Bearbeiter: Prof. Dieter Schmalz

Recht und Pflicht eines Elternteils zum persönlichen Umgang mit dem Kind, § 1684 BGB; Art. 6 II GG. Durchsetzung dieser Pflicht mittels Zwangsgeld, § 33 FGG. Allgemeines Persönlichkeitsrecht auf Achtung der Privatsphäre, Art. 2 I i. V. mit Art. 1 I GG. Verfassungsbeschwerde gegen gerichtlichen Beschluss in einer Familiensache

BVerfG
Urteil vom 1. 4. 2008 (1 BvR 1620/04) NJW 2008, 1287

Fall
(Umgangsunwilliger Vater)

B, der spätere Beschwerdeführer der Verfassungsbeschwerde, ist verheiratet und hat zwei minderjährige Kinder. Vor fünf Jahren hatte er eine außereheliche Beziehung mit Frau F, aus der der inzwischen vier Jahre alte Sohn S stammt. B hat die Vaterschaft anerkannt und zahlt für das Kind den gesetzlichen Unterhalt. Er lehnt aber den Umgang mit S ab und begründet das damit, Kontakte mit S würden zum Bruch seiner Ehe und dem Zerbrechen seiner Familie führen. Seine Ehefrau habe ihm wiederholt erklärt, bei einem Kontakt zwischen B und S würde sie sich von ihm trennen. Deshalb habe er sich bewusst dazu entschieden, den Kontakt zu dem ihm unbekannten, unerwünschten und gegen seinen ausdrücklichen Willen gezeugten Kind abzulehnen.

F, die das Sorgerecht für S inne hat, beantragte namens des S beim Familiengericht, B zum Umgang mit seinem Sohn S zu verpflichten. Sie berief sich dabei auf folgende Vorschriften:

§ 1684 BGB (1) Das Kind hat das Recht auf Umgang mit jedem Elternteil; jeder Elternteil ist zum Umgang mit dem Kind verpflichtet und berechtigt.

(3) Das Familiengericht kann über den Umfang des Umgangsrechts entscheiden…

Ergeht eine gerichtliche Entscheidung über die Umgangspflicht aus § 1684 I BGB, findet § 33 I des Gesetzes über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FGG) Anwendung. Die Vorschrift lautet:

(1) Ist jemandem durch eine Verfügung des Gerichts die Verpflichtung auferlegt, eine Handlung vorzunehmen, die ausschließlich von seinem Willen abhängt ..., so kann ihn das Gericht zur Befolgung seiner Anordnung durch Festsetzung von Zwangsgeld anhalten. ...

(3) Das Zwangsgeld (Absatz 1) muss, bevor es festgesetzt wird, angedroht werden. Das einzelne Zwangsgeld darf den Betrag von fünfundzwanzigtausend Euro nicht übersteigen.

Im Beschwerdeverfahren ordnete das OLG auf der Grundlage eines Sachverständigengutachtens mit Beschluss vom 21. 1. den betreuten Umgang des B mit S für die Dauer von zwei Stunden aller drei Monate an und drohte B für den Fall der Verweigerung ein Zwangsgeld von bis zu 25.000 € an. Da gegen diesen Beschluss ein weiteres Rechtsmittel nicht mehr zulässig ist, fragt B, ob eine Verfassungsbeschwerde gegen die ihm auferlegte Verpflichtung Aussicht auf Erfolg hat.

A. Zulässigkeit einer Verfassungsbeschwerde (VfB) gemäß §§ 90 ff. BVerfGG

I. Die VfB muss sich gegen einen Hoheitsakt richten.

1. Hoheitsakte können insbesondere Rechtsnormen und (verbindlich regelnde) Einzelakte sein. Steht - wie im vorliegenden Fall - der angegriffene Akt noch nicht fest, sondern soll er erst bestimmt werden, ist grundsätzlich diejenige Maßnahme anzugreifen, durch die sich der Betroffene in seiner Rechtssphäre betroffen sieht.

