Bearbeiter: Dr. Gernot Schmalz-Brüggemann

Mietrecht, Aufwendungsersatzanspruch nach Mangelbeseitigung durch Mieter, § 536a II BGB. Anwendbarkeit der §§ 539 I, 536a I BGB im Falle der eigenmächtigen Selbstvornahme einer Sachmangelbeseitigung. Abschließende Regelung des Aufwendungsersatzes durch § 536a II BGB. Verzug, § 286 I, II BGB

BGH
Urteil vom 16. 1. 2008 (VIII ZR 222/06) NJW 2008, 1216

Fall
(Heizungsreparatur durch Mieter)

Mit Mietvertrag vom 8. 5. mietete K, die spätere Klägerin, von B eine Doppelhaushälfte. Der Mietvertrag enthielt eine Anlage, in der sich u. a. folgende Aussage findet: „Es wurde folgendes vereinbart: Heizung muss dringend kontrolliert werden…“ Zunächst geschah aber nichts. Als K Anfang Oktober die Heizung anstellte, stieg die Vorlauftemperatur nur wenig an; die Räume wurden nicht warm. K wusste, dass das Heizungsunternehmen U sich bisher um die Heizung gekümmert hatte, und rief bei diesem an. Es erschien ein Monteur, der zwei Ausdehnungsgefäße und sämtliche dreizehn Heizkörperventile erneuerte, woraufhin die Heizung wieder normal funktionierte. Als U der K die Rechnung für diese Reparatur schickte, weigerte sich K, diese zu bezahlen, und verwies U an B. U erhob jedoch Klage gegen K und erwirkte ein Urteil, das K als Bestellerin aus dem Werkvertrag mit U zur Zahlung verpflichtete. Daraufhin zahlte K den Betrag an U und verlangt ihn von B ersetzt. Zu Recht ?

I. Anspruchsgrundlage kann § 536a II Nr. 1 BGB sein. Danach kann der Mieter, wenn der Vermieter mit der Beseitigung eines Mangels der Mietsache in Verzug ist, den Mangel selbst beseitigen (oder beseitigen lassen) und Ersatz der Aufwendungen verlangen.

1. Zwischen K und B wurde ein wirksamer Mietvertrag über die Doppelhaushälfte geschlossen. Die Mietsache wurde auch der Mieterin überlassen, so dass das mietrechtliche Gewährleistungsrecht Anwendung findet.

2. Es müsste ein Mangel vorhanden gewesen sein. Ein vermietetes Wohnhaus muss über eine funktionierende Heizung verfügen. Da die Heizung in dem vermieteten Haus die Wohnung trotz ordnungsgemäßen Umgangs der K mit der Heizung nicht auf die nötige Temperatur gebracht hat, war sie mangelhaft. Offensichtlich waren die Ausdehnungsgefäße und die Heizkörperventile nicht mehr funktionsfähig. Das bedeutete zugleich einen Mangel der Mietsache, den der Vermieter nach § 535 I 2 BGB zu beseitigen hatte.

3. B müsste mit der Beseitigung des Mangels in Verzug gekommen sein, was sich nach § 286 BGB richtet. Verzug ist die schuldhafte Nichtleistung trotz Möglichkeit der Leistung und nach Fälligkeit und Mahnung.

a) Im vorliegenden Fall fehlt es an einer Mahnung. K hat B nicht einmal aufgefordert, für eine Reparatur der Heizung zu sorgen.

b) Die Mahnung könnte nach § 286 II entbehrlich gewesen sein, wobei nur der Fall der Nr. 4 in Betracht kommt. Dann müsste der sofortige Eintritt des Verzugs aus besonderen Gründe unter Abwägung der beiderseitigen Interessen gerechtfertigt sein. Dazu gehört nicht der Fall einer notwendigen Sofortmaßnahme, weil dieser von § 536a II Nr. 2 erfasst wird (dazu II). Der BGH erwägt unter Rdnr. 16 aber folgendes:

