Bearbeiter: Dr. Gernot Schmalz-Brüggemann

Gebrauchtwagenkauf: Sachmangel durch eine den angegebenen Kilometerstand weit überschreitende Laufleistung, §§ 434, 437 BGB. Verwendung von AGB-Klauseln gegenüber Unternehmer, § 310 BGB. Prüfungsmaßstab § 307 BGB, teilweiser „Gleichschritt“ mit den Verbotsnormen des § 309 BGB. Unzulässiger „Ausschluss jeder Gewährleistung“ wegen Verstoßes gegen § 309 Nr. 7 a und b BGB

BGH Urteil vom 19. 9. 2007 (VIII ZR 141/06) NJW 2007, 3774

Fall (Exorbitante Überschreitung der Fahrleistung)

Der spätere Kläger K betreibt eine Security-Firma und braucht dafür speziell ausgerüstete Fahrzeuge. Vertragshändler V hatte einen umgerüsteten gebrauchten Mercedes im Angebot, den er K mit Vertrag vom 27. 11. für 30.160 Euro verkaufte. Das von V verwendete und von K unterschriebene Vertragsformular enthielt einleitend den vorgedruckten Text, wonach der Käufer das bezeichnete Fahrzeug „zu den umseitigen Geschäftsbedingungen unter Ausschluss jeder Gewährleistung“ bestellt. Die Spalte „Gesamtfahrleistung“ enthielt die handschriftliche Eintragung „nach Angaben des Vorbesitzers 25.760 km“. Die gleiche Zahl war in der Rubrik „Stand des Kilometer-Zählers“ eingetragen.

K erhielt das Fahrzeug übergeben und zahlte den Kaufpreis. Schon kurze Zeit danach ergab eine von K veranlasste Überprüfung, dass das Fahrzeug mindestens 75.000 km gefahren war. Unter Hinweis darauf verlangte K von V Rückabwicklung des Kaufvertrags. V verweigerte diese und legte dar, dass er keinen Grund hatte, an der Kilometer-Angabe des Vorbesitzers zu zweifeln. K fragt, ob eine Klage gegen V auf Rückzahlung der 30.160 Euro gegen Rückgabe des Fahrzeugs Aussicht auf Erfolg hat.

A. K könnte gegen V einen Rückzahlungsanspruch nach erfolgtem Rücktritt wegen eines nicht behebbaren Sachmangels haben (§§ 346 I, 437 Nr. 2, 326 V, 323 BGB).

I. Ein Kaufvertrag ist zwischen K und V am 27. 11. zu Stande gekommen. Ob der Gewährleistungsausschluss wirksam ist, ist für das Zustandekommen des Vertrages unerheblich, weil ein unwirksamer Gewährleistungsausschluss durch Allgemeine Geschäftsbedingungen lediglich die Folge hätte, dass die unwirksame Klausel entfällt; der Vertrag im übrigen bliebe wirksam (§ 306 I BGB).

II. Es müsste ein Rücktrittsgrund vorliegen, der K ein Rücktrittsrecht gewährt. Ein gesetzlicher Rücktrittsgrund ergibt sich aus §§ 437 Nr. 2 Alt. 1, 326 V, wenn ein Sachmangel vorliegt, der nicht behebbar ist, so dass es der Fa. V unmöglich ist, ihre Verpflichtung zur Leistung einer mangelfreien Kaufsache zu erfüllen.

1. Ob ein Sachmangel vorliegt, richtet sich nach § 434 BGB. Bei der Laufleistung eines Gebrauchtwagens handelt es sich um eine Beschaffenheit des Fahrzeugs, da von ihr das Maß des Verschleißes abhängt. Im Vertrag war eine Laufleistung von nur 25.760 angegeben. In Wirklichkeit betrug die Laufleistung mindestens 75.000. Damit war das Fahrzeug mangelhaft.

2. In solchem Fall verweist § 437 Nr. 2 auf das Rücktrittsrecht aus §§ 440, 323, 326 V. § 326 V gibt dem Käufer ein Rücktrittsrecht, wenn der Verkäufer nicht zu leisten braucht, weil ihm die Leistung unmöglich ist (§ 275 I).

a) Nach § 433 I 2 BGB schuldet der Verkäufer eine mangelfreie Sache. Allerdings führt ein Mangel noch nicht zur Unmöglichkeit, sondern verpflichtet den Verkäufer zur Nacherfüllung nach § 439 I. Eine Nachbesserung durch Beseitigung des in der zu hohen Laufleistung liegenden Mangels ist nicht möglich. Nacherfüllung durch Lieferung einer mangelfreien Sache (Ersatzlieferung) ist bei einer Gattungsschuld möglich. Im vorliegenden Fall handelt es sich jedoch um den Kauf eines bestimmten Gebrauchtfahrzeugs, also um eine Stückschuld.