2. Im vorliegenden Fall ergibt sich die Belastung des B aus der Umgangspflicht des § 1684 BGB und der in § 33 FGG enthaltenen Ermächtigung zur Durchsetzung mittels eines Zwangsgeldes sowie aus dem auf diese Rechtsnormen gestützten Beschluss des OLG vom 21. 1., einem Einzelakt.

a) Gegen §§ 1684 BGB, 33 FGG kann eine VfB nicht mehr gerichtet werden, weil die Jahrefrist (§ 93 III BVerfGG), die für Verfassungsbeschwerden gegen Gesetze gilt, längst abgelaufen ist. Diese Vorschriften können deshalb nur noch inzidenter, im Rahmen einer zulässigen VfB gegen einen darauf gestützten Akt überprüft werden (vgl. § 95 III 2, 1 BVerfGG).

b) Folglich ist die VfB gegen des Beschluss des OLG vom 21. 1. zu richten. Die Überprüfung dieses Hoheitsaktes führt zu einer Inzidenterprüfung der §§ 1684 BGB, 33 FGG als seiner Rechtsgrundlagen.

II. B muss behaupten, in einem Grundrecht verletzt zu sein. B kann geltend machen, der ihm auferlegte zwangsweise Umgang mit S verletze ihn in seinem allgemeinen Persönlichkeitsrecht (Art. 2 I i. V. mit Art. 1 I GG), weil die Entscheidung darüber, mit welcher anderen Person ein Mensch Umgang pflegen will, zur Entfaltung der Persönlichkeit gehöre und er in dieser Frage frei entscheiden dürfe. Diese freie Entscheidung sei für ihn nach dem Beschluss vom 21. 1. nicht mehr möglich.

III. Der Rechtsweg ist erschöpft (§ 90 II BVerfGG), weil gegenüber dem Beschluss des OLG kein Rechtsbehelf mehr möglich ist.

IV. Da davon ausgegangen werden kann, dass die formellen Voraussetzungen der §§ 23 I (Schriftform), 92, 93 I BVerfGG eingehalten werden, ist die VfB zulässig.

B. Begründetheit der VfB

Die VfB ist begründet, wenn B durch den Beschluss des OLG vom 21. 1. in einem Grundrecht verletzt ist. Verletztes Grundrecht könnte sein allgemeines Persönlichkeitsrecht (Art. 2 I, 1 I GG) sein.

I. Es müsste ein Eingriff in den Schutzbereich dieses Grundrechts vorliegen.

1. BVerfG Rdnr. 64: Dieses Grundrecht schützt den engeren persönlichen Lebensbereich und die Erhaltung seiner Grundbedingungen.

a) Es umfasst das Recht auf Achtung der Privatsphäre. Dazu gehören der familiäre Bereich und die persönlichen Beziehungen zu den anderen Familienmitgliedern (vgl. BVerfGE 96, 56 [61]). Das gilt auch für die Beziehung zwischen einem Elternteil und seinem Kind. Wie sich das Verhältnis zwischen ihnen gestaltet, wird geprägt von ihren jeweiligen persönlichen Gefühlen, Einstellungen und Erfahrungen, die sich wechselseitig beeinflussen. Die Entscheidung, mit seinem Kind Umgang zu haben oder ihn abzulehnen, ist Ausdruck des individuellen Verständnisses von Elternschaft und der emotionalen Beziehung zum Kind. Dieses Verständnis näher zu entwickeln und sich danach zu verhalten, wird durch das allgemeine Persönlichkeitsrecht geschützt.

b) Da es im vorliegenden Fall um dieses Verhältnis zwischen Vater und Kind geht, steht die von B zu dieser Frage getroffene Entscheidung unter dem Schutz des Persönlichkeitsrechts.

