Bearbeiter: Dr. Gernot Schmalz-Brüggemann
Stand März 2008
Grundfragen des Abtretungsrechts (§§ 398 ff. BGB)
I. Einführung
1. Anwendbar sind die §§ 398 ff.
2. An einer Abtretung, die auch als Zession bezeichnet wird, sind drei Personen beteiligt:
3. Dem Rechtscharakter nach ist die Abtretung, obwohl im Schuldrecht geregelt, kein schuldrechtliches, Verpflichtungen begründendes Rechtsgeschäft, sondern ein Verfügungsgeschäft, der Sache nach eine „Übereignung der Forderung“ (auch wenn diese Ausdrucksweise missverständlich und eher zu vermeiden ist). Also gelten bei ihr gleiche Grundsätze wie bei sachenrechtlichen Verfügungen:
II. Der Tatbestand der Abtretung besteht gemäß § 398, 1 aus
1. einer vertraglichen Einigung zwischen Altgläubiger (Zedent) und Neugläubiger (Zessionar) und
2. der hinreichenden Bestimmung der abzutretenden Forderung in der vertraglichen Einigung. Bei der Übertragung einer zukünftigen Forderung reicht allerdings die Bestimmbarkeit.
(Formvorschriften bestehen grundsätzlich nicht, die Abtretung nach § 398, 1 ist formlos gültig.)
III. Die weiteren Voraussetzungen lassen sich unter dem Begriff der Berechtigung zusammenfassen.
1. Die Forderung muss bestehen. Es gibt grundsätzlich keinen gutgläubigen Erwerb einer Forderung (enger Ausnahmetatbestand: § 405). Grund für diese Andersbehandlung der Abtretung im Vergleich zu den sachenrechtlichen Rechten ist, dass es bei der Abtretung an einem Rechtsscheintatbestand, wie es Besitz und Grundbucheintragung im Sachenrecht sind, fehlt.
2. Der Altgläubiger muss zur Verfügung über die Forderung berechtigt sein, d. h. es darf keine Verfügungsbeschränkung eingreifen (insoweit wie bei den sachenrechtlichen Rechten).
3. Die Abtretbarkeit der Forderung darf nicht ausgeschlossen sein. Kommt das ernsthaft in Betracht, kann sich empfehlen, diese Frage vorweg zu behandeln. (Im folgenden Fall, in dem es um die Abtretbarkeit geht, wird gleichwohl zunächst der Abtretungstatbestand behandelt, um die Falllösung deutlicher auf das entscheidende Problem hinzuführen.)
IV. Rechtsfolgen
1. Der Zessionar wird Inhaber der Forderung und tritt als Einzelrechtsnachfolger an die Stelle des Zedenten (§ 398, 2), der die Forderung verliert. Es erfolgt ein Rechtsinhaberwechsel, vergleichbar dem Eigentumswechsel bei der Übereignung.
2. Mit der Forderung gehen die Nebenrechte des § 401 über, insbesondere die akzessorischen Sicherungsrechte. Auch Auskunfts- und Rechnungslegungsansprüche gehen mit über (Coester-Waltjen Jura 2003, 28; dort auch zum Folgenden).
Ein Blick auf die Zwangsvollstreckung nach ZPO: Die Rechte nach § 401 gehen (gemäß § 412) auch im Falle der Pfändung und Überweisung einer Forderung auf den pfändenden Gläubiger über (BGH NJW-RR 2003, 1555 = JuS 2004, 253).
3. Bei Forderungen aus einem Vertrag geht die Vertragsstellung nicht mit über, der Zedent bleibt also Verkäufer, Vermieter, Werkunternehmer. Deshalb bleiben die vertragsbezogenen Gestaltungsrechte wie die Rechte auf Anfechtung, Rücktritt, Kündigung beim Zedenten.
V. Schuldnerschutz
Der Schuldner wirkt bei der Abtretung nicht mit, braucht insbesondere nicht zuzustimmen. Er ist also nicht aktiv beteiligt, sondern nur Betroffener. Ihm braucht die Abtretung nicht einmal mitgeteilt zu werden. Wird die Abtretung nicht offen gelegt, handelt es sich um eine stille Zession (im Unterschied zur mitgeteilten, offenen Zession). Dieser Tatbestand löst einen erheblichen Bedarf an Schuldnerschutzvorschriften aus.
1. Bereits erwähnt wurde, dass grundsätzlich ein gutgläubiger Erwerb von nicht bestehenden Forderungen nicht möglich ist (III 1), ferner dass es Forderungen gibt, die nicht abtretbar sind (III 3); beides dient im Wesentlichen dem Schuldnerschutz.
2. Nach § 404 bleiben dem Schuldner alle Einwendungen, die er gegenüber dem Altgläubiger hatte, erhalten. Die Vorschrift wird weit ausgelegt und auf alle rechtshindernden und rechtsvernichtenden Einwendungen (z. B. auf den Anfechtungseinwand, § 142 I) und auf Einreden (z. B. Verjährung, Stundung) erstreckt (Coester-Waltjen Jura 2003, 28). Dementsprechend verliert der Schuldner auch nicht eine Aufrechnungsmöglichkeit (§ 406).
3. Der Schuldner braucht an den Neugläubiger nur bei dessen Legitimation durch eine Urkunde oder Abtretungsanzeige zu leisten (§ 410). Er kann zwar auch ohne diese Legitimation leisten, geht aber dann das Risiko ein, dass er an einen Nichtgläubiger leistet und dem Gläubiger gegenüber nicht frei wird.
4. Ist eine Person, die sich als Neugläubiger vorstellt, dementsprechend legitimiert, gilt diese Person zu Gunsten des Schuldners als neuer Gläubiger (§ 409).
5. Leistet der Schuldner in Unkenntnis der Abtretung an den alten Gläubiger (was bei einer stillen Zession vorkommen kann), muss das der Neugläubiger gegen sich gelten lassen (§ 407). Um diese Rechtsfolge zu vermeiden, empfiehlt es sich für den Neugläubiger, die Abtretung alsbald offen zu legen. Allerdings braucht sich der Schuldner nicht auf die befreiende Wirkung des § 407 zu berufen, sondern kann die Leistung vom Altgläubiger nach § 812 BGB zurückverlangen (Coester-Waltjen Jura 2003, 29).
VI. Auf einige Sonderfälle der Abtretung (vgl. Eckert, SchuldR AT, 3. Aufl. 2003, Rdnr. 1047 ff.) soll hier nur hingewiesen werden; es sind dies: die Sicherungsabtretung (dazu auch Meyer/Varel JuS 2004, 192); die ebenfalls Sicherungszwecken dienende Globalzession (Meyer/Varel JuS 2004, 194); die Inkassozession; das Factoring und die Blankozession, bei der der Abtretungsempfänger zunächst offen bleibt.