Bearbeiter: Dr. Gernot Schmalz-Brüggemann

Kaufpreiszahlung über PayPal; Erfüllung, § 362 BGB. Käuferschutz durch Rückbuchung der Zahlung. Verkäuferschutz durch stillschweigende Wiederbegründung (§ 311 BGB) der getilgten Kaufpreisforderung. Übergang der Gegenleistungsgefahr beim Versendungskauf, § 447 BGB; Anwendung beim Untergang der Kaufsache

BGH
Urteil vom 22. 11. 2017 (VIII ZR 83/16) NJW 2018, 537 (für BGHZ vorgesehen)

Verkäufer V, der kein Unternehmer ist, bot Anfang August über eBay ein Mobiltelefon zum Preis von 617 Euro an. Käuferin wurde am 3. 8. B, eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts. Als Nebenabreden zum Kaufvertrag vereinbarten V und B einen Päckchenversand ohne Versicherung und die Bezahlung über den Online-Zahlungsdienst PayPal, wobei sie die Geltung der von PayPal verwendeten Nutzungsbedingungen einschließlich der PayPal-Käuferschutzrichtlinie akzeptierten. Am 4. 8. überwies B den Kaufpreis auf das PayPal-Konto des V, was PayPal dem V noch am selben Tag mitteilte. V versandte das Mobiltelefon in einem Päckchen per Post an B, bei der es aber nicht ankam. Der Geschäftsführer der B teilte V mit, die Sendungsverfolgung habe nicht funktioniert. Ein Nachforschungsauftrag des V bei der Post blieb erfolglos.

B beantragte bei PayPal Käuferschutz. Die PayPal-Käuferschutzrichtlinie bestimmt in Nr. 2, dass PayPal im Falle eines erfolgreichen Antrags dem Käufer den geleisteten Betrag erstattet, unabhängig davon, ob PayPal den Erstattungsbetrag von dem Zahlungsempfänger zurückfordern kann. Nr. 3.8 regelt das Verfahren beim Käuferschutz. Nach Nr. 4.1 besteht Käuferschutz, wenn ein gekaufter Artikel nicht versandt wurde oder der gelieferte Artikel erheblich von der Beschreibung des Verkäufers abweicht. Der PayPal-Käuferschutz gilt nicht, wenn Artikel während des Versands verloren gehen. Falls der Verkäufer einen gültigen Versandbeleg vorlegt, lehnt PayPal den Antrag auf Käuferschutz ab. Nach Nr. 6.1 tritt der Käufer mit dem Empfang der Auszahlung des PayPal-Käuferschutzbetrages alle gegenüber dem Verkäufer bestehenden Ansprüche aus dem dem Antrag auf PayPal-Käuferschutz zugrunde liegenden Kaufvertrag in Höhe des Auszahlungsbetrages an PayPal ab. Nr. 6.2: PayPal behält sich das Recht vor, jederzeit nach eigenem Ermessen und ohne Angabe von Gründen den PayPal-Käuferschutz zu ändern oder zu streichen. Nr. 6.5: Die PayPal-Käuferschutzrichtlinie berührt die gesetzlichen und vertraglichen Rechte zwischen Käufer und Verkäufer nicht und ist separat von diesen zu betrachten.

Weil V zunächst keinen Versandbeleg vorlegen konnte, gab PayPal dem Antrag der B statt, schrieb B den Kaufpreis wieder gut und belastete das PayPal-Konto des V entsprechend. V verlangt von B Zahlung des Kaufpreises. Er habe - was inzwischen feststeht - das Mobiltelefon wie vereinbart an B abgesandt. Nach seiner Auffassung trage B das Risiko des Verlustes der Ware auf dem Versandweg. Demgegenüber steht B auf dem Standpunkt, ohne Lieferung der Kaufsache brauche sie nicht zu zahlen. Überdies liege in der früheren Gutschrift auf dem PayPal-Konto des V die Kaufpreiszahlung. Die Rückbuchung durch PayPal ändere daran nichts, weil sie ausschließlich die Rechtsbeziehungen zu PayPal betreffe. Ist der Anspruch des V gegen B begründet?

Lösung

I. Zwischen V und B ist am 3. 8. ein Kaufvertrag geschlossen worden, aus dem V ein Kaufpreisanspruch in Höhe von 617 Euro zustand (§ 433 II BGB). Bedenken dagegen, dass B als Gesellschaft bürgerlichen Rechts (§§ 705 ff. BGB) Käufer und Kaufpreisschuldner sein kann, bestehen seit Anerkennung der (Teil-) Rechtsfähigkeit der GbR nicht mehr (vgl. BGHZ 146, 341; NJW 2008, 1378/9; NJW 2009, 594; BGH im vorliegenden Fall unter [50]).