2. In diesen geschützten Bereich müsste durch den Gerichtsbeschluss vom 21. 1. eingegriffen worden sein.

BVerfG Rdnr. 65: 2. Wird jemand durch Androhung von Zwangsmitteln gegen seinen Willen zum Umgang mit seinem Kind angehalten, greift dies in das Recht auf Achtung seiner Privatsphäre ein. Entgegen seiner eigenen Einstellung wird er dazu gezwungen, seinem Kind zu begegnen und mit ihm persönlichen Kontakt zu pflegen. Dies nimmt Einfluss auf sein persönliches Verhältnis zum Kind und setzt ihn unter Druck, sich seinem Kind gegenüber so zu verhalten, wie er es selbst nicht will.

Ein Eingriff in den Schutzbereich des allgemeinen Persönlichkeitsrechts des B liegt vor.

II. Der Eingriff könnte aber gerechtfertigt sein.

1. Hierfür bedarf es einer gesetzlichen Grundlage für den Eingriff.

a) Eine solche Grundlage muss zunächst in der Verfassung enthalten sein, regelmäßig als Schranke in der Form eines Gesetzesvorbehalts.

aa)
Beim Persönlichkeitsrecht besteht eine Eingriffsermächtigung allerdings nicht, soweit der unantastbare Bereich privater Lebensgestaltung betroffen ist, insbesondere im Bereich des Menschenwürdekerns, der den Intimbereich einschließt. Dieser Bereich ist hier aber nicht betroffen. BVerfG Rdnr. 64: Die Beziehung zwischen Eltern und Kind ist nicht dem unantastbaren Bereich privater Lebensgestaltung zuzurechnen, denn sie weist einen erheblichen sozialen Bezug zum betroffenen Kind auf, dessen Interessen und Persönlichkeitssphäre von dieser Entscheidung berührt werden (vgl. BVerfGE 96, 56 [61]).

bb) Im übrigen unterliegt das allgemeine Persönlichkeitsrecht den Schranken der verfassungsmäßigen Ordnung, verstanden als der Summe aller verfassungsmäßigen Gesetze, und steht damit unter einem Gesetzesvorbehalt. BVerfG Rdnr. 66: Das Grundrecht auf Schutz der Persönlichkeit ist außerhalb des unantastbaren Schutzbereichs privater Lebensgestaltung nicht vorbehaltlos gewährleistet. Es wird nach Art. 2 Abs. 1 GG durch die verfassungsmäßige Ordnung und die Rechte anderer beschränkt (vgl. BVerfGE 99, 185 [195]).

b) Ausgefüllt werden muss der Gesetzesvorbehalt durch ein (einfaches) Gesetz.

aa) BVerfG Rdnr. 66: Beschränkungen bedürfen einer gesetzlichen Grundlage, aus der sich die Voraussetzungen und der Umfang der Beschränkungen ergeben. Der Einzelne hat die Einschränkungen hinzunehmen, die im überwiegenden Allgemeininteresse oder im Hinblick auf grundrechtlich geschützte Interessen Dritter unter Wahrung der Verhältnismäßigkeit vorgenommen werden (vgl. BVerfGE 96, 56 [61]).

bb) BVerfG Rdnr. 67: Gesetzliche Grundlage, auf die sich das Oberlandesgericht bei seiner Entscheidung gestützt hat, dem Beschwerdeführer die Verhängung eines Zwangsgeldes für den Fall anzudrohen, dass er seiner Umgangspflicht nicht nachkommt…, ist § 33 Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit Abs. 3 FGG. Als Voraussetzung für die Androhung von Zwangsgeld benennt diese Norm selbst jedoch nur allgemein eine seitens des Gerichts auferlegte Handlungspflicht, die vom Willen des Betroffenen abhängt, und gibt als Zweck für den Einsatz der Zwangsmittelandrohung an, den Betroffenen damit anzuhalten, der gerichtlich angeordneten Handlungspflicht Folge zu leisten. Deshalb ist in die Prüfung, ob § 33 Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit Abs. 3 FGG ein berechtigtes Anliegen verfolgt, auch § 1684 Abs. 1 BGB mit einzubeziehen. Diese Vorschrift, die einen Elternteil zum Umgang mit seinem Kind verpflichtet und die das Gericht seiner Anordnung eines Umgangs des Beschwerdeführers mit seinem Kind zugrunde gelegt hat, begründet die von § 33 Abs. 1 Satz 1 FGG in Bezug genommene Handlungspflicht. An dieser Umgangspflicht ist zu messen, ob der durch die Androhung von Zwangsgeld erfolgte Grundrechtseingriff zu rechtfertigen ist.

