Bearbeiter: Dr. Gernot Schmalz-Brüggemann

Widerruf eines Haustürgeschäfts, § 312 BGB. Abgrenzung zwischen Unternehmereigenschaft (§ 14 BGB) und Verbrauchervertrag (§ 13 BGB) bei einem Geschäft im Vorfeld einer Existenzgründung. Ausnahmefall der vorhergehenden Bestellung i. S. d. § 312 III Nr. 1 BGB

BGH Urteil vom 15. 11. 2007 (III ZR 295/06) NJW 2008, 435

Fall (Existenzgründungsbericht)

Eine aus X und Y bestehende Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR, §§ 705 ff. BGB) betreibt ein Fitness-Studio und bot Frau B an, in die Gesellschaft einzutreten und sich dadurch als Mitunternehmerin selbständig zu machen. B teilte ihrem Ehemann E ihren Entschluss mit, dieses Angebot anzunehmen. B und E baten ihren Steuerberater K zu sich in die Wohnung, „um ihre steuerliche Situation zu beleuchten“. In dem Gespräch erklärte K, dass für den Eintritt in die GbR möglicherweise Fördermittel in Anspruch genommen werden könnten. Hierfür sei ein Existenzgründungsbericht erforderlich, zu dessen kurzfristiger Anfertigung er bereit sei. B erklärte sich damit einverstanden. K erstellte den Bericht und berechnete B dafür ein Honorar für 40 Stunden Arbeit zu je 80 €, insgesamt 3.200 € zuzüglich Umsatzsteuer. B hatte mit einem so teueren Gutachten nicht gerechnet und erklärte die Anfechtung bzw. den Widerruf des Auftrags. Außerdem wies sie darauf hin, dass die Beteiligung an der GbR bereits vor Eingang des Berichts gescheitert gewesen sei. K hat Klage gegen B auf Zahlung des Honorars erhoben. Ist diese begründet ?

I. Anspruchsgrundlage kann ein Werkvertrag (§ 631 I BGB) sein. K hat die Erstellung des Gutachtens, eines Werks i. S. des § 631 II, angeboten, B hat das Angebot angenommen. Über das Honorar brauchten sich die Parteien nicht zu einigen, weil hierfür § 632 maßgeblich ist. Somit ist ein Werkvertrag zu Stande gekommen.

II. Eine Anfechtung nach § 119 I BGB ist nicht möglich, weil B keine Erklärung über die Höhe des Honorars abgegeben hat und sich deshalb auch nicht über den Inhalt einer solchen Erklärung geirrt haben kann. Dass sie falsche Vorstellungen über das Honorar hatte, reicht für einen Anfechtungsgrund nach § 119 I nicht aus.

III. Ein Anspruch des K besteht aber nicht, wenn B ihre Vertragserklärung nach §§ 312 I 1, 355 BGB wirksam widerrufen hat.

1. Hierfür muss ein Vertrag zwischen einem Unternehmer und einem Verbraucher vorliegen. K als Steuerberater erbringt selbständige berufliche Leistungen und ist Unternehmer i. S. des § 14 BGB. Fraglich ist, ob B Verbraucherin i. S. des § 13 BGB war oder ob sie ebenfalls als Unternehmerin einzuordnen war. Wegen der negativen Formulierung in § 13 ist die Abgrenzung vom Begriff des Unternehmers her vorzunehmen.

a) Unternehmereigenschaft liegt jedenfalls vor, wenn ein Unternehmen bereits betrieben wird.

b) Der BGH hat aber auch das Gründungsstadium mit zur Unternehmersphäre gerechnet. Rdnr. 6: Der BGH hat entschieden, dass Unternehmer- und nicht Verbraucherhandeln vorliegt, wenn das betreffende Geschäft im Zuge der Aufnahme einer gewerblichen oder selbständigen beruflichen Tätigkeit (sogenannte Existenzgründung) geschlossen wird (BGHZ 162, 253, 256 f). Entscheidend hierfür ist die objektiv zu bestimmende Zweckrichtung des Verhaltens. Das Gesetz stellt nicht auf das Vorhandensein oder Nichtvorhandensein geschäftlicher Erfahrung, etwa aufgrund einer bereits ausgeübten gewerblichen oder selbständigen beruflichen Tätigkeit, ab; vielmehr kommt es darauf an, ob das Verhalten der Sache nach dem privaten - dann Verbraucherhandeln - oder dem gewerblich-beruflichen Bereich - dann Unternehmertum - zuzuordnen ist. Rechtsgeschäfte im Zuge einer Existenzgründung, z. B. die Miete von Geschäftsräumen, der Abschluss eines Franchisevertrags oder der Kauf eines Anteils an einer freiberuflichen Gemeinschaftspraxis, sind nach den objektiven Umständen klar auf unternehmerisches Handeln ausgerichtet (Senatsbeschluss a. a. O. S. 257 m. w. N.).

