sittenwidrig gehandelt zu haben, gerade auch in Bezug auf die Schäden desjenigen trifft, der Ansprüche aus § 826 BGB geltend macht (BGH NJW 2019, 2164 Rn. 8 m. w. N.).

b) B hat auf der Grundlage einer für ihren Konzern getroffenen grundlegenden strategischen Entscheidung bei der Motorenentwicklung… durch bewusste und gewollte Täuschung des Kraftfahrt-Bundesamtes (KBA) systematisch, langjährig und in Bezug auf den Dieselmotor der Baureihe EA189 in siebenstelligen Stückzahlen in Deutschland Fahrzeuge in Verkehr gebracht, deren Motorsteuerungssoftware bewusst und gewollt so programmiert war, dass die gesetzlichen Abgasgrenzwerte mittels einer unzulässigen Abschalteinrichtung nur auf dem Prüfstand eingehalten wurden. Damit ging einerseits eine erhöhte Belastung der Umwelt mit Stickoxiden und andererseits die Gefahr einher, dass bei einer Aufdeckung dieses Sachverhalts eine Betriebsbeschränkung oder -untersagung hinsichtlich der betroffenen Fahrzeuge erfolgen konnte. Ein solches Verhalten ist im Verhältnis zu einer Person, die eines der bemakelten Fahrzeuge in Unkenntnis der illegalen Abschalteinrichtung erwirbt, besonders verwerflich und mit den grundlegenden Wertungen der Rechts- und Sittenordnung nicht zu vereinbaren. Das gilt auch, wenn es sich um den Erwerb eines Gebrauchtfahrzeugs handelt. Die Sittenwidrigkeit ergibt sich aus einer Gesamtschau des festgestellten Verhaltens der B unter Berücksichtigung des verfolgten Ziels, der eingesetzten Mittel, der zutage getretenen Gesinnung und der eingetretenen Folgen.

Die unzulässige Abschalteinrichtung konnte dazu führen, dass die Zulassungsbehörde eine Betriebsbeschränkung oder -untersagung nach § 5 Abs. 1 Fahrzeug-Zulassungsverordnung (FZV) vornahm, weil das Fahrzeug wegen der gegen die EU-VO verstoßenden Abschalteinrichtung nicht dem genehmigten Typ (§ 3 Abs. 1 Satz 2 FZV) entsprach (vgl. BGH NJW 2019, 1133 Rn. 20).
Nach EU-Recht in Verbindung mit § 48 VwVfG kann das KBA eine rechtswidrige Typgenehmigung ganz oder teilweise zurücknehmen, wenn festgestellt wird, dass die Fahrzeuge nicht mit dem genehmigten Typ übereinstimmen, oder von Fahrzeugen ein erhebliches Risiko für die Verkehrssicherheit, die öffentliche Gesundheit oder die Umwelt ausgeht. Vertrauensschutz bestand nicht, nachdem B die Typgenehmigung durch arglistige Täuschung erwirkt hatte (vgl. § 48 Abs. 2 Satz 3, Abs. 3 Satz 2 VwVfG). Welche möglicherweise auch zeitlich oder örtlich beschränkten Maßnahmen die Behörden bei einer Aufdeckung der Verwendung der unzulässigen Abschalteinrichtung ergreifen würden, stand insbesondere im Hinblick auf die erfolgte arglistige Täuschung, die große Zahl der betroffenen Fahrzeuge, die in ihrer Gesamtheit einen deutlich erhöhten Stickoxidausstoß bewirkten, und die nicht vorhersehbaren immissionsschutzrechtlichen Rahmenbedingungen im Vorhinein nicht fest.

