Bearbeiter: Dr. Gernot Schmalz-Brüggemann

Quasinegatorischer Unterlassungsanspruch analog § 1004 BGB. Recht am eigenen Bild, § 22 KUG; abgestuftes Schutzkonzept nach §§ 22, 23 KUG. Bildnis und Person der Zeitgeschichte, § 23 I Nr. 1 KUG. Allgemeines Persönlichkeitsrecht, § 823 I BGB. Abwägung zwischen Persönlichkeitsrecht und Pressefreiheit bei Bild- und Wortveröffentlichung.

BGH Urteil vom 7.7.2020 (VI ZR 246/19) NJW 2020, 3715

Fall (PromiScheidung)

AE ist eine bekannte Schauspielerin, Moderatorin und Komikerin (im BGH-Fall, dem dieser Sachverhalt nachgebildet ist: Anke Engelke). Sie heiratete im Alter von 40 Jahren in zweiter Ehe den ebenfalls bekannten Musiker F. AE und F traten regelmäßig in der Öffentlichkeit und in TV-Shows zusammen auf. Nach zehn Jahren Ehe trennten sich AE und F, was AEs Anwalt auf Anfrage einer Zeitschrift bestätigte. Nach weiteren zwei Jahren ließen sie sich scheiden.

Die V-AG ist Verlegerin der BILD-Zeitung. Diese berichtete über den Scheidungstermin vor dem Amtsgericht, der unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfand, und nannte dabei auch die Namen von AE und F. Der auf der Titelseite mit „AE lässt sich scheiden" angekündigte Artikel enthielt einen Bericht und zwei Fotos. Ein großes Foto, vor dem Verhandlungsraum aufgenommen, zeigt die mit Mütze, Schal und Mantel bekleidete AE mit abgewandtem Gesicht im Halbprofil von hinten, daneben F, der im Profil zu sehen ist (Begleittext zu dem Foto: „Hier treffen sich AE und ihr zweiter Ehemann F vor dem Scheidungsrichter"). Ein kleines Foto, im öffentlichen Raum vor dem Gerichtsgebäude aufgenommen, zeigt AE in derselben Bekleidung im Halbprofil von vorn (Begleittext: „Comedy-Star AE"). Der Text der Wortberichterstattung lautet auszugsweise: „Getrennt sind sie seit zwei Jahren - jetzt geht’s um die Scheidung! Am Mittwoch traf Entertainerin AE ihren Ehemann F vor Gericht. 10 Jahre hielt die Beziehung - das Treffen im Saal 119 des Amtsgerichts war schon nach 14 Minuten vorbei. Der Startschuss für ihre Ehe war ein besonderer Tag: AE heiratete F an ihrem 40. Geburtstag. Das Paar hat zwei Kinder. Nur zwei Monate nach der Trennung bekam F mit seiner neuen Freundin eine Tochter. Für AE ist es bereits die zweite gescheiterte Ehe.“

AE verlangt von V Unterlassung der Veröffentlichung der beiden Fotos und der Wortberichterstattung, soweit sie davon betroffen ist, und beabsichtigt eine Klage. Sie beruft sich auf ihr Recht an ihrem Bild, ihr Persönlichkeitsrecht und ihr Recht auf informationelle Selbstbestimmung. Die Vorgänge um ihre Scheidung gehörten zu ihrer Privatsphäre und müssten davor geschützt werden, in die Öffentlichkeit getragen zu werden. Vor allem brauche sie nicht hinzunehmen, in einer sie belastenden Situation unvorteilhaft in den Medien dargestellt zu werden. V verweigert die Abgabe einer Unterlassungserklärung unter Berufung auf die Pressefreiheit und das Informationsinteresse der Öffentlichkeit. Der Leserschaft werde damit deutlich gemacht, dass auch in einem reiferen Alter geschlossene Ehen Prominenter zu einer Scheidung führen können. Durch die Mitteilung ihres Anwalts von der Trennung gegenüber einer Zeitschrift habe AE selbst den Weg in die Öffentlichkeit begangen. Ist der Unterlassungsanspruch begründet?

Lösung

Vorbemerkung: Das Urteil des BGH wird besprochen von Gounalakis NJW 2020, 3692.

