Allgemeine Geschäftsbedingungen, § 305 I BGB; interne Anweisung als AGB; Umgehungsverbot, § 306 a BGB; Inhaltskontrolle nach §§ 307, 309 Nr. 5; Bankgebühren für die Nichteinlösung von Lastschriften – BGH NJW 2005, 1645
Bearbeiter: Dr. Gernot Schmalz-Brüggemann

Der folgende Fall betrifft Rechtsfragen beim Lastschriftverfahren in der Form des Einzugsermächtigungsverfahrens.

1. Bei diesem sind beteiligt:

Dabei bedeutet die Bezeichnung als „Gläubiger“ und „Schuldner“ nur, dass in diesem Verhältnis eine Forderung geltend gemacht wird und dass sie normalerweise besteht. Im Einzelfall kann das Problem gerade darin bestehen, dass der „Schuldner“ bestreitet, verpflichtet zu sein. Auch hat der Schuldner dem Gläubiger nur im Regelfall eine Einzugsermächtigung erteilt. Es ist möglich, dass der Schuldner ihre Erteilung bestreitet; ihr Vorliegen wird von den Banken nicht geprüft.

2. Das Verfahren ergibt sich aus dem zwischen den Banken vereinbarten Lastschriftabkommen (LSA; dazu Jungmann NJW 2005, 1622): Der Gläubiger reicht bei seiner Bank (GB) eine Lastschrift ein, die ihm unter Vorbehalt des Eingangs gutgeschrieben wird. Die GB reicht die Lastschrift an die Schuldnerbank (SB) weiter. Die SB zahlt den Betrag an die GB und belastet das Konto des Schuldners. Zuvor prüft sie aber, ob dieses ein hinreichendes Guthaben aufweist. Ist das nicht der Fall, gibt die SB die Lastschrift an die GB zurück, die daraufhin die – nur vorläufig erfolgte – Gutschrift auf dem Konto des Gläubigers rückgängig macht. Nach dem LSA kann die SB der GB für die ihr durch die Rückgabe entstandenen Kosten ein Rücklastschriftenentgelt bis zu 3 € berechnen.

3. Für das Funktionieren des Lastschriftverfahrens ist wichtig, dass der Schuldner der Lastschrift auf seinem Konto gegenüber seiner Bank ohne Begründung widersprechen kann. Dieser Widerspruch ist für die SB verbindlich und führt zur Stornierung der Belastung und zur Rückabwicklung der Lastschrift. Ist der Widerspruch allerdings unberechtigt erfolgt, haftet der Schuldner gegenüber dem Gläubiger für die diesem dadurch entstandenen Kosten nach § 280 I BGB (Jungmann NJW 2005, 1623 unter 2 a. E.).

4. Die Schuldnerbanken machen geltend, die ihnen durch die Rückgabe von Lastschriften wegen fehlender Deckung entstehenden Kosten würden auf vorgenanntem Wege nicht gedeckt. Sie versuchen, diese Kosten vom Schuldner ersetzt zu erhalten, und begründen das damit, dieser habe für ausreichende Deckung auf seinem Konto zu sorgen. Allerdings wurde die zunächst in die AGB der Banken aufgenommene Kostenersatzklausel von BGHZ 137, 43 für unwirksam erklärt; die wesentlichen Erwägungen entsprechen denen in der folgenden Entscheidung. Das hat die Banken nicht davon abgehalten, nach anderen Wegen für einen Kostenersatz zu suchen (zu einem davon BGHZ 146, 377). Die folgende Entscheidung ist die Reaktion des BGH auf einen weiteren Versuch in dieser Richtung.

Begriff der Allgemeinen Geschäftsbedingungen, § 305 I BGB; interne Anweisung als AGB. Umgehungsverbot, § 306 a BGB. Inhaltskontrolle nach §§ 307, 309 Nr. 5 BGB. Bankgebühren für die Nichteinlösung von Lastschriften

BGH Urteil vom 8. 3. 2005 (XI ZR 154/04) NJW 2005, 1645; dazu Jungmann NJW 2005, 1621

Fall (Rundschreiben)

Die B-Bank, eine Großbank mit zahlreichen Filialen im Bundesgebiet, hat am 4. 5. an alle Geschäftsstellen ein Rundschreiben über die Behandlung von Lastschriftrückgaben mangels Deckung gerichtet. Darin wird auf die Rspr. des BGH Bezug genommen und ausgeführt: „Zwischenzeitlich wurde festgestellt, dass die Kosten bei der Rückgabe von Lastschriften erheblich über dem bisherigen Entgelt liegen. Wir werden daher unsere Kunden ab sofort mit 6 € belasten. Bei Kundenrückfragen beachten Sie bitte, dass es sich bei den geltend gemachten Kosten um kein Entgelt und um keine vertragliche Aufwandsentschädigung handelt. Vielmehr hat der BGH in seinem Urteil darauf hingewiesen, dass den Kunden die girovertragliche Pflicht zukommen kann, stets für ausreichende Deckung zu sorgen, und dass sich der Kunde schadensersatzpflichtig macht, wenn Lastschriften wegen schuldhafter Verletzung dieser Pflicht zurückgegeben werden. Von diesem Recht macht die Bank Gebrauch und belastet den Kunden mit einem Teil der bei der Retournierung entstehenden Kosten.“ Dementsprechend wurde in den Filialen der B verfahren.

