Bearbeiter: Dr. Gernot Schmalz-Brüggemann
► Haftungsübernahme durch Firmenfortführung, § 25 HGB. ► Sukzessive Übernahme des Handelsgeschäfts. ► Veränderung der übernommenen Firmenbezeichnung
BGH Urteil vom 24. 9. 2008 (VIII ZR 192/06) www.bundesgerichtshof.de
Fall (Bodenbau Salur)
Firma K, die spätere Klägerin, stellt Drähte aus Metallen her. Sie stand in Geschäftsbeziehungen zu der „Industrie-Böden Salur GmbH“ (im Folgenden: IB), der sie in den Jahren 2003 und 2004 Stahldraht zu einem Gesamtpreis von 20.995 EUR verkaufte. Diese Lieferungen wurden bisher nicht bezahlt. Im August 2003 wurde die „Fußbodenbau Salur GmbH“, die spätere Beklagte (im Folgenden: B), gegründet. K trat auch mit dieser in Geschäftsbeziehungen. B stellt ebenso wie IB Industrieböden her. Beide Unternehmen waren unter derselben Adresse tätig und hatten dieselben Telefon- und Faxnummern. Alleingesellschafter der IB und Gründungsgesellschafter der B sowie Geschäftsführer beider Firmen war S. Ferner waren mindestens drei Mitarbeiter der IB auch für B tätig. Beide Unternehmen unterhielten jedoch eigene Bankverbindungen.
Zum 30. 6. 2004 stellte IB ihre Geschäfte ein, am 15. 11. wurde über ihr Vermögen das Insolvenzverfahren eröffnet. Nach Auskunft des Insolvenzverwalters sind zu Gunsten der nichtbevorrechtigten Gläubiger wie K keine Ausschüttungen zu erwarten. K verlangt Zahlung der 20.995 EUR von B mit der Begründung, B führe das Handelsgeschäft der IB fort. S habe wegen wirtschaftlicher Schwierigkeiten die Firma IB „ausbluten“ lassen und ihre Aktivposten sukzessive übernommen. B ist demgegenüber der Ansicht, eine Unternehmensnachfolge sei deshalb nicht gegeben, weil beide Unternehmen etwa ein Jahre parallel nebeneinander am Markt tätig waren und eigene Aufträge ausgeführt haben. Ist der Anspruch der K gegen B begründet ?
I. Grundlage für den Zahlungsanspruch der K ist § 433 II BGB. K hat der IB Stahldraht zu einem Kaufpreis von 20.995 EUR verkauft. Dieser Anspruch richtete sich zunächst aber nur gegen IB als Käuferin.
II. Eine Haftung der B für diesen Betrag könnte sich aus § 25 I 1 HGB ergeben. Danach haftet, wer ein unter Lebenden erworbenes Handelsgeschäft unter der bisherigen Firma fortführt, für alle im Betrieb des Geschäfts begründeten Verbindlichkeiten des früheren Inhabers. (§ 25 I 2 trifft eine Regelung im Hinblick auf die Forderungen.)
Der BGH leitet die Prüfung unter Rdnr. 12 wie folgt ein: Nach gefestigter Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs greift die Haftung gemäß § 25 Abs. 1 Satz 1 HGB ein, wenn zwar der Unternehmensträger wechselt, das Unternehmen selbst aus der Sicht des maßgeblichen Verkehrs aber im Wesentlichen unverändert unter der alten Firmenbezeichnung fortgeführt wird (BGH NJW 2006, 1002, Tz. 7 m. w. N.).
1. Erste Voraussetzung des § 25 I 1 ist, dass das ursprüngliche Unternehmen ein Handelsgeschäft ist. Da IB in der Rechtsform der GmbH geführt wurde, war diese nach § 13 III GmbHG eine Handelsgesellschaft und betrieb ein Handelsgeschäft.
2. B müsste das Handelsgeschäft unter Lebenden erworben und fortgeführt haben. Wie sich aus den Ausführungen des BGH Rdnr. 13 (dazu nachfolgend unter a) ergibt, handelt es sich dabei um eine einheitliche Voraussetzung.
a) BGH Rdnr. 13: Von einer Unternehmensfortführung geht der maßgebliche Verkehr aus, wenn ein Betrieb von einem neuen Inhaber in seinem wesentlichen Bestand unverändert weitergeführt wird, der Tätigkeitsbereich, die innere Organisation und die Räumlichkeiten ebenso wie Kunden- und Lieferantenbeziehungen jedenfalls im Kern beibehalten und/oder Teile des Personals übernommen werden (BGH, a. a. O., Tz. 9 m. w. N.). Entgegen der Auffassung der Beklagten kommt es für den Erwerb im Sinne von § 25 Abs. 1 HGB nicht darauf an, ob ein rechtsgeschäftlicher, derivativer Erwerb zugrunde liegt. Erforderlich ist nur die bloße Tatsache der Geschäftsfortführung (BGH, a. a. O., Tz. 9; BGH NJW 1992, 911, unter III 2).
b) Rdnr. 14: Nach den Feststellungen der Vorinstanzen haben B und die IB denselben Unternehmensgegenstand, nämlich die Herstellung von Industrieböden; sie benutzten dieselben Betriebsräumlichkeiten (inklusive der Büroorganisation) und Fax- und Telefonanschlüsse, ferner hat B zumindest drei Angestellte der IB übernommen. Darüber hinaus warb B, obwohl sie erst im August 2003 gegründet wurde, auch gegenüber Kunden der IB mit ihrer langjährigen Fachkompetenz und verwies auf Referenzobjekte, die die IB erstellt hatte.
