Bearbeiter: Dr. Gernot Schmalz-Brüggemann

Gebrauchtwagenkauf: Verschleißbedingter Sachmangel, § 434 BGB. Gebrauchsgüterkauf, Vermutung ursprünglicher Mangelhaftigkeit, § 476 BGB; Widerlegung der Vermutung, § 292 ZPO. Beweiswürdigung, § 286 ZPO

OLG Koblenz Urteil vom 19. 4. 2007 (5 U 768/06) NJW 2007, 1828

Fall (Riemenspanndämpfer verschlissen)

Frau R war Eigentümerin eines Audi A4 Avant, den sie regelmäßig in der Werkstatt des Kfz-Meisters T warten ließ. Dort wurde bei einem Kilometerstand von 120.000 eine große Inspektion vorgenommen, die von T selbst durchgeführt wurde. Wie T später als Zeuge vor Gericht schilderte, hat er dabei zunächst den Zahnriemen gewechselt und anschließend den Riemenspanndämpfer überprüft, bei dem er weder ein Spiel noch einen Verschleiß festgestellt hat, so dass er für dessen Auswechselung keinen Grund sah. Bei einem Kilometerstand von 133.000 veräußerte R das Fahrzeug an die V-GmbH, einen Autohändler mit Werkstatt. Dort überprüfte der Kfz-Meister B das Fahrzeug, fuhr es zur Probe und konnte keine verdächtigen Geräusche feststellen, ebenso wie P, der später aus Anlass eines Ölwechsels eine Probefahrt machte. Am 11. 8. 2006 veräußerte V den Audi an K, der diesen für private Zwecke nutzen wollte. K fuhr damit ca. 20.000 km, bis am 10. 2. 2007 bei einem Kilometerstand von 153.000 ein Motorschaden eintrat. Ursache war der vollständig verschlissene Riemenspanndämpfer.

K steht auf dem Standpunkt, sowohl aus dem Verschleiß als auch aus dem Nichtauswechseln des Riemenspanndämpfers ergebe sich ein Mangel des Fahrzeugs, und hat V eine Frist zur Vornahme der Reparatur gesetzt. V hat das abgelehnt. Nach Fristablauf hat K die Reparatur selbst in Auftrag gegeben und verlangt nunmehr deren Kosten in Höhe von 4.500 Euro von V im Klagewege ersetzt. Ein eingeholtes Sachverständigengutachten verwies zunächst auf die Anweisungen der Audi AG für die 120.000 km-Inspektion. Darin heißt es, dass bei der 120.000 km-Inspektion ein Austausch des Riemenspanndämpfers „als Option (bei Bedarf) vorzunehmen ist“. Zu dem Vorgehen des T erklärte der Sachverständige, er halte dieses grundsätzlich für sachgerecht. Er empfehle allerdings, mit dem Zahnriemen zusammen auch den Riemenspanndämpfer zu wechseln, da dieser im Regelfall einen ähnlichen Verschleiß aufweise wie der Zahnriemen. Im übrigen lasse sich nicht mehr mit Sicherheit feststellen, wann der Verschleiß des Riemenspanndämpfers eingetreten ist. Wie ist über die Klage des K gegen V zu entscheiden ?

K könnte gegen B einen Anspruch auf Schadensersatz statt der Leistung wegen Nichtbeseitigung eines behebbaren Mangels haben (§§ 437 Nr. 3, 280 I, III, 281 I BGB).

Ein Kaufvertrag über den Audi ist zwischen K und V zustande gekommen. Das Fahrzeug müsste im Zeitpunkt des Gefahrübergangs am 11. 8. 2006 einen Sachmangel aufgewiesen haben. Typisch für derartige Fälle ist, dass möglicherweise ein Grundmangel vorlag, an den sich ein Folgemangel anschloss (vgl. Lorenz NJW 2004, 3022).

I. Mangel könnte der am 10. 2. 2007 eingetretene Motorschaden sein. Dieser führt zweifellos zu einer Abweichung der Istbeschaffenheit des Fahrzeugs von dessen Sollbeschaffenheit (§ 434 I 2 Nr. 1 BGB) und ist damit für sich betrachtet ein Mangel. Jedoch lag dieser Mangel noch nicht im Zeitpunkt des Gefahrübergangs am 11. 8. 2006 vor. Der Motorschaden scheidet somit als Grundlage für einen Sachmangelanspruch aus.

II. Sachmangel könnte ein dem Motorschaden vorausgegangener Grundmangel sein. Als solcher Mangel kommt zunächst der verschlissene Riemenspanndämpfer in Betracht.