cc) Somit sind §§ 1684 BGB, 33 FGG die einfach-gesetzliche Regelungen, über die der Eingriff gerechtfertigt werden kann.

2. Da nur Gesetze, die auch im übrigen verfassungsmäßig sind, ein Grundrecht beschränken dürfen, ist auch im Hinblick auf §§ 1684 BGB, 33 FGG zu prüfen, ob diese Vorschriften formell und materiell verfassungsmäßig sind.

a) Die Gesetzgebungskompetenz des Bundesgesetzgebers folgt aus Art. 74 I Nr. 1 GG (bürgerliches Recht und gerichtliches Verfahren) und verstieß auch nicht gegen den bei Erlass dieser Bestimmungen noch auf solche Gesetz anwendbaren Art. 72 II GG (seit der Föderalismusreform 2006 sind allerdings Gesetze i. S. des Art. 74 I Nr. 1 von der Erforderlichkeitsklausel des Art. 72 II freigestellt). Hinsichtlich des Gesetzgebungsverfahrens bestehen keine Bedenken.

b) In materieller Hinsicht müssen die Vorschriften, die Grundlage für den in das Persönlichkeitsrecht eingreifenden Beschluss des OLG sein können, mit dem Prinzip der Verhältnismäßigkeit übereinstimmen. Das ist zunächst im Hinblick auf die in § 1684 BGB enthaltene Umgangspflicht zu prüfen.

aa) Die Umgangspflicht müsste ein zur Förderung eines legitimen Zwecks geeignetes Mittel sein. BVerfG Rdnr. 77: Die elterliche Umgangspflicht dient dem vom Gesetzgeber in § 1684 Abs. 1 BGB verfolgten Zweck, dem gesetzlich zuerkannten Recht des Kindes auf Umgang mit seinen Eltern durch eine entsprechende Verpflichtung der Eltern dazu Nachdruck zu verleihen und so dem Kind zu ermöglichen, mit seinen Eltern zusammenzutreffen. Ein solcher Umgang ist für die kindliche Entwicklung von herausragender Bedeutung. Es ist nicht zu beanstanden und wird durch wissenschaftliche Erkenntnisse gestützt, wenn der Gesetzgeber bei seiner Inpflichtnahme der Eltern davon ausgegangen ist, ein beständiger persönlicher Kontakt zwischen Eltern und Kind nehme positiven Einfluss auf die kindliche Entwicklung und sei grundsätzlich dem Kindeswohl dienlich. Die Umgangspflicht ist auch geeignet, die Beziehung zwischen dem Kind und seinen Eltern zu fördern. Es ist nicht auszuschließen, dass ein zum Umgang verpflichteter Elternteil, selbst wenn er zunächst an einer regelmäßigen Begegnung mit seinem Kind kein Interesse hat und von sich aus den persönlichen Kontakt mit seinem Kind nicht sucht, sich durch die in § 1684 Abs. 1 BGB enthaltene Verpflichtung zum Umgang mit seinem Kind oder durch die darauf gestützte gerichtliche Anordnung, die seine Umgangspflicht konkretisiert, beeindrucken und bewegen lässt, dieser Pflicht im wohlverstandenen Sinne des Kindes nachzukommen und diesem damit zu ermöglichen, eine Beziehung zu ihm aufzubauen oder fortzusetzen.

