Bearbeiter: Dr. Gernot Schmalz-Brüggemann

Schadensersatz wegen eines Sachmangels, §§ 437 Nr. 3, 280 I, III, 281 BGB. Begriff des Sachmangels bei Baustoffen, deren Schädlichkeit erst später erkannt wurde, § 434 BGB. Arglistige Täuschung über einen Mangel, § 444 BGB. Verschulden bei Vertragsschluss, §§ 280 I, 311 II Nr. 1, 241 II BGB.Anwendbarkeit des Verschuldens bei Vertragsschluss im Anwendungsbereich der Sachmängelhaftung

BGH
Urteil vom 27. 3. 2009 (V ZR 30/08) NJW 2009, 2120 (für BGHZ vorgesehen)

Fall (Asbestbelastung)

Die Eheleute V erwarben im Jahre 1980 ein Fertighaus. Dessen Außenfassade bestand aus Asbestzementplatten, die damals Stand der Technik waren. Inzwischen steht fest, dass beim Umgang mit Asbest, insbesondere bei dessen Bearbeitung, Fasern frei werden, die schon in geringen Mengen krebserregend sind. Im Jahre 2007 wollten die Eheleute V das Haus verkaufen und verhandelten darüber mit X. Dieser erklärte aber nach Besichtigung, dass er von dem Kauf wegen der Asbestplatten Abstand nehme. V ermäßigten daraufhin den Kaufpreis auf 85.000 € und boten das Haus den Eheleuten K an. Von der Asbestbelastung sagten sie nichts. Mit notariellem Vertrag vom 4. 10. 2008 erwarben K das Hausgrundstück von E. Dabei wurde die Haftung der V für Sachmängel ausgeschlossen. Als K an dem Haus Außenlampen und eine Überdachung anbringen wollte und zu diesem Zweck mit dem Anbohren der Fassade begann, wurde er vom Nachbarn auf das Asbestproblem hingewiesen und stellte die Arbeiten ein. K verlangten von V Sanierung der Fassade. V lehnten das ab und ließen auch eine von K gesetzte Frist verstreichen. K veranlassten nunmehr die Sanierung und verlangen von V Ersatz der dadurch entstandenen Kosten in Höhe von 38.455 €. Zu Recht ?

A. K könnten gegen V einen Anspruch auf Schadensersatz statt der Leistung nach §§ 437 Nr. 3, 280 I, III, 281 BGB haben.

I. K und V haben am 4. 10. 2008 einen entsprechend § 311b BGB notariell beurkundeten Kaufvertrag geschlossen. Bedenken gegen die Wirksamkeit bestehen nicht, insbesondere haben V keine Anfechtung wegen arglistiger Täuschung (§ 123 BGB) erklärt.

II. Das verkaufte Hausgrundstück müsste bei Gefahrübergang, also bei der Übergabe (§ 446 BGB), mit einem Mangel (§ 434 BGB) behaftet gewesen sein. Mangel könnten die Fassadenplatten aus Asbest sein.

1. Ein Sachmangel liegt zunächst vor, wenn sich das aus einer Beschaffenheitsvereinbarung der Parteien ergibt (§ 434 I 1 BGB). Im vorliegenden Fall haben K und V keine Beschaffenheitsvereinbarung getroffen.

2. Nach § 434 I 2 Nr. 1 oder 2 BGB liegt ein Sachmangel auch vor, wenn sich die Kaufsache nicht für die nach dem Vertrag vorausgesetzte oder gewöhnliche Verwendung eignet. BGH Rdnr. 7:  Entscheidend ist  - wenn die Vertragsparteien wie hier keine Beschaffenheitsvereinbarung im Sinne von § 434 Abs. 1 Satz 1 BGB getroffen haben -, ob der Rechtsverkehr im Zeitpunkt des Vertragsschlusses ein älteres Wohnhaus, dessen Fassade aus Asbestzementplatten besteht, als uneingeschränkt geeignet ansieht für die gewöhnliche bzw. die nach dem Vertrag vorausgesetzte Verwendung (§ 434 Abs. 1 Satz 2 BGB).