A. Für den Unterlassungsanspruch bedarf es einer auf Unterlassung gerichteten Anspruchsgrundlage. AE beruft sich auf ihre Rechte an ihrem Bild, an ihrer Persönlichkeit und auf informationelle Selbstbestimmung. Zwar kommen diese Rechte als verletzt in Betracht, jedoch ist nicht ohne weiteres ersichtlich, wie sich aus diesen Rechten Unterlassungsansprüche ergeben können. Das BGB gewährt Beseitigungs- und Unterlassungsansprüche zugunsten des Eigentums in § 1004 I, zugunsten anderer dinglicher Rechte (z. B. in § 1134 zugunsten einer Hypothek) und in § 12 zugunsten des Namensrechts, nicht jedoch zugunsten anderer Persönlichkeitsrechte. Da aber auch für diese anderen Rechte Durchsetzungsmöglichkeiten in Form von Beseitigungs- und Unterlassungsansprüche bestehen müssen, sind seit Langem Beseitigungs- und Unterlassungsansprüche zugunsten eines jeden in §§ 823 ff. BGB oder in einem anderen Gesetz absolut geschützten Rechts oder Rechtsguts anerkannt. Zu diesem Zweck wird § 1004 I 1, 2 BGB auf diese Rechtspositionen analog angewendet (bezeichnet als quasinegatorischer Beseitigungs- und Unterlassungsanspruch; dazu Mäsch JuS 2019, 588 m. Nachw. Fn. 12; BGH NJW 2018, 1820 im Fall der Veröffentlichung von Fotos eines früheren Bundespräsidenten). Somit ergibt sich die im vorliegenden Fall zu prüfende Anspruchsgrundlage aus § 1004 I 2 BGB analog i. V. mit einem in §§ 823 ff. BGB oder einem anderen Gesetz geschützten Recht oder Rechtsgut. Ein solches Recht kann insbesondere ein Persönlichkeitsrecht sein.

B. In den Fällen der Veröffentlichung von Fotos einer Person enthalten §§ 22, 23 Kunsturhebergesetz (KUG) eine Konkretisierung des Persönlichkeitsrechts. Deshalb ist zunächst der Unterlassungsanspruch wegen der Fotos zu behandeln (der Anspruch auf Unterlassung der Wortberichterstattung folgt unter C).

I. BGH [10] Die Zulässigkeit von Bildveröffentlichungen ist…nach dem abgestuften Schutzkonzept der §§ 22, 23 KUG zu beurteilen (grundlegend BGHZ 171, 275 Rn. 9 ff.; vgl. hiernach BGHZ 180, 114 Rn. 9; NJW 2017, 804 Rn. 5; jeweils m. w. N.), das sowohl mit verfassungsrechtlichen Vorgaben (vgl. BVerfGE 120, 180, 211) als auch mit der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte in Einklang steht (vgl. EGMR NJW 2012, 1053 Rn. 114 ff.; NJW 2014, 1645, Caroline v. Monaco III). Danach dürfen Bildnisse einer Person grundsätzlich nur mit deren Einwilligung verbreitet werden (§ 22 Satz 1 KUG)… Die nicht von der Einwilligung des Abgebildeten gedeckte Verbreitung seines Bildes ist nur zulässig, wenn dieses Bild dem Bereich der Zeitgeschichte oder einem der weiteren Ausnahmetatbestände des § 23 Abs. 1 KUG positiv zuzuordnen ist und wenn berechtigte Interessen des Abgebildeten nicht verletzt werden (§ 23 Abs. 2 KUG). Diese Grundsätze sind unter III. anzuwenden.

II. Zuvor ist zu prüfen, ob §§ 22, 23 KUG wegen eines Vorrangs der Datenschutz-Grundverordnung (DS-GVO) unanwendbar sind.

1. Die Fotos enthalten zumindest im Zusammenhang mit dem Begleittext Informationen über AE, sind also personenbezogene Daten, die sich auf eine identifizierbare Person beziehen (Art. 4 Nr. 1 DS-GVO) und durch Verbreitung verarbeitet werden (Art. 4 Nr. 2 DS-GVO). Grundsätzlich enthält die DS-GVO eine unmittelbar geltende und vorrangige Regelung des Datenschutzes in der EU. Es gibt aber Öffnungsklauseln zugunsten des nationalen Rechts.