bb) Erforderlich ist ein geeignetes Mittel dann nicht, wenn ein gleich geeignetes, milderes Mittel vorhanden ist. BVerfG Rdnr. 77: Ein milderes Mittel, dem Umgangsrecht des Kindes zu seinem Wohle Nachdruck zu verleihen und zur Durchsetzung zu verhelfen, ist nicht ersichtlich, sodass die elterliche Umgangsverpflichtung auch erforderlich ist.

cc) Bei der Frage der Angemessenheit (Verhältnismäßigkeit i. e. S.) ist eine Interessenabwägung vorzunehmen und mit der Frage der Zumutbarkeit zu verbinden. Dabei ist auch Art. 6 II 1 GG einzubeziehen, der den Eltern die Pflege und Erziehung der Kinder als Recht gewährleistet, ihnen dies aber auch als Pflicht auferlegt (näher dazu BVerfG Rdnr. 70).

BVerfG Rdnr. 78 - 80: Schließlich ist es einem Elternteil auch zumutbar, angehalten zu werden, mit seinem Kind Umgang zu pflegen. Zwar ist der mit der Umgangsverpflichtung verbundene Eingriff in das Grundrecht auf Schutz der Persönlichkeit eines Elternteils von nicht geringer Intensität. Diesem wird damit in aller Regel nicht nur abverlangt, eine Begegnung mit seinem Kind zu erdulden. Vielmehr wird von ihm erwartet, dass er sich dem Kind zuwendet, mit ihm kommuniziert und eine persönliche Beziehung zum Kind herstellt oder fortsetzt…Konkretisiert der Gesetzgeber die durch Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG den Eltern auferlegte Erziehungspflicht dahingehend, dass er den Umgang mit dem Kind zur elterlichen Pflicht erhebt, dann entspricht dies dem Gewicht, das dem Umgang zwischen Eltern und Kind bei der Erziehung beizumessen ist. Dies lässt den Eingriff in das Persönlichkeitsrecht des Elternteils, der mit der Auferlegung einer Umgangsverpflichtung erfolgt, nicht als besonders schwerwiegend erscheinen…Wägt man das Interesse des Kindes an einem gedeihlichen Umgang mit seinen beiden Elternteilen mit dem Interesse eines Elternteils ab, mit dem Kind nicht oder nicht mehr in persönlichen Kontakt treten zu wollen, dann ist dem kindlichen Anliegen gegenüber dem elterlichen Wunsch ein erheblich größeres Gewicht beizumessen. Es ist einem Elternteil deshalb zumutbar, auch unter Beeinträchtigung seiner Persönlichkeitssphäre zum Umgang mit seinem Kind verpflichtet zu werden, wenn dies dem Kindeswohl dient.

Somit verstößt die Umgangspflicht des § 1684 I nicht gegen das Verhältnismäßigkeitsprinzip und ist insgesamt verfassungsmäßig.

c) Außerdem müsste § 33 FGG verhältnismäßig sein, wobei dies nur insoweit zu prüfen ist, als gerade die Umgangspflicht mit den Mitteln des § 33 FGG durchgesetzt wird.

aa) Zweck des § 33 FGG ist die Durchsetzung der Umgangspflicht, so dass § 33 FGG im Prinzip denselben Zweck verfolgt wie § 1684 BGB. Jedoch ist nach BVerfG Rdnr. 81 - 91 die Androhung der zwangsweisen Durchsetzung der Umgangspflicht eines Elternteils gegen dessen erklärten Willen regelmäßig nicht geeignet, den Zweck zu erreichen, der mit ihr verfolgt wird, nämlich dem Kind einen Umgang mit seinem Elternteil zu ermöglichen, der zu einer gedeihlichen Persönlichkeitsentwicklung des Kindes beiträgt und dem Recht des Kindes zur Durchsetzung verhilft, dass seine Eltern ihre Verantwortung ihm gegenüber zu seinem Wohle ausüben. Ein Umgang mit dem Kind, der nur mit Zwangsmitteln gegen seinen umgangsunwilligen Elternteil durchgesetzt werden kann, vermag in der Regel nicht dem Kindeswohl dienlich zu sein.