a) Das Berufungsgericht (OLG) hatte angenommen, die Verkleidung der Außenwände des Gebäudes mit Asbestzementplatten stelle keinen Sachmangel dar. Die Nutzung des Hauses zu Wohnzwecken werde dadurch nicht beeinträchtigt. Als Erwerber eines älteren Fertighauses hätten die Kläger mit einer Asbestbelastung rechnen müssen.

b) Den Zugang zu einer Lösung ermöglicht die Erkenntnis, dass es sich hier um eine Fallgruppe handelt, die durch folgende Umstände gekennzeichnet ist: Die Kaufsache wurde mit Hilfe bestimmter Stoffe hergestellt, die ursprünglich als unbedenklich angesehen wurden. Auf Grund späterer Erkenntnisse oder auf Grund technischen Fortschritts wird die daraus resultierende Beschaffenheit der Sache aber nach heutigem Stand der Technik nicht mehr als ordnungsgemäß anerkannt. Ob in solchem Fall ein Mangel anzunehmen ist, wird vom BGH unter Rdnrn. 8, 9 erörtert.

aa)  Ob der bei Errichtung eines Gebäudes übliche oder als unbedenklich angesehene Einsatz bestimmter Techniken oder Materialien aufgrund des technischen Fortschritts oder besserer wissenschaftlicher Erkenntnisse zur Bewertung der Kaufsache als mangelhaft führt, kann nicht schematisch für alle Fälle gleichermaßen beantwortet werden. Dazu sind die möglichen Sachverhaltskonstellationen - auch in ihren Auswirkungen - zu vielgestaltig.

(1) So kommt es etwa bei Altbauten mit Feuchtigkeitsschäden auf die Umstände des Einzelfalles an…, weil die Verwendbarkeit der Sache je nach Art und Ausmaß der Feuchtigkeitserscheinungen unterschiedlich in Mitleidenschaft gezogen wird und der Rechtsverkehr bei älteren Häusern von vornherein nicht die heute gültigen Trockenheitsstandards erwartet.

(2) Demgegenüber ist das Vorliegen eines offenbarungspflichtigen Mangels bei der Kontaminierung eines Grundstücks mit sog. Altlasten, deren Gefährdungspotential ursprünglich als nicht gegeben oder nur als geringfügig eingestuft, nunmehr aber als gravierend erkannt worden ist, zumindest in der Regel anzunehmen….

Der vorliegende Fall hat mit dem Altlasten-Fall die Gemeinsamkeit, dass Grundstück bzw. Haus Materialien mit erheblichem gesundheitsschädlichen Potential aufweisen.  Andererseits gilt es dem Umstand Rechnung zu tragen, dass selbst Baustoffe mit bedenklichen Inhaltsstoffen je nach der Art ihrer Verwendung und Nutzung keine konkrete Gefährlichkeit aufweisen und sie ihre Funktion unproblematisch erfüllen können, solange es nicht zu einem Substanzeingriff kommt - man denke etwa an eine von Mauern umschlossene und von außen nicht zugängliche Dämmschicht, die, solange die Ummantelung aufrechterhalten wird, keine gefährlichen Stoffe diffundiert.

bb) Daraus lässt sich schließen, dass bei dieser Fallgruppe ein Mangel anzunehmen ist,  wenn die ernsthafte Gefahr besteht, dass Stoffe mit einem erheblichen gesundheitsgefährdenden Potential im Rahmen der üblichen Nutzung des Kaufobjekts austreten. Dabei liegt eine erhebliche Einschränkung der Nutzbarkeit eines Wohngebäudes auch dann vor, wenn übliche Umgestaltungs-, Renovierungs- oder Umbaumaßnahmen nicht ohne gravierende Gesundheitsgefahren vorgenommen werden können. Das gilt jedenfalls für solche Arbeiten, die üblicherweise auch von Laien und nicht nur von mit dem Umgang gefährlicher Baustoffe vertrauten Betrieben des Fachhandwerks vorgenommen werden. In solchen Bereichen muss ein verständiger Verkäufer in Rechnung stellen, dass Heimwerker mit gesundheitsgefährdenden Stoffen in Berührung kommen, ohne die zur Abwehr von Gesundheitsgefahren notwendigen Maßnahmen zu ergreifen, wenn sie nicht wissen, dass die verbauten Materialien gefährliche Stoffe enthalten.

