Privatrechtlicher städtebaulicher Vertrag, §§ 433, 311b BGB, § 11 I 2 Nr. 2 BauGB. Rechtsweg; Feststellungsklage. Allgemeine Geschäftsbedingungen; Unwirksamkeit nach § 307 BGB. Prüfung der Angemessenheit von Klauseln in Grundstücksverkäufen nach dem Einheimischenmodell. Verbot der geltungserhaltenden Reduktion von unwirksamen AGB; Ausnahme

BGH Urteil vom 16. 4. 2010 (V ZR 175/09) NJW 2010, 3505

Fall
(Einheimischenmodell)

Die Stadt B hatte ein größeres Gelände erworben und auf diesem ein neues Baugebiet erschlossen, dessen Grundstücke wegen der günstigen Lage zur Innenstadt äußerst begehrt waren. Um auch Familien aus der Nähe den Erwerb zu ermöglichen, wurden 22 Grundstücksparzellen in einer Größe von jeweils 300 qm im sog. Einheimischenmodell vergeben. Eines der Grundstücke wurde an K veräußert. In dem notariell beurkundeten Kaufvertrag, der auch die Auflassung enthielt, wurde ein Kaufpreis von 133 Euro/qm festgelegt; dieser Preis betrug die Hälfte des am freien Markt für derartige Grundstücke gezahlten Preises. Weiterhin bestimmt der Vertrag in § 7 Nr. 1: „Der Käufer verpflichtet sich, auf dem Grundstück ein Wohnhaus zu errichten.“ Nr. 2 lautet: „Er verpflichtet sich, das Haus mindestens 20 Jahre selbst zu bewohnen und das Grundstück innerhalb dieser 20 Jahre nicht ohne Zustimmung der Verkäuferin zu veräußern.“ Nr. 3: „Bei einem früheren Auszug oder bei einer Veräußerung ohne Zustimmung der Verkäuferin verpflichtet sich der Käufer als Ausgleich für den vergünstigten Erwerb des Grundstücks zu einer Kaufpreiszuzahlung in Höhe von 200 Euro/qm.“ Ein derartiger § 7 ist in allen 22 Verträgen enthalten, bei denen ein vergünstigter Preis berechnet wird.

K zahlte den Kaufpreis und erhielt des Grundstück übereignet. Er errichtete das Wohnhaus und bezog es mit seiner Familie. Elf Jahre später musste K aus beruflichen Gründen umziehen. Er beabsichtigte, das Haus zu vermieten, und bat B um eine Zustimmung dazu. B antwortete, in diesem Fall werde sie die Kaufpreiszuzahlung gemäß § 7 Nr. 3 des Kaufvertrages verlangen. K hält die Verpflichtung nach § 7 Nr. 2 des Vertrages, wonach er 20 Jahre in dem Haus wohnen müsse, für einen Verstoß gegen die allgemeine Handlungsfreiheit (Art. 2 I GG) und die Freizügigkeit (Art. 11 GG), zumindest hätte der Vertrag eine Härteklausel enthalten müssen. Die Unwirksamkeit des § 7 Nr. 2 habe auch die Unwirksamkeit der Nr. 3 zur Folge, da eine bloße Anpassung durch Herabsetzung der Kaufpreiszuzahlung gegen das Verbot geltungserhaltender Reduktion unangemessener Geschäftsbedingungen verstoße. K beabsichtigt, vor dem Landgericht auf Feststellung zu klagen, dass § 7 Nr. 2 und 3 unwirksam sind. Mit Aussicht auf Erfolg ?

Vorbemerkung: Im Originalfall handelte es sich noch um DM-Beträge. Sie wurden auf Euro umgestellt, auch in den Originalzitaten.

A. Zulässigkeit einer Klage

I.
Da K die Klage vor dem Landgericht erheben will, müsste der Zivilrechtsweg gemäß § 13 GVG gegeben sein. Der Klage müsste eine bürgerlich-rechtliche, d. h. eine privatrechtliche Streitigkeit zu Grunde liegen. Das ist der Fall, wenn § 7 Nr. 2 und Nr. 3 des zwischen den Parteien geschlossenen Vertrages Vorschriften eines privatrechtlichen Vertrages sind. Denn dann richtet sich die Rechtswirksamkeit des Vertrages zumindest primär nach dem Privatrecht.

