Bearbeiter: Dr. Gernot Schmalz-Brüggemann
► Hausrecht, §§ 858 ff., 903, 1004 BGB. ► Berechtigung zu Hausverbot ohne Angabe von Gründen. ► Anspruch auf Rücknahme eines Hausverbots; Beseitigungsanspruch analog §§ 1004, 823 BGB. ► Anwendbarkeit des Gleichheitssatzes (Art. 3 GG) im Privatrecht; Grundsatz und Ausnahmen. ► Rechtswirkungen von Eintrittskarten, § 807 BGB.
BGH Urteil vom 29.5.2020 (V ZR 275/18) NJW 2020, 3382
Fall (Hausverbot für Therme)
Die Bad-GmbH (B) betreibt in der Stadt S eine Therme mit Bade- und Saunabereich. Frau K ist bei ihr seit vielen Jahren Kundin; B führte sie in einer Kartei für Stammkunden und informierte sie regelmäßig über Angebote. Über diese konnte K ein Sonderkontingent verbilligter Eintrittskarten erwerben, von denen sie erst die Hälfte verbraucht hat. Die Eintrittskarten sind nicht personengebunden und sind übertragbar. Nach einem Streit mit dem Personal erteilte die Leitung der Therme der K schriftlich ein unbefristetes Hausverbot für die Therme; eine Begründung enthielt das Schreiben nicht.
K hält das Hausverbot für unberechtigt. Nachdem sie vergeblich versucht hat, unter Berufung auf ihre Eintrittskarte in die Therme eingelassen zu werden, hat sie im Zivilrechtsweg Klage gegen B auf Rücknahme des Hausverbots erhoben. Zur Begründung macht sie geltend, sie müsse zumindest die erworbenen Eintrittskarten noch verwenden dürfen. Vor allem sei die Therme eine der Öffentlichkeit zur Verfügung gestellte Einrichtung, bei der sie ein Recht auf Gleichbehandlung und damit auf Benutzung habe. Für ein Hausverbot gebe es keinen Grund; der Streit mit dem Personal sei ein harmloser Vorfall gewesen. Auch habe sie seit Jahren freundschaftliche Beziehungen zu anderen Besuchern aufgebaut, so dass der Besuch in dem Bad für sie zur gesellschaftlichen Teilhabe gehöre; das Hausverbot beschneide sie grundlos in der Fortführung dieser Kontakte. Zudem gebe es andere Thermen erst in einer Entfernung von 20 und 30 km, so dass B in S eine Monopolstellung habe. Demgegenüber beruft B sich auf ihr Recht zu einem Hausverbot. Von einer Begründung habe sie auch im Interesse der K abgesehen. Es sei bereits zweifelhaft, ob K ein berechtigtes Interesse an der Rücknahme des Hausverbots habe; ein solches könne sie nur an der Benutzung der Therme haben. Wie ist über die Klage zu entscheiden?
Lösung
Vorbemerkung: Dem Abdruck des BGH-Urteils in der NJW ist auf S. 3385 eine Anmerkung von Weller/Schulz angefügt; weitere Besprechungen des Falles: Schrader JA 2020, 705; K. Schmidt JuS 2020, 979.
A. Die Klage müsste zulässig sein.
I. Der Zivilrechtsweg ist nach § 13 GVG gegeben, weil eine privatrechtliche Streitigkeit vorliegt. Die Rechtsbeziehungen zwischen K und der B-GmbH unterliegen dem Privatrecht, insbesondere kann das Hausverbot nur auf Vorschriften aus dem BGB gestützt werden.
2. Dass möglicherweise außerdem zum öffentlichen Recht gehörende Grundrechte der K anzuwenden sind, ändert daran nichts. Diese kommen nur mittelbar, als Vorfragen bei der Auslegung der Rechtsvorschriften des Privatrechts zur Anwendung und prägen den Rechtscharakter der Streitigkeit nicht.
II. Einschränkungen für die Zulässigkeit der Klage könnten sich aus der Klageart ergeben. Hierfür ist das Klagebegehren der K näher zu bestimmen.