Das Ziel der B bestand…in einer Erhöhung ihres Gewinns. Ein solches Ziel ist (selbstverständlich) erlaubt und nicht (per se) verwerflich.… Das an sich erlaubte Ziel der Gewinnerhöhung wird auch im Verhältnis zu dem Käufer eines der betroffenen Fahrzeuge aber dann verwerflich, wenn es auf der Grundlage einer strategischen Unternehmensentscheidung durch arglistige Täuschung der zuständigen Typgenehmigungs- und Marktüberwachungsbehörde des KBA (…) erreicht werden soll, und dies mit einer Gesinnung verbunden ist, die sich sowohl im Hinblick auf die für den einzelnen Käufer möglicherweise eintretenden Folgen und Schäden als auch im Hinblick auf die insoweit geltenden Rechtsvorschriften, insbesondere zum Schutz der Gesundheit der Bevölkerung und der Umwelt, gleichgültig zeigt. Ein solches Vorgehen verstößt derart gegen die Mindestanforderungen im Rechts- und Geschäftsverkehr auf dem hier betroffenen Markt für Kraftfahrzeuge, dass ein Ausgleich der bei den einzelnen Käufern verursachten Vermögensschäden geboten erscheint (vgl. auch BGHZ 160, 149, 157). Gerade wenn die Käufer (und damit auch K)… keine konkreten Vorstellungen über die Rechtsbeständigkeit der Typgenehmigung und die Erfüllung der gesetzlichen Abgasgrenzwerte machten, war das Inverkehrbringen der Fahrzeuge unter diesen Umständen sittenwidrig und stand wertungsmäßig einer unmittelbaren arglistigen Täuschung der Käufer gleich (vgl. auch Heese, JZ 2020, 178, 179 f.).

Somit war das Verhalten auf Seiten der B sittenwidrig, auch dem K gegenüber.

Hinweis: Wurde der Vertrag erst nach Bekanntwerden der illegalen Abschalteinrichtungen abgeschlossen, ist das Verhalten des Herstellers nicht sittenwidrig, BGH NJW 2020, 2798: Kein Schadensersatz bei Gebrauchtwagenkauf nach publikem Dieselskandal.

2. Da die B-AG eine juristische Person ist, haftet sie nur, wenn ihr das Handeln einer natürlichen Person zugerechnet werden kann.

a) Zurechnungsnorm ist § 31 BGB. Danach ist ein Verein für den Schaden verantwortlich, den der Vorstand, ein Mitglied des Vorstands oder ein anderer verfassungsmäßig berufener Vertreter durch eine in Ausführung der ihm zustehenden Verrichtungen begangene, zum Schadensersatz verpflichtende Handlung einem Dritten zufügt. Die Vorschrift ist auf alle juristischen Personen anwendbar (Palandt/Ellenberger, BGB, 79. Aufl. 2020, § 31 Rdnr. 3; Hk-BGB/Dörner, 10. Aufl. 2019, § 31 Rdnr. 10), also auch auf eine AG wie die B-AG. § 31 BGB ist keine Haftungsnorm, sondern nur eine Zurechnungsnorm (BGHZ 99, 302; Palandt a. a. O. Rdnr. 2). Genaue Anspruchsgrundlage im vorliegenden Fall ist deshalb §§ 826, 31 analog BGB (BGH [12]).

b) Von den Personen, denen K die aktive Mitwirkung an den Manipulationen oder die Kenntnis davon vorwirft, fällt das verantwortliche Vorstandsmitglied (§ 76 AktG) ohne weiteres unter § 31 BGB. Auch der Leiter der Entwicklungsabteilung der B ist verfassungsmäßig berufener Vertreter. BGH [33] Der Leiter der Entwicklungsabteilung eines großen, weltweit tätigen Automobilherstellers wie der B-AG hat eine für dessen Kerngeschäft verantwortliche, in besonderer Weise herausgehobene Position als Führungskraft inne. Daraus folgt unmittelbar, dass ihm bedeutsame, wesensmäßige Funktionen des Unternehmens zur selbständigen, eigenverantwortlichen Erfüllung zugewiesen sind, er also das Unternehmen auf diese Weise repräsentiert. (dazu auch Lorenz NJW 2020, 1925)

c) Allerdings steht nicht fest, dass diese Personen die Manipulationen gebilligt bzw. Kenntnis davon hatten; K trägt insoweit nur Indizien dafür vor. Dieser Vortrag könnte aber ausreichend sein.