b) Beim Kauf eines bestimmten Gebrauchtfahrzeugs - einer Stückschuld - kann es dem Verkäufer ausnahmsweise möglich sein, das fehlerhafte Fahrzeug durch ein gleichartiges und gleichwertiges zu ersetzen (BGHZ 168, 64). Im vorliegenden Fall scheidet das aber schon deshalb aus, weil K ein für Zwecke seiner Firma speziell ausgerüstetes Fahrzeug gekauft hat und nicht davon ausgegangen werden kann, dass V ein gleiches Fahrzeug mit einer Laufleistung von ca. 25.000 km vorrätig hat oder besorgen kann. Somit liegt ein nicht behebbarer Mangel vor; V ist die Lieferung des geschuldeten mangelfreien Fahrzeugs unmöglich.

Zu 1 und 2 vgl. BGH Rdnr. 8: Nach den rechtsfehlerfreien Tatsachenfeststellungen des BerGer. war die tatsächliche Kilometerlaufleistung des Fahrzeugs… bei Vertragsschluss wesentlich höher als vom Kilometerzähler angezeigt und von den Parteien angenommen war. Da dieser bei Vertragsschluss bereits vorhandene Mangel nicht behebbar ist, ist der Anspruch des Kl. aus § 433 I 2 BGB auf die Lieferung einer mangelfreien Sache ausgeschlossen (§ 275 I BGB); dies berechtigt den Kl. zum Rücktritt vom Kaufvertrag nach §§ 437 Nr. 2, 326 V BGB, ohne dass es einer Fristsetzung nach § 323 BGB bedarf.

III. Das Rücktrittsrecht des K könnte aber durch dadurch ausgeschlossen sein, dass V AGB verwendet, wonach der Käufer das Fahrzeug „unter Ausschluss jeder Gewährleistung“ bestellt. Gegen die Einbeziehung der AGB in den Vertrag (vgl. § 305 BGB) bestehen keine Bedenken, weil die AGB durch Unterschrift des K ausdrücklich vereinbart wurden. Möglicherweise kann V sich aber auf die Klausel nicht berufen, insbesondere weil sie unwirksam ist.

1. Auf die Klausel könnte V sich nicht berufen, wenn er eine Beschaffenheitsgarantie übernommen hätte (§ 444 2. Fall; vgl. auch § 443 BGB). Eine solche Garantie wird regelmäßig angenommen, wenn Gebrauchtwagenhändler Beschaffenheitszusagen geben, die für den Käufer wichtig sind, die er aber nicht überprüfen kann und bei denen er sich auf die Erfahrung und Sachkunde des Händlers verlässt (vgl. BGH NJW 2007, 1346); das wird bei der Angabe der gelaufenen Kilometer vielfach der Fall sein. Im vorliegenden Fall hat V aber ausdrücklich die Einschränkung „nach Angaben des Vorbesitzers“ hinzugefügt. Daraus ergibt sich, dass er diese Angaben nicht überprüft hat, was der Annahme einer Garantieübernahme entgegensteht.

2. Die Klausel könnte gemäß §§ 307 ff. BGB unwirksam sein.

a) Unwirksamkeitsgrund ist nach § 307, wenn die Klausel den anderen Vertragspartner unangemessen benachteiligt, was im Zweifel anzunehmen ist, wenn einer der Fälle des Absatz 2 vorliegt. Hier könnte die Freizeichnungsklausel das vertraglich vereinbarte Recht des K, das 30.160 Euro teure Fahrzeug mit einer nur geringen Laufleistung zu erwerben, so einschränken, dass die Erreichung dieses Vertragszwecks gefährdet ist (§ 307 II Nr. 2 BGB).

b) Soweit allerdings §§ 308, 309 BGB eingreifen und Klauseln unter den dort aufgeführten Voraussetzungen für unwirksam erklären, gehen diese als speziellere Regelungen dem § 307 vor. Unmittelbar anwendbar sind §§ 308, 309 im vorliegenden Fall jedoch nicht (§ 310 I 2 BGB), weil die AGB von V gegenüber K als Unternehmer verwendet wurden (BGH Rdnr. 11). Gleichwohl sind sie im Verkehr zwischen Unternehmern nicht ohne Bedeutung.