1. Nach der Formulierung in der Aufgabenstellung klagt K auf Rücknahme des Hausverbots. Dieser Antrag ist ein Antrag auf eine Leistung und führt zu einer Leistungsklage, die keinen Einschränkungen unterliegt. Möglicherweise bedarf der Antrag aber der Auslegung oder Änderung, weil K letztlich - wie B zutreffend einwendet - eine Benutzung der Therme erstrebt, insbesondere aufgrund der von ihr erworbenen Eintrittskarten. Eine weitere Klagemöglichkeit könnte dahin gehen, dass die Rechtswidrigkeit und Unwirksamkeit des Hausverbots festgestellt würde (im Originalfall hatte K einen Feststellungsantrag als Hilfsantrag gestellt, BGH [2]); in diesem Fall müssten die Voraussetzungen des § 256 ZPO erfüllt sein; auch müsste der Klageantrag geändert werden.
2. Allerdings spricht gegen die Behandlung des Klageantrags als Feststellungsantrag, dass eine Feststellungsklage subsidiär ist und ausscheidet, solange eine Leistungsklage möglich ist. Würde die Klage in eine Klage auf Zulassung zur Benutzung der Therme geändert, müsste K ihren Antrag wegen des Bestimmtheitsgebots (§ 253 II Nr. 2 ZPO) auf eine bestimmte Benutzung zu einem bestimmten Zeitpunkt oder zu mehreren Zeitpunkten begrenzen, was jedoch nicht ihrem Interesse entspricht. Es ist deshalb der Formulierung in der Aufgabenstellung zu folgen und von einem Leistungsantrag auf Rücknahme des Hausverbots auszugehen. Von einer derartigen Einordnung der Klage ist auch der BGH im Fall NJW 2012, 1725 (Hausverbot gegenüber einem früheren NPD-Vorsitzenden) ausgegangen.
III. Für die Klage auf Rücknahme des Hausverbots fehlt es - entgegen der Ansicht der B - nicht am Rechtsschutzbedürfnis. Denn würde der Klage stattgegeben, stünde das Hausverbot einem Anspruch der K auf Besuch der Therme (evtl. analog § 894 ZPO) nicht mehr entgegen und ließe sich unter Verwendung der erworbenen Eintrittskarten auch durchsetzen.
IV. Weitere Bedenken gegen die Zulässigkeit der Klage bestehen nicht. Somit ist die Klage zulässig.
B. Begründet ist die Klage, wenn K gegen B einen Anspruch auf Rücknahme des Hausverbots hat.
I. Vertragliche Beziehungen bestehen zwischen K und B allenfalls im Zusammenhang mit dem Kauf der Eintrittskarten. Jedoch ergibt sich aus dem Kauf einer Eintrittskarte für eine zukünftige Benutzung der Therme kein Anspruch auf Rücknahme eines Hausverbots. Der Erwerb (vergünstigter) Eintrittskarten zum Zwecke einer späteren Benutzung der Therme hat inhaltlich keinen Bezug zu dem späteren Hausverbot und seiner Rücknahme. Eine beschränkende Wirkung könnten die Eintrittskarten gegenüber dem Hausrecht der B haben, sie ist aber erst im Zusammenhang mit dem Hausrecht zu behandeln (unten II 3 b).
II. Eine Anspruchsgrundlage könnte ihren Grund darin haben, dass das Hausverbot eine Beeinträchtigung der Persönlichkeit der K bedeutet und K Beseitigung dieser Beeinträchtigung verlangt. K könnte ein Beseitigungsanspruch zustehen.