1. Der geschlossene Vertrag ist ein Kaufvertrag, nach dem B die Übereignung des Grundstücks schuldete und K einen Kaufpreis zu zahlen hatte. Ein solcher Vertrag hat die Pflichten nach § 433 BGB zum Gegenstand und ist ein privatrechtlicher Vertrag. Die Pflichten nach § 7 des Vertrages sind als zusätzliche Abreden dem Kaufvertrag hinzugefügt, insbesondere ist die hier im Zentrum des Streits stehende Zahlung nach § 7 Nr. 3 als Kaufpreiszuzahlung konzipiert und nicht etwa als öffentlich-rechtliche Abgabe. Dass eine Gemeinde Vertragspartner ist, ändert daran nichts. Denn auch öffentlich-rechtliche Körperschaften können Grundstücke verkaufen und kaufen. Auch der mit dem Vertrag verfolgte im öffentlichen Interesse liegende Zweck, der einheimischen Bevölkerung einen Erwerb zu ermöglichen, ändert an dem privatrechtlichen Charakter nichts. Denn im öffentlichen Interesse liegende Zwecke können auch mit Hilfe privatrechtlicher Formen verfolgt werden.

2. Allerdings beruft sich K auf Grundrechte, die zum öffentlichen Recht gehören. Auch könnten die Vorschriften des BauGB über Verträge nach dem Einheimischenmodell (§ 11 I 2 Nr. 2 BauGB: „Deckung des…Wohnbedarfs der ortsansässigen Bevölkerung“) zur Anwendung kommen, die ebenfalls öffentlich-rechtlicher Natur sind. Diese Vorschriften haben aber im Vergleich zu dem Kaufvertrag keine selbstständige Bedeutung, sondern modifizieren und beschränken die privatrechtlichen Regelungen. Auch wenn ein privatrechtliches Rechtsverhältnis durch öffentlich-rechtliche Bindungen modifiziert wird und dadurch ein Verwaltungsprivatrecht zur Anwendung kommt, bleibt die Streitigkeit eine privatrechtliche (BGHZ 29, 76; BVerwG NVwZ 1991, 59; BVerfG NJW 1992, 493/4).

Der Zivilrechtsweg ist zulässig.

II. Es könnte sich um eine nach § 256 I ZPO zulässige Feststellungsklage handeln.

1. § 7 Nr. 2 des Vertrages begründet bereits nach seinem Text eine Verpflichtung des Käufers und damit eine Rechtsverhältnis. § 7 Nr. 3 begründet zwar noch keine gegenwärtige Verpflichtung, aber eine künftige; auch ein künftiges Rechtsverhältnis kann Gegenstand einer Feststellungsklage sein. K begehrt das Nichtbestehen dieser Rechtsverhältnisse, so dass eine negative Feststellungsklage vorliegt.

2. K hat insofern ein Feststellungsinteresse, als er im Falle der Unwirksamkeit dieser Vertragsklauseln das Haus vermieten kann, ohne mit einer hohen finanziellen Forderung konfrontiert zu werden. Im Falle der Wirksamkeit gilt das nicht. Denn die Stadt B hat nicht im Sinne des § 7 Nr. 2 des Vertrages so zugestimmt, dass K ohne Nachzahlungsverpflichtung vermieten darf. Muss K aber 200 Euro/qm nachzahlen, dürfte sich eine Vermietung nicht lohnen, so dass K von der Vermietung wird Abstand nehmen müssen.

3. An einem Feststellungsinteresse fehlt es allerdings, wenn K sein Ziel mit einer rechtsschutzintensiveren Leistungsklage verfolgen kann (Nachrangigkeit bzw. Subsidiarität der Feststellungsklage). Da K aber keine Leistung von der Stadt B verlangt, steht die Subsidiarität der Feststellungsklage ihrer Zulässigkeit im vorliegenden Fall nicht entgegen.