II. Der Kaufpreisanspruch des V könnte durch Erfüllung erloschen sein (§ 362 I BGB).

1. B könnte die Erfüllung durch Überweisung mit anschließender Gutschrift auf dem PayPal-Konto des V am 4. 8. bewirkt haben.

a) BGH [16] Die Vertragsparteien haben mit Abschluss des Kaufvertrags als Nebenabrede vereinbart, den Kaufpreis unter Verwendung des vom Zahlungsdienstleister PayPal betriebenen gleichnamigen Bezahlsystems zu entrichten. Dabei schreibt PayPal dem virtuellen PayPal-Konto des Verkäufers E-Geld [Definition noch unten] gut und belastet die vom Käufer angegebene Zahlungsquelle. Ab dem Zeitpunkt der Gutschrift kann der Verkäufer über das Guthaben verfügen, indem er es etwa auf sein bei PayPal hinterlegtes Bankkonto abbuchen lässt oder seinerseits für Zahlungen mittels PayPal verwendet. - Nach § 1 Abs. 2 Satz 3 des Zahlungsdiensteaufsichtsgesetzes (ZAG) ist E-Geld jeder elektronisch, auch magnetisch, gespeicherte monetäre Wert in Form einer Forderung an den Emittenten, der gegen Zahlung eines Geldbetrags ausgestellt wird, um damit Zahlungsvorgänge im Sinne des § 675 f Absatz 4 Satz 1 BGB durchzuführen, und der auch von anderen natürlichen oder juristischen Personen als dem Emittenten angenommen wird.

b) Am 4. 8. hatte B den Kaufpreis auf das PayPal-Konto des V überwiesen, wo er V zur Verfügung stand. In der Literatur ist streitig, ob darin eine Erfüllung i. S. des § 362 I BGB liegt oder ob, weil dadurch nur elektronische Werteinheiten zugewandt werden, eine Leistung an Erfüllungs statt (§ 364 BGB) oder erfüllungshalber zu sehen ist (Nachw. bei BGH [18]). Im Zusammenhang damit hat der BGH erklärt, die Frage bedürfe keiner Entscheidung.

Unter [19] hat das Urteil dann klargestellt: Sowohl nach Auffassung des BGH als auch nach der h. M im Schrifttum tritt Erfüllung des Kaufpreisanspruchs - ebenso wie bei Zahlungen im Lastschriftverfahren und bei Banküberweisungen (BGHZ 186, 269 Rn. 22 f.; 212, 140 Rn. 23;…) - ein, wenn der geschuldete Betrag dem PayPal-Konto des Verkäufers vorbehaltlos gutgeschrieben wird, so dass dieser den Zahlbetrag endgültig zur freien Verfügung erhält. Dies entspricht auch der nahezu einhelligen Ansicht des Schrifttums zum Bezahlsystem PayPal (BeckOGK-BGB/Looschelders, Stand: 1. Juli 2017, § 362 Rn. 177; Palandt/Grüneberg, BGB, 76. Aufl. § 362 Rn. 12; Staudinger/Omlor,BGB, Neubearb. 2016, Vorb. zu §§ 244-248, Rn. B 100; …Martens JuS 2014, 200, 202; allgemein zu elektronischen Zahlungssystemen, bei denen durch Übermittlung elektronischer Werteinheiten Buchungen auf ein virtuelles Konto veranlasst werden: NK-BGB/Avenarius, 3. Aufl., § 362 Rn. 19 und MünchKommBGB/Fetzer, § 362 Rn. 18). Auch Omlor JuS 2018, 379, 380 in einer Besprechung des Falles stellt fest …“ass Erfüllung nach § 362 I BGB eintritt.“ Danach tritt Erfüllung jedenfalls dann ein, wenn keine Rückbelastung erfolgt.