Während das BGB umfangreich Schadensersatzansprüche vor allem in §§ 823 ff. regelt, bleibt es bei den Beseitigungsansprüchen - ebenso wie bei den Unterlassungsansprüchen - hinter diesen zurück. Es gewährt sie zugunsten absoluter dinglicher Rechte (in § 1004 I 1, 2 zugunsten des Eigentums, z. B. in § 1134 zugunsten einer Hypothek) und in § 12 zugunsten des Namensrechts. Zum Schutz eines anderen Persönlichkeitsrechts gewährt es sie ebenso wenig wie zugunsten des Rechts am Gewerbebetrieb. Da diese nur begrenzte Anerkennung von Unterlassungsansprüchen sich als lückenhaft erweist, ist seit Langem anerkannt, dass Beseitigungs- und Unterlassungsansprüche zugunsten eines jeden in §§ 823 ff. BGB geschützten Rechts bestehen müssen. Zu diesem Zweck wird § 1004 I 1, 2 BGB auf diese Rechtspositionen analog angewendet (bezeichnet als quasinegatorischer Beseitigungs- und Unterlassungsanspruch; dazu Mäsch JuS 2019, 588 m. Nachw. Fn. 12; BGH NJW 2018, 1820 im Fall der Veröffentlichung von Fotos eines früheren Bundespräsidenten ). Die analoge Anwendung erstreckt sich auf sämtliche deliktisch geschützten Rechte und Rechtsgüter. Somit ergibt sich die im vorliegenden Fall zu prüfende Anspruchsgrundlage aus § 1004 I 2 BGB analog i. V. mit einem in §§ 823 ff. BGB geschützten Recht oder Rechtsgut.
1. Nach § 823 I BGB als sonstiges (absolutes) Recht geschützt ist das allgemeine Persönlichkeitsrecht (Omlor JuS 2018, 487 m. w. N. Fn. 2; vgl. auch Beater JZ 2018, 213). Es wurde aus Art. 1 I, 2 I GG entwickelt, ist inzwischen aber im Privatrecht gewohnheitsrechtlich anerkannt. Es steht K zu und wird durch ein Hausverbot beeinträchtigt. Denn auch ohne in dem Schreiben erhobene ausdrückliche Vorwürfe liegt in dem Hausverbot eine empfindliche Missbilligung der K und der Vorwurf, eine so schwerwiegende Verfehlung begangen zu haben, dass ihr weiterer Aufenthalt in der Therme nicht tragbar ist.
2. Während bei Rechten wie dem Eigentum, der Gesundheit und Freiheit der Eingriff die Rechtswidrigkeit indiziert und deshalb an dieser Stelle nur noch geprüft wird, ob ein Rechtfertigungsgrund eingreift, muss bei dem Rahmenrecht Persönlichkeitsrecht - ebenso beim Recht auf den Gewerbebetrieb - die Rechtswidrigkeit positiv festgestellt werden. Grundsätzlich bedarf es einer Abwägung der widerstreitenden rechtlich geschützten Belange. Ein Eingriff in das Persönlichkeitsrecht ist nur rechtswidrig, wenn das Schutzinteresse des Betroffenen die schutzwürdigen Belange der anderen Seite überwiegt (BGH NJW 2017, 2029 und 1550; NJW 2017, 482; BGHZ 209, 139 Rn. 30 m. w. N.). Für die Fälle des Hausverbots hat die Rspr. aber konkretere Grundsätze entwickelt, nach denen dessen Zulässigkeit beurteilt wird.
a) Das Hausverbot wird auf das Hausrecht gestützt. BGH [5] Das Hausrecht wiederum beruht auf dem Grundstückseigentum oder -besitz (§§ 858 ff., 903, 1004 BGB) und ermöglicht es seinem Inhaber, in der Regel frei darüber zu entscheiden, wem er Zutritt gestattet und wem er ihn verwehrt (st. Rspr., vgl. etwa BGH NJW 2010, 534 Rn. 11; NJW 2012, 1725 Rn. 8, jeweils m. w. N.). In ihm kommt die aus der grundrechtlichen Eigentumsgarantie (Art. 14 GG) fließende Befugnis des Eigentümers zum Ausdruck, mit der Sache grundsätzlich nach Belieben zu verfahren und andere von der Einwirkung auszuschließen (§ 903 Satz 1 BGB). Darüber hinaus ist das Hausrecht Ausdruck der durch Art. 2 Abs. 1 GG gewährleisteten Privatautonomie, die die Selbstbestimmung des Einzelnen im Rechtsleben schützt. Dazu gehört, dass rechtlich erhebliche Willenserklärungen in der Regel keiner Rechtfertigung bedürfen; das gilt in gleicher Weise für die Entscheidung, ob und in welchem Umfang einem Dritten der Zugang zu einer bestimmten Örtlichkeit gestattet wird (vgl. zum Ganzen BGH NJW 2012, 1725 Rn. 8; bestätigt durch BVerfG NJW 2019, 3769). Demzufolge durfte B gegenüber K das Hausverbot aussprechen. Da dieses Ausfluss des Rechts ist, mit dem Eigentum an der Therme nach Belieben zu verfahren (§ 903, 1 BGB), war auch keine Begründung erforderlich. (Vgl. K. Schmidt JuS 2020, 979: „allgemeine und grundsätzlich unbeschränkte Hausrechtsberechtigung“.)