2. Eine solche Öffnungsklausel enthält das sog. Medienprivileg nach Art. 85 DS-GVO. Dessen Absatz 1 bestimmt: „Die Mitgliedstaaten bringen durch Rechtsvorschriften das Recht auf den Schutz personenbezogener Daten gemäß dieser Verordnung mit dem Recht auf freie Meinungsäußerung und Informationsfreiheit, einschließlich der Verarbeitung zu journalistischen Zwecken…, in Einklang.“ Nach Absatz 2 sind dabei Abweichungen oder Ausnahmen u. a. zugunsten der Datenverarbeitung zu journalistischen Zwecken möglich. Zu diesen Vorschriften gehören §§ 22, 23 KUG sowie die - unter C. auf die Wortberichterstattung anzuwendenden - allgemeinen Vorschriften über Unterlassungsansprüche (§§ 1004 I 2, 823 BGB; Sajuntz NJW 2020, 586). Sie bleiben deshalb anwendbar. BGH [11] Der Anwendbarkeit der §§ 22, 23 KUG steht im hier betroffenen journalistischen Bereich die Datenschutz-Grundverordnung (DS-GVO) schon deshalb nicht entgegen, weil die Länder aufgrund der Öffnungsklausel des Art. 85 DS-GVO Datenverarbeitungen zu journalistischen Zwecken von den die Rechtmäßigkeit der Datenverarbeitung betreffenden Vorschriften in Art. 6 und Art. 7 DS-GVO ausgenommen haben (so z.B. …§ 12 Landespressegesetz NRW) und die §§ 22, 23 KUG im Hinblick auf die Beurteilung der Zulässigkeit von Bildveröffentlichungen im journalistischen Bereich als die Öffnungsklausel des Art. 85 DS-GVO ausfüllende Gesetze anzusehen sind (vgl. zum sog. Medienprivileg BVerfG AfP 2020, 35 Rn. 11 f., 74; zum Meinungsstand in der Literatur vgl. Lauber-Rönsberg, AfP 2019, 373 Rn. 29 ff.; Cornils in BeckOK InfoMedienR, 28. Ed., DS-GVO Art. 85 Rn. 114 ff. jeweils m. w. N.).

III. Nunmehr ist das abgestufte Schutzkonzept der §§ 22, 23 KUG (oben B I) anzuwenden.

1. Bei den abgedruckten Fotos handelt es sich um Bildnisse einer Person. Die nach § 22, 1 KUG grundsätzlich erforderliche Einwilligung zur Verbreitung hat AE nicht erteilt. Folglich liegt ein Eingriff in das Persönlichkeitsrecht der AE in Form des Rechts am eigenen Bild vor, der rechtfertigungsbedürftig ist (BVerfG NJW 2011, 740 Rn. 52).

2. Rechtfertigungsgrund nach § 23 I Nr.1 KUG ist, wenn es sich um ein Bildnis aus dem Bereich der Zeitgeschichte handelt. Das ist insbesondere der Fall, wenn die abgebildete Person eine Person der Zeitgeschichte ist. Diese Ausnahme besteht vor allem zum Schutz der Presse und anderen Medien und zugleich im Interesse der Öffentlichkeit an einer entsprechenden Information.

a) BGH [13, 14] Maßgebend für die Frage, ob es sich um ein Bildnis aus dem Bereich der Zeitgeschichte handelt, ist der Begriff des Zeitgeschehens. Dieser darf nicht zu eng verstanden werden. Im Hinblick auf den Informationsbedarf der Öffentlichkeit umfasst er nicht nur Vorgänge von historisch-politischer Bedeutung, sondern ganz allgemein das Geschehen der Zeit, also alle Fragen von allgemeinem gesellschaftlichem Interesse. Er wird mithin vom Interesse der Öffentlichkeit bestimmt (BGH VersR 2018, 1136 Rn. 11; NJW 2017, 804 Rn. 7)… Auch unterhaltende Beiträge, etwa über das Privat- und Alltagsleben prominenter Personen, nehmen grundsätzlich an diesem Schutz teil, ohne dass dieser von der Eigenart oder dem Niveau des jeweiligen Beitrags oder des Presseerzeugnisses abhängt. Gerade prominente Personen können der Allgemeinheit Möglichkeiten der Orientierung bei eigenen Lebensentwürfen bieten sowie Leitbild- und Kontrastfunktionen erfüllen. Auch Aspekte aus ihrem Privatleben wie beispielsweise die Normalität ihres Alltagslebens können der Meinungsbildung zu Fragen von allgemeinem Interesse dienen (BVerfG NJW 2017, 1376 Rn. 15 m. w. N.). Nach Gounalakis NJW 2020, 3693 gehören zu den Personen der Zeitgeschichte „Politiker, Schauspieler, Moderatoren, Sänger, Dichter, Sportler, Wirtschaftsgrößen, Prinzessinnen und Prinzen“.

