Bearbeiter: Dr. Gernot Schmalz-Brüggemann

Rechts- und Parteifähigkeit der Gesellschaft bürgerlichen Rechts, § 705 BGB. Persönliche Haftung der Gesellschafter analog § 128 HGB; Grenzen dieser Haftung. Bedeutung des § 736 ZPO. Auslegung einer Klage im Hinblick auf den richtigen Beklagten

BGH Urteil vom 25. 1. 2008 (V ZR 63/07) NJW 2008, 1216

Fall
(Garagenzufahrt nur über fremdes Grundstück)

Die Kläger K1 und K2 (künftig: K) sind Eigentümer eines Grundstücks Z-Straße 32 in der Stadt S, die bis 1990 zur DDR gehörte. Ursprünglich hatte die neben dem Wohnhaus gelegene Garage eine Zufahrt von der Z-Straße. Im Jahre 1972 wurde die Z-Straße ausgebaut und höher gelegt, so dass die direkte Zufahrt nicht mehr möglich war. K nutzten seitdem einen Streifen des unbebauten, damals volkseigenen Nachbargrundstücks Flurstück 112/27 als Zufahrt zu ihrer Garage.

Später erwarben B1 und B2 das Grundstück 112/27. Nach entsprechender Auflassung lautete die Eintragung der neuen Eigentümer im Grundbuch: „B1 und B2 als Gesellschafter einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts“. Über die weitere Benutzung des Grundstücks als Zufahrt für K entstand Streit.

Als B den K die weitere Benutzung ihres Grundstücks untersagten, erhoben K Klage gegen B1 und B2 als Gesellschafter bürgerlichen Rechts und beantragten, B1 und B2 zu verurteilen, ihnen eine Grunddienstbarkeit für das Befahren des Grundstücks 112/27 einzuräumen. Sie stützten sich dabei auf § 116 I Sachenrechtsbereinigungsgesetz (SachRBerG). Danach kann derjenige, der im Gebiet der früheren DDR ein Grundstück in einzelnen Beziehungen nutzt, von dem Eigentümer die Bestellung einer Grunddienstbarkeit oder einer beschränkten persönlichen Dienstbarkeit verlangen, wenn 1. die Nutzung vor Ablauf des 2. Oktober 1990 begründet wurde, 2. die Nutzung des Grundstücks für die Erschließung oder Entsorgung eines eigenen Grundstücks erforderlich ist und 3. ein Mitbenutzungsrecht nach DDR-Recht nicht begründet wurde; ein solches Mitbenutzungsrecht hatten K nicht erworben. Ist der Klageantrag der K begründet ?

I. Anspruchsgrundlage ist § 116 I SachRBerG. Dessen Voraussetzungen liegen vor: Die beteiligten Grundstücke liegen in einem Gebiet der früheren DDR („Beitrittsgebiet“). Die Nutzung des Grundstücks 112/27, die durch Grunddienstbarkeit gesichert werden soll, bestand seit 1972. Das Befahren des Nachbargrundstücks ist für die Erschließung des Grundstücks der K erforderlich, weil diese keinen sonstigen Zugang zur öffentlichen Straße haben. Ein Mitbenutzungsrecht nach DDR-Recht steht K nicht zu.

II. Der Anspruch richtet sich gegen den Eigentümer des Nachbargrundstücks. Es ist somit zu entscheiden, wer Eigentümer des Grundstücks 112/27 ist und ob die Kläger K diesen oder diese Eigentümer auch verklagt haben. Andernfalls fehlt dem oder den Beklagten die Passivlegitimation, was zur Unbegründetheit der Klage führt.