2. Der Erfüllungswirkung entgegenstehen könnte die Möglichkeit einer Rückbelastung und deren Vornahme, was vom BGH aber verneint wird. [21] Zwar ist der Verkäufer gemäß Nr. 2 und 3.8. der PayPal-Käuferschutzrichtlinie innerhalb der dort bestimmten Fristen dem Risiko einer Rückbuchung durch PayPal ausgesetzt, weil der Käufer in diesem Zeitraum einen Antrag auf PayPal-Käuferschutz stellen kann. Die Rückbelastungsmöglichkeit rechtfertigt jedoch nicht die Annahme, der insoweit maßgebliche Wille der Kaufvertragsparteien gehe dahin, dass der geschuldete Leistungserfolg erst nach Ablauf der Schwebephase eintreten solle. Ebenso wie bei Zahlungen im Kreditkarten- oder Lastschriftverfahren würde dies dem Umstand nicht gerecht, dass entsprechende Zahlungen in der Regel Bestand haben und nur ausnahmsweise eine Rückbelastung erfolgt (vgl. BGHZ 186, 269 Rn. 24). - Also erhält die Rückbelastung eine Bedeutung noch nicht durch Verneinung des § 362 I BGB, sondern erst in dem nachfolgend unter III. zu erörternden Zusammenhang.

Der Kaufpreisanspruch des V ist am 4. 8. durch Erfüllung erloschen (BGH [15]).

III. Als Folge der Rückbelastung des V könnte ein Wiederaufleben oder eine Wiederbegründung der Kaufpreisforderung eingetreten sein.

1. Um an die Rückbelastung durch PayPal Rechtsfolgen anzuknüpfen, müsste diese zu Recht erfolgt sein.

a) Die Kaufvertragsparteien V und B haben die Bezahlung über PayPal und die Geltung der PayPal-Käuferschutzrichtlinie vereinbart. Nach deren Nr. 2 erfolgt eine Erstattung (Rückbelastung, Rückbuchung), wenn ein Antrag auf Käuferschutz erfolgreich ist. Dieser ist nach Nr. 4.1 erfolgreich, wenn ein gekaufter Artikel nicht versandt wurde. Bestreitet der Käufer den Erhalt des Artikels, kann der Verkäufer die Absendung durch Vorlage eines Versandbelegs - oder den Empfang durch eine Empfangsbestätigung des Käufers - nachweisen (vgl. Nr. 4.1 Satz 3 PayPal-Käuferschutzrichtlinie). Dazu war V aber, als B den Käuferschutzantrag gestellt hatte, nicht in der Lage. Daraus durfte PayPal den Schluss ziehen, dass V das Mobiltelefon nicht abgesandt hat, und dass der Käuferschutzantrag der B berechtigt war.

b) Folglich durfte PayPal der B den Kaufpreisbetrag erstatten und V damit belasten.

2. Dieser Vorgang beschränkt sich nicht, wie B geltend macht, auf die Rechtsbeziehungen zu PayPal. Vielmehr wird durch die Rückbuchung dem V der Kaufpreis wieder entzogen, was Rechtsfolgen innerhalb der kaufrechtlichen Beziehungen zwischen V und B haben muss. Fraglich ist aber, welche Rechtsfigur zur Lösung dieses Problems heranzuziehen ist.

(1) Das BerGer. im BGH-Fall hatte angenommen, die Parteien hätten schlüssig die Erfüllungswirkung der Zahlung der B mit der Bedingung verbunden, dass keine Rückbuchung erfolgt. BGH [22] Nach Auffassung des BerGer. ist durch die Rückbuchung eine zuvor von den Vertragsparteien nach dem Inhalt des Rechtsgeschäfts vereinbarte auflösende Bedingung eingetreten (§ 158 Abs. 2, § 159 BGB). Damit sei die Erfüllungswirkung entfallen, der Kaufpreisanspruch des V bestehe fort. Diese Auffassung wird vom BGH aber abgelehnt.

a) [23] Die Erfüllungswirkung, die durch die vorbehaltlose Gutschrift der Kaufpreisforderung auf dem PayPal-Konto des Verkäufers eingetreten ist, entfällt nicht rückwirkend, wenn PayPal den Kaufpreis aufgrund eines erfolgreichen Antrags auf Käuferschutz zurückbucht und dem PayPal-Konto des Käufers wieder gutschreibt (vgl. BeckOGK-BGB/Looschelders, § 362 Rn. 177; Staudinger/Omlor, §§ 364, 365 Rn. B 100.1;…). Ein vereinbarter Vorbehalt der Rückforderung - hier in Gestalt erfolgreicher Inanspruchnahme des PayPal-Käuferschutzes - stünde der Erfüllungswirkung schon von Anfang an entgegen, weil diese nicht nur vorläufig eintreten kann (BGH WM 2008, 1703 Rn. 26; Münch-KommBGB/Fetzer,§ 362 Rn. 25 a; Hadding WM 2014, 97 f.; jeweils m. w. N.), sondern regelmäßig als objektive Folge der Leistungsbewirkung (Theorie der realen Leistungsbewirkung) eintritt, ohne dass es weiterer Umstände bedarf (vgl. BGHZ 205, 90 Rn. 13; NJW 2014, 547 Rn. 21;…).