III. Der Streitwert übersteigt 5.000 Euro - bei einem 300qm großen Grundstück beträgt die Zuzahlung 60.000 Euro -, ist das Landgericht instanziell zuständig (§§ 71 I i. V. mit 23 Nr. 1 GVG).

Die von K beabsichtigte Klage ist zulässig.

B. Die Feststellungsklage ist begründet, wenn § 7 Nr. 2 und 3 des Vertrages unwirksam sind.

I. § 7 Nr. 2 und 3 könnten Allgemeine Geschäftsbedingungen sein, die nach §§ 307 ff. BGB unwirksam sind.

1. Dann müsste es sich bei diesen Vorschriften um AGB handeln, die Bestandteil des Vertrages zwischen K und B geworden sind.


a) AGB sind alle für eine Vielzahl von Verträgen vorformulierte Vertragsbedingungen, die eine Vertragspartei, der Verwender, der anderen Vertragspartei stellt (§ 305 I 1 BGB).

aa) § 7 Nr. 2 und 3 sind Bedingungen in dem zwischen B und K geschlossenen Kaufvertrag, die B zur Bedingung für den Abschluss des Vertrages gemacht hat, mithin dem K gestellt hat. Sie waren auch vorformuliert, da B 22 Grundstücke nach dem Einheimischenmodell veräußern wollte und § 7 für dieses Modell wesentlich war; also war schon vorher festgelegt, dass die Verträge nicht ohne diese Klauseln zu Stande kommen würden.

bb) Die Klauseln sind in allen 22 Verträgen, also in einer Vielzahl von Verträgen enthalten. Im Übrigen handelt die Stadt B bei der Vermarktung der Grundstücke als Unternehmer (§ 14 BGB; vgl. BGHZ 153, 100 m. Nachw.) gegenüber K als Verbraucher (§ 13 BGB), so dass §§ 307 - 309 BGB auch bei nur einmaliger Verwendung anwendbar wären (§ 310 III Nr. 2 BGB).

cc) Die Klauseln sind nicht zwischen B und K im Einzelnen ausgehandelt worden, so dass § 305 I 2 nicht entgegen steht. Auch einer der Ausnahmefälle des § 310 BGB greift nicht ein, insbesondere ist K kein Unternehmer, sondern Verbraucher. Begrifflich sind § 7 Nr. 2 und 3 daher AGB.

b) § 7 Nr. 2 und 3 sind nach § 305 II Nr. 1 BGB Bestandteil des zwischen B und K geschlossenen Vertrages geworden, weil B diese Klauseln ausdrücklich in den Vertragstext aufgenommen hat.

2. Der Anwendbarkeit der §§ 307 ff. BGB könnte entgegenstehen, dass der Vertrag zwischen B und K sich nach § 11 I 2 Nr. 2 BauGB beurteilt.

a) Der Vertrag verfolgt die Zielsetzung des § 11 I 2 Nr. 2 BauGB, den Wohnbedarf der ortsansässigen Bevölkerung zu decken. BGH [9] bezeichnet ihn als privatrechtlichen städtebaulichen Vertrag. Für ihn gilt daher § 11 II 1 BauGB, wonach die vereinbarten Leistungen den gesamten Umständen nach angemessen sein müssen. Diese Anforderung entspricht dem Gebot des § 307 BGB, wonach AGB den Vertragspartner nicht unangemessen benachteiligen dürfen. Der BGH [9] hat deshalb die Frage aufgeworfen, ob der Vertrag nur nach § 11 II 1 BauGB oder auch nach §§ 307 ff. BGB zu beurteilen ist, und hat die Frage offen gelassen, weil die Anwendung beider Vorschriften zum selben Ergebnis führt. (In BGHZ 153, 98 ff. hatte der BGH noch die Auffassung vertreten, dass § 11 BauGB vorrangig sei, was aber durch die inzwischen verbindlich gewordene EU-RiLi über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen, deren Umsetzung § 310 III BGB diente, überholt sein dürfte.)

