Bearbeiter: Dr. Gernot Schmalz-Brüggemann

Anspruch auf Rückzahlung eines Ablösebetrags; § 812 BGB. Privatrechtlicher städtebaulicher Vertrag. Allgemeine Geschäftsbedingung, unangemessene Benachteiligung, § 307 BGB. Rechtsfolge bei Teil-Nichtigkeit einer AGB; Verbot der geltungserhaltenden Reduktion. Ergänzende Vertragsauslegung, § 157 BGB

BGH Urteil vom 15. 2. 2019 (V ZR 77/18) NJW 2019, 2602

Fall
(Kleingartenverkauf)

In einer im Eigentum der Stadt S stehenden Kleingartenanlage hatten viele der Pächter im Laufe der Jahre ihre Gartenhäuser zu Wohnhäusern umgenutzt. Um das zu legalisieren und den Bewohnern ihre Wohnungen zu erhalten, erließ die Stadt einen Bebauungsplan und veräußerte die bisherigen Kleingartenparzellen an die Bewohner. Zuvor hatte der Rat der Stadt nach Vorlage eines Wertgutachtens beschlossen, die Grundstücke den Bewohnern zu einem 30 % unter dem Verkehrswert liegenden Kaufpreis zu überlassen. Dementsprechend verkaufte S im Jahre 2001 eine Parzelle an K zu einem - um 30 % herabgesetzten - Kaufpreis von 100.000 DM. In dem notariell abgeschlossenen Vertrag ließ S sich ein Wiederkaufsrecht einräumen, und zwar „für den Fall, dass der Erwerber das Grundstück Dritten ganz oder teilweise verkauft oder zu eigentumsähnlicher Nutzung überlässt, mit einer Ausübungsfrist von 30 Jahren seit dem Erwerb.“ K zahlte den Kaufpreis und wurde noch im Jahre 2001 als Eigentümer im Grundbuch eingetragen.

Im Jahre 2018 wollte K Grundstück und Haus verkaufen. Er wandte sich an S und verlangte, das Wiederkaufsrecht nicht auszuüben, da die diesbezügliche Klausel unwirksam sei oder zumindest in seinem Fall nicht mehr zur Anwendung komme. Er habe 17 Jahre in dem Haus gewohnt, so dass sich der Zweck der Klausel, Spekulationen mit der Immobilie zu verhindern, erledigt habe. Auch sei die Frist von 30 Jahren zu lang. Demgegenüber hielt S die Klausel für wirksam und verwies darauf, dass sie in sämtliche Verträge über die früheren Kleingartengrundstücke aufgenommen wurde. Dadurch sei sie Bestandteil städtebaulicher Verträge geworden mit dem Ziel, den Bewohnern zeitlebens ein Wohnrecht zu verschaffen. Die Stadt erklärte sich aber bereit, auf das Wiederkaufsrecht zu verzichten, wenn K einen Ablösebetrag von 47.000 Euro zahlt. K überwies den Betrag mit dem Zusatz: „vorbehaltlich einer Klärung der Wirksamkeit des Wiederkaufsrechts“. Noch im Jahr 2018 verkaufte K das Anwesen für 335.000 Euro. Unter Berufung auf den Vorbehalt bei der Zahlung verlangt K von S Rückzahlung der 47.000 Euro. Zu Recht ? - Es ist das im Zeitpunkt der Fallbearbeitung geltende Recht anzuwenden.

Lösung

Vorbemerkung: Der Sachverhalt des Originalfalls wurde vereinfacht, zeitlich etwas verlegt und mit der Maßgabe verbunden, dass nicht das im Jahre 2001 geltende, sondern das derzeit geltende Recht anzuwenden ist. Diesen Änderungen werden auch die Originalzitate angepasst.