b) Allerdings hat BGHZ 186, 269 [24] für das SEPA-Lastschriftverfahren angenommen, bei diesem sei eine Erfüllungsvereinbarung erforderlich, weil im Fall des Einzugs einer Forderung mittels Lastschrift eine „andere Leistung" als die originär geschuldete (Bar-)Geldzahlung erbracht werde (§ 364 I BGB), und diese könne unter der auflösenden Bedingung eines Erstattungsverlangens des Zahlers (siehe § 675 x Abs. 2 BGB) stehen, so dass die Rechtsfolge der Erfüllung im Fall des Bedingungseintritts rückwirkend (§ 159 BGB) entfalle.

BGH [25] Diese Rechtsprechung lässt sich jedoch nicht auf den Fall einer Rückbuchung des Kaufpreises durch PayPal aufgrund eines Antrags auf PayPal-Käuferschutz übertragen (so auch BeckOGK-BGB/Looschelders, § 362 Rn. 177; Staudinger/Omlor, §§ 364, 365 Rn. B 100.1;…), weil sie maßgeblich auf der Besonderheit des SEPA-Lastschriftverfahrens beruht, dass der Zahler innerhalb von acht Wochen (§ 675 x Abs. 4 BGB) nach der Belastungsbuchung von seiner Bank ohne Angabe von Gründen Erstattung des Zahlbetrages verlangen kann (vgl. BGHZ 186, 269). Bei einer Zahlung mittels PayPal wird hingegen dem Käufer nicht das Recht eingeräumt, diese von sich aus rückgängig zu machen. Die Erstattung des Kaufpreises nach Gewährung von PayPal-Käuferschutz gründet sich vielmehr auf eine besondere Dienstleistungsabrede zwischen PayPal und dem Käufer. Dabei ist nicht dem Käufer, sondern allein PayPal die Befugnis einräumt, eigenständig zu entscheiden, ob der Kaufpreis erstattet wird oder nicht (vgl. Ziff. 4.5. der PayPal-Käuferschutzrichtlinie)… Die Entscheidung über die Rückbuchung des Kaufpreises erfolgt nicht - wie beim Erstattungsanspruch des Zahlers gegen seinen Zahlungsdienstleister im SEPA-Lastschriftverfahren - im Verhältnis zwischen Käufer und Verkäufer, sondern beruht jeweils auf den gesonderten Rechtsbeziehungen zwischen PayPal und dem Käufer einerseits sowie PayPal und dem Verkäufer andererseits, innerhalb derer jeweils PayPal die Entscheidung obliegt, ob die Rückerstattung erfolgt.

Somit ist die Erfüllungswirkung der Zahlung des Kaufpreises nicht wegen Eintritts einer Bedingung entfallen.

(2) Der vom BGH für richtig gehaltene Lösungsweg ist die Wiederbegründung der Kaufpreisforderung des V durch eine vorweggenommene schlüssige Abrede im Kaufvertrag.

a) Nach § 311 I BGB können zwei Personen durch Vertrag ein Schuldverhältnis zwischen ihnen begründen und wiederbegründen; das ist auch stillschweigend (schlüssig) möglich. BGH [29] Es ist anerkannt, dass eine stillschweigende Wiederbegründung einer getilgten Schuld bei einem - wie hier - nicht formgebundenen Vertrag bei entsprechendem Parteiwillen in der Rückgabe oder Rückbelastung eines bereits getilgten Schuldbetrags liegen kann (Münch-KommBGB/Fetzer, § 362 Rn. 25 a; Palandt/Grüneberg, Vorb. § 362 Rn. 1;…). Die Parteien sind frei darin, das Wiederaufleben der ursprünglichen Schuld zu vereinbaren (…). Eine solche Vereinbarung kann nach dem Grundsatz der Privatautonomie auch bereits im Vorfeld - mit Vertragsabschluss - und für den Fall getroffen werden, dass künftig eine Rückbuchung des gezahlten Kaufpreises erfolgt.