b) Für eine Nichtanwendung der §§ 307 ff. BGB auf den Grundstückskaufvertrag besteht kein Grund. Die Stadt B hat den Weg gewählt, die Grundstücke privatrechtlich zu vermarkten, also ist sie auch zur Beachtung der §§ 307 ff. BGB verpflichtet. Dass sie außerdem an § 11 BauGB gebunden ist, rechtfertigt keine Freistellung von §§ 307 ff. Dementsprechend hat das OLG als Vorinstanz im vorliegenden Fall sowohl §§ 307 ff. BGB als auch § 11 BauGB herangezogen, was vom BGH [9] ausdrücklich gebilligt wird. Der BGH prüft die Vertragsklauseln ausführlich und schwerpunktmäßig nach §§ 307 ff. [10 - 24]. Auch die Anmerkung von Hausmann in NJW 2010, 3508 geht von der Anwendbarkeit der §§ 307 ff. aus. Im Folgenden werden somit §§ 307 ff. BGB angewendet.

3. Einer der Fälle des § 308 BGB (Klauselverbot mit Wertungsmöglichkeit ) oder des § 309 BGB (Klauselverbote ohne Wertungsmöglichkeit) liegt nicht vor. Unwirksamkeitsgrund könnte deshalb nur die Generalnorm des § 307 BGB sein. Nach § 307 I 1 ist eine Klausel unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligt.

Eine unangemessene Benachteiligung ist im Zweifel anzunehmen, wenn § 307 II Nr. 1 oder Nr. 2 eingreifen. Bei den von B in den Vertrag mit K aufgenommenen Klauseln wird aber nicht von den Grundgedanken der gesetzlichen Regelung abgewichen, weil die Klauseln keinen inhaltlichen Bezug zur gesetzlichen Regelung im Kaufrecht haben. Auch wesentliche Rechte oder Pflichten, die sich aus der Natur eines Grundstückskaufvertrages ergeben, werden nicht eingeschränkt. Es werden weder die Hauptleistungspflichten nach § 433 BGB noch etwa die Sachmängelregelung in §§ 434 ff. BGB abgeändert.

Es ist deshalb allein auf § 307 I 1 abzustellen, wonach entscheidend ist, ob eine unangemessene Benachteiligung vorliegt.

a) Hierfür ist zunächst die Benachteiligung des K genauer festzustellen.

aa) Eine besonders schwere Benachteiligung wäre es, wenn die Behauptung des K zutreffen würde, § 7 Nr. 2 verpflichte ihn dazu, 20 Jahre in dem Haus wohnen zu müssen, dies entgegen Art. 11 GG und Art. 2 I GG. Dieser Auffassung war auch das OLG gefolgt. Dem widerspricht jedoch der BGB unter [11]:

Vor der Prüfung, ob eine Regelung angemessen ist, muss ihr Inhalt - ggf. im Wege der Auslegung - ermittelt werden (vgl. BGH NJW 2004, 2589, 2590). Allgemeine Geschäftsbedingungen sind dabei nach ihrem objektiven Inhalt und typischen Sinn so auszulegen, wie sie von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der beteiligten Kreise verstanden werden (…). Unter Berücksichtigung der Rechtsnatur des Vertrages und der bei einem Verstoß gegen die Verpflichtung eintretenden Rechtsfolgen hätte sich dem Berufungsgericht aufdrängen müssen, dass die Selbstnutzungsverpflichtung eine der Bedingungen für die Gewährung der in der Kaufpreisverbilligung liegenden Subvention beschreibt und deshalb keine Primärverpflichtung, sondern lediglich eine Obliegenheit der Käufer begründet.

BGH [14]: Grundrechte des Subventionsempfängers, insbesondere sein Recht auf Freizügigkeit (Art. 11 GG), werden durch eine Selbstnutzungsverpflichtung nicht beeinträchtigt. Es steht ihm selbstverständlich frei, jederzeit fortzuziehen. Dass er in diesem Fall die unter der Bedingung der Selbstnutzung erhaltene Subvention zurückgewähren muss, ist Folge seiner Entscheidung, an dem Einheimischenmodell teilzunehmen, statt ein Grundstück - teurer - auf dem freien Markt zu erwerben.