Nachdem sich Kunden beschwerdeführend an den V-Verein, der zur Erhebung einer Unterlassungsklage nach §§ 1, 3 I Nr. 1 UnterlassungsklagenG (UKlaG) berechtigt ist, gewandt haben, fragt dieser, ob eine auf Unterlassung gerichtete Klage gegen B Aussicht auf Erfolg hätte.

Eine Klage nach § 1 UKlaG hat Erfolg, wenn die B-Bank Allgemeine Geschäftsbedingungen verwendet, die nach §§ 307 bis 309 BGB unwirksam sind.

I. B müsste AGB verwenden. Als AGB kommen das Rundschreiben vom 4. 5. und dessen Folgemaßnahmen in Betracht.

1. BGH S. 1646 unter 1:

a) Der Begriff der AGB setzt gem. § 305 I 1 BGB eine Vertragsbedingung, das heißt eine Erklärung des Verwenders voraus, die den Vertragsinhalt regeln soll (BGHZ 99, 374 [376]; 133, 184 [187]). Die Erklärung muss nach ihrem objektiven Wortlaut bei den Empfängern den Eindruck hervorrufen, es solle damit der Inhalt eines vertraglichen Rechtsverhältnisses bestimmt werden (BGHZ 133, 184 [188]).

b) Gemessen hieran liegt eine Vertragsbedingung nicht vor. Weder die interne Anweisung vom 4. 5. noch die Belastungsbuchungen auf den Kontoauszügen noch die Schreiben an widersprechende Kunden lassen sich als AGB qualifizieren. Die von der Bekl. an ihre Mitarbeiter erteilte interne Anweisung ist nicht für die Kontoinhaber bestimmt und wird diesen auch nicht bekannt gegeben, zielt also nicht auf eine vertragliche Regelung ab, sondern will tatsächliches Verhalten koordinieren… Die aus den Kontoauszügen hervorgehende Belastungsbuchung auf einem Girokonto ist ein Realakt mit deklaratorischer Bedeutung (BGHZ 107, 192 [197]; 121, 98 [106]), die aus der Sicht der betroffenen Kontoinhaber weder unmittelbar einen Anspruch der Bekl. auf Zahlung von 6 Euro begründet noch die Voraussetzungen festlegt, unter denen ein solcher Anspruch entsteht.

Somit verwendet B keine AGB.

2. Die Regelungen über AGB könnten aber nach § 306 a BGB anzuwenden sein. BGH S. 1646 unter 2a und b):

a) Nach § 306a finden die Vorschriften über AGB rechtlich auch Anwendung, wenn sie durch anderweitige Gestaltung umgangen werden. Nach dem klaren Wortlaut der Vorschrift gelten dann sämtliche Vorschriften über AGB, auch § 305 (BGH a. a. O.). § 306 a kann also auch dazu führen, dass Regelungen, die keine AGB sind, als AGB behandelt werden, so wie im vorliegenden Fall.

b) Ein Verstoß gegen das Umgehungsverbot des § 306 a BGB liegt vor, wenn eine als AGB unwirksame Regelung bei gleicher Interessenlage durch eine andere rechtliche Gestaltung ersetzt werden soll, die nur den Sinn haben kann, dem gesetzlichen Verbot zu entgehen. Im vorliegenden Fall hatte der BGH eine Kostenerstattungsklausel wegen Rückgabe von Lastschriften für unwirksam erklärt (BGHZ 137, 43). Durch das Rundschreiben praktiziert die B die gleiche Klausel unter dem rechtlichen Deckmantel pauschalierten Schadensersatzes wirtschaftlich wirkungsgleich weiter. Dadurch erreicht sie im Ergebnis dasselbe wie durch eine Pauschalierung eines Schadensersatzanspruchs gem. § 305 Nr. 5 BGB… Die interne Anweisung der Bekl. ist auch ebenso effizient wie die Pauschalierung von Schadensersatz in AGB und hat ferner deren typischen Rationalisierungseffekt.

Somit sind hier die Vorschriften über AGB anwendbar. Die Rechtslage ist so zu betrachten, als wären die Ausführungen in dem Rundschreiben in AGB enthalten. BGH S. 1647 unter 3: Der danach gegebene Verstoß gegen das Umgehungsverbot des § 306a BGB eröffnet die Inhaltskontrolle nach §§ 307 – 309 BGB.

