Bearbeiter: Dr. Gernot Schmalz-Brüggemann

Kaufrecht; Minderung wegen eines Sachmangels, §§ 437, 441 BGB. Minderung statt Nacherfüllung; grundsätzliche Notwendigkeit einer Fristsetzung. Ausnahmsweise Entbehrlichkeit der Fristsetzung wegen arglistiger Täuschung durch Verkäufer, § 323 II Nr. 3 BGB

BGH Urteil vom 9. 1. 2008 (VIII ZR 210/06) NJW 2008, 1371

Fall (Dressurpferd Diokletian)

Frau K kaufte von dem Pferdezüchter B am 20. 1. das Pferd „Diokletian“ als Dressurpferd zu einem Preis von 45.000 €. Das Pferd war ein Wallach. Jedoch war bei der Kastration das Hodengewebe nicht vollständig entfernt worden, was dem B vor dem Verkauf bekannt war, er der K aber nicht mitteilte. Das Pferd zeigte ein „hengstisches Verhalten“ und war als Dressurpferd weniger geeignet als ein reiner Wallach. Nachdem K das festgestellt hat, verlangte sie am 2. 11. Rückzahlung des hälftigen Kaufpreises in Höhe von 22.500 €. B verweigerte das, weil er in der unvollständigen Kastration keinen Mangel sah und weil - was vom Tierarzt bestätigt wurde - durch eine Nachoperation das verbliebene Hodengewebe entfernt werden könnte. K will mit B aber nichts mehr zu tun haben und hat Klage auf Zahlung der 22.500 € erhoben. Ist die Klage begründet ?

Anspruchsgrundlage können §§ 437 Nr. 2, 441 I, IV BGB unter dem Gesichtspunkt der Minderung des Kaufpreises sein.

I. Zwischen K und B müsste ein wirksamer Kaufvertrag (§ 433 BGB) bestehen.

1. K und B haben am 20. 1. einen Vertrag über die entgeltliche Veräußerung des Pferdes Diokletian geschlossen. Nach § 90a Satz 1 BGB sind Tiere zwar keine Sachen. Nach Satz 3 sind die Vorschriften über Sachen aber entsprechend anzuwenden, so dass von einem Kaufvertrag über eine Sache i. S. des § 433 BGB auszugehen ist.

2. Der Kaufvertrag könnte durch Anfechtung entfallen sein (§ 142 BGB). Anfechtungsgrund könnte eine arglistige Täuschung der K durch B sein (§ 123 BGB). Dass B die nur ihm bekannte, für K aber bedeutsame unvollständige Kastration des Tieres nicht offenbart hat, bedeutete eine arglistige Täuschung und hätte K zu einer Anfechtung berechtigt. K hat diese aber nicht erklärt (§ 143 BGB), sondern hält an dem Kaufvertrag, allerdings mit einem geminderten Kaufpreis, fest. Somit besteht der Kaufvertrag weiterhin.

II. Das verkaufte Pferd müsste mit einem Sachmangel (§ 434 BGB) behaftet gewesen sein. Das Pferd wurde als Wallach und Dressurpferd verkauft. Darin lag eine Beschaffenheitsvereinbarung (§ 434 I 1 BGB). Dieser Beschaffenheit entsprach das Pferd nicht. Es war deshalb mangelhaft. Es handelte sich, da der Mangel durch eine Operation hätte behoben werden können, um einen behebbaren Mangel.

III. Rechtsfolge eines behebbaren Mangels ist

BGH Rdnr. 10: Das Recht des Käufers, wegen eines behebbaren Mangels vom Vertrag zurückzutreten oder den Kaufpreis zu mindern (§ 437 Nr. 2, §§ 323, 441 BGB), setzt - wenn nicht einer der gesetzlich geregelten Ausnahmetatbestände eingreift - ebenso wie der Anspruch auf Schadensersatz statt der Leistung (§ 437 Nr. 3, §§ 280, 281 BGB) voraus, dass der Käufer dem Verkäufer erfolglos eine angemessene Frist zur Nacherfüllung bestimmt hat; dies gilt auch beim Tierkauf (vgl.…BGH NJW 2006, 988, unter II 2).

K hat an B keine Aufforderung zur Beseitigung des Mangels innerhalb einer bestimmten Frist gerichtet, sondern hat es abgelehnt, eine weitere Operation an dem Pferd von B veranlassen zu lassen. Der Anspruch auf Rückzahlung des halbem Kaufpreises wegen Minderung ist deshalb nur begründet, wenn die Aufforderung zur Mängelbeseitigung mit Fristsetzung ausnahmsweise entbehrlich war.