bb) K wird also nicht verpflichtet, einen Umzug zu unterlassen, sondern er wird im Falle einer durch den Umzug bedingten Fremdvermietung lediglich mit der Kaufpreiszuzahlung belastet. Letztlich ist eine Belastung des K nur in § 7 Nr. 3 des Vertrages enthalten.

b) Ob die Benachteiligung unangemessen ist, hängt davon ab, welcher Grund für die Belastung besteht und welches Ziel damit verfolgt wird.

aa) BGH [12]: Die Veräußerung des Grundstücks an die Kläger erfolgte im Rahmen eines städtebaulichen Vertrages gemäß § 11 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 Halbsatz 5 BauGB in Form eines sogenannten Einheimischenmodells. Hierdurch soll in Gemeinden, die eine starke Nachfrage nach Bauland durch auswärtige Interessenten verzeichnen, Einheimischen der Erwerb von Bauflächen zu bezahlbaren, in der Regel deutlich unter dem Verkehrswert liegenden Preisen ermöglicht werden (vgl. BGHZ 153, 93, 96; Brohm, JZ 2000, 321, 322; Grziwotz, KommJur 2009, 376).

bb) Eine Veräußerung unter dem Verkehrswert ist den Gemeinden wegen des Gebots der sparsamen Verwendung öffentlicher Mittel nur gestattet, wenn dies der Erfüllung öffentlicher Aufgaben dient und die zweckentsprechende Mittelverwendung sichergestellt wird. Gemeinden, die zur Förderung des Wohnbaus von Einheimischen Grundstücke verbilligt verkaufen, sind daher nicht nur berechtigt, sondern verpflichtet, für eine vertragliche Absicherung des - den verbilligten Grundstücksverkauf rechtfertigenden - Ziels der Einheimischenförderung Sorge zu tragen. Sie müssen insbesondere sicherstellen, dass die bevorzugten Käufer die auf den Grundstücken zu errichtenden Eigenheime für einen bestimmten Zeitraum selbst nutzen und nicht auf Kosten der Allgemeinheit Gewinne erzielen, indem sie das verbilligte Bauland alsbald zum Verkehrswert weiterveräußern oder den Grundbesitz an Dritte vermieten.

Zu den Zielen des Einheimischenmodells gehören nach BGH [13] nicht nur Verfügungs-, sondern auch Nutzungsbeschränkungen, insbesondere die Verpflichtung des Subventionsempfängers, das verbilligt überlassene Grundstück selbst zu nutzen (vgl. BGHZ 153, 93, 104). Die Zwecke der Subvention, insbesondere jungen einheimischen Familien in Ballungs- und Fremdenverkehrsgebieten zu einem Eigenheim zu verhelfen und keine einseitigen Eigentümer- und Nutzerstrukturen in der Gemeinde entstehen zu lassen, werden nicht nur bei einem Weiterverkauf des Grundstücks vor Ablauf bestimmter Fristen verfehlt, sondern auch dann, wenn die Begünstigten das Eigenheim nicht mehr selbst nutzen, sondern es an Dritte vermieten oder leer stehen lassen. Das Grundstück wird dann nicht mehr von dem Erwerber genutzt, den die Gemeinde nach bestimmten Kriterien (z.B. nach Einkommen, Alter oder Kinderzahl) ausgewählt hat und für einen längeren Zeitraum anzusiedeln beabsichtigte.

c) Die Überlegungen unter b) rechtfertigen die unter a) festgestellten Belastungen. Veräußerungs- und Nutzungsbeschränkungen beim Einheimischenmodell sind das notwendige Äquivalent dafür, dass der Käufer einen erheblichen finanziellen Vorteil auf Kosten der Allgemeinheit erhält, indem die Gemeinde auf ihr eigentlich zustehende Verkaufserlöse zur Erreichung eines im öffentlichen Interesse liegenden Zwecks verzichtet. Danach sind die Belastungen der Käufer beim Einheimischenmodell dem Grunde nach angemessen.

d) Einer zusätzlichen Prüfung bedarf die Dauer der Beschränkungen.