A. Da der Kaufvertrag zwischen S und K keine Regelung über eine Rückzahlung des Ablösebetrags enthält, kommt als Anspruchsgrundlage § 812 I 1 BGB in Betracht. Allerdings können Bedenken gegen die Anwendbarkeit dieser privatrechtlichen Vorschrift auf das Rechtsverhältnis zwischen S und K bestehen, weil die Stadt S als öffentlich-rechtliche Körperschaft beteiligt ist und die Veräußerung der Grundstücke auch der Versorgung der früheren Pächter mit Wohnraum diente. Jedoch müssen der Staat und andere Verwaltungsträger nicht stets öffentlich-rechtlich handeln, sondern können sich auch privatrechtlich betätigen; sie können also beispielsweise Kauf- und Werkverträge schließen, mieten und vermieten und privatrechtliches Eigentum besitzen. Auch im vorliegenden Fall hat S als Eigentümerin der Grundstücke über diese privatrechtlich verfügt, indem sie mit K einen Kaufvertrag (§ 433 BGB) geschlossen und in diesem ein Wiederkaufsrecht (§ 456 BGB) vereinbart hat. Dass S mit dem Verkauf auch die Wohnraumversorgung der früheren Pächter sichern wollte, steht der Qualifizierung des Vertrages als privatrechtlicher Vertrag nicht entgegen, weil die öffentliche Hand Gemeinwohlzwecke auch in privatrechtlicher Form verfolgen kann (BGH NVwZ 2013, 96; Schröder DVBl 2019, 1104). Somit handelt es sich bei dem Verkauf im Jahre 2001 um ein privatrechtliches Rechtsverhältnis, auf das § 812 BGB anwendbar ist.

B. Für einen Anspruch des K müssten die Voraussetzungen des § 812 I BGB vorliegen.

I. Aufgrund der Überweisung des K hat S 47.000 Euro erlangt. In der Überweisung lag eine Leistung des K an S. Leistungszweck war die Erfüllung eines von S geltend gemachten Anspruchs auf Zahlung eines Ablösebetrags dafür, dass S auf das Wiederkaufsrecht verzichtet. Dass K die Vereinbarung über den Ablösebetrag für nicht wirksam hielt, steht dem Leistungscharakter der Zahlung nicht entgegen. § 814 BGB geht selbst dann von einer Leistung aus, wenn der Leistende weiß, dass eine Verpflichtung nicht besteht. Dann muss eine Leistung erst recht vorliegen, wenn das Bestehen der Verpflichtung zwischen den Beteiligten nur streitig ist. Indem K die Zahlung unter Vorbehalt geleistet hat, hat er dieser Situation Rechnung getragen und kann damit auch verhindern, dass ihm ein Bereicherungsausschluss nach § 814 BGB entgegengehalten wird.

II. Die Leistung müsste ohne Rechtsgrund erfolgt sein.

1. Rechtsgrund kann eine Vereinbarung über die Zahlung eines Ablösebetrags sein. S hat eine derartige Vereinbarung angeboten. K hat ihr durch die Zahlung zugestimmt, allerdings nur unter Vorbehalt. Nach § 150 II BGB liegt darin eine Ablehnung verbunden mit einem neuen Antrag. S hat den Betrag widerspruchslos entgegengenommen und auf die Ausübung des Wiederkaufsrechts verzichtet; dadurch hat sie schlüssig einer Ablösevereinbarung mit Zahlung unter Vorbehalt zugestimmt. Somit ist eine Ablösevereinbarung zustande gekommen.

2. Wegen des Vorbehalts in der Ablösevereinbarung sollte diese nur wirksam sein, wenn das Wiederkaufsrecht bestand. Dafür spricht auch, dass die Zahlung das Wiederkaufsrechts ablösen sollte, was nur bei einem Bestehen des Wiederkaufsrechts möglich war; für die Ablöse eines unwirksamen Wiederkaufsrechts bestand kein Grund. Die Ablösevereinbarung ist deshalb unwirksam, wenn die Vereinbarung des Wiederkaufsrechts unwirksam war.

III. Das Wiederkaufsrecht wurde in dem notariellen Kaufvertrag formell ordnungsgemäß vereinbart. Es könnte jedoch nach § 307 I BGB unwirksam sein.