b) BGH [16] Jedoch ist das Informationsinteresse nicht schrankenlos geschützt. Nicht alles, wofür sich Menschen aus Langeweile, Neugier oder Sensationslust interessieren, rechtfertigt dessen visuelle Darstellung in der breiten Medienöffentlichkeit. Insbesondere kann das Persönlichkeitsrecht die Veröffentlichung von Pressefotos beschränken. Entsprechend dem Zweck der §§ 22, 23 I Nr. 1 KUG, sowohl die Pressefreiheit als auch das Persönlichkeitsrecht zu schützen, ist (so BGH [10]) schon bei der Beurteilung, ob ein Bild dem Bereich der Zeitgeschichte zuzuordnen ist, eine Abwägung zwischen den Rechten des Abgebildeten aus Art. 2 Abs. 1 i. V. mit Art. 1 Abs. 1 GG einerseits und den Rechten der Presse aus Art. 5 Abs. 1 GG andererseits vorzunehmen (BGHZ 171, 275 Rn. 14; NJW 2017, 804 Rn. 5; jeweils m. w. N.). [17] Es bedarf mithin einer abwägenden Berücksichtigung der kollidierenden Rechtspositionen. Die Belange der Medien sind dabei in einen möglichst schonenden Ausgleich mit dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht des von einer Berichterstattung Betroffenen zu bringen (…). Diese Abwägung ist bereits auf der zweiten Stufe des Schutzkonzepts und im vorliegenden Fall beim Begriff der Zeitgeschichte (§ 23 I Nr. 1 KUG) vorzunehmen. Wegen dieses Abwägungsgebots lässt sich der Begriff der Zeitgeschichte nicht abschließend definieren.

c) Bei der Abwägung sind die folgenden Aspekte wesentlich.

aa) BGH [18, 19] Im Rahmen der Abwägung kommt dem Gegenstand der Berichterstattung maßgebliche Bedeutung zu, wobei der Informationsgehalt einer Bildberichterstattung im Gesamtkontext, in den das Personenbildnis gestellt ist, zu ermitteln ist, insbesondere unter Berücksichtigung der zugehörigen Textberichterstattung (…). Zu prüfen ist, ob die Medien im konkreten Fall eine Angelegenheit von öffentlichem Interesse ernsthaft und sachbezogen erörtern, damit den Informationsanspruch des Publikums erfüllen und zur Bildung der öffentlichen Meinung beitragen, oder ob sie lediglich die Neugier der Leser nach privaten Angelegenheiten prominenter Personen befriedigen (…). Je größer der Informationswert für die Öffentlichkeit ist, desto mehr muss das Schutzinteresse desjenigen, über den informiert wird, hinter den Informationsbelangen der Öffentlichkeit zurücktreten. Umgekehrt wiegt der Schutz der Persönlichkeit des Betroffenen umso schwerer, je geringer der Informationswert für die Allgemeinheit ist (BGHZ 171, 275 Rn. 20). Bei der Prüfung der Frage, ob und in welchem Ausmaß die Berichterstattung einen Beitrag zur öffentlichen Meinungsbildung leistet und welcher Informationswert ihr damit beizumessen ist, ist von erheblicher Bedeutung, welche Rolle dem Betroffenen in der Öffentlichkeit zukommt.