aa) BGH [15]: Die Beschränkungen, denen der Käufer unterliegt, müssen allerdings zeitlich begrenzt sein. Hinsichtlich der für ein Einheimischenmodell typischen Nutzungs- und Verfügungsbeschränkungen hat der Senat Bindungsfristen von bis zu 15 Jahren für unbedenklich gehalten (BGHZ 153, 93, 105), ohne damit eine Höchstgrenze festzulegen. Da die Bindung des Käufers der Preis für den verbilligten Erwerb des Grundstücks ist, steigt die zulässige Bindungsdauer mit dem Umfang der Verbilligung, so dass im Einzelfall auch eine Frist von mehr als 20 Jahren angemessen sein kann (vgl. BGH WM 2006, 300, 302).

bb) BGH [16, 17]: Die hier gegebene Verbilligung liegt mit 50 % deutlich über der bei Einheimischenmodellen üblichen Reduzierung des Kaufpreises um bis zu 30 % gegenüber dem Verkehrswert (vgl. BGH NJW-RR 2007, 962: zehn Jahre Bindung bei 14% Preisnachlass). Dies rechtfertigt es, die Bindungsfrist von 20 Jahren ab Bezugsfertigkeit des Wohnhauses als noch angemessen anzusehen. Dem steht die Erwägung des Berufungsgerichts, niemand könne sicher sein, dass berufliche und private Beziehungen einen solchen Zeitraum überdauerten, nicht entgegen. Die Bindungsdauer von 20 Jahren hindert die Kläger nicht, früher aus dem Haus auszuziehen (oder das Grundstück zu einem früheren Zeitpunkt zu verkaufen). Sie bestimmt lediglich den Zeitraum, in dem die aus öffentlichen Mitteln gewährte Förderung…zweckgebunden, also noch nicht endgültig in das Vermögen der Kläger übergegangen ist. Somit ist auch die Dauer der Belastungen im vorliegenden Fall nicht unangemessen.

e) § 7 Nr. 2 und 3 des Vertrages könnten unangemessen sein, weil eine Härteklausel fehlt.

aa) BGH [18]: Einer solchen Klausel bedarf es nicht, weil die Beklagte ohnehin verpflichtet ist, ihre Rechte so auszuüben, dass im Einzelfall keine unzumutbaren Härten für ihren Vertragspartner entstehen. Die für Einheimischenmodelle typischen Bindungen werden dem Käufer seitens der Gemeinde im Rahmen der Erfüllung öffentlicher Aufgaben auferlegt. Bei ihrer Durchsetzung muss diese deshalb…die Einhaltung des Übermaßverbots beachten. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit bestimmt auch ohne gesetzliche Regelung das gesamte Handeln der öffentlichen Verwaltung, und zwar auch dann, wenn sie für ihre Aufgaben die Gestaltungsform des Privatrechts wählt (vgl. BGH NJW-RR 2007, 962, 964 Rdn. 19; WM 2006, 2046, 2047; WM 2006, 300, 301). Die Beklagte ist daher verpflichtet, vor der Ausübung des ihr aus der Erfüllung öffentlicher Aufgaben zustehenden Rechts auf Rückforderung der Subvention (hier in Form der Kaufpreiszuzahlung) zu prüfen, ob und inwieweit das Recht geltend gemacht werden soll, und dabei unzumutbare Härten zu vermeiden. Hierauf musste in dem Kaufvertrag nicht hingewiesen werden, denn eine ausdrückliche Regelung von Rechten, die aus dem Gesetz oder aus der Rechtsnatur eines Vertrages folgen, oder eine Belehrung des Vertragspartners über diese Rechte wird weder durch das Transparenzgebot (§ 307 Abs. 1 Satz 2 BGB) noch das Gebot angemessener Vertragsgestaltung (§ 11 Abs. 2 Satz 1 BauGB) gefordert (vgl. BGH NJW 1996, 2092, 2093). Dass in solchem Fall das Prinzip der Verhältnismäßigkeit gilt, lässt sich damit begründen, dass bei einem privatrechtlichen Handeln der Verwaltung zur Erfüllung öffentlicher Aufgaben Verwaltungsprivatrecht zur Anwendung kommt, zu dessen Rechtsfolgen nicht nur die Geltung der Grundrechte, sondern auch die Anwendung des Verhältnismäßigkeitsprinzip gehört.