cc) BGH Rdnr. 10:   Gemessen daran liegt auf der Grundlage des Vorbringens der Kläger, wonach bei den von ihnen beabsichtigten Fassadenbohrungen zur Anbringung von Außenlampen und einer Überdachung krebserregender Asbeststaub austritt, ein aufklärungspflichtiger Sachmangel vor. Dass mit Bohrungen an der Außenfassade eines Wohngebäudes auch durch Laien stets gerechnet werden muss, liegt auf der Hand. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts schränkt dies die Nutzbarkeit des Gebäudes zu Wohnzwecken in erheblicher Weise ein. Denn die Nutzbarkeit eines Wohnhauses umfasst über das bloße Bewohnen hinaus auch die Möglichkeit, jedenfalls im üblichen Umfang Umgestaltungen, bauliche Veränderungen oder Renovierungen ohne gravierende Gesundheitsgefahren vorzunehmen. Somit bilden die Asbestplatten einen Mangel des Hausgrundstücks i. S. des § 434 I 2 Nr. 1 oder 2 BGB. Dieser Mangel bestand auch bei Übergabe des Hauses in Vollzug des Vertrages vom 4. 10. 2008.

III. Ein Sachmangelanspruch besteht allerdings nicht, wenn V die Haftung für Sachmängel wirksam ausgeschlossen haben.

1. Der Vertrag vom 4. 10. 2008 enthält einen solchen Ausschluss der Gewährleistung für Sachmangel, der grundsätzlich zulässig ist.

2. Er entfällt aber, wenn V den Mangel arglistig verschwiegen haben (§ 444 BGB).

a) BGH NJW 2007, 835, 836:  Ein arglistiges Verschweigen setzt voraus, dass der Verkäufer den Fehler kennt, wobei es genügt, dass er die den Fehler begründenden Umstände kennt …Neben der Kenntnis des Mangels setzt ein arglistiges Handeln des Verkäufers weiter voraus, dass dieser weiß oder doch damit rechnet und billigend in Kauf nimmt, dass der Käufer den Fehler nicht kennt und bei Offenbarung den Vertrag nicht oder nicht mit dem vereinbarten Inhalt geschlossen hätte (st. Rspr. des BGH…).

b) V kannten den Mangel, zumal vorher ein anderer Interessent von dem Kauf wegen der Asbestplatten Abstand genommen hatte. Sie haben somit vorsätzlich gehandelt. Sie haben auch damit gerechnet, dass die Käufer K den Mangel nicht kennen, weil sie ihn sonst nicht unerwähnt gelassen hätten. Aus dem bewussten Verschweigen folgt auch, dass V befürchtet haben, dass K das Haus bei Kenntnis des Mangels nicht gekauft hätten. Durch das Herabsetzen des Kaufpreises kamen V zwar den Interessen der K entgegen. Gleichwohl berechtigte dieser Umstand sie nicht dazu, die Käufer über das Bestehen eines für sie relevanten Mangels im Unklaren zu lassen. Es handelte sich um einen Mangel, der ungefragt zu offenbaren war (BGH LS 1). Dessen Verschweigen war arglistig. Der Haftungsausschluss ist unwirksam.

IV. Des Weiteren müssen die Käufer K den V erfolglos eine Frist zur Nachbesserung gesetzt haben. Diese Anforderung ergibt sich bei Schadenersatz statt Nacherfüllung aus dem Verweis in § 437 Nr. 3 auf §§ 280 I, III , 281 BGB (Palandt/Weidenkaff 68. Aufl. § 437 BGB Rdnr. 4). Käufer K hatten zunächst einen Anspruch auf Nacherfüllung durch Mängelbeseitigung (§§ 437 Nr. 1, 439 I BGB). Diesen haben sie geltend gemacht und V entsprechend § 281 I 1 BGB eine Frist gesetzt, die erfolglos verstrichen ist.

V. Für einen Schadensersatzanspruch ist weiterhin Verschulden erforderlich (§ 280 I 2 BGB). V haben den Mangel arglistig und damit vorsätzlich verschwiegen und außerdem während des Laufs der von K gesetzten Frist den Mangel vorsätzlich nicht beseitigt. Verschulden liegt somit vor.