1. Dann müsste es sich bei der Klausel über das Wiederkaufsrecht um eine Allgemeine Geschäftsbedingung (AGB) handeln, die Bestandteil des zwischen S und K geschlossenen Vertrags geworden ist.

a) AGB sind die für eine Vielzahl von Verträgen vorformulierten Vertragsbedingungen, die eine Vertragspartei als Verwender der anderen Vertragspartei stellt (§ 305 I 1 BGB). Die Wiederkaufsklausel war von Seiten der S vorformuliert und war in sämtliche Verträge über die früheren Kleingartengrundstücke, also in eine Mehrzahl von Verträgen, aufgenommen worden. Sie war eine Bedingung für den zwischen S und K geschlossenen Kaufvertrag, weil S von ihrer Aufnahme den Abschluss der Verträge über den Verkauf der Kleingärten abhängig gemacht hat; mithin hat S die Klausel dem K gestellt. Auch ist sie nicht zwischen S und K im Einzelnen ausgehandelt worden, so dass § 305 I 2 BGB nicht entgegensteht. Einer der in § 310 BGB enthaltenen Ausnahmefälle greift nicht ein. Die Wiederkaufsklausel war deshalb eine AGB i. S. des § 305 BGB.

b) Die Klausel ist ausdrücklich in den Kaufvertrag aufgenommen worden und deshalb nach § 305 II Nr. 1 BGB Bestandteil des zwischen S und K geschlossenen Vertrages geworden.

2. Der Anwendbarkeit der §§ 307 ff. BGB könnte entgegenstehen, dass der Vertrag zwischen S und K ein städtebaulicher Vertrag war, der unter § 11 I 2 Nr. 2 Baugesetzbuch (BauGB) fällt. Nach dieser Vorschrift kann die Gemeinde städtebauliche Verträge schließen, insbesondere zur Deckung des Wohnbedarfs von Bevölkerungsgruppen mit besonderen Wohnraumversorgungsproblemen sowie zur Schaffung von Wohnraum für einkommensschwächere und weniger begüterte Personen der örtlichen Bevölkerung.

a) Die Kleingärtner gehörten zur örtlichen Bevölkerung. Zwar kann nicht angenommen werden, dass sämtliche Kleingärtner, denen die Grundstücke im Jahre 2001 übertragen wurden, zur Bevölkerungsgruppe mit besonderen Wohnraumversorgungsproblemen oder mit niedrigem Einkommen gehörten. Jedoch kann davon ausgegangen werden, dass es unter ihnen Personen gab, die im Falle des Verlustes ihrer bisherigen Wohnung Probleme mit der Beschaffung einer neuen Wohnung bekommen hätten oder die nur ein geringes Einkommen hatten. Strenge Anforderungen an die Anwendung des § 11 BauGB sind nicht zu stellen, weil die dort aufgeführten Voraussetzungen wegen „insbesondere“ nicht abschließend sind. BGH [7] Die Veräußerung des Grundstücks an K erfolgte im Rahmen eines städtebaulichen Vertrages. Gemäß § 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BauGB kann Gegenstand eines städtebaulichen Vertrages die Vorbereitung oder Sicherung der mit der Bauleitplanung verfolgten Ziele sein, zu denen insbesondere die Deckung des Wohnbedarfs der Bevölkerung zählt. Dies ist beispielsweise der Fall, wenn die Gemeinde… im Rahmen eines so genannten Einheimischenmodells (vgl. BGH NJW 2010, 3505; BGHZ 206, 120 Rn. 33…) ortsansässigen Bürgern Bauflächen zu deutlich unter dem Verkehrswert liegenden Preisen veräußert (…). Der für einen städtebaulichen Vertrag erforderliche Zusammenhang mit der gemeindlichen Bauleitplanung ist auch im vorliegenden Fall gegeben. Mit dem Angebot, dass die bisherigen Nutzer der Kleingartenanlage ihre Parzelle zu einem unterhalb des Verkehrswertes liegenden Kaufpreis erwerben können, verfolgte die Stadt S das Ziel, diesen die weitere Nutzung der Parzelle zu Wohnzwecken entsprechend der den tatsächlichen Verhältnissen angepassten Bauleitplanung durch einen Erwerb zu einem subventionierten Kaufpreis zu ermöglichen. Der BGH geht also davon aus, dass die im Jahre 2001 geschlossenen Verträge inhaltlich städtebauliche Verträge waren.