bb) Möglicherweise ist der Zuzahlungsbetrag für die Zeit zu mindern, in der K das Haus vereinbarungsgemäß bewohnt hat und der Subventionszweck erfüllt wurde, also im vorliegenden Fall für 11 Jahre, eine Zeit, die mehr als die Hälfte der in § 7 Nr. 2 festgelegten Bindungsfrist beträgt. Auch die Berücksichtigung dieser Frage verweist der BGH in die Behandlung des Einzelfalles (BGH unter [28]). Sie führt deshalb nicht zur Unwirksamkeit der Klausel selbst.

f) Schließlich ist die Höhe der Kaufpreiszuzahlung auf ihre Angemessenheit hin zu überprüfen.

aa) BGH [19]: Eine Nachforderung im Umfang des eingeräumten Preisvorteils ist unbedenklich möglich (vgl. BGH NJW-RR 2007, 962, 963); sie stellt ebenso wenig wie die Ausübung eines angemessen ausgestalteten Wiederkaufs- bzw. Rückübertragungsrechts eine Vertragsstrafe dar, sondern bedeutet den Widerruf der in der Kaufpreisverbilligung liegenden und an bestimmte Bedingungen geknüpften Subvention (so zutreffend Grziwotz, KommJur 2009, 376, 377;…). Danach wäre im vorliegenden Fall eine Nachzahlung von 133 Euro/qm angemessen.

bb) BGH [20]: Die hier vereinbarte Zuzahlungsverpflichtung von 200 Euro/qm geht über die Rückforderung der gewährten Verbilligung von 133 Euro/qm deutlich hinaus. Sie lässt sich auch nicht mit einem von der Beklagten erwarteten Anstieg der Bodenpreise rechtfertigen. Zwar müssen, wenn der Subventionszweck verfehlt wird, auch etwaige Bodenwertsteigerungen nicht stets dem Käufer verbleiben (vgl. BGHZ 153, 93, 104). Eine Nachzahlungsklausel, die neben der Kaufpreisverbilligung auch künftige Bodenwertsteigerung einbezieht, ist jedoch nur angemessen, wenn sie die Möglichkeit stagnierender oder sinkender Bodenpreise berücksichtigt und die Nachzahlung auf den tatsächlich eingetretenen Vorteil begrenzt. Daran fehlt es hier. Somit ist die 133 Euro/qm übersteigende Zahlungsverpflichtung nach § 7 Nr. 3 des Vertrages in Höhe von 67 Euro/qm unangemessen und nach § 307 BGB unwirksam.

4. Welche Rechtsfolgen bei Unwirksamkeit von AGB eintreten, ist grundsätzlich in § 306 BGB bestimmt.

a) Sie werden allerdings ergänzt durch das grundsätzliche Verbot der geltungserhaltenden Reduktion unwirksamer AGB. Nach diesem Verbot wäre im vorliegenden Fall § 7 Nr. 3 vollständig unwirksam; mangels einer vorhandenen Sanktion liefe auch Nr. 2 ins Leere. Die Stadt B könnte nicht mehr erreichen, dass der Zweck der Verbilligung der Grundstücke erreicht würde, und zwar in allen 22 Veräußerungsfällen.

b) Diese Konsequenz vermeidet der BGH [22, 23]: Das Verbot einer geltungserhaltenden Reduktion unwirksamer allgemeiner Geschäftsbedingungen kommt hier ausnahmsweise im Ergebnis nicht zum Tragen.