VI. Nach § 442 I 1 BGB ist der Anspruch bei Kenntnis des Käufers vom Mangel ausgeschlossen. Kenntnis der K ist nicht gegeben. Ein Ausschluss ist auch bei grob fahrlässiger Unkenntnis möglich (§ 442 I 2). Aber auch für ein grob fahrlässiges Verhalten der K fehlt es im Sachverhalt an Anhaltspunkten. Außerdem würde grobe Fahrlässigkeit im vorliegenden Fall nicht schaden, weil V den Mangel arglistig verschwiegen haben (§ 442 I 2; oben III 2).

VII. K steht somit ein Schadensersatzanspruch zu. Da bei pflichtgemäßer Beseitigung des Mangels durch V den K keine Sanierungskosten entstanden wären, umfasst der Schadensersatzanspruch die Sanierungskosten in Höhe von 38.455 €.

B. Anspruchsgrundlage für einen Ersatzanspruch der K gegen V könnte weiterhin ein Verschulden bei Vertragsschluss sein (§§ 280 I, 311 II Nr. 1, 241 II BGB). Es könnte darin bestehen, dass V bei Abschluss des Kaufvertrages ihre Aufklärungspflicht im Hinblick auf die Asbestplatten verletzt haben, und dass sie sich dadurch schadensersatzpflichtig gemacht haben.

I. Allerdings könnten §§ 280, 311 II Nr. 1 im vorliegenden Fall nicht anwendbar sein, weil sie durch §§ 434 ff. als Spezialregelung verdrängt werden (Sperrwirkung der §§ 434 ff.).

1. BGH Rdnr. 13 - 18:  Ob und ggfs. unter welchen Voraussetzungen auf die Grundsätze des Verschuldens bei Vertragsschluss (§ 280 i.V.m. § 311 Abs. 2 Nr. 1 BGB) im Sachbereich der §§ 434 ff. BGB zurückgegriffen werden darf, ist umstritten und bislang nicht höchstrichterlich geklärt…

a)  Teilweise wird vertreten, Ansprüche aus kaufrechtlicher Gewährleistung und solche aus Verschulden bei Vertragsschluss bestünden stets nebeneinander. Es handle sich um unterschiedliche Haftungssysteme, die verschiedene Zwecke verfolgten und unterschiedliche Voraussetzungen hätten (Bamberger/Roth/Faust, BGB, 2. Aufl., § 437 Rdn. 190; MünchKomm-BGB/ Emmerich, 5. Aufl., § 311 Rdn. 143; …).

b)  Eine zweite Auffassung lehnt einen Rückgriff auf die Regeln des Verschuldens bei Vertragsschluss nach Gefahrübergang stets ab, sofern es um Verhaltenspflichten des Verkäufers im Zusammenhang mit der Beschaffenheit der Kaufsache geht. Der Käufer sei durch das Gewährleistungsrecht der §§ 434 ff. BGB hinreichend geschützt. Das gelte auch bei vorsätzlichem Verhalten des Verkäufers (…Erman/Kindl, BGB, 12. Aufl., § 311 Rdn. 45 f.; Jauernig/Stadler, BGB, 12. Aufl., § 311 Rdn. 38; Palandt/Grüneberg, BGB, 68. Aufl., § 311 Rdn. 14 f.; Palandt/Weidenkaff, a. a. O., § 437 Rdn. 51a f.;…).

c)  Die wohl herrschende Meinung erkennt zwar grundsätzlich einen Vorrang des Gewährleistungsrechts nach Gefahrübergang an, lässt hiervon aber Ausnahmen zu.

(1) Ein Teil der Lehre meint, bei vorsätzlichem Verhalten hafte der Verkäufer auch aus Verschulden bei Vertragsschluss, weil der Verkäufer in diesem Fall nicht schutzwürdig sei und kein berechtigtes Interesse an der Möglichkeit der Nacherfüllung habe (Erman/Grunewald, aaO, vor § 437 Rdn. 15 ff.; Jauernig/Berger, aaO, § 437 Rdn. 34; jurisPK-BGB/Pammler, 4. Aufl., § 437 Rdn. 57; MünchKomm-BGB/Westermann, 5. Aufl., § 437 Rdn. 58;…).