b) Allerdings ist der in § 11 BauGB geregelte städtebauliche Vertrag formal ein öffentlich-rechtlicher Vertrag (i. S. der §§ 54 ff. VwVfG). Das ergibt sich aus der Stellung der Vorschrift im BauGB und aus Regelungen wie der des § 11 I Nr. 1 BauGB, wonach die Erschließung der Baugrundstücke (vgl. §§ 123 ff. BauGB) in dem Vertrag geregelt werden kann. Demgegenüber handelt es sich im vorliegenden Fall um einen privatrechtlichen städtebaulichen Vertrag (vgl. § 11 IV BauGB; BGH [6]; BGH NJW 2010, 3505 [9]). Auf diesen ist § 11 BauGB jedenfalls nicht unmittelbar anwendbar. Der BGH hat wiederholt und auch im vorliegenden Fall unter [6] und [8] das Verhältnis der §§ 307 ff. BGB zu § 11 BauGB offen gelassen, weil in beiden Regelungen die für diese Fälle entscheidende Voraussetzung die Angemessenheit der Vertragsgestaltung ist. Gerade deshalb besteht aber kein Grund, die öffentlich-rechtliche Vorschrift des § 11 BauGB auf den privatrechtlichen Vertrag analog anzuwenden und damit §§ 307 ff. BGB zu verdrängen. Vielmehr bleiben §§ 305 ff. BGB auf den privatrechtlichen städtebaulichen Vertrag uneingeschränkt anwendbar.

3. Einer der Fälle des § 308 BGB (Klauselverbot mit Wertungsmöglichkeit) liegt nicht vor, auch greift § 309 BGB (Klauselverbote ohne Wertungsmöglichkeit) nicht ein. Zwar behandelt § 309 Nr. 9 BGB die Laufzeit von Verträgen, jedoch nur von Vertragsverhältnissen, die die regelmäßige Lieferung von Waren oder die regelmäßige Erbringung von Dienst- oder Werkleistungen zum Gegenstand haben, was auf den Verkauf eines Wohngrundstücks nicht zutrifft. Unwirksamkeitsgrund kann deshalb nur die Generalnorm des § 307 BGB sein. Deren Absätze I und II sind nach § 307 III anwendbar, weil die Wiederkaufsklausel eine den Kaufvertrag ergänzende Vorschrift ist.

§ 307 I 1 BGB bestimmt, dass eine Klausel unwirksam ist, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligt. Im vorliegenden Fall ist S Verwender, Vertragspartner ist K. Eine unangemessene Benachteiligung ist im Zweifel anzunehmen, wenn § 307 II Nr. 1 oder Nr. 2 BGB eingreifen. Bei der Wiederkaufsklausel wird aber nicht von den Grundgedanken der gesetzlichen Regelung abgewichen, weder von §§ 433 ff. BGB noch von §§ 456 ff. BGB. Auch wesentliche Rechte oder Pflichten, die sich aus der Natur eines Grundstückskaufvertrages ergeben, werden nicht eingeschränkt; es werden weder die Hauptleistungspflichten nach § 433 BGB noch Nebenpflichten abgeändert. Es ist deshalb allein nach § 307 I 1 BGB zu entscheiden, ob eine unangemessene Benachteiligung vorliegt. Dabei konkretisiert der BGH bei einem städtebaulichen Vertrag den Prüfungsmaßstab mit Hilfe des § 11 BauGB, [8]: Das Gebot angemessener Vertragsgestaltung verlangt, dass bei wirtschaftlicher Betrachtung des Gesamtvorgangs die Gegenleistung nicht außer Verhältnis zu der Bedeutung und dem Wert der von der Behörde erbrachten oder zu erbringenden Leistung steht und dass die vertragliche Übernahme von Pflichten auch ansonsten zu keiner unzumutbaren Belastung für den Vertragspartner der Behörde führt (BGHZ 206, 120 Rn. 19 m. w. N.; vgl. auch BGHZ 153, 93, 101 f.).