1. B1 und B2 haben das Grundstück 112/27, wie sich aus der Eintragung im Grundbuch ergibt, „als Gesellschafter einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts“ erworben.

a) Diese Eintragung erklärt sich entweder damit, dass sie zu einer Zeit erfolgte, als die GbR noch nicht als rechtsfähig anerkannt worden war, oder dass sie Folge davon ist, dass das Grundbuchamt die GbR als nicht grundbuchfähig angesehen und deshalb nicht eingetragen hat.

b) Inzwischen ist aber die grundsätzliche Rechtsfähigkeit der GbR anerkannt. BGH Rdnr. 7: Die Gesellschaft bürgerlichen Rechts ist rechtsfähig, soweit sie durch Teilnahme am Rechtsverkehr eigene Rechte und Pflichten begründet (grundlegend BGHZ 146, 341 ff.). Ihre Rechtsfähigkeit umfasst die Fähigkeit, Eigentümer von Grundstücken zu sein (BGH DNotZ 2007, 119 f. m. Anmerkung Volmer; Nagel NJW 2003, 1646, 1647…).

c) Allerdings werden gegen den Eigentumserwerb einer GbR an Grundstücken deshalb Bedenken erhoben, weil die GbR nicht grundbuchfähig sei. Nach BGH übersehen diese Bedenken aber, dass die Verneinung der Möglichkeit, eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts als solche unter der für diese von ihren Gesellschaftern vereinbarten Bezeichnung in das Grundbuch einzutragen, nicht dazu führt, dass die Gesellschaft bürgerlichen Rechts das Eigentum an einem Grundstück nicht erwerben könnte (so zutreffend Heil DNotZ 2004, 379, 380; Münch DNotZ 2001, 535, 545; Ulmer/Steffek, NJW 2002, 330, 332…). Die Anerkennung der Teilrechtsfähigkeit der Gesellschaft bürgerlichen Rechtes führt vielmehr dazu, dass das Verfahrensrecht an das geänderte Verständnis des Wesens der Gesellschaft des bürgerlichen Rechts anzupassen ist (Münch DNotZ 2001, 535, 548 ff.; Volmer DNotZ 2007, 119, 121). Dass diese dem Gesetzgeber vorbehaltene Anpassung bisher nicht erfolgt ist, schließt den Erwerb von Eigentum an Grundstücken durch eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts nicht aus, sondern erschwert nur den zum Vollzug von Verfügungen der Gesellschaft im Grundbuch notwendigen Nachweis der Befugnis der Gesellschafter zur Vertretung der Gesellschaft (vgl. Ulmer/Steffek NJW 2002, 330, 336; Nagel NJW 2003, 1146, 1147…).

Im vorliegenden Fall sieht der BGH keine derartigen Schwierigkeiten. Die von den Beklagten gegründete Gesellschaft ist Eigentümerin des von den Klägern in Anspruch genommenen Grundstücks. Allein sie kann zur Bestellung einer Dienstbarkeit verpflichtet sein. Die Gesellschaft ist parteifähig. Wird sie zur Bewilligung der von den Klägern erstrebten Dienstbarkeit und zur Bewilligung von deren Eintragung verurteilt, führt die Rechtskraft eines entsprechenden Urteils dazu, dass die Kläger die zur Entstehung der Dienstbarkeit notwendige Eintragung erwirken können. Dies ermöglicht § 894 ZPO, wonach bei der Verurteilung zur Abgabe einer Willenserklärung diese Erklärung mit der Rechtskraft als abgegeben gilt.

d) Somit ist die B1-B2-GbR Eigentümerin des Grundstücks, an dem K eine Grunddienstbarkeit erstreben. (Auch die Wohnungseigentümergemeinschaft wird inzwischen als rechtsfähig angesehen: BGHZ 163, 154; OLG Celle NJW 2008, 1537 hält sie auch für grundbuchfähig.)

2. Die von K erhobene Klage richtet sich aber nicht gegen die GbR, sondern gegen B1 und B2. Sie trägt der Rechts- und Parteifähigkeit der GbR noch keine Rechnung. BGH Rdnr. 5: Der Anspruch richtet sich gegen den Eigentümer des fremden Grundstücks. Daran fehlt es bei den Beklagten. Sie sind nicht Eigentümer des von den Klägern als Zufahrt in Anspruch genommenen Grundstücks. Unter dem Gesichtspunkt der Eigentümerstellung ist die Klage nicht begründet.