aa) BGH [35] Zwar trägt nach allgemeinen Grundsätzen derjenige, der einen Anspruch aus § 826 BGB geltend macht, die volle Darlegungs- und Beweislast für die anspruchsbegründenden Tatsachen, d.h. sowohl für die Umstände, die die Schädigung und deren Sittenwidrigkeit in objektiver Hinsicht begründen, als auch für den zumindest bedingten Vorsatz des Schädigers hinsichtlich des Vorliegens dieser Umstände (BGH NJW 2019, 3638 Rn. 37 m. w. N.…). Der Anspruchsteller hat daher auch darzulegen und zu beweisen, dass der Vorstand, ein Mitglied des Vorstands oder ein anderer verfassungsmäßiger Vertreter (§ 31 BGB) des in Anspruch genommenen Unternehmens die objektiven und subjektiven Tatbestandsvoraussetzungen des § 826 BGB verwirklicht hat… Der Anspruchsteller kann im Falle eines Prozesses aber eine Besserstellung dadurch erfahren, dass den Anspruchsgegner eine sekundäre Darlegungs- und Beweislast trifft (genauer zu Beweislastregeln, Beweislastumkehr, Vermutungen, Anscheinsbeweis und sekundärer Beweislast Kalbfleisch JuS 2020, 722; Katzenmeier/Voigt JZ 2020, 475; zur sekundären Beweislast Laumen MDR 2019, 193). BGH [37] Eine sekundäre Darlegungslast trifft den Prozessgegner der primär darlegungsbelasteten Partei, wenn diese keine nähere Kenntnis der maßgeblichen Umstände und auch keine Möglichkeit zur weiteren Sachaufklärung hat, während der Bestreitende alle wesentlichen Tatsachen kennt und es ihm unschwer möglich und zumutbar ist, nähere Angaben zu machen (st. Rspr., vgl. etwa BGH NJW 2020, 755 Rn. 35 m. w. N.).Dem Bestreitenden obliegt es im Rahmen seiner sekundären Darlegungslast, Nachforschungen zu unternehmen, wenn ihm dies zumutbar ist. (Beispiele dazu unter [38])

bb) Im vorliegenden Fall hat K keine Möglichkeit, die Verantwortlichkeiten innerhalb der B-AG weiter aufzuklären, während das für B möglich ist (und wohl auch in ihrem Interesse liegt). Ihr obliegt daher eine sekundäre Darlegungslast. Danach reicht nicht aus, lediglich zu bestreiten, dass Führungskräfte der B Kenntnis von dem Einbau der Abschaltvorrichtung hatten. Vielmehr bestand eine weitergehende Verpflichtung, Nachforschungen zu betreiben und die Ergebnisse vorzutragen. Dieser ist B nicht nachgekommen. BGH [30] Folglich ist der Vortrag des K als zugestanden anzusehen, § 138 Abs. 3 ZPO. Somit ist davon auszugehen, dass der Leiter der Entwicklungsabteilung den Einbau der Abschalteinrichtung gebilligt hat und das verantwortliche Vorstandsmitglied davon Kenntnis hatte. Ihr Verhalten ist der B nach § 31 BGB zuzurechnen. Vgl. auch Lorenz NJW 2020, 1925: „…ist es in der Tat kaum vorstellbar, dass die planmäßige Konstruktion und das Inverkehrbringen von manipulierten Kraftfahrzeugen in diesem Ausmaß allein auf die Entscheidungen einzelner Ingenieure zurückgeht und den verfassungsmäßig berufenen Vertretern verborgen geblieben ist.“

BGH [43] Andernfalls käme eine Haftung der B für das Verhalten anderer Mitarbeiter jedenfalls nach §§ 826, 831 BGB in Betracht. Danach haftet der Geschäftsherr für einen Verrichtungsgehilfen, wenn er sich bezüglich dessen Auswahl und Überwachung nicht entlasten kann. Für die Frage einer sittenwidrigen Schädigung durch diese Personen würde letztlich nichts grundsätzlich anderes gelten als für den Leiter der Entwicklungsabteilung und den Vorstand. Schließlich wäre es ein ebenfalls eine Haftung der B auslösender Organisationsmangel (dazu Palandt/Ellenberger a. a. O. § 31 Rdnr. 7) auf Seiten der B, wenn eine so grundsätzliche Frage wie die der korrekten Motorsteuerung lediglich nachgeordneten Mitarbeitern überlassen worden wäre.