a) BGH [10] Dass im Vertrag zwischen S und K überhaupt ein Wiederkaufsrecht vereinbart wurde, ist nicht zu beanstanden. Nach st. Rspr. des BGH verstößt die Vereinbarung eines Wiederkaufsrechts der Gemeinde in einem städtebaulichen Vertrag im sogenannten Einheimischenmodell grundsätzlich nicht gegen das Gebot angemessener Vertragsgestaltung (vgl. BGH NJW 2015, 3169 Rn. 10 m. w. N.). Dies gilt auch für die vorliegende Vertragsgestaltung. Gemeinden, die zur Förderung städtebaulicher Ziele Grundstücke verbilligt verkaufen, sind nicht nur berechtigt, sondern verpflichtet, für eine vertragliche Absicherung des verfolgten - den verbilligten Grundstücksverkauf rechtfertigenden - Ziels Sorge zu tragen. Sie müssen insbesondere sicherstellen, dass die bevorzugten Käufer nicht auf Kosten der Allgemeinheit Gewinne erzielen, indem sie das verbilligte Bauland alsbald zum Verkehrswert weiterveräußern. Vertragliche Regelungen, die - wie das hier in Rede stehende Wiederkaufsrecht - entsprechende Bindungen begründen, schaffen mithin erst die (öffentlich-)rechtlichen Voraussetzungen für die Vergabe preisgünstigen Baulands (vgl. BGH NJW 2010, 3505 Rn. 12). Sie sind deshalb grundsätzlich zulässig und sogar notwendig.

b) Unangemessen lang könnte die Frist von 30 Jahren sein. BGH [12-15]: Beschränkungen, die die öffentliche Hand dem Subventionsempfänger auferlegt, entsprechen dem Gebot angemessener Vertragsgestaltung, wenn sie geeignet und erforderlich sind, um das Erreichen der zulässigerweise verfolgten Zwecke im Bereich der Wohnungsbau-, Siedlungs- oder Familienpolitik für einen angemessenen Zeitraum sicherzustellen… Die Zeit für die Ausübung eines Wiederkaufsrechts der Gemeinde muss deshalb begrenzt sein und die vereinbarte Ausübungsfrist in einem angemessenen Verhältnis zur Höhe der durch den Preisnachlass dem Käufer gewährten Subvention stehen (vgl. BGH NJW 2015, 3169 Rn. 12 m. w. N.). Da die Bindung des Käufers der Preis für den verbilligten Erwerb des Grundstücks ist, sinkt die zulässige Bindungsdauer je geringer der Preisnachlass ist, während sie mit dem Umfang der Verbilligung steigt (vgl. BGH NJW 2010, 3505 Rn. 16).

Der BGH hat bei Grundstücken, die zum Zwecke der Errichtung von Einfamilienhäusern an Einzelpersonen verkauft werden, über 30 Jahre hinausgehende Bindungen als in aller Regel unverhältnismäßig angesehen (NJW 2011, 515 Rn. 18). Aber auch eine Bindungsfrist von 30 Jahren für die Ausübung eines Wiederkaufsrechts der Gemeinde ist grundsätzlich nur dann angemessen, wenn dem Erwerber ein besonders hoher Preisnachlass gewährt wurde oder sonst außergewöhnliche Umstände vorliegen, die eine derart lange Bindung des Erwerbers rechtfertigen. Solche Umstände liegen hier nicht vor. Die dem K gewährte Verbilligung von 30 % stellt weder - verglichen mit der bei den sogenannten Einheimischenmodellen üblichen Kaufpreisreduzierung um bis zu 30% gegenüber dem Verkehrswert (…) - eine über den üblichen Rahmen hinausgehende Subvention dar noch liegen hier ganz besondere, eine Bindungsdauer von 30 Jahren rechtfertigende Umstände vor. Es ist zu berücksichtigen, dass innerhalb dieser langen Frist die Lebensverhältnisse sich vielfach ändern können und das Wiederkaufsrecht mit den Änderungen in Widerspruch geraten kann; ferner dass bei manchen Käufern eine so lange Frist die voraussichtliche Lebenserwartung übersteigt. Muss der Erwerber etwa nach 25 Jahren wegen veränderter Verhältnisse das Haus verkaufen, würde bei Wirksamkeit der 30-Jahres-Frist die Stadt das Wohngrundstück zum Erwerbspreis von 50.000 Euro zurückerhalten (§ 456 II BGB); dafür, dem Erwerber nach 25 Jahren einen solchen Verlust zuzufügen - im Fall des K wäre das ein Verlust von 335.000 minus 50.000 gleich 285.000 Euro -, gibt es keinen rechtfertigenden Grund. Das Argument der S, dass den Käufern zeitlebens ein Wohnrecht verschafft werden sollte, rechtfertigt die überlange Bindung zu Lasten der Käufer nicht.