Nach § 286 Abs. 2 Nr. 4 BGB ist eine Mahnung entbehrlich, wenn der Schuldner die alsbaldige Leistung angekündigt hat, aber gleichwohl nicht leistet (Palandt/Heinrichs, BGB, 67. Aufl., § 286 Rdnr. 25; Erman/Hager, BGB, 11. Aufl., § 286 Rdnr. 45; Staudinger/Emmerich, BGB [2006], § 536a Rdnr. 16…). Eine solche Bedeutung kommt der Formulierung im Mietvertrag "Es wurde folgendes vereinbart: Heizung muss dringend kontrolliert werden" indessen nicht zu. Danach hätte die Klägerin allenfalls eine Kontrolle der Heizung, aber nicht die Beseitigung von Mängeln in Auftrag geben dürfen. Die Kontrolle der Heizungsanlage sollte vielmehr ersichtlich dazu dienen, erst einmal festzustellen, ob und inwieweit die Heizung reparaturbedürftig war. Eine Absprache dieses Inhalts konnte eine Mahnung in Bezug auf die Beseitigung von Mängeln nicht nach § 286 Abs. 2 Nr. 4 BGB entbehrlich machen.

Somit war B nicht in Verzug gekommen. Die Voraussetzungen des § 536a II Nr. 1 liegen nicht vor.

II. Nach § 536a II Nr. 2 BGB kann der Mieter Aufwendungsersatz verlangen, wenn die umgehende Beseitigung des Mangels zur Erhaltung oder Wiederherstellung der Mietsache notwendig ist.

1. BGH Rdnr. 17: Die Vorschrift erfasst Notmaßnahmen des Mieters, die keinen Aufschub dulden und auch ohne vorherige Mahnung einen Aufwendungsersatzanspruch auslösen sollen (BT -Drs. 14/4553, S. 41). Beispiel ist der Ausfall der Heizung im Winter (vgl. Dauner-Lieb NZM 2004, 641, 643)…Es ist nicht unbedingt erforderlich, dass die Gefahr allein der Mietsache droht, sondern sie kann auch der Person des Mieters oder seiner Familie drohen, so wie das bei einem Heizungsausfall im Winter der Fall ist.

2. Im vorliegenden Fall ergibt sich aus dem Sachverhalt lediglich, dass K die Heizung Anfang Oktober anstellen wollte, nicht dagegen, dass es so kalt war, dass nur durch eine sofortige Reparatur Schaden abgewendet werden konnte. Im Originalfall führt der BGH unter Rdnr. 17 nur kurz aus, dass die Klägerin zu den Voraussetzungen des § 536a II Nr. 2, wie das Berufungsgericht mit Recht festgestellt hat, nichts vorgetragen hat.

Somit greift auch § 536a II Nr. 2 nicht ein.

III. Ein Anspruch der K gegen B auf Erstattung des an U gezahlten Werklohns könnte sich aus § 539 I BGB in Verbindung mit den Voraussetzungen einer berechtigten (§ 683 Satz 1, §§ 677, 670 BGB) oder einer unberechtigten (§ 684 Satz 1, §§ 812 ff. BGB) Geschäftsführung ohne Auftrag ergeben.

1. Es bestehen allerdings Bedenken, ob im Falle einer Mangelhaftigkeit der Mietsache überhaupt der Anwendungsbereich dieser Anspruchsgrundlage eröffnet ist. Denn § 539 I enthält die Klausel, dass es sich um Aufwendungen des Mieters handeln muss, „die der Vermieter ihm nicht nach § 536a Abs. 2 zu ersetzen hat“, womit zumindest das Konkurrenzverhältnis zu § 536a I angesprochen wird. Ob § 539 I auch im Falle von Sachmängeln anwendbar ist, war jedenfalls bis zu der hier behandelten BGH-Entscheidung umstritten.

a) BGH Rdnr. 21 erkennt an, dass § 539 I seinem Wortlaut nach auch dahin verstanden werden [kann], dass der Vermieter generell alle Aufwendungen zu ersetzen hat, die der Mieter nicht schon nach § 536a Abs. 2 BGB ersetzt verlangen kann. Rdnr. 20: Nach einer verbreiteten Auffassung kann in Fällen einer Selbstbeseitigung von Mängeln der Mietsache durch den Mieter auf § 539 Abs. 1 BGB zurückgegriffen werden, wenn die Voraussetzungen des § 536a Abs. 2 Nr. 1 oder 2 BGB nicht vorliegen. Dies vermeide, dass dem Vermieter Vorteile zuflössen, die nur deshalb nicht ausgleichspflichtig seien, weil der Mieter das Verfahren des § 536a Abs. 2 Nr. 1 BGB nicht beachtet habe (vgl. Schmidt-Futterer/Langenberg, a. a. O., § 539 Rdnr. 3; Palandt/Weidenkaff, a. a. O., § 536a Rdnr. 17, § 539 Rdnr. 2;… Herresthal/Riehm, NJW 2005, 1457, 1460 f., jew. m. w. N.).