3. Dem Anspruchsteller muss ein Schaden zugefügt worden sein.

a) Grundsätzlich beurteilt sich die Frage, ob ein Schaden vorliegt, nach der dem § 249 I BGB zugrunde liegenden Differenzhypothese. Danach hat K eine Vermögensminderung erlitten, wenn der Pkw infolge der fehlerhaften Abgasreinigung weniger wert war, als es dem gezahlten Kaufpreis entsprach. K macht zu einer solchen Wertdifferenz keine Angaben, B bestreitet sie. In dieser Situation ist es nicht möglich, einen objektiven Minderwert des Pkw festzustellen.

b) Ein Schaden kann jedoch auch ohne objektiven Minderwert bejaht werden, indem das aufgrund des Wertvergleichs gewonnene Ergebnis zusätzlich einer wertenden Kontrolle unterzogen wird. BGH [45] Erforderlich ist eine wertende Überprüfung des anhand der Differenzhypothese gewonnenen Ergebnisses gemessen am Schutzzweck der Haftung und an der Ausgleichsfunktion des Schadensersatzes (BGH WM 2014, 2318 Rn. 17 m. w. N.).Da der Schadensersatz dazu dient, den konkreten Nachteil des Geschädigten auszugleichen, ist der Schadensbegriff im Ansatz subjektbezogen.

aa) [46] Wird jemand durch ein haftungsbegründendes Verhalten zum Abschluss eines Vertrages gebracht, den er sonst nicht geschlossen hätte, kann er auch bei objektiver Werthaltigkeit von Leistung und Gegenleistung dadurch einen Vermögensschaden erleiden, dass die Leistung für seine Zwecke nicht voll brauchbar ist. Im Fall einer vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung dient der Schadensersatzanspruch nicht nur dem Ausgleich der nachteiligen Einwirkung durch das sittenwidrige Verhalten auf die objektive Vermögenslage des Geschädigten. Vielmehr muss sich der Geschädigte auch von einer auf dem sittenwidrigen Verhalten beruhenden Belastung mit einer „ungewollten" Verpflichtung wieder befreien können. Schon eine solche stellt einen gemäß § 826 BGB zu ersetzenden Schaden dar (BGHZ 161, 361, 366 ff.…; Wagner in MünchKommBGB, 7. Aufl., § 826 Rn. 41 f.; Hönn in Soergel, BGB, 13. Aufl., § 826 Rn. 58…). Insoweit bewirkt § 826 BGB einen Schutz der allgemeinen Handlungsfreiheit und speziell des wirtschaftlichen Selbstbestimmungsrechts des Einzelnen.

bb) [48] Im Streitfall ist K, veranlasst durch das einer arglistigen Täuschung gleichstehende sittenwidrige Verhalten der B eine ungewollte Verpflichtung eingegangen. BGH [49] Zur Begründung ist von dem Erfahrungssatz auszugehen, dass ein Käufer kein Fahrzeug erwirbt, dem eine Betriebsbeschränkung oder -untersagung droht und bei dem im Zeitpunkt des Erwerbs in keiner Weise absehbar ist, ob dieses Problem behoben werden kann. [51] Bei einem zur eigenen Nutzung erworbenen Kfz. sind dessen Gebrauchsfähigkeit und ständige Verfügbarkeit für den Eigentümer von so großer Bedeutung, dass die Gefahr einer vorübergehenden Entziehung des Kfz. auch bei Anlegen eines strengen Maßstabs einen Vermögensschaden darstellt.

cc) Da der Schaden bei K bereits mit Abschluss des Kaufvertrages eingetreten ist, ändert das spätere Update daran nichts. BGH [58] Der gemäß § 249 Abs. 1 BGB mit dem Vertragsschluss entstandene Anspruch des K auf (Rück-)Zahlung des für das bemakelte Fahrzeug gezahlten Kaufpreises erlischt nicht, wenn sich der (objektive) Wert oder Zustand des Fahrzeugs in der Folge aufgrund neuer Umstände wie etwa der Aufdeckung des verdeckten Sachmangels oder der Durchführung des Updates verändern… Der unter Verletzung des wirtschaftlichen Selbstbestimmungsrechts des K sittenwidrig herbeigeführte ungewollte Vertragsschluss, der im Rahmen des § 826 BGB den Schaden begründet, wird durch das durchgeführte Software-Update nicht rückwirkend zu einem gewollten Vertragsschluss. (zustimmend Lorenz NJW 2020, 1925; abweichend Riehm NJW 2019, 1110 f.: keine reale Einbuße des Käufers mehr.)