1. Bei der Frage, ob ein Verschleiß bei einem gebrauchten Fahrzeug überhaupt ein Mangel i. S. des § 434 BGB sein kann, ist zu unterscheiden:

a) Ein normaler, dem Alter der Kaufsache und dem Umfang des Gebrauchs entsprechender Verschleiß ist kein Mangel (BGH NJW 2006, 434). Das gilt beispielsweise für den Reifenabrieb bei einem Gebrauchtwagen, soweit dieser die Verkehrssicherheit noch nicht in Frage stellt.

b) Anders liegt es bei einem angesichts Alter und Gebrauchsumfang außergewöhnlichen Verschleiß sowie bei solchen Verschleißteilen, die regelmäßig erneuert werden müssen, damit die Gebrauchstauglichkeit erhalten bleibt und weitergehende Schäden nicht eintreten. Beispiel für letzteres ist das Auswechseln der Bremsbeläge nach einer bestimmten, längeren Laufzeit eines Fahrzeugs. Wird der Käufer über solche Zustände nicht informiert und braucht er sie nicht zu kennen (§ 442 BGB), kann er darauf Sachmangelansprüche stützen.

2. Der Riemenspanndämpfer ist nach den Anweisungen der Audi AG bei der 120.000 km-Inspektion zu überprüfen und jedenfalls dann auszuwechseln, wenn er verschlissen ist. Also ist ein vollständig verschlissener und damit gebrauchsuntauglicher Riemenspanndämpfer kein normaler Verschleiß mehr, sondern führt zur Mangelhaftigkeit des Motors und des Fahrzeugs insgesamt. Somit war der von V an K verkaufte Audi von dem Zeitpunkt ab mangelhaft, als der Riemenspanndämpfer verschlissen war.

3. Dieser Mangel müsste zum Zeitpunkt des Gefahrübergangs am 11. 8. 2006 vorgelegen haben. Wie der Sachverständige ausgeführt hat, lässt sich das nicht positiv feststellen. Es könnte aber die Vermutung des § 476 BGB eingreifen. Danach wird bei einem Verbrauchsgüterkauf, bei dem sich innerhalb von sechs Monaten ein Fehler zeigt, vermutet, dass die Sache bereits bei Gefahrübergang mangelhaft war, es sei denn, diese Vermutung ist mit der Art der Sache oder des Mangels unvereinbar.

a) Da K das Auto für seinen privaten Gebrauch gekauft hat, handelt es sich um einen Verbrauchsgüterkauf i. S. des § 474 I 1 BGB.

b) Als sich der Verschleiß des Riemenspanndämpfers durch den dadurch herbeigeführten Motorschaden am 10. 2. 2007 gezeigt hat, war die Sechs-Monats-Frist noch nicht abgelaufen; sie lief erst am 11. 2. 2007 ab.

c) Die Vermutung einer Mangelhaftigkeit des Autos wegen des verschlissenen Riemenspanndämpfers ist weder mit dem Auto als Kaufsache noch mit der Art dieses Mangels unvereinbar. Auch gebrauchte Sachen können mangelhaft sein (vgl. § 474 I 2 BGB).

OLG Koblenz LS 1: Auch bei einem verschleißbedingten Mangel innerhalb von sechs Monaten nach Gefahrübergang muss der Verkäufer eines gebrauchten Kfz die gesetzliche Vermutung widerlegen, dass das Fahrzeug bereits ursprünglich fehlerhaft war.

d) Folglich wird im vorliegenden Fall vermutet, dass der Mangel bereits am 11. 8. 2006 vorlag. Die von BGH NJW 2004, 2299 (Fall „Zahnriemen“) gemachte Einschränkung, dass § 476 lediglich in zeitlicher Hinsicht wirkt und noch nicht rechtfertigt, von einem Folgemangel auf einen Grundmangel zu schließen, kommt im vorliegenden Fall nicht zur Anwendung. Im damaligen Fall stand nicht fest, dass das Fahrzeug überhaupt an einem Grundmangel litt; es gab auch die Möglichkeit, dass der Käufer es durch Überdrehen des Motors selbst geschädigt hat. Demgegenüber steht im vorliegenden Fall fest, dass ein verschlissener Riemenspanndämpfer und damit ein Mangel gegeben ist. Es geht nur um die - die Zeit betreffende - Frage, ob dieser schon am 10. 2. 2006 vorhanden war.

e) V könnte die Vermutung aber widerlegt haben.