aa) Ist eine Vertragsbestimmung nach § 307 Abs. 1 BGB unwirksam, treten an ihre Stelle die gesetzlichen Vorschriften (§ 306 Abs. 2 BGB). Fehlen geeignete Vorschriften und führt die ersatzlose Streichung der unwirksamen Klausel zu einem Ergebnis, das den beiderseitigen Interessen nicht mehr in vertretbarer Weise Rechnung trägt, sondern das Vertragsgefüge völlig einseitig zu Gunsten des Kunden verschiebt, ist die entstandene Lücke durch eine ergänzende Vertragsauslegung zu schließen. An die Stelle der unwirksamen Klausel tritt dann die Regelung, die die Parteien bei sachgerechter Abwägung ihrer beiderseitigen Interessen gewählt hätten, wenn ihnen die Unwirksamkeit der Geschäftsbedingungen bekannt gewesen wäre (vgl. BGHZ 176, 244, 255; 137, 153, 157;… NJW 2008, 2840, 2841 f.).

bb)
Vorliegend ist eine solche ergänzende Vertragsauslegung geboten. Da es kein dispositives Gesetzesrecht gibt, welches an die Stelle der Zuzahlungsverpflichtung tritt, diese aber…ein wesentliches Element des Vertragsgefüges bildet, hätte deren ersatzlose Streichung Folgen, die den beiderseitigen Interessen der Parteien in unvertretbarer Weise zuwiderliefen.

BGH [26]: Die aufgrund der Unangemessenheit des Zuzahlungsbetrages entstandene Vertragslücke ist nach dem hypothetischen Parteiwillen in der Weise zu schließen, dass die geschuldete Kaufpreiszuzahlung 133 Euro pro Quadratmeter beträgt. Wäre den Parteien die Unwirksamkeit des vereinbarten Zuzahlungsbetrages bewusst gewesen, hätten sie diesen auf die gewährte Verbilligung begrenzt, also auf 133 Euro/qm reduziert.

5. Somit führt die teilweise Unwirksamkeit des § 7 Nr. 3 des Vertrages zu der Feststellung, dass die Zuzahlungsverpflichtung unwirksam ist, soweit sie einen Betrag von 133 Euro/qm übersteigt.

II.
Wie bereits ausgeführt, handelt es sich bei dem Vertrag um einen städtebaulichen Vertrag nach § 11 I 2 Nr. 2 BauGB. Nach § 11 II 1 BauGB müssen die vereinbarten Leistungen den gesamten Umständen nach angemessen sein. Die Überlegungen oben II 3 greifen auch in diesem Zusammenhang ein und führen dazu, dass die 133 Euro/qm übersteigende Verpflichtung des § 7 Nr. 3 des Vertrages gegen § 11 II 1 BauGB verstößt. Daraus hat der BGH unmittelbar, also ohne Anwendung des § 134 BGB, auf die Teil-Unwirksamkeit geschlossen (BGH unter [25]). Die oben 4. behandelten Bedenken gegen die teilweise Aufrechterhaltung der § 7 Nr. 3 als AGB bestehen im Zusammenhang mit § 11 II BauGB nicht.

Der w esentliche Teil des Tenors des BGH-Urteils lautet infolgedessen: Es wird festgestellt, dass der notarielle Kaufvertrag zwischen den Parteien über das in R., A. Straße 9 gelegene und im Grundbuch von R. Band 88 Blatt 3608 eingetragene parzellierte Grundstück Flur 8 Nr. 509 insoweit unwirksam ist, als § 7 Ziffer 3 einen höheren Kaufpreiszuzahlungsbetrag als 133 Euro/qm bestimmt. - Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Zusatz: Für die weitere Behandlung des Falles des K weist der BGH im Anschluss an die Überlegungen oben I 3e) unter [28] darauf hin, dass die Reduzierung des Zuzahlungsbetrages die Verpflichtung der Beklagten unberührt lässt, im Wege einer Ermessensentscheidung zu prüfen, ob die Ausübung ihres Rechts, also die Geltendmachung des Zuzahlungsbetrages in Höhe von 133Euro/qm), verhältnismäßig ist… Dabei sind alle Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen, insbesondere die Einkommensverhältnisse der Kläger, die Dauer der Selbstnutzung, der Grund für deren Aufgabe und die aus einer Fremdvermietung gezogenen Nutzungen. Im (pflichtgemäßen) Ermessen der Beklagten steht auch, ob sie den Zuzahlungsbetrag in voller Höhe verlangt oder entsprechend der tatsächlichen Dauer der Selbstnutzung anteilig reduziert.


Zusammenfassung