bb) BGH [20] Für die Gewichtung der Belange des Persönlichkeitsschutzes ist neben den Umständen der Gewinnung der Abbildung, etwa durch Ausnutzung von Heimlichkeit und beharrlicher Nachstellung, bedeutsam, in welcher Situation der Betroffene erfasst und wie er dargestellt wird (…). Das Gewicht der mit der Abbildung verbundenen Beeinträchtigungen des Persönlichkeitsrechts ist erhöht, wenn der Betroffene nach den Umständen, unter denen die Aufnahme gefertigt wurde, typischerweise die berechtigte Erwartung haben durfte, nicht in den Medien abgebildet zu werden, etwa weil er sich in einer durch Privatheit geprägten Situation, insbesondere einem besonders geschützten Raum, aufhielt (BVerfG NJW 2017, 1376 Rn. 17; BVerfGE 120, 180, 207). Dabei erfordern Privatheit und die daraus abzuleitende berechtigte Erwartung, nicht in den Medien abgebildet zu werden, nicht notwendig eine durch räumliche Abgeschiedenheit geprägte Situation. Vielmehr können sie auch außerhalb örtlicher Abgeschiedenheit entstehen (vgl. zu Momenten der Entspannung oder des Sich-Gehen-Lassens außerhalb der Einbindung in die Pflichten des Berufs und des Alltags BVerfGE 120, 180, 207).

cc) Stets abwägungsrelevant ist die Intensität des Eingriffs in das allgemeine Persönlichkeitsrecht (vgl.…BVerfGE 120, 180, 209). Hierbei lassen sich verschiedene Sphären mit einer unterschiedlichen Schutzintensität unterscheiden: Die Sozialsphäre umfasst den Bereich, innerhalb dessen sich der Einzelne im Kontakt mit anderen entfaltet, insbesondere bei einem Handeln in der Öffentlichkeit. Hier ist ein Schutz nur ausnahmsweise, im Fall eines überwiegenden Persönlichkeitsinteresses gerechtfertigt. Zur Privatsphäre gehören der häusliche Bereich, der private Besuch einer Gaststätte (BGHZ 131, 341/2), das nichtöffentlich gesprochene Wort (BVerfGE 34, 238, 246). Sie ist grundsätzlich geschützt, es sei denn, dass überwiegende Interessen der Allgemeinheit oder Dritter Vorrang haben (BVerfGE 34, 249; 80, 373). Den stärksten Schutz erhält die Intimsphäre und Geheimsphäre, der „absolut geschützte Kernbereich privater Lebensgestaltung“ (BVerfGE 80, 367, 380/1), der sich mit dem über die Würde des Menschen (Art 1 I GG) geschützten Bereich deckt.

d) Davon ausgehend ist die Abwägung im vorliegenden Fall vorzunehmen.

aa) BGH [23-25] Zwar lässt sich ein gewisses Informationsinteresse der Öffentlichkeit an der Bildberichterstattung unter Berücksichtigung der sie begleitenden Wortberichterstattung nicht verneinen. AE ist eine der bekanntesten deutschen Komikerinnen, die seit langer Zeit in der Öffentlichkeit präsent ist, so dass Informationen zu ihrer Beziehung aufgrund ihrer Leitbild- und Kontrastfunktion durchaus einen Informationswert für die Öffentlichkeit haben können, zumal sie mit ihrem zweiten Ehemann, der ebenfalls als Musiker bekannt ist, gemeinsam in der Öffentlichkeit - auch beruflich - aufgetreten ist. Jedoch beschränkt sich der Informationsgehalt der begleitenden Wortberichterstattung im Wesentlichen auf die Mitteilung, dass dieser Termin stattfand, die private Trennung also in ein Scheidungsverfahren mündete. Ob es tatsächlich zur Scheidung kam, erfährt der Leser nicht. Der Artikel leistet im Hinblick auf das Scheidungsverfahren keinen substantiellen Beitrag zur öffentlichen Meinungsbildung. Die von V benannte Erkenntnis, dass auch im reiferen Alter geschlossene Ehen Prominenter zu einer Scheidung führen können, ist eine ziemlich fernliegende Schlussfolgerung und auch ohne nennenswertes Gewicht. Der bereits danach geringe Schutz durch einen Informationswert wird weiter dadurch gemindert, dass das Scheidungsverfahren nicht öffentlich war (§ 170 GVG), so dass auch deshalb das berechtigte Interesse der Öffentlichkeit an einer Information über die Tatsache, dass ein Termin im Scheidungsverfahren stattfand, als gering zu werten ist.