Anders als im Falle der gerichtlichen Umgangsverpflichtung, die den betreffenden Elternteil zunächst einmal nur ermahnt, seiner Elternverantwortung nachzukommen,…wird ein Elternteil durch die Androhung von Zwang gegen seinen Willen dazu gedrängt, dem Kind zu begegnen und mit diesem konfrontiert zu werden… Legt der Elternteil seine ablehnende Haltung gegenüber dem Kind bei einer erzwungenen Begegnung mit diesem nicht ab, gerät das Kind in eine Situation, in der es nicht die mit dem Umgang bezweckte elterliche Zuwendung erfährt, sondern spüren muss, wie es als Person abgelehnt wird, und dies nicht von irgendjemandem, sondern gerade von seinem Elternteil. Dies birgt die große Gefahr, dass das Selbstwertgefühl des Kindes dabei Schaden nimmt.

bb) Allerdings ist nicht auszuschließen, dass es Fälle gibt, in denen aufgrund der Unbefangenheit des Kindes auch gegenüber Fremden und seiner psychischen Stabilität eine reale Chance besteht, dass das Kind in der Lage ist, durch sein offenes und freundliches Verhalten den Widerstand des den Kontakt zu ihm meidenden Elternteils aufzulösen, so dass ein zunächst erzwungener Umgang dennoch dem Kindeswohl dienen kann. Auch mag es Fälle geben, in denen eine erzwungene Begegnung des Kindes mit seinem Elternteil seinem Wohl dienen kann, selbst wenn der Elternteil dabei seinen Widerwillen gegen das Zusammentreffen zum Ausdruck bringt. Wie das Deutsche Institut für Jugendhilfe und Familienrecht und das Deutsche Jugendinstitut in ihren Stellungnahmen ausgeführt haben, regt sich im Verlaufe der kindlichen Entwicklung zumeist im Jugend- oder jungen Erwachsenenalter das Interesse an einem Kennenlernen bislang noch nicht bekannter Elternteile. Hat sich dieses Interesse bei einem Kind oder Jugendlichen stark herausgebildet und geht es ihm vor allem um ein - sei es auch nur einmaliges - Zusammentreffen mit diesem Elternteil, um diesen kennen zu lernen, dann kann die Erfüllung dieses Bedürfnisses für das Kind gewichtiger sein als die möglicherweise damit verbundene Erfahrung, dass dieser Elternteil von ihm nichts wissen will. Dies ist gegebenenfalls mit Hilfe von Sachverständigen zu klären. In einem solchen Fall kann selbst ein erzwungenes Zusammentreffen mit dem Elternteil dem Wohle des Kindes dienen. Überdies wird, je älter und je gefestigter ein Kind in seiner eigenen Persönlichkeitsentwicklung ist, umso eher davon auszugehen sein, dass auch eine zwangsweise Durchsetzung seines eigenen, nachdrücklich geäußerten Wunsches, Kontakt mittels eines Umgangs mit seinem Elternteil zu erhalten, seinem Wohl dienlich ist. In solchen Fällen ist der mit der Erzwingung eines Umgangs verbundene Eingriff in das Persönlichkeitsrecht des betreffenden Elternteils nicht nur geeignet, den Zweck zu erreichen, dem Kind einen seinem Wohl dienenden Umgang zu ermöglichen, sondern der Eingriff ist auch gerechtfertigt. Der Sicherung des Kindeswohls ist dann ein größeres Gewicht beizumessen als dem Interesse des Elternteils, vom Umgang mit seinem Kind verschont zu bleiben. Es ist einem Elternteil in diesem Fall zumutbar, zu einem Umgang mit seinem Kind notfalls auch mit Zwangsmitteln angehalten zu werden.