c) Allerdings erfolgte die Fortführung nicht so wie im Normalfall, dass nach Übernahme das ursprüngliche Unternehmen entfällt und nur noch das Fortgeführte besteht, dass also ein einmaliger Wechsel des Unternehmensträger stattfindet. Das ist nach Auffassung des BGH aber nicht erforderlich. Rdnr. 15: Der Unternehmensfortführung der IB durch B steht auch nicht - anders als das Berufungsgericht meint - entgegen, dass die IB und B vom Zeitpunkt der Gründung der B im August 2003 bis zur Aufgabe des Geschäftsbetriebs durch die IB zum 30. Juni 2004 etwa ein Jahr lang parallel auf dem Markt werbend tätig blieben. Auch eine sukzessiv erfolgende Unternehmensübernahme kann eine Fortführung des Handelsgeschäfts im Sinne von § 25 Abs. 1 HGB sein.
Rdnr. 16, 17: Maßgeblich dafür ist, ob sich für den Rechtsverkehr die Betätigung des übernehmenden Unternehmens als Weiterführung des ursprünglichen Unternehmens in seinem wesentlichen Bestand darstellt (vgl. BGH NJW 1992, 911 unter III 1 m. w. N.). Dies war hier, wie ausgeführt, der Fall. Da B unter der gleichen Anschrift und Telefonnummer wie die IB und teils mit Mitarbeitern der IB gegenüber den Kunden der IB mit deren Referenzobjekten warb, musste der Rechtsverkehr…gerade nicht von zwei konkurrierenden Unternehmen, sondern von einem einheitlichen Unternehmen ausgehen. Hinzu kommt, dass die von der IB einerseits und B andererseits verwendeten Briefbögen sich in ihrer optischen Aufmachung und inhaltlichen Gestaltung so ähneln, dass auch insoweit die Kontinuität eines einzigen Unternehmens aus der maßgeblichen Sicht des Rechtsverkehrs nach außen in Erscheinung tritt.
Somit hat B das Handelsgeschäft der IB übernommen und fortgeführt.
3. Außerdem müsste B die Firma der IB fortgeführt haben.
a) BGH Rdnr. 19: Beim Wechsel des Inhabers ist die Firmenfortführung deshalb eine Voraussetzung für die in § 25 Abs. 1 Satz 1 HGB vorgesehene Haftung, weil in ihr die Kontinuität des Unternehmens nach außen in Erscheinung tritt, welche der tragende Grund für die Erstreckung der Haftung für früher im Betrieb des Unternehmens begründete Verbindlichkeiten des Vorgängers auf seinen Nachfolger ist (…). Dabei kommt es nicht auf eine wort- und buchstabengetreue Übereinstimmung zwischen alter und neuer Firma, sondern nur darauf an, ob aus der Sicht des Verkehrs trotz vorgenommener Änderungen noch eine Fortführung der Firma vorliegt (…). Dies ist dann der Fall, wenn der prägende Teil der alten Firma in der neuen beibehalten wird (BGH NJW-RR 2004, 1172, unter 2…).
b) Rdnr. 20: Der prägende Teil der Firma der IB bestand in der Bezeichnung des Tätigkeitsbereichs „Industrieböden“ in Verbindung mit dem Namen „Salur“. In der Firma der B wird der annähernd gleiche Tätigkeitsbereich „Fußbodenbau“ ebenfalls mit dem Namen „Salur“ verknüpft. Dies reicht zur Annahme einer Firmenfortführung aus.
Somit hat B die Firma der IB fortführt. Die Voraussetzungen für eine Haftung der B aus § 25 I HGB liegen vor.
4. Es könnte ein Haftungsausschluss eingreifen.
a) Nach § 25 II HGB kann zwischen Veräußerer und Erwerber der Firma ein Haftungsausschluss vereinbart werden, der im Falle einer Eintragung im Handelsregister mit anschließender Bekanntmachung oder nach Mitteilung gegenüber dem Dritten auch dem Dritten gegenüber wirksam ist. Eine solche Vereinbarung haben IB und B aber nicht getroffen.
b) BGH Rdnr. 21, 22: Die Insolvenz der IB ist für die Haftung der B aus § 25 Abs. 1 Satz 1 HGB unerheblich. Zutreffend weist das Berufungsgericht zwar darauf hin, dass der Erwerb von Vermögenswerten der IB durch die Beklagte, soweit er vom Insolvenzverwalter der IB erfolgte, keine Haftung nach § 25 Abs. 1 Satz 1 HGB auslöst (BGH NJW 2007, 942…). Hier ist das Unternehmen der IB jedoch schon vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der IB in seinem wesentlichen Bestand unverändert von der Beklagten fortgeführt worden. Dass die IB möglicherweise auch schon vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens insolvent war, ist für die Haftung aus § 25 Abs. 1 HGB demgegenüber irrelevant (…).
Somit bleibst es bei der Haftung der B gemäß § 25 I HGB. Der Anspruch der K gegen B ist begründet.
Zusammenfassung