b) V und B haben die Geltung der PayPal-Käuferschutzrichtlinie vereinbart und damit die Möglichkeit eröffnet, dass nach einem Käuferschutzantrag dem Verkäufer der Kaufpreis durch Rückbelastung wieder entzogen wird. Wenn sich diese Möglichkeit verwirklicht, führt der Zahlungsweg über PayPal im Ergebnis nicht dazu, dass der Verkäufer den Kaufpreis - wie nach § 433 II BGB vorgesehen - erhält und behält. Die somit erforderliche Regelung, wie die Kaufpreiszahlung in diesem Fall erfolgt, haben die Parteien nicht getroffen, so dass der Vertrag im Hinblick auf dieses Problem eine Lücke aufweist und einer Auslegung bedarf. Diese führt dazu, dass der Verkäufer wieder auf seinen Anspruch aus § 433 II BGB zurückgreifen kann und dieser deshalb zu diesem Zweck wiederbegründet wird.

BGH [31-33] Der Erklärungsgehalt der bei Abschluss des Kaufvertrags getroffenen Nebenabrede, zur Begleichung der Kaufpreisschuld den Zahlungsdienst PayPal zu verwenden, richtet sich neben den sich aus §§ 133, 157 BGB ergebenden Auslegungsregeln grundsätzlich nach den Bestimmungen in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen von PayPal, denen die Parteien vor der Inanspruchnahme des Zahlungsdienstes PayPal zugestimmt haben (vgl. BGHZ 211, 331 Rn. 19; NJW 2017, 1660 Rn. 12; jeweils m. w. N., zu den eBay-AGB). Der Aussagegehalt der von PayPal verwendeten AGB, namentlich der PayPal-Käuferschutzrichtlinie, ist daher, da die Erklärungen der Parteien des Kaufvertrages auslegungsbedürftig sind, entsprechend in die Auslegung der von ihnen abgegebenen Willenserklärungen einzubeziehen. Hiernach bestand zwischen den Parteien mangels gegenteiliger Anhaltspunkte bereits bei Vertragsschluss Einigkeit darüber, dass auch im Falle eines Antrags auf Käuferschutz die gesetzlichen und vertraglichen Rechte beider Parteien unabhängig von der Entscheidung über die Gewährung von Käuferschutz Bestand haben sollten. Nach Nr. 6.5. der PayPal-Käuferschutzrichtlinie „berührt" diese „die gesetzlichen und vertraglichen Rechte zwischen Käufer und Verkäufer nicht und ist separat von diesen zu betrachten". Bereits nach ihrem Wortlaut bestimmt die Klausel, dass die PayPal-Käuferschutzrichtlinie die gesetzlichen und vertraglichen Rechte der Kaufvertragsparteien nicht beeinträchtigen (…) und unabhängig davon sein soll („separat"). Folglich ist es gerechtfertigt, dem Verkäufer durch Wiederbegründung seines Anspruchs aus § 433 II BGB das Recht auf den Kaufpreis zu sichern.

c) Im BGH-Fall hatte die Revision geltend gemacht, nach Nr. 6.1 der PayPal-Käuferschutzrichtlinie habe der Käufer sämtliche Ansprüche gegen den Verkäufer an PayPal abgetreten, sei dadurch völlig rechtlos gestellt und dürfe umgekehrt auch keinem Anspruch des Verkäufers mehr ausgesetzt sein. Diese - für sich genommen schon fast abwegige - Argumentation hat der BGH unter [34, 35] wie folgt zurückgewiesen: Die Revision verkennt, dass auch Formularbestimmungen stets unter Berücksichtigung des gesamten Vertragsinhalts auszulegen sind (BGH NJW 2017, 3292 Rn. 18; NJW 2017, 1660 Rn. 15; BGHZ 170, 86 Rn. 30), hier nach Nr. 6.5, wonach die PayPal-Käuferschutzrichtlinie die gesetzlichen und vertraglichen Rechte der Kaufvertragsparteien ausdrücklich nicht „berührt" und „separat" von diesen zu betrachten ist. Dadurch wird verhindert, dass der Käufer rechtlos gestellt wird. So besteht kein Zweifel, dass es dem Käufer unbenommen bleibt,…die staatlichen Gerichte in Anspruch zu nehmen, um etwa im Fall einer vom Verkäufer nicht erbrachten Leistung seinen Anspruch auf Rückgewähr des vorgeleisteten Kaufpreises unter den gesetzlichen Voraussetzungen durchzusetzen. Deshalb ist es zur Vermeidung eines nach objektiven Maßstäben nicht tragbaren vertraglichen Ungleichgewichts allein interessengerecht, dass der Verkäufer nach einem erfolgreichen Antrag des Käufers auf PayPal-Käuferschutz wieder berechtigt ist, auf die Kaufpreisforderung zurückzugreifen und zu ihrer Durchsetzung gegebenenfalls die staatlichen Gerichte anzurufen.