(2) Teilweise wird eine weitere Ausnahme für den Fall befürwortet, dass der Umstand, auf den sich das Verschulden des Verkäufers bei dem Vertragsschluss bezieht, zwar zum Gegenstand einer Beschaffenheitsvereinbarung hätte gemacht werden können, dies aber nicht geschehen ist. Einem Käufer, der von dem Verkäufer irregeführt worden sei und der deshalb keinen Anlass gehabt habe, eine Beschaffenheitsvereinbarung zu treffen, könne der Anspruch aus Verschulden bei Vertragsschluss nicht abgeschnitten werden (OLG Hamm ZGS 2005, 315, 317; MünchKommBGB/Westermann, a. a. O., § 437 Rdn. 59; Musielak, Grundkurs BGB, 10. Aufl., Rdn. 620;…).

2. Der BGH folgt der wohl herrschenden Meinung, vorstehend c). Rdnr. 19: Der Senat entscheidet die Rechtsfrage dahin, dass nach Gefahrübergang zwar von einem grundsätzlichen Vorrang der §§ 434 ff. BGB auszugehen ist, eine Ausnahme jedoch zumindest bei vorsätzlichem Verhalten geboten ist.

a) Den grundsätzlichen Vorrang der §§ 434 ff. begründet der BGH unter Rdnrn. 20 - 23 wie folgt:  Das Gesetz enthält keine ausdrückliche Regelung der Konkurrenzfrage. Der Gesetzgeber hat die Problematik zwar gesehen, sie aber offenbar Rechtsprechung und Lehre zur Klärung überlassen (vgl. BT-Drs. 14/6040 S. 161 f.).…Systematische und teleologische Erwägungen erhärten die Annahme einer Sperrwirkung. Nach ständiger Rechtsprechung war das bis zum 31. Dezember 2001 geltende Schuldrecht von einem grundsätzlichen Vorrang der Bestimmungen der §§ 459 ff. BGB a.F. geprägt, der nur bei Vorsatz entfiel (vgl. BGHZ 136, 102, 109;…Auch nach dem neuen Schuldrecht  bestehen kaufrechtliche Besonderheiten, die die Annahme einer Sperrwirkung gebieten. So steht dem Verkäufer grundsätzlich das Recht zur Nacherfüllung zu (§ 439 BGB), und Ansprüche wegen eines Mangels sind grundsätzlich schon bei grob fahrlässiger Unkenntnis des Käufers ausgeschlossen (§ 442 Abs. 1 Satz 2 BGB). Diese Sonderregelungen würden unterlaufen, wenn die Regeln über das Verschulden bei Vertragsschluss daneben stets anwendbar wären. Der Gesetzgeber hätte in sinnwidriger Weise etwas weithin Überflüssiges normiert. Davon kann nicht ausgegangen werden.

Der Annahme einer Sperrwirkung steht nicht entgegen, dass Ansprüche aus Verschulden bei Vertragsschluss und solche aus § 437 BGB an unterschiedliche Haftungsgrundlagen anknüpfen. Denn bei der gebotenen teleologischen Betrachtungsweise ist nicht die formale Anknüpfung - Verletzung vorvertraglicher (gesetzlicher) Verpflichtungen bei § 311 Abs. 2 Nr. 1 BGB, Mangelhaftigkeit der Sache bei § 437 BGB - von entscheidender Bedeutung, sondern der Umstand, dass der Gesetzgeber die Verletzung vorvertraglicher Verpflichtungen im Zusammenhang mit der Beschaffenheit der Kaufsache dem späteren Vertrag zuordnet (vgl. Schmidt-Räntsch, ZfIR 2004, 569, 571). Es unterliegt nämlich keinem Zweifel, dass Schadensersatzansprüche wegen Lieferung einer anfänglich mangelbehafteten Sache, die an einen vor Abschluss der Vertrages liegenden Umstand anknüpfen (§ 311a Abs. 2 BGB), nach § 438 BGB verjähren (vgl. nur Schmidt-Räntsch, a. a. O.). Für behebbare Mängel, die sich auf ein anfängliches Leistungshindernis gründen, kann nichts anderes gelten. Auf die Beschaffenheit der Sache bezogene Aufklärungspflichten sind daher in dem einen wie in dem anderen Fall grundsätzlich dem vertraglichen Regime unterworfen.