Die 30-Jahres-Frist ist also unangemessen lang und verstößt gegen § 307 I 1 BGB. (Wurde zusätzlich oder allein § 11 BauGB geprüft, ergibt sich aus den vorstehenden Überlegungen, dass auch ein Verstoß gegen diese Vorschrift vorliegt, so BGH [8, 9].)

IV. Es ist die Rechtsfolge des Verstoßes zu bestimmen.

1. BGH [16] Eine Vertragsgestaltung, die das Angemessenheitsgebot missachtet, führt zur …Unwirksamkeit der Klausel nach § 307 Abs. 1 BGB. Daher ist die von den Parteien vereinbarte Ausübungsfrist von 30 Jahren für das Wiederkaufsrecht unwirksam.

2. Da die Zahlung des Ablösebetrags eine Gegenleistung für die Nichtausübung des Wiederkaufsrechts ist, ist der Rechtsgrund i. S. des § 812 BGB erst dann entfallen, wenn als Folge der Nichtigkeit der Fristbestimmung auch das Wiederkaufsrecht entfallen ist.

Welche Rechtsfolgen die Unwirksamkeit von AGB hat, ist in § 306 BGB dahin geregelt, dass der Vertrag im Übrigen wirksam bleibt (§ 306 I) und an die Stelle der unwirksamen Klausel die gesetzlichen Vorschriften treten (§ 306 II). Nicht geregelt ist, welche Folgen die nur teilweise Nichtigkeit einer Klausel (Fristbestimmung) für den übrigen Teil der Klausel (Wiederkaufsrecht) hat. Eine Anwendung des § 306 BGB auch auf diesen Fall wäre keine mögliche Lösung, weil es keine gesetzliche Regelung gibt, die auf diesen Fall passt. Die 30-Jahres-Frist des § 462, 1 BGB greift nur ein, wenn die Parteien keine Frist bestimmt haben (BGH [14]) und ist deshalb eine Obergrenze. Im vorliegenden Fall wollten die Parteien aber eine Frist bestimmen. Auch wäre ein Ersetzen der unwirksamen 30-Jahres-Frist des Vertrages durch eine gesetzliche 30-Jahres-Frist keine interessengerechte Lösung. Erst recht nicht sinnvoll wäre das Aufrechterhalten des Wiederkaufsrechts ohne eine Fristbestimmung, weil in diesem Fall das Recht zum Wiederkauf sich auf unbestimmte Zeit verlängern würde, was eine noch ungünstigere Regelung für K als die Vertragsklausel bedeuten würde und von keiner der Parteien gewollt war. In Betracht kommt das Ersetzen der unzulässig langen Frist durch eine angemessene Frist.