3. Da, wie oben III 1 ausgeführt wurde, PayPal die Rückbuchung zu Recht vorgenommen hat, liegen die Voraussetzungen der durch die Auslegung gewonnenen Wiederbegründungsklausel des Kaufvertrages vor. Der Kaufpreisanspruch des V gegen B aus § 433 II BGB ist erneut begründet worden und gibt V einen Anspruch gegen B auf Zahlung des Kaufpreises.

IV. Mit Rücksicht darauf, dass B das verkaufte Mobiltelefon nicht erhalten hat, könnte sie die Bezahlung des Kaufpreises unter Berufung auf die Einrede des nichterfüllten Vertrages (§ 320 BGB) verweigern. Hierfür müsste die ihr zustehende Gegenleistung nicht bewirkt worden sein.

1. Gegenleistung war die Lieferung des Mobiltelefons. Mit Abschluss des Kaufvertrages hat B gegen V einen Anspruch auf Lieferung des Mobiltelefons erlangt (§ 433 I 1 BGB).

2. Dieser Anspruch könnte aber erloschen sein, weil die Gefahr des zufälligen Untergangs auf B übergegangen ist und ein solcher zufälliger Untergang eingetreten ist. Nach § 447 I BGB geht bei einem Versendungskauf die Gegenleistungsgefahr mit Absendung der Kaufsache auf den Käufer über. Allerdings ist diese Vorschrift beim Verbrauchsgüterkauf grundsätzlich nicht anwendbar (§ 475 II BGB); der Kauf zwischen V und B war aber kein Verbrauchsgüterkauf (§ 474 I 1 BGB), weil V kein Unternehmer war. § 447 BGB ist somit anwendbar.

a) Da V und B einen Päckchenversand vereinbart hatten, handelte es sich um einen Versendungskauf. BGH [49] Die Parteien haben…ausdrücklich einen Versendungskauf vereinbart; es gibt keine Anhaltspunkte dafür, dass V die mit der Versendung verbundene Verlustgefahr übernommen hat.

b) Dem Sachverhalt ist zu entnehmen, dass das versandte Mobiltelefon verschwunden ist. Da es sich um einen Stückkauf gehandelt hat, ist V die Übergabe und Übereignung (§ 433 I 1 BGB) unmöglich geworden, so dass er nicht mehr zu leisten brauchte (§ 275 BGB). Grundsätzlich entfällt dann zwar nach § 326 I BGB auch dessen Anspruch auf die Gegenleistung, d. h. auf Kaufpreiszahlung. § 326 BGB ist aber nicht anwendbar, weil § 447 BGB eine kaufrechtliche Sondervorschrift zu der allgemeinen Regel des § 326 I BGB ist (BGH [48]). Statt dessen kommt § 447 BGB zur Anwendung. Der dort vorgeschriebene Gefahrübergang bedeutet nach Untergang der Kaufsache, dass Käuferin B den Kaufpreis zahlen muss, obwohl sie die Kaufsache nicht mehr erhält. BGH [48] Trotz des…Untergangs der Kaufsache behält V gemäß § 447 Abs. 1 BGB…den Kaufpreisanspruch, weil die Gegenleistungsgefahr auf B, der auch die Einrede des nicht erfüllten Vertrags (§ 320 Abs. 1 BGB) nicht zusteht, übergegangen ist, indem V das Mobiltelefon dem zur Ausführung der Versendung bestimmten Versanddienstleister ausgeliefert hat.

Ergebnis:Gegenüber dem wiederbegründeten Kaufpreisanspruch des V aus § 433 II BGB steht B die Einrede des nichterfüllten Vertrages nicht zu. Der Anspruch des V gegen B auf Zahlung des Kaufpreises in Höhe von 617 Euro ist begründet. (In einer Besprechung des Falles kritisiert Ulrici JZ 2018, 785 den Lösungsweg des BGH und schlägt einen anderen vor, der zum selben Ergebnis kommt.)


Zusammenfassung