b) Das Eigentumsrecht gewährt die Befugnis, mit der Sache nach Belieben zu verfahren, aber nur, soweit nicht das Gesetz oder Rechte Dritter entgegenstehen (§ 903, 1 BGB). Somit unterliegen Hausrecht und Hausverbot Einschränkungen, die nachfolgend zu prüfen sind.
3. Hausrecht und Hausverbot können durch vertragliche Abreden beschränkt sein.
a) Im Fall BGH NJW 2012, 1725 hatte der frühere NPD-Vorsitzende das Hotel wirksam gebucht und verfügte damit über einen vertraglichen Anspruch. Das führte dazu, dass der BGH dem Hotelbesitzer die Befugnis zu einem Hausverbot für die gebuchte Zeit versagt hat (Rdnr. 10). Ein derartiger Vertrag wurde zwischen K und B nicht geschlossen. K hat von den ihr noch zur Verfügung stehenden Eintrittskarten bisher keinen Gebrauch gemacht und mit B noch keinen Vertrag über die Benutzung der Therme geschlossen.
b) Ein das Hausrecht verdrängendes Benutzungsrecht für die Therme könnte sich aus dem Erwerb der Eintrittskarten ergeben.
aa) Die Eintrittskarten sind Wertpapiere, da sie das grundsätzliche Recht zum Eintritt in die Therme verbriefen. Daraus könnte geschlossen werden, dass sie einem Hausverbot entgegen stehen (so Weller/Schulz NJW 2020, 3385; in diese Richtung auch Schrader JA 2020, 706). Zwingend ist das aber nicht; der BGH hat diesen Schluss nicht gezogen, sondern das Hausrecht trotz der erworbenen Eintrittskarten weiter bestehen lassen. [9] Bei Eintrittskarten, die - wie hier - die Person des Berechtigten nicht individualisieren, handelt es sich um sog. kleine Inhaberpapiere gemäß § 807 BGB (vgl. MüKoBGB/Habersack, 7. Aufl., § 807 Rn. 10; Staudinger/Marburger, BGB [2015], § 807 Rn. 5). Kleine Inhaberpapiere sind Karten, Marken oder ähnliche Urkunden, bei denen die Umstände der Ausgabe erkennen lassen, dass der Aussteller grundsätzlich jedem Inhaber zur Leistung verpflichtet sein will (vgl. MüKoBGB/Habersack, § 807 Rn. 6, 9; Staudinger/Marburger, § 807 Rn. 3). Sie werden ausgegeben, um dem Aussteller die schuldbefreiende Leistung zu erleichtern. Der Aussteller bzw. Schuldner ist jedem materiell berechtigten Inhaber gegen Aushändigung der Urkunde zur Leistung verpflichtet (§ 793 Abs. 1 Satz 1 BGB), dem Inhaber der Urkunde gegenüber aber auch zur Leistung berechtigt, selbst wenn diesem die materielle Berechtigung fehlt (sog. Liberationswirkung, § 793 Abs. 1 Satz 2 BGB…).