cc) Grundsätzlich bleibt es aber bei der Überlegung oben aa), nach der die zwangsweise Durchsetzung der Umgangspflicht ungeeignet und unverhältnismäßig ist, so dass darauf gestützte Maßnahmen das allgemeine Persönlichkeitsrecht verletzen.

d) BVerfG Rdnr. 92, 93: Allerdings führt die mit einer Zwangsgeldandrohung gegenüber einem umgangsunwilligen Elternteil verbundene Verletzung seines Grundrechts auf Schutz der Persönlichkeit nicht zur Verfassungswidrigkeit von § 33 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 FGG. Diese Norm ist verfassungsgemäß dahingehend auszulegen, dass eine zwangsweise Durchsetzung der Umgangspflicht eines den Umgang mit seinem Kind verweigernden Elternteils zu unterbleiben hat, es sei denn, es gibt im konkreten Einzelfall hinreichende Anhaltspunkte, die darauf schließen lassen, dass dies dem Kindeswohl dienen wird.

§ 33 FGG ist eine Art Generalklausel zur Durchsetzung von unter das FGG fallenden Entscheidungen (BVerfG: eine allgemeine Vorschrift über die Zwangsvollstreckung in der freiwilligen Gerichtsbarkeit, die eine Vielzahl von gerichtlich auferlegten Verpflichtungen erfasst…). Bei Generalklauseln und unbestimmten Rechtsbegriffen, deren Verfassungsmäßigkeit für die Normalfälle ihrer Anwendung außer Zweifel steht, wird einem Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit in besonderen Fällen nicht durch Verfassungswidrigkeit, sondern dadurch Rechnung getragen, dass die Vorschriften verfassungskonform ausgelegt und nicht auf die Fälle angewendet werden, bei denen eine Anwendung verfassungswidrig wäre. Das gilt insbesondere bei Ermessensvorschriften, bei denen dem Rechtsanwender schon kraft ausdrücklicher Regelung ein Spielraum zukommt; auch § 33 FGG ist eine Ermessensvorschrift (BVerfG Rdnr. 93).

Das Gebot zu einer verfassungskonformen Auslegung des § 33 FGG hat das BVerfG im Tenor seines Urteils unter 1. wie folgt formuliert: § 33 Absatz 1 Satz 1 und Absatz 3 FGG sind verfassungskonform dahingehend auszulegen, dass eine zwangsweise Durchsetzung der Umgangspflicht eines den Umgang mit seinem Kind verweigernden Elternteils zu unterbleiben hat, es sei denn, es gibt im konkreten Einzelfall hinreichende Anhaltspunkte, die darauf schließen lassen, dass ein erzwungener Umgang dem Kindeswohl dienen wird.

3. Diese Einschränkung hat das OLG im vorliegenden Fall bei seiner Rechtsanwendung nicht beachtet. BVerfG Rdnr. 95: Bei seiner Entscheidung hat das Gericht weder das Wohl des Kindes in ausreichendem Maße berücksichtigt noch dem Recht des Beschwerdeführers auf Schutz seiner Persönlichkeit Genüge getan. Es hat verkannt, dass gegen den Willen des umgangsverpflichteten Elternteils nur ein Umgang erzwungen werden darf, der seinen Zweck erreicht, dem Kind dienlich zu sein. Von der Möglichkeit einer solchen Zweckerreichung konnte im vorliegenden Fall wegen der dezidiert ablehnenden Haltung des B nicht ausgegangen werden.
Der Beschluss des OLG war somit durch den - verfassungskonform ausgelegten - § 33 FGG nicht gedeckt.

III. Der Beschluss des OLG verletzte B in seinem Persönlichkeitsrecht. Die VfB wäre begründet und würde zur Aufhebung des OLG-Beschlusses führen.


Zusammenfassung
(unter Verwendung der Leitsätze des BVerfG)