b) Die Gegenmeinung wird vertreten von Schmidt-Futterer/Eisenschmid, Mietrecht, 9. Aufl., § 536a Rdnr. 165; Staudinger/Emmerich § 536a Rdnr. 41; Erman/Jendrek § 536a Rdnr. 13, 20; Derleder NZM 2002, 676, 681; AnwKommBGB/Klein-Blenkers, 2005, § 536a Rdnr. 21, § 539 Rdnr. 2; jeweils m. w. N.).

Der BGH hatte bereits zum Mietrecht früherer Fassung die Auffassung vertreten, dass die Sachmängelvorschriften abschließend sind und dass im Fall unberechtigter Selbstvornahme kein Aufwendungsersatzanspruch besteht (vgl. im vorliegenden Fall Rdnr. 19).

In BGHZ 162, 219 hat er diese Auffassung zunächst zum modernisierten Kaufrecht vertreten. Insbesondere hat er im Falle eigenmächtiger Selbstvornahme der Mangelbeseitigung durch den Käufer - ohne Fristsetzung zur Nacherfüllung - eine analoge Anwendung des 326 II 2 BGB abgelehnt. Er hat dieses Ergebnis dort allerdings auch auf die Erwägung gestützt, dass das Kaufrecht im Unterschied zum Mietrecht und zum Werkvertragsrecht dem Käufer überhaupt keinen Aufwendungsersatz zubilligt; deshalb kann diese Rspr. nicht ohne weiteres auf das Mietrecht übertragen werden.

c) Im vorliegenden Fall hat der BGH diese Auffassung im Ergebnis bekräftigt und teilweise mit denselben Argumenten begründet wie im Kaufrecht.

aa) Eine Anwendung des § 539 I auf Fälle des Sachmangels würde nicht dem Willen des Gesetzgebers entsprechen. BGH Rdnr. 21: Der Gesetzgeber hatte bei § 539 Abs. 1 BGB Mängelbeseitigungsarbeiten nicht im Blick, sondern allein Fälle, in denen der Mieter Einbauten vornimmt, die in erster Linie im eigenen Interesse liegen, wie zum Beispiel die Ausstattung von Küchen und Badezimmern (BT-Drs. 14/4553, S. 42).

bb) Rdnr. 22: Der Anwendbarkeit des § 539 Abs. 1 BGB auf Fälle der eigenmächtigen Mängelbeseitigung durch den Mieter steht insbesondere der Zweck des § 536a Abs. 2 Nr. 1 BGB entgegen. Nach dieser gesetzlichen Wertung soll dem Vermieter der Vorrang bei der Beseitigung eines Mangels zukommen. Das dient zum einen deswegen auch seinem Schutz, weil er dadurch die Minderung der Miete (§ 536 BGB) oder Schadensersatzansprüche des Mieters (§ 536a Abs. 1 BGB) abwenden kann. Die dem Vermieter grundsätzlich einzuräumende Möglichkeit, den Mangel selbst zu beseitigen, soll es ihm zudem ermöglichen, die Mietsache darauf zu überprüfen, ob der behauptete Mangel besteht, auf welcher Ursache er beruht sowie ob und auf welche Weise er beseitigt werden kann, und hierzu gegebenenfalls Beweise zu sichern. Diese Möglichkeit einer Untersuchung und Beweissicherung verliert der Vermieter, wenn er nach der vom Mieter vorgenommenen Mängelbeseitigung im Rahmen der Geltendmachung eines Anspruchs aus § 539 Abs. 1 BGB in Verbindung mit den Voraussetzungen der Geschäftsführung ohne Auftrag vor "vollendete Tatsachen" gestellt wird. Hierdurch würden sich seine Verteidigungsmöglichkeiten ungerechtfertigt verschlechtern (vgl. BGHZ 162, 219, 227 ff. zum Kaufrecht…).

cc) Schließlich würde, wie das BerGer. ausgeführt hat, ein anderes Ergebnis der Gesetzessystematik widersprechen. Denn bei Zulassung eines Anspruchs über §§ 539, 683 ff. wären die einschränkenden Voraussetzungen für einen Anspruch nach § 536a Abs. 2 weitgehend hinfällig.