Fälle der Entbehrlichkeit sind insbesondere §§ 281 II, 323 II, 440 BGB.

1. Nach § 323 II Nr. 1 BGB ist die Fristsetzung entbehrlich, wenn der Schuldner die Leistung ernsthaft und endgültig verweigert. Bei der Gewährleistung für Sachmängel kann das auch darin gesehen werden, dass der Verkäufer den Mangel hartnäckig bestreitet. Einen solchen Fall nimmt der BGH hier aber nicht an. BGH Rdnr. 11- 13: Vergeblich wendet sich die Revision dagegen, dass das Berufungsgericht die Entbehrlichkeit der Fristsetzung unter dem Gesichtspunkt einer ernsthaften und endgültigen Verweigerung der Nacherfüllung (§ 323 Abs. 2 Nr. 1 BGB) verneint hat. Der erstinstanzliche Prozessbevollmächtigte des Beklagten hat in seinem Antwortschreiben vom 4. November 2004 auf das Schreiben des erstinstanzlichen Prozessbevollmächtigten der Klägerin vom 2. November 2004, in dem die Klägerin sogleich Minderung verlangte, ohne den Beklagten zur Mangelbeseitigung aufzufordern, ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die Klägerin zunächst verpflichtet sei, dem Beklagten Gelegenheit zur Nachbesserung zu geben. Darin liegt keine Verweigerung der Mangelbeseitigung seitens des Beklagten. Eine solche kann auch nicht darin gesehen werden, dass der Prozessbevollmächtigte dem Beklagten im Anschluss an seinen Hinweis zusätzlich beanstandete, dass die von der Klägerin vorgelegten Befundberichte aus medizinischer Sicht nicht ausreichend seien, um rechtlich einen Sachmangel anzunehmen. Dem steht bereits entgegen, dass der Prozessbevollmächtigte des Beklagten in seinem Schreiben abschließend nochmals ausdrücklich um einen Nachweis bat, welchen Mangel die Beklagten im Wege der Nachbesserung beseitigen sollten.

Auch im Rechtsstreit hat der Beklagte eine Mangelbeseitigung nicht verweigert. Er hat wiederum beanstandet, dass ihm die Möglichkeit der Nacherfüllung nicht eingeräumt wurde. Unter diesen Umständen kann allein darin, dass der Beklagte (daneben) auch das Vorliegen eines Mangels bestritten hat, keine ernsthafte und endgültige Verweigerung der Nacherfüllung gesehen werden.


2. Eine Fristsetzung ist ferner entbehrlich, wenn dem Käufer die Mangelbeseitigung durch Nacherfüllung unzumutbar ist (§ 440, 1 3.Fall BGB). BGH Rdnr. 15: Die Beurteilung, ob die Nacherfüllung dem Käufer aufgrund besonderer Umstände des Einzelfalles unzumutbar ist (§ 440 Satz 1 BGB), obliegt dem Tatrichter. Das Berufungsgericht ist aufgrund des schriftlichen Gutachtens des Sachverständigen Dr. S. und dessen mündlicher Erläuterung davon ausgegangen, dass mit einer erneuten Operation des Pferdes eine vollständige Beseitigung des Mangels möglich ist. Es hat die damit verbundenen - gegenüber dem ersten Eingriff erhöhten - Operationsrisiken insbesondere unter dem Gesichtspunkt für zumutbar gehalten, dass nach den Ausführungen des Sachverständigen eine Entfernung des noch vorhandenen Hodengewebes ohnehin medizinisch indiziert sei, um der Gefahr einer Entartung des Gewebes vorzubeugen. Rechtsfehler dieser tatrichterlichen Würdigung zeigt die Revision nicht auf und sind auch nicht ersichtlich.

Die Mängelbeseitigung durch Nachoperation ist für K somit nicht unzumutbar.

3. Nach § 323 II Nr. 3 BGB ist eine Fristsetzung auch dann entbehrlich, wenn besondere Umstände vorliegen, die unter Abwägung der beiderseitigen Interessen den sofortigen Rücktritt rechtfertigen. Ein solcher Umstand könnte hier die arglistige Täuschung der K durch B sein.