BGH Rdnr. 12: Nach der Rspr. des BGH zu § 309 BGB kommt den strikten Klauselverboten im Rahmen der Inhaltskontrolle nach § 307 BGB Indizwirkung für die Unwirksamkeit der Klausel auch im unternehmerischen Geschäftsverkehr zu (BGHZ 90, 273 [278]; 103, 316 [328]). Daran hält der Senat fest. Fällt eine Klausel bei ihrer Verwendung gegenüber Verbrauchern unter eine Verbotsnorm des § 309 BGB, so ist dies ein Indiz dafür, dass sie auch im Falle der Verwendung gegenüber Unternehmern zu einer unangemessenen Benachteiligung führt, es sei denn, sie kann wegen der besonderen Interessen und Bedürfnisse des Geschäftsverkehrs ausnahmsweise als angemessen angesehen werden (vgl. BGHZ 90, 273 [278]; Kieninger, in: MünchKomm § 307 Rdnr. 72). Der BGH erklärt das nur im Hinblick auf § 309 (Klauselverbote ohne Wertungsmöglichkeit), so dass danach offen bleibt, ob auch die Unwirksamkeitsgründe nach § 308 (Klauselverbote mit Wertungsmöglichkeit) eine ähnliche Wirkung haben können.

c) Somit ist zu prüfen, ob der hier enthaltene Gewährleistungsausschluss gegen eines der in § 309 enthaltenen Klauselverbote verstößt. Der zu weitgehende Ausschluss von Sachmängelrechten ist in § 309 Nr. 8 geregelt. Diese Vorschrift gilt aber nur für bei Verträgen über neu hergestellte Sachen und über Werkleistungen, während es sich im vorliegenden Fall um einen Gebrauchtwagenkauf handelt. Einen weitergehenden Schutz gewährt § 475 BGB, der sich aber ausdrücklich auf den Verbrauchsgüterkauf beschränkt und auf Verträge zwischen Unternehmern auch nicht analog anwendbar ist.

d) Eine AGB-Klausel kann auch aus Gründen unwirksam sein, die nur andere Fälle und nicht den vorliegenden Fall betreffen. Dann ist sie allgemein unwirksam, was dann auch für den vorliegenden Fall gilt. Deshalb ist die hier erfolgte Freizeichnung auf ihre Vereinbarkeit mit § 309 Nr. 7a und b zu prüfen.

aa) Nach Nr. 7a ist unwirksam „ein Ausschluss oder eine Begrenzung der Haftung für Schäden aus der Verletzung des Lebens, des Körpers oder der Gesundheit, die auf einer fahrlässigen Pflichtverletzung des Verwenders …beruhen“. Im vorliegenden Fall enthält die Klausel einen umfassenden Haftungsausschluss, also auch einen Ausschluss in den vorgenannten Fällen und ist danach unwirksam. BGH Rdnr. 14: Das absolute Haftungsfreizeichnungsverbot für Verletzungen des Lebens, des Körpers und der Gesundheit (§ 309 Nr. 7a BGB) gilt nach einhelliger Auffassung auch im unternehmerischen Geschäftsverkehr und führt deshalb zur Unwirksamkeit einer dagegen verstoßenden Klausel nach § 307 I, II BGB (Fuchs, in: Ulmer/Brandner/Hensen, , AGB-Recht, 10. Aufl., § 307 Rdnr. 283 m. w. Nachw. in Fußn. 997). Die Rechtfertigung liegt darin, dass hinsichtlich des von § 309 Nr. 7a BGB bezweckten Schutzes besonders wichtiger persönlicher Rechtsgüter kein Raum ist für eine Differenzierung zwischen Unternehmern und Verbrauchern. Aus den im Handelsverkehr geltenden Gewohnheiten und Gebräuchen (§ 310 I 2 BGB) ergibt sich nichts anderes.