bb) AE durfte erwarten, dass der Scheidungstermin kein Grund dafür war, dass sie fotografiert und anschließend in der Presse abgebildet wurde. BGH [29] Die für die berechtigte Erwartung der Betroffenen, nicht in den Medien abgebildet zu werden, erforderliche private Prägung der Aufnahmesituation ergibt sich aus der Darstellung der AE in der besonderen Situation der dem Familienbereich zuzurechnenden Konfrontation mit ihrem früheren PartnerDiese Situation wird für die Öffentlichkeit fixiert und ihr vorgeführt, wie AE in einer familiären Ausnahmesituation aussieht und sich verhält. Damit ist AE in ihrer Privatsphäre und nicht nur in der Sozialsphäre betroffen… Das gilt auch für das kleinere Foto, das in engem zeitlichen Zusammenhang mit der größeren Abbildung aufgenommen wurde. Beide Fotos enthalten einen mehr als geringfügigen Eingriff in die grundsätzlich geschützte Privatsphäre und damit in das Persönlichkeitsrecht, so dass AE ein Schutz zuzubilligen ist, gegenüber dem das - geringe - Informationsinteresse der Öffentlichkeit und der V zurückzutreten hat.

cc) Zwar kann zu Lasten der Betroffenen gewertet werden, wenn sie sich selbst in die Öffentlichkeit gedrängt hat („Selbstöffnung“, BGH NJW 2018, 1820; [31]). Jedoch reicht die bloße Auskunft des Anwalts der AE als Selbstöffnung nicht aus, zumal die Auskunft bereits zwei Jahre zurücklag und weitere Aktivitäten in der Scheidungssache gegenüber den Medien nicht bekannt sind (BGH [32]).

BGH [21] Somit fällt die im Rahmen des § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG vorzunehmende Abwägung zugunsten des allgemeinen Persönlichkeitsrechts der AE - in seiner Ausprägung als Recht am eigenen Bild - aus. Die angegriffenen Fotos sind keine Bildnisse der Zeitgeschichte.

3. Sollte - anders als nach vorstehenden Überlegungen B III 2 d) - die Abwägung zur Bejahung eines Bildnisses der Zeitgeschichte geführt haben (was wegen der gebotenen weiten Auslegung durchaus vertretbar wäre; vgl. oben B III 2 a) und Gounalakis NJW 2020, 3695), würde sich am Ergebnis nichts ändern. Denn dann wäre die dritte Stufe des Schutzkonzepts (oben B I) anzuwenden (so die Hilfserwägung des BerGer. im Originalfall, BGH [5]). Nach § 23 II KUG ist auch die Veröffentlichung eines Bildnisses der Zeitgeschichte unzulässig, wenn ein berechtigtes Interesse der Abgebildeten verletzt wird. AE hat ein berechtigtes Interesse daran, nicht in einer sie belastenden Situation unvorteilhaft in den Medien dargestellt zu werden. Denn auch wenn eine Scheidung heutzutage nicht mehr gesellschaftlich geächtet ist, handelt es sich doch um ein für die Betroffene abträgliches und unerwünschtes Ereignis. Gerade eine Schauspielerin aus dem Unterhaltungsfach hat ein Interesse daran, nicht in einer für sie negativen Lebenssituation der Öffentlichkeit präsentiert zu werden. Dieses Interesse wird durch die Fotos verletzt und steht einer Veröffentlichung entgegen.

IV. Angesichts der Weigerung der V, eine Unterlassungserklärung abzugeben, ist mit einer weiteren, unzulässigen Veröffentlichung zu rechnen, so dass der Anspruch aus § 1004 I 2 BGB analog i. V. §§ 22, 23 KUG begründet ist. AE kann von V Unterlassung einer Veröffentlichung der beiden Fotos verlangen.

C. AE könnte auch ein Anspruch auf Unterlassung der Veröffentlichung der Text- bzw. Wortberichterstattung zustehen. Anspruchsgrundlage ist § 1004 I 2 analog i. V. mit § 823 I BGB. An die Stelle der oben B. geprüften §§ 22, 23 KUG tritt das nach § 823 I BGB als sonstiges, absolutes Recht geschützte allgemeine Persönlichkeitsrecht (Omlor JuS 2018, 487 m. w. N. Fn. 2). Es wurde aus Art. 1 I, 2 I GG entwickelt, ist inzwischen aber im Privatrecht gewohnheitsrechtlich anerkannt.