a) G rundsätzlich gilt bei unwirksamen AGB das Verbot der geltungserhaltenden Reduktion (BGH NJW 2012, 222, 224; nach EuGH NJW 2012, 2257 gilt es im dortigen Fall sogar kraft EU-Rechts). Es soll kein Anreiz dafür geschaffen werden, bei AGB möglichst weit zum Nachteil der Kunden zu gehen und darauf zu bauen, dass die Gerichte ggfs. eine Reduzierung vornehmen und die Klausel im gerade noch zulässigen Umfang aufrechterhalten. BGH [18] Richtig ist, dass eine Vertragsklausel, die der Inhaltskontrolle nach den §§ 307 ff. BGB nicht standhält, grundsätzlich nicht beschränkt auf das zulässige Maß aufrechterhalten werden kann. Das OLG Düsseldorf als BerGer. im vorliegenden Fall hatte daraus gefolgert, dass das Wiederkaufsrecht entfällt, und S zur Rückzahlung der 47.000 Euro verurteilt. Jedoch würde ein Vertrag ohne eine Wiederkaufs- oder ähnliche Regelung wegen der Notwendigkeit einer solchen Regelung (oben III 3 a) gegen ein gesetzliches Verbot verstoßen und wäre insgesamt nichtig (§ 134 BGB); dadurch würde K zur Rückgabe des Hausgrundstücks gegen Zahlung von 50.000 Euro verpflichtet, was keine vertretbare Folge der zum Schutz des K angenommenen Nichtigkeit der überlangen Frist wäre (dazu auch noch nachfolgend b bb).

b) Ausnahmsweise ist eine ergänzende Vertragsauslegung nach § 157 BGB möglich (so bereits BGH NJW 2013, 991 in einem Fall, in dem die Preisänderungsklausel eines Gasversorgers unwirksam war; ebenso NJW 2014, 3641 bei einem Fernwärmevertrag). Bei der ergänzenden Vertragsauslegung geht es - im Unterschied zur geltungserhaltenden Reduktion - nicht darum, einer unangemessenen Klausel im Wege der Auslegung einen anderen, noch angemessenen Inhalt beizulegen, sondern um die Ausfüllung einer Lücke im Vertragsgefüge, die durch den Wegfall der unwirksamen Klausel entstanden ist. Beim Kaufvertrag zwischen S und K im Jahre 2001 besteht die Lücke im Fehlen einer Fristbestimmung für den Wiederkauf.

aa) BGH [18] Fehlen gesetzliche Vorschriften, die an die Stelle der unwirksamen Klausel treten (vgl. § 306 Abs. 2 BGB) und führte die ersatzlose Streichung der Klausel zu einem Ergebnis, das den beiderseitigen Interessen nicht mehr in vertretbarer Weise Rechnung tragen, sondern das Vertragsgefüge völlig einseitig zugunsten des Vertragspartners des Verwenders verschieben würde, so dass diesem ein Festhalten an dem lückenhaften Vertrag nicht zuzumuten wäre, kommt auch bei unwirksamen Allgemeinen Geschäftsbedingungen eine ergänzende Vertragsauslegung in Betracht (… BGHZ 211, 51 Rn. 47).… Durch sie wird die nach dem Vertrag bestehende formale Ausgewogenheit der Rechte und Pflichten der Vertragsparteien unter Berücksichtigung ihrer beider Interessen durch eine materielle Ausgewogenheit ersetzt und so ihre Gleichheit wiederhergestellt (BGHZ 209, 337 Rn. 23; NJW 2013, 991 Rn. 26 ff.).