III. Möglicherweise können B1 und B2 als Gesellschafter der GbR in Anspruch genommen werden.

1. Mit der Anerkennung der (Teil-)Rechtsfähigkeit der GbR ist diese noch keine juristische Person geworden (vgl. zur Unterscheidung der juristischen Person von der rechtsfähigen Personengesellschaft § 14 I BGB). Dies ermöglicht eine persönliche Haftung der GbR-Gesellschafter analog § 128 HGB (BGHZ 146, 341, 358/9).

a) Diese Haftung könnte im vorliegenden Fall bedeuten, dass B1 und B2 persönlich für die Verpflichtung der GbR auf Einräumung einer Grunddienstbarkeit einzustehen haben und deshalb auch die Bewilligung der Grunddienstbarkeit erklären müssen.

b) Das lehnt der BGH jedoch ab. Rdnr. 8: Eine Verpflichtung der Beklagten zur Bestellung der verlangten Dienstbarkeit…folgt insbesondere nicht daraus, dass die Beklagten in entsprechender Anwendung von § 128 Satz 1 HGB für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft grundsätzlich persönlich haften (grundlegend BGHZ 146, 341, 358 f.) und die Gesellschaft die von den Klägern verlangte Dienstbarkeit zu bestellen hätte. Eine Haftung der Beklagten für diesen Anspruch scheitert daran, dass Gegenstand der von den Beklagten erstrebten Leistung eine Willenserklärung, nämlich die Bestellung einer Dienstbarkeit an dem Grundstück der Gesellschaft, ist. Die hierzu notwendige Erklärung der Gesellschaft wird nach dem Verständnis des Klageantrags durch das Berufungsgericht von den Klägern weder verlangt, noch kann sie durch eine entsprechende Erklärung der Beklagten ersetzt werden (MünchKommHGB/Karsten Schmidt, 2. Aufl., § 128 Rdnr. 30; Staub/Habersack, HGB, § 128 Rdnr. 37…). Dass die Beklagten gemeinsam zur Vertretung der Gesellschaft berechtigt und damit zu der von den Klägern erstrebten Leistung in der Lage sind, führt nicht dazu, dass eine durch die Rechtskraft eines Urteils fingierte Erklärung der Beklagten (§ 894 ZPO) namens der Gesellschaft abgegeben wäre und damit gegen diese wirkte. Hierzu bedarf es vielmehr einer Verurteilung der Gesellschaft. Somit hat die analoge Anwendung des § 128 HGB auf die GbR ihre wesentliche Bedeutung bei Geldschulden. Sie erstreckt sich nicht auf die Abgabe von Willenserklärungen, die die GbR schuldet; diese muss die GbR, vertreten durch Gesellschafter, abgeben.

2. Nach § 736 ZPO ist zur Zwangsvollstreckung in das Gesellschaftsvermögen einer GbR ein gegen alle Gesellschafter ergangenes Urteil erforderlich. (Auch diese Vorschrift stammt noch aus der Zeit, als die GbR als nicht rechtsfähig und nicht parteifähig betrachtet wurde.)

a) Daraus könnte geschlossen werden, dass ein Urteil gegen die Gesellschafter B1 und B2 zumindest zulässig ist, um gegen die B-GbR wegen der Bewilligung der Grunddienstbarkeit vollstrecken zu können.

b) Auch diese Betrachtung lehnt der BGH aber ab.