bb) [10-12] Jedoch ist die vertragliche Bindung des Ausstellers einer solchen Eintrittskarte nicht vergleichbar mit der vertraglichen Bindung bei einem gebuchten und bestätigten Hotelaufenthalt, aus der der BGH eine Einschränkung des Hausrechts des Hotelbetreibers abgeleitet hat (vgl. BGH NJW 2012, 1725). Durch die bestätigte Hotelbuchung erwerben der Buchende und etwaige Mitreisende einen auf die Erbringung der vereinbarten Leistung gerichteten Anspruch. Die zivilrechtliche Bindung besteht unmittelbar zwischen dem Hotelbetreiber und dem durch die Bestätigung individualisierten Gast. Der Hotelier wird deshalb von der Leistungsverpflichtung nicht frei, wenn er einem Dritten gegenüber die vereinbarte Leistung erbringt. Die Hotelbuchung ist auch nicht frei übertragbar. Grundsätzlich anders ist die Situation bei Eintrittskarten für eine der breiten Öffentlichkeit zugängliche Einrichtung, um die es sich bei der von B betriebenen Therme handelt. Einlass wird in der Regel demjenigen gewährt, der eine - nicht personalisierte und frei übertragbare - Eintrittskarte „in der Hand hat“. Auf welchem Weg diese Person die Eintrittskarte erhalten hat, wird grundsätzlich nicht überprüft. Es wäre mit der Rechtsnatur des kleinen Inhaberpapiers nicht zu vereinbaren, in dem Begebungsvertrag (vgl. dazu Palandt/Sprau, BGB, 79. Aufl., § 793 Rn. 8) eine zivilrechtliche Bindung zu sehen, die zu einer Einschränkung des Hausrechts führte. Zum einen hat der Aussteller nach Ausgabe der Eintrittskarten keinen Einfluss darauf, wer die Karten zum Eintritt in die Einrichtung verwendet und wann dies geschieht. Zum anderen wäre es den Kunden - hier der K - möglich, über Dritte in den Besitz weiterer Eintrittskarten zu gelangen, um sich sodann auf die vertragliche Bindung des Betreibers der Einrichtung - hier der B - zu berufen und eine Einschränkung von dessen Hausrecht geltend zu machen. Damit liefe das Hausrecht desjenigen, der übertragbare Eintrittskarten für die von ihm betriebene Einrichtung ausgibt, im Ergebnis leer. Da ein solches Ergebnis mit dem Zweck des Hausrechts unvereinbar wäre, stehen die erworbenen Eintrittskarten dem Hausverbot nicht entgegen.
4. Ein Benutzungsrecht, das dem Hausverbot entgegensteht, könnte sich daraus ergeben, dass - wie K geltend macht - die Therme eine der Öffentlichkeit zur Verfügung gestellte Einrichtung ist und sie Gleichbehandlung verlangen kann; dann müsste für das Hausverbot zumindest ein sachlicher Grund bestehen, der in einer Begründung dargelegt wird. Auch könnte die Verweigerung der Benutzung und die damit verbundene Kontaktversagung die Handlungsfreiheit der K ungerechtfertigt beschränken. Gleichheitsgebot und Handlungsfreiheit könnten sich zugunsten der K aus den Grundrechten der Art. 2 I, 3 I GG ergeben.
a) Dann müssten diese Grundrechte im Verhältnis zwischen K und B anwendbar sein. Nach Art. 1 III GG binden die Grundrechte die Staatsorgane. Demgegenüber sind K und die B-GmbH Privatpersonen, für die das Privatrecht gilt. Zwischen ihnen sind die Grundrechte deshalb grundsätzlich nicht unmittelbar anwendbar. Sie können aber mittelbar, gemäß der Lehre von der Drittwirkung der Grundrechte gelten (BVerfGE 7, 198, 205 f., Lüth; 148, 267 Rdnr. 32, Stadionverbot; Ruffert JuS 2020, 1; Michl JA 2017, 1062 und JZ 2018, 910; Hellgardt JZ 2018, 901; Grünberger/Washington JZ 2019, 1104; krit. Neuner NJW 2020, 1851 ). Danach haben die Grundrechte Ausstrahlungswirkung auf die privatrechtlichen Rechtsbeziehungen, insbesondere auf die Generalklauseln und unbestimmten Rechtsbegriffe, und sind bei deren Auslegung und Anwendung zu berücksichtigen. Das gilt grundsätzlich für alle auslegungsfähigen und -bedürftigen Tatbestandsmerkmale der zivilrechtlichen Vorschriften. Es handelt sich um Anwendungsfälle der verfassungskonformen Auslegung (zum Zusammenhang zwischen verfassungskonformer Auslegung, Drittwirkung und Ausstrahlungswirkung Muckel JA 2018, 553).