bb) Im vorliegenden Fall fehlt eine gesetzliche Vorschrift über eine Frist für die Ausübung des Wiederkaufsrechts. Auch ist ein Wiederkaufsrecht ohne Frist von den Parteien nicht gewollt (oben IV 2.). Ein Vertrag ohne Wiederkaufsrecht wäre nichtig (oben IV 2 a), was K zur Rückgabe des Grundstücks verpflichten würde und deshalb seinem Interesse nicht mehr in vertretbarer Weise Rechnung tragen würde. Der BGH hat in obiger Formel zwar nur eine Verschiebung des Vertragsgefüges zugunsten des Vertragspartners des Verwenders angesprochen; erst recht muss das aber bei einer Verschiebung zu dessen Lasten gelten. BGH [19] Die ersatzlose Streichung der Klausel über die Ausübung eines Wiederkaufsrechts führte dazu, dass der zwischen den Parteien geschlossene Vertrag…in seiner Gesamtheit keinen Bestand mehr haben würde (vgl. BGHZ 209, 337 Rn. 30 f.). Die Stadt S hatte K das Grundstück zu einem unter dem Verkehrswert liegenden Preis veräußert. Eine Veräußerung unter dem objektiven Verkehrswert ist ihr aus haushaltsrechtlichen Gründen wegen des Gebots der sparsamen Verwendung öffentlicher Mittel nur gestattet, wenn dies der Erfüllung öffentlicher Aufgaben dient und die zweckentsprechende Mittelverwendung sichergestellt wird (vgl. § 90 GO NRW). Mit der Vereinbarung eines zeitlich befristeten Wiederkaufsrechts wurden die Voraussetzungen für die Vergabe preisgünstigen Baulands daher überhaupt erst geschaffen (…). Eine Unwirksamkeit des Vertrags hätte aber für K besonders nachteilige Folgen, weil dann der zwischen den Parteien geschlossene subventionierte Grundstückskaufvertrag nach Bereicherungsrecht rückabzuwickeln wäre. Hierdurch würde K - dem vom Unionsgesetzgeber verfolgten Ziel eines bestmöglichen Verbraucherschutzes (vgl. BGHZ 209, 337 Rn. 36) zuwider - gegenüber einer ergänzenden Vertragsauslegung deutlich schlechter gestellt (…). Die ersatzlose Streichung der Wiederkaufsklausel ist also weder mit dem Interesse der S noch mit dem des K vereinbar. Folglich hat eine ergänzende Vertragsauslegung zu erfolgen.

c) BGH [20] Die aufgrund der Unwirksamkeit der 30-jährigen Ausübungsfrist für das Wiederkaufsrecht entstandene Vertragslücke ist nach dem objektivierten hypothetischen Parteiwillen so zu schließen, dass ein Gleichgewicht der Rechte und Pflichten der Vertragsparteien wiederhergestellt und die materielle Ausgewogenheit des Vertrages gewahrt wird (vgl. BGHZ 209, 337 Rn. 27). Eine materielle Ausgewogenheit ist gewährleistet, wenn sowohl dem Interesse der Gemeinde an einer Rechtfertigung der Grundstücksveräußerung unter dem Verkehrswert als auch dem Interesse des Käufers, nicht unzumutbaren Bindungen unterworfen zu werden, in angemessener Weise Rechnung getragen wird (vgl. BGH NJW 2015, 3169 Rn. 19). Vor diesem Hintergrund stellt …im vorliegenden Fall eine Ausübungsfrist für das Wiederkaufsrecht von 20 Jahren eine ausgewogene Regelung dar. Eine solche Frist dient dem von der Gemeinde verfolgten Zweck der effektiven Sicherung der Vermeidung von Grundstücksspekulationen und stellt zugleich eine adäquate Gegenleistung des K für den verbilligten Erwerb des Grundstücks dar. Dafür, dass sich die Klausel, wie K vorträgt, bereits vorher erledigt habe, besteht kein Grund.

BGH [17] Somit führt die unwirksame Ausübungsfrist nicht zur Unwirksamkeit des Wiederkaufsrechts insgesamt. Vielmehr ist die im Vertrag entstandene Lücke im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung (§§ 157, 133 BGB) in der Weise zu schließen, dass die Ausübungsfrist 20 Jahre beträgt.

V. Folglich war die Klausel über das Wiederkaufsrecht mit dem beschriebenen Inhalt wirksam. Die Frist für die Ausübung des Wiederkaufrechts nach einem Verkauf durch K begann im Jahre 2001. Bei der Vereinbarung über den Ablösebetrag im Jahre 2018 waren erst 17 Jahre vergangen, die 20-Jahres-Frist war also noch nicht abgelaufen. Also stand der S das Wiederkaufsrecht noch zu. Sie war deshalb berechtigt, für dessen Nichtausübung einen Ablösebetrag zu verlangen. Die dahingehende Vereinbarung war nicht unwirksam, sondern bildete einen Rechtsgrund für die Zahlung der 47.000 Euro durch K an S. K hat keinen Anspruch gegen S auf Rückzahlung der 47.000 Euro.


Zusammenfassung