a) Nicht von vornherein klar ist allerdings, ob auf den Fall der arglistigen Täuschung beim Kaufvertrag die allgemeine Vorschrift des § 323 II Nr. 3 anwendbar ist oder die Unzumutbarkeitsregel des an sich spezielleren § 440, 1 (vgl. oben 2). Ein Unterschied besteht darin, dass § 323 II Nr. 3 eine Abwägung beider Interessen verlangt, während § 440, 1 es gestattet, lediglich aus der Interessenlage des Käufers zu entscheiden. Während der BGH seine Entscheidung auf § 323 II Nr. 3 gestützt hat, ohne dies im Verhältnis zu § 440 zu begründen, befasst sich Gutzeit NJW 2008, 1359 mit dieser Frage. Er stimmt dem BGH im Ergebnis zu, u. a. mit der Begründung, es sei nicht gerechtfertigt, eine so grundsätzliche Regelung wie die des § 323 II Nr. 3, wonach beide Interessen zu berücksichtigen sind, im wichtigsten Anwendungsbereich, dem Kaufrecht, zu relativieren.

b) Zur Frage der besonderen Umstände i. S. des § 323 II Nr. 3 BGH Rdnr. 19, 20: Der Bundesgerichtshof hat - nach Erlass des Berufungsurteils - entschieden, dass ein die sofortige Rückabwicklung des Kaufvertrages rechtfertigendes Interesse des Käufers (§ 323 Abs. 2 Nr. 3 BGB) im Regelfall anzunehmen ist, wenn der Verkäufer dem Käufer einen Mangel arglistig verschwiegen hat. Bei einer vom Verkäufer beim Abschluss eines Kaufvertrags begangenen Täuschungshandlung ist in der Regel die für eine Nacherfüllung erforderliche Vertrauensgrundlage beschädigt.

aa) Dies gilt insbesondere, wenn die Nacherfüllung durch den Verkäufer selbst oder unter dessen Anleitung im Wege der Mängelbeseitigung erfolgen soll. In solchen Fällen hat der Käufer ein berechtigtes Interesse daran, von einer weiteren Zusammenarbeit mit dem Verkäufer Abstand zu nehmen. Dem stehen regelmäßig keine maßgebenden Interessen des Verkäufers gegenüber. Denn die Chance zur nachträglichen Fehlerbeseitigung, die dem Verkäufer mit dem Vorrang der Nacherfüllung gegeben werden soll, verdient dieser nur dann, wenn ihm der Mangel bei Abschluss des Kaufvertrags nicht bekannt war. Kannte er ihn dagegen, so kann er ihn vor Abschluss des Vertrages beseitigen und die Sache in einem vertragsgemäßen Zustand leisten. Entschließt sich der Verkäufer, den ihm bekannten Mangel nicht zu beseitigen und die Sache in einem vertragswidrigen Zustand zu veräußern, so besteht keine Veranlassung, ihm nach Entdeckung des Mangels durch den Käufer eine zweite Chance zu gewähren. Der so handelnde Verkäufer verdient keinen Schutz vor den mit der Rückabwicklung des Vertrages verbundenen wirtschaftlichen Nachteilen (BGH NJW 2007, 835, unter II 3 b bb). Für das Recht des Käufers, den Kaufpreis sofort - ohne vorherige Fristsetzung zur Nacherfüllung - zu mindern, gelten die dargelegten Grundsätze gleichermaßen (§ 323 Abs. 3 Nr. 2, § 441 Abs. 1 Satz 1 BGB).

bb) Besondere Umstände, aufgrund derer im vorliegenden Fall die für die Beseitigung des Mangels erforderliche Vertrauensgrundlage durch die den Beklagten vorgeworfene arglistige Täuschung nicht beschädigt worden wäre, sind nicht ersichtlich. Das BerGer. hatte einen Wegfall der Vertrauensgrundlage mit der Begründung verneint, dass die Beseitigung des Mangels durch eine weitere Operation des Tieres nicht von B selbst, sondern von einem Tierarzt vorgenommen worden wäre. Dem misst der BGH aber keine entscheidende Bedeutung zu, Rdnr. 20: Vielmehr ist…auch bei einer Mangelbeseitigung, die durch einen vom Verkäufer beauftragten Dritten vorzunehmen ist, in der Regel die für die Nacherfüllung erforderliche Vertrauensgrundlage beschädigt (BGH NJW 2007, 835).

Somit war eine Fristsetzung der K gegenüber B wegen des besonderen Umstandes, dass B die Käuferin K arglistig getäuscht hat, nach § 323 II Nr. 3 entbehrlich.

IV. Eine Minderungserklärung gemäß § 441 I 1 hat K abgegeben. Auch kann davon ausgegangen werden, dass die hälftige Herabsetzung des Kaufpreises der durch den Mangel eingetretenen Wertminderung (§ 441 III) entspricht.

V. Folglich kann K den zuviel gezahlten Kaufpreisanteil in Höhe von 22.500 € erstattet verlangen (§ 441 IV 1).


Zusammenfassung