Somit ist K ein Schaden in Form eines ungewollten Vertrages zugefügt worden.

4. Die für den Schaden Verantwortlichen müssen mit Vorsatz gehandelt haben.

a) BGH [61] Der gemäß § 826 BGB erforderliche Vorsatz enthält ein Wissens- und ein Wollenselement. Der Handelnde muss die Schädigung des Anspruchstellers gekannt bzw. vorausgesehen und in seinen Willen aufgenommen, jedenfalls aber für möglich gehalten und billigend in Kauf genommen haben. Dabei braucht der Täter nicht zu wissen, welche oder wie viele Personen durch sein Verhalten geschädigt werden; vielmehr reicht aus, dass er die Richtung, in der sich sein Verhalten zum Schaden anderer auswirken könnte, und die Art des möglicherweise eintretenden Schadens vorausgesehen und mindestens billigend in Kauf genommen hat (st. Rspr., vgl. BGHZ 160, 149, 156 m. w. N.).

b) Die für B Verantwortlichen haben gewusst, dass es Käufer gibt, die ein manipuliertes Auto nicht haben erwerben wollen und die deshalb durch den gleichwohl erfolgten Erwerb einen Schaden erleiden. BGH [63] Dass sie dabei darauf vertraut haben, das sittenwidrige Handeln werde nicht aufgedeckt werden, schließt den Vorsatz nicht aus, weil der Schaden im ungewollten Vertragsschluss, nicht dagegen in einer etwaigen Betriebsuntersagung liegt.

Somit liegt eine vorsätzliche Schadenszufügung vor. Die Voraussetzungen des § 826 BGB sind erfüllt.

IV. Auf Rechtsfolgeseite ist der von B zu ersetzende Schaden gemäß § 249 I BGB genauer zu bestimmen.

1. Auszugehen ist von dem Ergebnis oben 3., dass der Schaden des K darin besteht, einen ungewollten Vertrag abgeschlossen zu haben. BGH [55] Deshalb ist der Schadensersatzanspruch darauf gerichtet, so gestellt zu werden, als ob K den Vertrag nicht abgeschlossen hätte (vgl. BGH NJW 2014, 383 Rn. 29; BGHZ 183, 112 Rn. 112). Dann hätte K den Pkw nicht erhalten und den Kaufpreis nicht gezahlt. Folglich ist der Schaden durch Rückzahlung des Kaufpreises gegen Rückgabe des Pkw auszugleichen.

2. Der Anspruch könnte jedoch dadurch gemindert sein, dass K sich die Nutzung des Pkw im Wege der Vorteilsausgleichung anrechnen lassen muss.

a) Die Vorteilsausgleichung ist gesetzlich nicht geregelt, sondern gehört zur Schadensbestimmung gemäß § 249 BGB (Lorenz NJW 2020, 1926). BGH [65] Nach den von der Rechtsprechung im Bereich des Schadensersatzrechts entwickelten Grundsätzen der Vorteilsausgleichung sind dem Geschädigten diejenigen Vorteile zuzurechnen, die ihm in adäquatem Zusammenhang mit dem Schadensereignis zugeflossen sind… Der Geschädigte darf einerseits im Hinblick auf das schadensersatzrechtliche Bereicherungsverbot nicht besser gestellt werden, als er ohne das schädigende Ereignis stünde. Andererseits sind nur diejenigen durch das Schadensereignis bedingten Vorteile auf den Schadensersatzanspruch anzurechnen, deren Anrechnung mit dem jeweiligen Zweck des Ersatzanspruchs übereinstimmt, also dem Geschädigten zumutbar ist und den Schädiger nicht unangemessen entlastet (st. Rspr., vgl. etwa BGH NJW 2015, 553 Rn. 14 m. w. N.…).