I. Die Wortberichterstattung müsste einen Eingriff in das Persönlichkeitsrecht der AE enthalten.

1. BGH [34, 35] Zum Schutzbereich des Persönlichkeitsrechts gehört das Recht auf Achtung der Privatsphäre… Es umfasst insbesondere Angelegenheiten, die wegen ihres Informationsinhalts typischerweise als „privat" eingestuft werden (st. Rspr.; vgl. nur BGH VersR 2018, 1198 Rn. 11 m. w. N.). Zur Privatsphäre gehören grundsätzlich auch - in Abhängigkeit von Detailreichtum und Tiefe der Informationen - Vorfälle aus dem Familienbereich, familiäre Auseinandersetzungen und die Ausgestaltung und eigene Bewertung familiärer Beziehungen.

Bei der Einleitung und Durchführung eines Scheidungsverfahrens handelt es sich um eine familiäre Angelegenheit, die als privat einzustufen ist, auch wenn das Ergebnis dieses Verfahrens, die Scheidung samt deren rechtlichen Folgen (z.B. dem Wechsel des Personenstandes), die Sozialsphäre betreffen kann… Die in § 170 GVG zum Ausdruck kommende Entscheidung des Gesetzgebers, zum Schutz der Privat- und Intimsphäre der Betroffenen das Scheidungsverfahren vor der Öffentlichkeit zu schützen, ist auch hinsichtlich der Tatsache der Durchführung des Scheidungsverfahrens an sich und seiner äußeren Umstände wie Ort und Zeitpunkt der Gerichtstermine zu berücksichtigen, indem auch diese Umstände der Privatsphäre zugeordnet werden.

2. Folglich enthält die Berichterstattung über das Scheidungsverfahren - und die Ehedauer - einen Eingriff in das Persönlichkeitsrecht von AE in der Form des Rechts auf Achtung der Privatsphäre (entspricht den Ausführungen oben B III 2 d bb).

II. Zur Begründung eines Unterlassungsanspruchs muss der Eingriff rechtswidrig sein.

1. BGH [39, 40] Die Zulässigkeit einer Textberichterstattung richtet sich nicht nach denselben Maßstäben wie die einer Bildberichterstattung (BGH VersR 2018, 1136 Rn. 28 ff.; BGHZ 187, 200 Rn. 8 ff.; vgl. BVerfG, NJW 2011, 740 Rn. 52). Die vom Regel-Ausnahme-Prinzip der §§ 22, 23 KUG geprägte Gewährleistung des Rechts am eigenen Bild ist vom Schutz des Einzelnen vor der Verbreitung ihn betreffender Äußerungen in den Medien zu unterscheiden. Der stärkere Schutz durch das Recht am eigenen Bild (§§ 22, 23 KUG) hat seinen Grund darin, dass es gegenüber einer Wortberichterstattung typischerweise einen ungleich stärkeren Eingriff in die persönliche Sphäre bedeutet, wenn jemand das Erscheinungsbild einer Person in einer Lichtbildaufnahme oder einem Film fixiert, es sich so verfügbar macht und der Allgemeinheit vorführt. Demgegenüber ist das bei der Wortberichterstattung anwendbare allgemeine Persönlichkeitsrecht - ebenso wie das Recht am Gewerbebetrieb - ein Rahmenrecht (BGH NJW 2017, 2029 Rn. 23; Omlor JuS 2018, 488), bei dem die Rechtswidrigkeit positiv festgestellt werden muss und der Schutz vor Worten und Texten deshalb von vornherein nur nach Maßgabe einer Güterabwägung gewährt wird. Folglich ist der Eingriff in das Persönlichkeitsrecht durch einen veröffentlichten Text nur dann rechtswidrig, wenn das Schutzinteresse des Betroffenen die schutzwürdigen Belange der anderen Seite überwiegt (st. Rspr.; vgl. …BGHZ 209, 139 Rn. 30; 206, 347 Rn. 20; 199, 237 Rn. 22; jeweils m. w. N.).