b) Damit Grundrechte im vorliegenden Fall die dargelegten Wirkungen haben, müssen zunächst auslegungsbedürftige Vorschriften zwischen K und B zur Anwendung kommen. Wie ausgeführt, ergeben sich Hausrecht und Hausverbot aus §§ 858, 903, 1004 BGB. Zumindest die dort verwendeten Begriffe der Besitz- und Eigentumsstörung und der Duldungspflicht sind auslegungsbedürftig, so dass hierbei eine Berücksichtigung der Grundrechte der K möglich ist. Weiterhin muss ein hierbei anzuwendendes Grundrecht seinem Schutzbereich nach eingreifen.
c) Soweit K sich auf die Verweigerung der Benutzung und die Kontaktversagung beruft, könnte das Grundrecht der allgemeinen Handlungsfreiheit eingreifen. Seit dem Elfes-Fall BVerfGE 6, 32 (ferner BVerfGE 80, 137, 52; 90, 145, 171; 91, 335, 338) ist anerkannt, dass Art. 2 I GG die allgemeine Handlungsfreiheit schützt. Zu dieser gehört für K, die Therme der B aufzusuchen und sie zu benutzen. Würde der Staat dieses Verhalten beschränken, wäre das ein Eingriff in Art. 2 I GG. Bei der Anwendung der Grundrechte im Privatrecht ist aber zu beachten, dass in aller Regel auch der andere am Rechtsverhältnis Beteiligte Grundrechte hat (Grünberger/Washington JZ 2019, 1106). In der Fallgruppe des Hausverbots ist das dabei ausgeübte Hausrecht über Art. 14 GG geschützt. Damit stellt sich die Frage nach dem Verhältnis der Handlungsfreiheit dessen, der die Einrichtung benutzen will, zum Eigentum des Einrichtungsbetreibers. Diese Frage hat das BVerfG im Stadionverbotsfall BVerfGE 148, 267 Rdnr. 37 dahin entschieden, dass dem Eigentum ein prinzipieller Vorrang zukommt, der bereits ausschließt, die Handlungsfreiheit auch nur abwägend zu berücksichtigen. Nicht nur im Verhältnis zum Eigentum, sondern generell kann nicht zugelassen werden, dass in jedem Privatrechtsstreit, in dem unbestimmte Rechtsbegriffe im Zusammenhang mit Handlungsbeschränkungen auszulegen sind, die Freiheit zu jeder Art von selbstbestimmtem Handeln als Argument mit herangezogen und die Anwendung des Privatrechts mit unnötigen Überlegungen belastet wird. Beim Eigentum hätte das überdies zur Folge, dass bei einer Vielzahl von Handlungsweisen die Möglichkeit eröffnet würde, diese Handlungen unter Verwendung fremden Eigentums vorzunehmen, was dem Schutzzweck des Eigentumsrechts widersprechen würde. Also ist das Grundrecht der allgemeinen Handlungsfreiheit im Privatrecht grundsätzlich nicht anwendbar. (Der BGH hat es im vorliegenden Fall nicht angesprochen.)
d) Das Hausverbot bewirkt gegenüber K eine massive Ungleichbehandlung im Verhältnis zu den Personen, die die Therme weiter benutzen dürfen. Das könnte gegen Art. 3 I GG verstoßen.
aa) Ähnlich wie bei Art. 2 I GG entnimmt das BVerfG dem allgemeinen Gleichheitssatz kein allgemeines Gebot zur grundsätzlichen Gleichbehandlung im Privatrecht. Zu der Verfassungsbeschwerde des früheren NPD-Vorsitzenden gegen ein Hausverbot für die Zukunft hat es in NJW 2019, 3769 unter Rdnr. 6 ausgeführt: „ Art. 3 Abs. 1 GG enthält kein objektives Verfassungsprinzip, wonach die Rechtsbeziehungen zwischen Privaten von diesen prinzipiell gleichheitsgerecht zu gestalten wären. Denn es gehört zur Freiheit jeder Person, nach eigenen Präferenzen darüber zu bestimmen, mit wem sie wann unter welchen Bedingungen welche Verträge abschließen und wie sie hierbei von ihrem Eigentum Gebrauch machen will… Ein allgemeiner Grundsatz, wonach private Vertragsbeziehungen jeweils den Rechtfertigungsanforderungen des Gleichbehandlungsgebots unterlägen, folgt aus Art. 3 Abs. 1 GG auch im Wege der mittelbaren Drittwirkung nicht (vgl. BVerfGE 148, 267, 283 Rn. 40).“ Dieser Rspr. hat sich der BGH im vorliegenden Fall angeschlossen, vgl. [16].