aa) Er geht zunächst auf den auch noch gegenwärtig bestehenden Sinn der Vorschrift ein. Rdnr. 10: § 736 ZPO lässt die Zwangsvollstreckung in das Vermögen einer Gesellschaft des bürgerlichen Rechts aus einem Titel zu, der im Hinblick auf die persönliche Mithaftung der Gesellschafter für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft ergangen ist (grundlegend BGHZ 146, 341, 356). Die Vollstreckungsbefugnis des Gläubigers wird um die Befugnis erweitert, in Vermögen zu vollstrecken, das einem rechtlich von dem Vermögen des Schuldners zu trennenden Vermögen zugeordnet ist. Die Durchbrechung des Grundsatzes, dass ein Titel nur die Vollstreckung in das Vermögen des im Titel bezeichneten Schuldners eröffnen kann, ist hinnehmbar, wenn Gegenstand der titulierten Verpflichtung eine Verbindlichkeit ist, für die die Gesellschaft ebenso wie die in Anspruch genommenen Gesellschafter haftet (K. Schmidt, NJW 2001, 993, 1000 f.) und alle Gesellschafter dem Vollstreckungszugriff unterworfen sind. Durch die Vollstreckung in das Vermögen der Gesellschaft wird die von allen Gesellschaftern geschuldete Leistung bewirkt. Erforderlich ist danach, dass auch die Gesellschafter persönlich haften.

bb) Diese Voraussetzung ist jedoch im vorliegenden Fall nicht erfüllt, wie bereits oben III 1b dargelegt wurde. BGH Rdnr. 11: Aus § 736 ZPO folgt nicht, dass die Gesellschafter zu einer Leistung verurteilt werden können, die nicht von ihnen, sondern von der Gesellschaft geschuldet wird, oder dass die Fiktion einer Erklärung der Gesellschafter gemäß § 894 ZPO zur Folge hätte, dass eine von der Gesellschaft abzugebende Willenserklärung ohne ein Urteil gegen die Gesellschaft abgegeben wäre.

3. Somit gibt es keinen rechtlichen Grund dafür, B1 und B2 für die von der GbR als Eigentümerin geschuldete Bewilligung der Grunddienstbarkeit haften zu lassen.

IV. Der BGH wirft unter Rdnrn. 12, 13 weiterhin die Frage auf, obdie Klage dahin auszulegen ist, dass die Gesellschaft Beklagte des Rechtsstreits ist.

1. Das OLG hatte diese Möglichkeit nicht zu bedenken brauchen, weil es eine Haftung von B1 und B2 bejaht hatte. Diese Rechtsansicht hat der BGH aber für unzutreffend erklärt, hat das Verfahren an das OLG zurückverwiesen und dazu ausgeführt: Die Kläger erstreben mit der Klage die Sicherung der von ihnen genutzten Zufahrt zu der Garage auf ihrem Grundstück. Die hierzu notwendige Dienstbarkeit kann nur von der Gesellschaft als Eigentümerin des angrenzenden Grundstücks bestellt werden. Ein Verständnis der Klage dahin, dass die Kläger nicht die Verurteilung der Gesellschaft, sondern die Verurteilung von deren Gesellschaftern beantragen, läuft dem Interesse der Kläger offenbar zuwider. Daher ist im Wege der Auslegung der Klage zu prüfen, ob diese tatsächlich gegen die Beklagten oder aber gegen die Gesellschaft gerichtet ist (BGH NJW 1983, 2448, 2449; ferner NJW 1988, 1585, 1587 f.; NJW 2003, 1043). Dass die GbR in Wahrheit allein die verpflichtete Eigentümerin ist, ist insbesondere von den Klägern bisher nicht gesehen worden. Da das OLG in der mündlichen Verhandlung ausdrücklich die Beklagten als richtige Klagegegner bezeichnet hatte, bestand für die Kläger kein Anlass, zu dieser Frage Stellung zu nehmen. Durch die Aufhebung des Berufungsurteils und die Zurückverweisung des Rechtstreits erhalten sie Gelegenheit, dies nachzuholen. Soweit die notwendige Auslegung der Klage dazu führt, dass die Gesellschaft Beklagte des Verfahrens ist, ist ihr gegenüber zu entscheiden und das Rubrum entsprechend zu berichtigen.

2. Folglich ist das Rubrum zu berichtigen und die Klage gegen die B-GbR zu richten. Wie sich aus den bisherigen Ausführungen ergibt, ist dieser gegenüber die Klage begründet.


Zusammenfassung