2. Die im vorliegenden Fall in die Abwägung einzustellenden Rechtsgüter sind ebenso wie oben B III 2b) Pressefreiheit und Persönlichkeitsrecht.

a) Die für die Zulässigkeit der Wortberichterstattung in die Abwägung einzustellende Pressefreiheit hat kein wesentlich anderes Gewicht als bei dem Abdruck der Fotos. Beide beziehen sich aufeinander und ergänzen sich. Also besteht ein gewisses Informationsinteresse der Öffentlichkeit, das aber kein großes Gewicht hat.

b) Demgegenüber könnte die Intensität des Eingriffs in die Persönlichkeitssphäre der AE wesentlich geringer sein. BGH [43] Die Intensität eines Eingriffs in das Persönlichkeitsrecht durch eine Wortberichterstattung ist als gering zu werten, wenn es sich um die Behauptung zutreffender Tatsachen handelt, die entweder belanglos sind oder sich allenfalls oberflächlich mit der Person des Betroffenen beschäftigen, ohne einen tieferen Einblick in ihre persönlichen Lebensumstände zu vermitteln und ohne herabsetzend oder gar ehrverletzend zu sein (BGH VersR 2018, 1136 Rn. 34; NJW-RR 2017, 1516 Rn. 28).

[44] Im Streitfall informiert die angegriffene Wortberichterstattung lediglich über einen tatsächlich durchgeführten Termin im Scheidungsverfahren, enthält aber keine Informationen zum Inhalt des Verfahrens oder zu dessen Hintergrund… Angesichts der bereits öffentlich bekannten und von AE bestätigten Trennung der Eheleute vermittelt die zusätzliche Information, dass diese nunmehr nach zwölf Ehejahren zu einem Scheidungsverfahren geführt hat, keinen tieferen Einblick in die persönlichen Lebensumstände und damit in die Privatsphäre der AE. Der Bericht enthält keine unwahren Aussagen. Auch eine Herabsetzung oder Ehrverletzung ist damit nicht verbunden. Im Gegensatz zu den Fotos werden keine Details zu Erscheinung und Verhalten der AE anlässlich des Scheidungstermins preisgegeben. [42] Der von der Wortberichterstattung ausgehende Eingriff in die durch das allgemeine Persönlichkeitsrecht geschützte - äußere - Privatsphäre der AE ist eher geringfügig.

Nicht in die Abwägung zugunsten AE einzustellen ist das Recht auf informationelle Selbstbestimmung, weil dieses Recht nicht anwendbar ist. Im Anschluss an die Rspr. des BVerfG (NJW 2020, 300 Rn. 90) legt der BGH unter [49] dar, dass dieses Recht zwischen Privaten neben der ungewollten Preisgabe von Daten insbesondere vor deren intransparenter Verarbeitung und Nutzung durch Private schützt… AE wendet sich aber nicht gegen eine Pflicht zur Preisgabe von Daten oder gegen eine intransparente Nutzung ihrer Daten, sondern gegen einen Bericht über sie, der der Information der Öffentlichkeit dient und ihr selbst ohne weiteres zugänglich ist.

BGH [41] Folglich überwiegt das Interesse der AE am Schutz ihrer Persönlichkeit das von V mit der Wortberichterstattung verfolgte Informationsinteresse der Öffentlichkeit und ihr Recht auf Pressefreiheit nicht. Die Wortberichterstattung ist nicht rechtswidrig (BGH [37]). Es besteht kein Anspruch auf Unterlassung der Wortberichterstattung.

Ergebnis: AE kann von V Unterlassung der Bildveröffentlichung verlangen, nicht jedoch Unterlassung der Wortberichterstattung.

Ergänzende Hinweise: Im Wesentlichen gleich entschieden hat der BGH im Urteil vom 10.11.2020, AZ: VI ZR 62/17, MDR 2021, 34. Der Fall betraf einen Wort- und Bildbericht der BILD-Zeitung über die Beerdigung des Piloten, der 1915 ein Germanwings-Flugzeug in den Alpen hat abstürzen lassen; gegen den Bericht hatten die Eltern des Piloten geklagt. Soweit die Klage sich gegen den Text richtete, hatte sie keinen Erfolg; zum Informationsinteresse der Öffentlichkeit kam eine Selbstöffnung der Eltern hinzu (Rn. 34). Untersagt wurden aber die Fotos vom Grab, auch weil ein Katastrophen- bzw. Grabtourismus verhindert werden sollte. - Weitere neue Entscheidungen zu Verletzungen des Rechts am eigenen Bild sind BGH I ZR 120/19, Günter Jauch; I ZR 207/19, Sascha Hehn.


Zusammenfassung