bb) Für spezifische Konstellationen gelten aber Ausnahmen, bei denen Art. 3 I GG anwendbar ist (BVerfGE 148, 267 Rdnr. 41; NJW 2019, 3769 Rdnr. 7). Zur ersten Gruppe gehört der im Stadionverbotsfall BVerfGE 148, 267 behandelte Besuch von Fußball-Bundesligaspielen (ähnlich die Zulassung zu einem sozialen Netzwerk wie facebook, Schrader JA 2020, 707; Grünberger/Washington JZ 2019, 1105). BVerfGE 148, 267 Rdnr. 41: Es handelt sich um „ Veranstaltungen, die aufgrund eigener Entscheidung der Veranstalter für ein großes Publikum ohne Ansehen der Person geöffnet werden und die für die Betroffenen in erheblichem Umfang über die Teilnahme am gesellschaftlichen Leben entscheiden. Indem ein Privater eine solche Veranstaltung ins Werk setzt, erwächst ihm von Verfassungs wegen eine besondere rechtliche Verantwortung. Er darf seine hier aus dem Hausrecht…resultierende Entscheidungsmacht nicht dazu nutzen, bestimmte Personen ohne sachlichen Grund von einem solchen Ereignis auszuschließen. Die verfassungsrechtliche Anerkennung des Eigentums als absolutes Recht und die daraus folgende einseitige Bestimmungsmacht des Hausrechtsinhabers ist hier, anknüpfend an die Sozialbindung des Eigentums (Art. 14 Abs. 2 GG), mit der von den Gerichten zu beachtenden Ausstrahlungswirkung des Gleichbehandlungsgebots in Ausgleich zu bringen.“ Es handelt sich um eine einem Kontrahierungszwang ähnliche Rechtslage (K. Schmidt JuS 2020, 980 mit Fn. 13). Dem folgt auch der BGH ([16]).
Zur Frage, ob diese Voraussetzungen im vorliegenden Fall erfüllt sind, nimmt BGH [20] wie folgt Stellung: Bei einer Therme handelt es ich um eine Einrichtung, die aufgrund eigener Entscheidung des Betreibers einem großen Publikum ohne Ansehen der Person geöffnet wird… Der Betreiber behält sich typischerweise nicht in jedem Einzelfall eine individuelle Entscheidung darüber vor, ob er demjenigen, der die Therme besuchen will, Einlass gewährt, sondern macht den Zutritt allein von der Entrichtung des Entgelts und davon abhängig, dass sich der Besucher an die für die Benutzung der Therme aufgestellten Regeln hält. Der Identität des einzelnen Besuchers, die der Betreiber zumeist gar nicht erfährt, kommt regelmäßig keine Bedeutung zu.
Zu der weiteren Voraussetzung, ob die Therme für die Besucher, insbesondere für K, in erheblichem Umfang Bedeutung für ihr gesellschaftliches Leben hat, führt BGH [22, 23] aus: Aus der objektivierten Sicht des Betreibers ist eine Therme eine Einrichtung, die bei typisierender Betrachtung für die Gäste der Erholung und Entspannung und, soweit sie - wie hier - einen Saunabereich aufweist, auch der Ruhe und der Förderung der Gesundheit dient. Ungeachtet der unterschiedlichen Leistungsangebote verschiedener Thermen sind diese Leistungen prinzipiell austauschbar. Für den Gast kommt es typischerweise nicht darauf an, eine ganz bestimmte Therme besuchen zu können. Insoweit liegt es anders als bei einem Bundesligaspiel, das der Fußballfan gerade wegen der Beteiligung einer bestimmten Mannschaft besucht und bei dem er sich nicht auf den Besuch eines anderen Spiels verweisen lassen will. Auch ist die Bedeutung einer Therme für die Gesellschaft weit geringer als es der große Unterhaltungswert des Profifußballs ist.