2. Demzufolge ist nach obigem Sachverhalt, in dem ein Mangel vorlag, § 539 I nicht anwendbar. Im Originalfall war unter den Beteiligten streitig, ob die Heizung wirklich mangelhaft war, eine Situation, die im Fall der voreiligen Selbstvornahme häufig vorliegen wird. Für diesen Fall haben der BGH und die Vorinstanzen festgestellt, dass es zur Unanwendbarkeit des § 539 I bereits ausreicht, dass der Mieter geltend macht, er habe zum Zwecke der Beseitigung eines Mangels gehandelt; ob wirklich ein Mangel vorlag, braucht nicht festgestellt zu werden (vgl. Rdnr. 18 a. E.).

3. Folglich scheidet ein Anspruch über § 539 I deshalb aus, weil es sich um einen Aufwendungsersatzanspruch wegen einer Mängelbeseitigung handelt und auf diesen § 539 I nicht anwendbar ist.

IV. Nach § 536a I BGB kann der Mieter bei Vorliegen eines Mangels Schadensersatz verlangen, wenn einer der drei dort behandelten Fälle vorliegt.

1. Auch hier ist aber eine Abstimmung mit § 536a II erforderlich, die der BGH unter 25 wie folgt vornimmt: § 536a Abs. 1 BGB eröffnet keinen Anspruch auf Ersatz der vom Mieter zum Zweck der Mängelbeseitigung gemachten Aufwendungen, sofern die Voraussetzungen von § 536a Abs. 2 BGB nicht vorliegen (Erman/Jendrek § 536a Rdnrn. 13, 20; MünchKommBGB/Schilling, 4. Aufl., § 536a Rdnr. 14; a. A. …BeckOK-BGB/Ehlert, Stand: Februar 2007, § 536a Rdnr. 19a; Staudinger/Emmerich § 536a Rdnr. 22, 41). Die gegenteilige Auffassung wäre mit dem Sinn und Zweck des § 536a Abs. 2 Nr. 1 BGB, wonach grundsätzlich dem Vermieter der Vorrang bei der Mängelbeseitigung zukommt, nicht zu vereinbaren.

Somit ist auch § 536a I im vorliegenden Fall nicht anwendbar.

2. Auch wenn man der unter 1. aufgeführten Gegenmeinung folgt, ändert sich nichts, weil die Voraussetzungen des § 536a I nicht vorliegen. Sie müssten von K dargelegt und im Streitfall bewiesen werden (BGH Rdnr. 24). K kann aber offensichtlich weder dartun, dass die im Oktober aufgetretenen Mängel an der Heizung bereits im Mai bestanden - die Heizung sollte ja erst einmal kontrolliert werden - , noch dass sie auf ein Verschulden des B zurückgehen. Dass B nicht mit der Beseitigung im Verzug war, wurde bereits oben I 3a) festgestellt.

Ein Anspruch aus § 536a I besteht somit nicht.

V. Die bei eigenmächtiger Selbstvornahme im Kaufrecht erwogenen Anspruchsgrundlagen § 326 II 2 BGB analog oder § 812 I 1 BGB (vgl. Lorenz NJW 2003, 1417 ff.) wurden bereits von BGHZ 162, 219 abgelehnt; auf sie geht der BGH im vorliegenden Fall nicht mehr ein. Eine Anwendung dieser Vorschriften würde ebenfalls gegen den sich aus § 536a II Nr. 1 ergebenden Grundsatz verstoßen, wonach dem Vermieter der Vorrang bei der Beseitigung eines Mangels zukommen soll.

VI. Ergebnis: K hat keinen Anspruch gegen B.


Zusammenfassung