aa) Da es sich um eine gesetzliche Vermutung handelt, ist nach § 292 ZPO der volle Beweis des Gegenteils erforderlich, hier also: dass der Mangel durch Vorhandensein eines verschlissenen Riemenspanndämpfers am 11. 8. 2006 nicht bestand. Eine bloße Erschütterung der Vermutung reicht nicht aus. Allerdings darf einem Gebrauchtwagenhändler der Gegenbeweis, dass ein Auto fehlerfrei war, nicht durch die Verpflichtung zu überaus umfangreichen und kostenaufwändigen Maßnahmen erschwert werden. Es muss ausreichen, dass der Händler die üblichen Überprüfungen vorgenommen und die danach erforderlichen Reparaturen durchgeführt hat und dass er auch auf eventuelle Besonderheiten gerade eines solchen Fahrzeugs bzw. möglichen Mangels geachtet hat (so wie im vorliegenden Fall auf verdächtige Geräusche). Letztlich entscheidet die Beweiswürdigung des Gerichts (§ 286 I ZPO).

bb) Dazu OLG Koblenz unter II 1: Im Auftrage der Voreigentümerin R hat der Zeuge T in seiner Werkstatt eine große Inspektion bei 120.000 km durchgeführt und den Zahnriemen gewechselt. Dabei hat er persönlich auch das Spanndämpferelement geprüft und keinerlei Verschleiß und kein Spiel festgestellt. Das steht zur Überzeugung des Senats fest und wird durch die Angaben der Zeugen B und P bestätigt. So hat der Zeuge B, ebenfalls Kfz-Meister, das Fahrzeug…gefahren und verdächtige Geräusche nicht gehört. Dem Zeugen P…ist anlässlich des von ihm später vorgenommenen Ölwechsels und der nachfolgenden Probefahrt auch kein verdächtiges Geräusch aufgefallen. Der Senat ist daher in Würdigung des Sachverständigengutachtens und der Zeugenaussagen überzeugt, dass bei Gefahrübergang beim Kilometerstand 133.000 ein Verschleiß des Riemenspanndämpferelements, der als Mangel anzusehen wäre, nicht vorgelegen hat. Offenbar ist es nicht ausgeschlossen, dass ein Riemenspanndämpfer, der bereits 120.000 km Fahrleistung erbracht hat, während weiterer 20.000 km vollständig verschleißt.

Somit hat V die Vermutung des § 476 BGB widerlegt. Es kann nicht festgestellt werden, dass bei Gefahrübergang ein Mangel durch einen verschlissenen Riemenspanndämpfer vorlag. Aus diesem Gesichtspunkt ergibt sich kein Sachmangelanspruch des K.

III. Sachmangel könnte sein, dass bei der 120.000 km-Inspektion der Riemenspanndämpfer nicht ausgewechselt wurde.

1. OLG Koblenz unter II 2: Nach § 434 I 2 Nr. 2 BGB ist eine Sache auch dann mangelhaft, wenn sie eine Beschaffenheit nicht aufweist, die bei Sachen der gleichen Art üblich ist und die der Käufer nach der Art der Sache erwarten kann.

 Es läge daher ein Mangel vor, wenn das Riemenspanndämpferelement anlässlich der großen Inspektion bei Kilometerstand 120.000 zwingend hätte ausgewechselt werden müssen, weil dann in der Nichtauswechselung eine vertragswidrige Beschaffenheit des Fahrzeugs bei Gefahrenübergang zu sehen wäre (BGH NJW 2006, 434).

2. OLG Koblenz: Die Ausführungen des Sachverständigen lassen den Senat in Verbindung mit den glaubhaften Angaben des Zeugen T von einer ordnungsgemäßen Wartung bei 120.000 ausgehen. Wenn der Zeuge T das Riemenspanndämpferelement geprüft und keinerlei Verschleiß festgestellt hat, war es möglicherweise ratsam, aber nicht erforderlich, auch dieses auszutauschen… Der Zeuge T durfte darauf vertrauen, einen eventuell später notwendig werdenden Austausch bei einer nachfolgenden Wartung zu erkennen. Bestand aber keine Notwendigkeit, das Dämpferelement auszutauschen, so war das Fahrzeug nicht mangelhaft.

Somit führt auch der Umstand. dass bei der 120.000 km-Inspektion der Riemenspanndämpfer nicht ausgewechselt wurde, nicht zu einem Sachmangel. Der Audi war im Zeitpunkt des Gefahrübergangs mangelfrei. K hat keine Sachmängelansprüche gegen V, insbesondere auch keinen Schadensersatzanspruch. Seine Klage ist unbegründet.

Zusammenfassung