II. Das praktizierte Rundschreiben könnte eine unangemessene Benachteiligung der Kunden enthalten, weil es mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung nicht zu vereinbaren ist (§ 307 I, II Nr. 1 BGB; zur Unangemessenheit einer Benachteiligung auch BGH NJW 2005, 1775). Insbesondere könnte es sich um eine nach § 309 Nr. 5 unzulässige Pauschalierung von Schadensersatz handeln.

1. BGH S. 1647 unter a): Eine Schadensersatzpauschale setzt voraus, dass überhaupt ein Schadensersatzanspruch dem Grunde nach bestehen kann (Erman/Roloff, BGB, 11. Aufl., § 309 Rdnr. 44). Zu den wesentlichen Grundgedanken des dispositiven Rechts gehört, dass Schadensersatz auf vertraglicher Grundlage nur verlangt werden kann, wenn der Schuldner die Pflichtverletzung zu vertreten hat. Eine zu vertretende Pflichtverletzung des Bankkunden leiten die Banken daraus her, dass dieser im Verhältnis zu seiner Bank für Deckung auf dem Konto zu sorgen hätte. Das ist aber nicht der Fall. BGH S. 1647 unter cc): Ein Bankkunde ist gegenüber seiner Zahlstelle nicht verpflichtet, für die Einlösung von Lastschriften im Einzugsermächtigungsverfahren Deckung vorzuhalten. Eine solche Pflicht besteht nur gegenüber dem Gläubiger auf Grund der getroffenen Lastschriftabrede. Die Schuldnerbank wird nicht auf Weisung des Schuldners tätig, sondern sie greift im Auftrag der Gläubigerbank ohne eine Weisung ihres Kunden auf dessen Konto zu. Dabei hat sie im Verhältnis zu ihrem Kunden das Risiko zu tragen, dass das Konto nicht gedeckt ist oder aber der Kunde der Belastung widerspricht. Wenn der Kunde ohne Begründung der Belastung widersprechen kann, braucht er erst recht keine Deckung vorzuhalten. Auch die von der Bank vorgenommene Prüfung löst keinen Ersatzanspruch aus, denn die Schuldnerbank prüft, ob sie das Konto belasten soll oder nicht, lediglich im eigenen und im Interesse der Gläubigerbank, mangels Weisung aber nicht im Interesse des Schuldners…Die Schuldnerbank weiß auch nicht, und es interessiert sie auf Grund der Ausgestaltung des Lastschriftverfahrens auch nicht, ob der Schuldner überhaupt eine Einzugsermächtigung erteilt hat oder im Valutaverhältnis zu seinem Gläubiger zu der erhobenen Leistung verpflichtet ist…

Somit handelt es sich nicht um eine Schadensersatzpauschalierung, vielmehr steht die Regelung mit den Grundgedanken des Schadensersatzrechts in Widerspruch (§ 307 II Nr. 1).

2. Dadurch wird der Bankkunde auch (so BGH S. 1648 unter b) unangemessen benachteiligt.

a) Im Allgemeinen indiziert die Unvereinbarkeit einer Klausel mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung eine gegen Treu und Glauben verstoßende unangemessene Benachteiligung der Gegenseite (BGHZ 141, 380 [390]; 146, 377 [384]). Gründe, die die beanstandete Praxis…gleichwohl nicht als unangemessen erscheinen lassen, sind nicht ersichtlich.

b) Für Unangemessenheit spricht auch, dass es eine interessengerechte Lösung des Kostenerstattungsproblems gibt: Die Schuldnerbank kann ihre Aufwendungen…im Interbankverhältnis bei der Gläubigerbank liquidieren (Abschn. II Nr. 4 LSA), wobei es die Kreditwirtschaft in der Hand hat, insoweit kostendeckende Rücklastschriftentgelte vorzusehen… Die Gläubigerbank kann ihre, das Rücklastschriftentgelt umfassenden Aufwendungen dem Gläubiger auf Grund des mit diesem bestehenden Auftragsverhältnisses in Rechnung stellen. Der Gläubiger seinerseits kann, falls seine Lastschrifteinreichung berechtigt war, den Schuldner auf Ersatz in Anspruch nehmen; andernfalls trägt er zu Recht die Kosten. Im Verhältnis von Gläubiger und Schuldner hat somit letztlich derjenige die Kosten zu tragen, der in ihrem Vertragsverhältnis die Pflichtverletzung begangen hat. Das wäre nicht zu erreichen, wenn die Schuldnerbank stets zur Belastung des Schuldners mit den Kosten berechtigt wäre.

Somit ist die Regelung in dem wie AGB zu behandelnden Rundschreiben nach §§ 306a, 307 I, II Nr. 1 unwirksam. Eine Unterlassungsklage des V-Vereins wäre begründet.

---------------------------------------------------------------

Zusammenfassung