Soweit K sich auf freundschaftliche Beziehungen zu anderen Besuchern und Kontaktmöglichkeiten mit ihnen beruft, liegt darin eine gewisse, aber nur geringe Bedeutung für das gesellschaftliche Leben. BGH [22, 23] Die Kommunikation unter den Gästen gibt einer Therme nicht ihr Gepräge. Im Vordergrund der Leistung des Betreibers stehen das Bade- und ggf. Saunaangebot… Für die Beurteilung, ob eine Einrichtung erhebliche Bedeutung für die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben hat, kommt es nicht auf besondere Übungen, Bedürfnisse oder Interessen des einzelnen Besuchers an, sondern darauf, für welche Art der Nutzung der Betreiber seine Einrichtung aus objektivierter Sicht willentlich geöffnet hat. Nur wenn der Private eine Einrichtung betreibt und für den allgemeinen Publikumsverkehr öffnet, die bei objektiv-typisierender Betrachtung erhebliche Bedeutung für die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben hat, erscheint die Anwendung des Grundrechts aus Art. 3 Abs. 1 GG…und die damit verbundene Einschränkung des Hausrechts gerechtfertigt. Letzteres ist hier nicht der Fall.
[21] Folglich ist eine Therme keine Einrichtung, die für die Betroffenen in erheblichem Umfang über die Teilnahme am gesellschaftlichen Leben entscheidet (ebenso für ein Wellnesshotel BVerfG NJW 2019, 3769 Rn. 8). Somit lässt sich die Anwendung des Art. 3 I GG nicht über die Grundsätze begründen, die im Stadionverbotsfall entwickelt wurden.
cc) Ferner beschränkt Art. 3 I GG die Entscheidungsmacht privater Träger, die über ein Monopol oder eine ähnliche strukturelle Überlegenheit verfügen (BVerfGE 148, 267 Rdnr. 42; BVerfG NJW 2019, 3769 Rdnr. 7). Dazu BGH im vorliegenden Fall, [25] B hat auch keine Monopolstellung, aus der sich gleichheitsrechtliche Anforderungen für das Verhältnis zu den Gästen ergeben könnten (…). Nach dem Vortrag der K befinden sich in einer Entfernung von 20 bzw. 30 km von der Therme der B weitere Bäder und Saunen. Dass die Therme der B am Wohnort der K liegt und somit für diese besonders einfach zu erreichen ist, begründet keine Monopolstellung der B.
Ergebnis zu 4.: Weder Art. 2 I GG noch Art. 3 I GG sind auf das Rechtsverhältnis zwischen K und B anwendbar. Insbesondere liegt keine relevante Ungleichbehandlung vor, so dass B auch keinen sachlichen Grund für das Hausverbot benötigte und dieses auch nicht begründen musste.
Gesamtergebnis: Das Hausverbot richtet sich allein nach Privatrechtrecht. Danach verstieß es weder gegen vertragliche Ansprüche der K noch war es wegen Verletzung des Persönlichkeitsrechts der K rechtswidrig; K hat deshalb keinen Beseitigungsanspruch auf Rücknahme des Hausverbots. Die Klage ist als unbegründet abzuweisen.
Ergänzende Hinweise: Die weitere Fallgruppe, dass ein Hausverbot diskriminierend und nach § 19 Allg. Gleichbehandlungsgesetz (AGG) unzulässig ist (vgl. BGH NJW 2012, 1725 Rdnr. 9; Weller/Schulz NJW 2020, 3385), brauchte hier nicht angesprochen zu werden, weil dafür keine Anhaltspunkte bestanden. – Den Kaufpreis für die nicht verbrauchten Eintrittskarten muss B der K aber erstatten; im Originalfall hatte die Beklagte den Antrag der K auf Erstattung anerkannt (BGH [2]).
Zusammenfassung