b) [66] Die Grundsätze der Vorteilsausgleichung gelten auch für einen Anspruch aus vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung gemäß § 826 BGB (BGH WM 2016, 1975 Rn. 6…). Zwar ist geltend gemacht worden, es erscheine unbillig, dass B aus der (weiteren) Nutzung des nur auf dem Prüfstand die maßgeblichen Schadstoffgrenzwerte einhaltenden Fahrzeugs einen Vorteil ziehe; ferner sei dies auch dem Geschädigten unzumutbar (vgl. Bruns, NJW 2019, 801, 804 f.; NJW 2020, 508 ff.; Heese, NJW 2019, 257, 261 f.; von Mirbach, MDR 2020, 129 ff.; Staudinger, NJW 2020, 641 ff.)… Auch stehe die präventive Funktion des Deliktsrechts (vgl. BGHZ 190, 145 Rdnr. 62) einer den Schädiger begünstigenden Anrechnung der Nutzungsvorteile entgegen. [67] Es ist aber nicht geboten, im Hinblick auf die sich als nützliche Folge aus der Kompensation ergebende Prävention die Vorteilsausgleichung grundsätzlich auszuschließen; anderenfalls würde der Ersatzanspruch in die Nähe eines dem deutschen Recht fremden Strafschadensersatzes gerückt (BGH, ebenda m. w. N.). (Ebenso Riehm NJW 2019, 1107/8. Lorenz NJW 2020, 1926 weist mit Bezug auf den Originalfall darauf hin, dass nach dem Aufsehen, das der Dieselskandal erregt hat, eine zusätzliche Prävention nicht notwendig erscheint.) Da es somit nicht gerechtfertigt wäre, dass K den Pkw kostenlos hat nutzen dürfen, sind die Nutzungsvorteile bei der Schadensberechnung anzurechnen

[71] Diesem Ergebnis steht auch nicht die sich aus § 817 Satz 2 BGB ergebende Wertung entgegen. Der Ausnahmecharakter der Vorschrift verbietet es, ihr einen über das Bereicherungsrecht hinausreichenden allgemeinen Rechtsgedanken zu entnehmen und das Rückforderungsverbot auf andere als bereicherungsrechtliche Ansprüche auszudehnen (…). Die in diesem Zusammenhang weiter angesprochenen Normen und Rechtsgrundsätze aus unterschiedlichen Rechtsgebieten außerhalb des Deliktsrechts wie etwa §§ 346 ff., 393, 814 BGB betreffen andere Fallkonstellationen und besagen für die Frage der Anrechnung der von K gezogenen Nutzungsvorteile auf seinen Anspruch aus § 826 BGB nichts.

c) Berechnet wird der Wert der Nutzung prinzipiell wie bei § 346 I, II 1 Nr. 1 BGB: Der Kaufpreis wird durch die beim Vertragsschluss zu erwartende Kilometerleistung (sog. Restlaufleistung, kann nach § 287 ZPO geschätzt werden) geteilt; das Ergebnis (Nutzwert/km) wird mit den gefahrenen Kilometern multipliziert (BGH [80]; Lorenz NJW 2020, 1926; vgl. auch Dastis/Hoeren NJW 2019, 2430). Im Originalfall betrug der Wert der Nutzung 5.874 Euro, so dass B zur Zahlung von 25.616 Euro verpflichtet wurde (BGH [10, 78]). Im hier gestellten Sachverhalt sind die von K gefahrenen Kilometer nicht bekannt, so dass der Wert offen bleibt. – Nach BGH NJW 2020, 2796 kann der Schadensersatzanspruch „durch die im Wege des Vorteilsausgleichs erfolgende Anrechnung gezogener Nutzungen vollständig aufgezehrt werden.“

Ergebnis: K hat gegen B einen Anspruch aus §§ 826, 31 BGB auf Rückzahlung des Kaufpreises in Höhe von 31.490 Euro, abzüglich der Entschädigung für die gefahrenen Kilometer und Zug um Zug gegen die Rückgabe des Pkw.


Zusammenfassung