bb) BGH Rdnr. 15: Ebenso ist eine Freizeichnung im unternehmerischen Geschäftsverkehr bei einem Verstoß gegen § 309 Nr. 7b BGB jedenfalls dann unwirksam, wenn sie - wie im vorliegenden Fall - hinsichtlich sonstiger Schäden die Haftung für Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit vollständig ausschließt. Ein derart weitreichender Haftungsausschluss benachteiligt den Vertragspartner des Verwenders auch im unternehmerischen Verkehr unangemessen, weil er den Vertragszweck gefährdet (§ 307 II Nr. 2 BGB). Nach der Rspr. des BGH darf eine Haftungsbeschränkung nicht dazu führen, dass der Klauselverwender von Verpflichtungen befreit wird, deren Erfüllung die ordnungsgemäße Durchführung des Vertrags überhaupt erst ermöglicht und auf deren Einhaltung der Vertragspartner regelmäßig vertraut und vertrauen darf (BGHZ 164, 11 [36]…). Ein Unternehmer darf ebenso wie ein Verbraucher darauf vertrauen, dass sein Vertragspartner ihn nicht grob fahrlässig oder gar vorsätzlich schädigt… Deshalb besteht auch im Geschäftsverkehr mit Unternehmern ein Verbot der umfassenden Freizeichnung von der Haftung für [Vorsatz und] grobes Verschulden(Fuchs a.a.O. § 307 Rdnr. 285 m. w. Nachw. in Fußn. 1000)… Ob bloße Beschränkungen der Haftung bei grobem Verschulden zulässig sind (dazu Fuchs a. a. O. Rdnr. 286; z. B. Haftung nur für bestimmte Schäden) hat der BGH offen lassen können, weil im vorliegenden Fall ein vollständiger Haftungsausschluss erfolgt war.

cc) Somit ist die hier verwendete Klausel gemäß §§ 307 I, II, 309 Nr. 7a und b aus zwei Gründen unwirksam. Dass keiner der Fälle des § 309 Nr. 7a,b im vorliegenden Fall gegeben ist, ändert daran nichts. Man könnte allerdings erwägen, den Anwendungsbereich der Klausel auf den hier gegebenen und nicht von § 309 Nr. 7a,b verbotenen Fall zu beschränken, dass die Laufleistung nicht richtig angegeben wurde. Dem steht aber sowohl § 307 II Nr. 2 als auch das Verbot der geltungserhaltenden Reduktion unwirksamer AGB-Klauseln entgegen.

Ergebnis zu III: Das Rücktrittsrecht des K ist nicht durch eine Freizeichnungsklausel im Vertrag ausgeschlossen.

IV. K müsste eine Rücktrittserklärung abgeben, was ihm ohne weiteres möglich ist. Danach steht ihm der Anspruch auf Rückzahlung des Kaufpreises aus §§ 346 I, 437 Nr. 2, 326 V, 323 BGB Zug um Zug gegen Rückgabe des Fahrzeugs (§§ 346, 348 BGB) zu.

B. K könnte den Anspruch auf Rückzahlung des Kaufpreises auch auf einen Schadensersatzanspruch stützen. Anspruchsgrundlage könnten §§ 437 Nr. 3, 311a II BGB sein, soweit sie auf Schadensersatz statt der Leistung gerichtet sind. Nach h. M. (Staudinger/Otto § 281 Rdnr. B 151; Palandt/Heinrichs § 281 Rdnr. 23) richtet sich dieser Anspruch zwar nicht auf Rückabwicklung und Rückzahlung des Kaufpreises als Gegenleistung - dafür steht das Rücktrittsrecht zur Verfügung -, jedoch kann ein Geldbetrag in gleicher Höhe wie der Betrag des nutzlos ausgegebenen Kaufpreises verlangt werden. Deshalb sind hier die Voraussetzungen dieser Anspruchsgrundlage zu prüfen.

I. K und V haben einen Kaufvertrag geschlossen, der V zur Lieferung eines mangelfreien Kraftfahrzeugs verpflichtet hat. Die Erfüllung dieser Verpflichtung ist, da ein nicht behebbarer Mangel vorliegt, unmöglich.

II. Diese Unmöglichkeit lag bereits bei Vertragsschluss vor, weil schon zu diesem Zeitpunkt feststand, dass das Fahrzeug nicht mit einem Kilometerstand von 25.760 geliefert werden konnte. Es handelt sich somit um einen Fall der von § 311a geregelten anfänglichen bzw. ursprünglichen Unmöglichkeit.

III. Der Schuldner der unmöglichen Leistung haftet aber nicht, wenn er das Leistungshindernis bei Vertragsschluss nicht kannte und die Unkenntnis nicht zu vertreten hat (§ 311a II 2). V hat dargelegt, dass er keinen Grund hatte, an der Kilometer-Angabe des Vorbesitzers zu zweifeln. Dann kannte er den wahren Kilometerstand nicht und hatte diese Unkenntnis auch nicht zu vertreten. Zwar ließ sich offenbar durch Überprüfung feststellen, dass der Kilometerstand von 25.760 nicht zutreffend war. Es kann jedoch nicht angenommen werden, dass ein Kfz.-Händler ohne Anlass, also bei jedem Verkauf eines Gebrauchtwagens, eine solche - kostenträchtige - Untersuchung durchführen lassen muss.

Somit bleibt es bei dem Anspruch des K auf Kaufpreisrückzahlung nach Rücktritt.

Zusammenfassung