Danach wäre die Anwendbarkeit der §§ 280 I, 311 II Nr.1 im vorliegenden Fall ausgeschlossen, weil der das Verschulden bei Vertragsschluss begründende Aufklärungsmangel sich auf eine Eigenschaft des Hauses bezog, die sich als Sachmangel erwiesen hat.

b) Jedoch besteht eine Ausnahme vom Vorrang der §§ 434 ff. bei vorsätzlichem Verhalten, insbesondere bei Arglist. BGH Rdnr. 24:  Auch unter der Geltung des neuen Schuldrechts ist eine Ausnahme jedenfalls bei arglistigem (vorsätzlichem) Verhalten des Verkäufers gerechtfertigt. Kaufrechtliche Sonderregelungen, die umgangen werden könnten, greifen dann nämlich nicht ein. Die Verjährung richtet sich bei Arglist nach der regelmäßigen Verjährungsfrist (§ 438 Abs. 3 Satz 1 BGB). Der Verkäufer kann sich auf einen Haftungsausschluss nicht berufen (§ 444 BGB). Er haftet auch bei grob fahrlässiger Unkenntnis des Käufers (§ 442 Abs. 1 Satz 2 BGB) und verliert im Regelfall die Möglichkeit der Nacherfüllung (BGH NJW 2007, 835, 837; NJW 2008, 1371, 1373). Auch nach neuem Schuldrecht ist der arglistig handelnde Verkäufer nicht schutzbedürftig (vgl. auch BGHZ 167, 19, 24).

Somit sind im vorliegenden Fall, in dem V arglistig gehandelt haben, Ansprüche aus §§ 280 I, 311 II Nr. 1 nicht ausgeschlossen.

(Wie das „jedenfalls“ im Text unter b) oder das „zumindest“ im LS 2 des BGH zeigt, ist es nicht ausgeschlossen, dass noch weitere Ausnahmen vom Vorrang der §§ 434 ff. vor §§ 280 I, 311 II Nr. 1 anerkannt werden.)

II. Die Voraussetzungen für ein Verschulden bei Vertragsschluss liegen vor. Wie bereits ausgeführt (oben A III 2), war der Mangel der Kaufsache von der Art, dass die Verkäufer ihn hätten ungefragt offenbaren müssen. Das haben sie vorsätzlich nicht getan. Damit haben sie ihre Pflicht zur Rücksichtnahme auf die Interessen der Käufer (§§ 311 II Nr. 1, 241 II BGB) schuldhaft verletzt.

III. Zur Rechtsfolge: Der Anspruch aus §§ 280 I, 311 II Nr. 1 richtet sich auf Schadensersatz, jedoch nur auf Ersatz des Integritätsinteresses im Unterschied zum Erfüllungsinteresse (Schadensersatz statt der Leistung, § 280 III). V müssen K so stellen, wie K gestanden hätten, wenn V ihrer Aufklärungspflicht nachgekommen wären. Dann hätten K möglicherweise das Haus überhaupt nicht gekauft (so wie der Vorgänger-Interessent), oder V hätten einen weiteren Nachlass vom Kaufpreis gewährt. Da K hier keine Rückabwicklung des Vertrages begehren durch Anfechtung oder Rücktritt, ist wohl davon auszugehen, dass sie bei Kenntnis einen Nachlass i.H. der Sanierungskosten herausgehandelt hätten (Schadenschätzung nach § 287 ZPO; der BGH hat das Verfahren wegen noch erforderlicher Tatsachenfeststellungen an das Berufungsgericht zurückverwiesen).

Ergebnis: Der Anspruch auf Zahlung der 38.455 € lässt sich aus der oben A. bejahten Anspruchsgrundlage wegen Nichtbeseitigung der mangelhaften Asbestplatten und auf Verschulden bei Vertragsschluss stützen.


Zusammenfassung