Im vorliegenden Fall lag das Handeln aber noch im Vorfeld der Existenzgründung. BGH Rdnr. 7: Es ging hier nämlich gerade nicht um ein Rechtsgeschäft im Zuge der Existenzgründung, sondern um ein solches, das die Entscheidung, ob es überhaupt zu einer Existenzgründung kommen sollte, erst vorbereiten sollte, indem die betriebswirtschaftlichen Grundlagen dafür ermittelt wurden. Erst das Ergebnis dieser Untersuchung eröffnete der Beklagten überhaupt die Möglichkeit, mit Sachkunde diese Entscheidung zu treffen. Da es- wie bereits ausgeführt - auf den objektiven Zweck des Rechtsgeschäfts ankommt, ist es unerheblich, ob die Beklagte subjektiv bereits fest zu einer Existenzgründung entschlossen war. Entscheidend ist vielmehr, dass die getroffene Maßnahme noch nicht Bestandteil der Existenzgründung selbst gewesen war, sondern sich im Vorfeld einer solchen bewegte.

c) Derartige Vorfeldmaßnahmen rechnet der BGH nicht mehr dem Bereich des § 14 BGB zu. Rdnr. 7: Vielmehr ist der Auftrag (noch) nicht dem unternehmerischen, sondern dem privaten Bereich zuzuordnen. Rdnr. 8: Die von der Revision hiergegen unter Praktikabilitätsgesichtspunkten geäußerten Bedenken vermag der Senat nicht zu teilen. Die Unterscheidung zwischen Geschäften, die im Zuge einer Existenzgründung vorgenommen werden, und solchen, die diese Gründung vorbereiten sollen oder ihr vorgelagert sind, ist sachgerecht und bringt keine besonderen Abgrenzungsprobleme mit sich.

Somit war der Auftrag zur Erstellung eines Existenzgründungsberichts ein Vertrag zwischen einem Unternehmer und einem Verbraucher.

2. Ein Haustürgeschäft i. S. des § 312 I 1 Nr. 1 ist gegeben, weil die maßgeblichen Verhandlungen in der Privatwohnung der B stattgefunden haben.

3. Nach § 312 III Nr. 1 besteht ein Widerrufsrecht nicht, wenn die Verhandlungen auf vorhergehende Bestellung des Verbrauchers geführt worden sind. Dazu BGH Rdnr. 9: Der Ausnahmetatbestand des § 312 Abs. 3 Nr. 1 BGB liegt nicht vor…Das Berufungsgericht hat hierzu tatrichterlich festgestellt, dass der Kläger in das Haus der Beklagten nicht zu dem Zweck bestellt worden war, um über eine Überarbeitung des Unternehmenskonzepts der Beklagten zu verhandeln. Vielmehr war der Zweck ausschließlich die steuerliche Situation der Beklagten und ihres Ehemanns im Falle der Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit und die Erörterung der damit zusammenhängenden Bedenken des Ehemanns der Beklagten. Bei dieser Sachlage musste die Beklagte nicht damit rechnen, mit dem Angebot konfrontiert zu werden, einen Existenzgründungsbericht zu erstellen (vgl. Staudinger/Thüsing, BGB [2005] § 312 Rn. 159; MünchKommBGB/Masuch, 5. Aufl., § 312 Rn. 98; siehe auch BGHZ 110, 308, 310; 109, 127, 135 f; BGH NJW 1999, 575, 576). Dementsprechend sind die mündlichen Verhandlungen, auf denen die Erteilung des Auftrags beruht, nicht auf vorhergehende Bestellung der Beklagten geführt worden.

4. Nach § 355 I, auf den § 312 I 1 verweist, ist der Widerruf grundsätzlich innerhalb einer Frist von zwei Wochen zu erklären. Diese Frist läuft nach § 355 II jedoch nicht, wenn keine Belehrung über das Recht des Verbrauchers zum Widerruf erteilt worden ist. K hat B nicht über ihr Widerrufsrecht belehrt. Somit steht ein Fristablauf dem Widerruf nicht entgegen.

5. K hat den Widerruf erklärt. Damit ist der Anspruch aus dem Werkvertrag für K entfallen. § 631 I greift nicht ein.

IV. Ein Anspruch auf Wertersatz für gezogene Nutzungen (§§ 357 I 1, 346 II Nr. 1 BGB) besteht nicht, weil B keinen Nutzen aus dem Existenzgründungsbericht gezogen hat. Sie hat weder eine Förderung beantragt noch hat der Bericht ihr bei der Frage des Beitritts zur GbR genützt; dieser Beitritt war vielmehr schon vorher gescheitert.

K hat keinen Zahlungsanspruch gegen B.

Zusammenfassung