Bearbeiter: Prof. Dieter Schmalz

Kaufvertrag über Pkw mit illegaler Abgassteuerungs-Software; Ansprüche gegen Händler. Anfechtung wegen arglistiger Täuschung, § 123 I BGB. Täuschung durch Dritte, § 123 II BGB. Sachmangel, § 434 BGB. Rücktritt des Käufers, §§ 437 Nr. 2, 323 I BGB. Entbehrlichkeit einer Fristsetzung, §§ 326 V, 323 II, 440 Satz 1, 3. Alt. BGB. Anspruch gegen Hersteller, § 826 BGB.

OLG München
Urteil vom 03. 07. 2017 (21 U 4818/16) NJW-RR 2017, 1238

Fall (Abgasskandal)

K erwarb vom Audihändler B-GmbH einen gebrauchten Audi A3 TDI mit Dieselmotor zum Preis von 18.500 Euro. Zum Zeitpunkt des Abschlusses und der Abwicklung des Vertrages waren die von den Autoherstellern vorgenommenen Manipulationen am Abgasreinigungssystem der Dieselmotoren noch nicht öffentlich bekannt. Beim Verkaufsgespräch legte B dem K Fahrzeugdaten vor, nach denen der später verkaufte Pkw über das Abgasreinigungssystem EU5 verfügt, das dafür sorgt, dass der Stickoxid-(NO 2-) Ausstoß zuverlässig unter dem Grenzwert von 180 mg pro gefahrenen Kilometer bleibt. K erklärte, dass eine solche Technik mit zu den Gründen gehörte, aus denen er sich für dieses Fahrzeug entschieden hat. Später wurde bekannt, dass die Audi-AG - ebenso wie VW und andere Hersteller - eine illegale Abgassteuerungs-Software eingebaut hat, die beim Betrieb des Motors auf dem Prüfstand für die Einhaltung des Grenzwerts sorgt, später aber einen Teil des Abgasreinigungssystems abschaltet, so dass der Schadstoffausstoß im Realbetrieb den gesetzlichen und in den Verkaufsprospekten angegebenen Wert um teilweise ein Vielfaches übersteigt. K erhielt von der Audi-AG eine „Kundeninformation“, wonach der von ihm erworbene Pkw zu den Fahrzeugen gehört, bei denen es „Beanstandungen am Emissionsverhalten“ gibt und bei denen der Schadstoffausstoß den im Konzept EU5 angegebenen Wert deutlich überschreitet.

Mit Schreiben vom 08. 01. an B erklärte K die Anfechtung des Kaufvertrages wegen arglistiger Täuschung und verlangte Rückzahlung des Kaufpreises gegen Rückgabe des Fahrzeugs und ggfs. Zahlung einer Nutzungsentschädigung. B lehnte das ab. Die B-GmbH sei eine selbstständige Fahrzeughändlerin und für die Manipulationen der Audi-AG nicht verantwortlich. Der Geschäftsführer der B bot K an, die Abgasreinigung durch ein Software-Update auf einen Stand zu bringen, bei dem der Grenzwert von 180 mg eingehalten wird. Dies dauere eine Stunde und verursache Kosten von knapp 100 Euro, die die Audi-AG trage. K entgegnete, auch wenn B nichts von den Manipulationen gewusst habe, so sei sie doch in den Audi-Konzerns eingebunden, verwende die Prospekte von Audi mit den falschen Abgaswerten und habe deshalb für die arglistige Täuschung mit einzustehen. Unter diesen Umständen sei für ihn ein Festhalten am Vertrag nicht zumutbar sei. Zudem seien nach Medienberichten Tausende von Fahrzeugen von dem Abgasskandal betroffen, weshalb es ein Jahr und länger dauern könne, bis es zu einer Nachrüstung komme. Er befürchte auch, dass eine neue Software zu einem Leistungsverlust und Mehrverbrauch an Kraftstoff führt. B wiederholt das Angebot zu einer Nachrüstung und verweist darauf, dass das Kraftfahrtbundesamt diesem Vorgehen zugestimmt hat.

K bittet um eine gutachtliche Stellungnahme zu der Frage, ob der von ihm gegen B geltend gemachte Anspruch begründet ist. Zusätzlich bittet er um kurze Hinweise dazu, ob er einen Anspruch gegen die Audi-AG hat.

A. Anspruch des K gegen B

I. Ein Anspruch des K auf Rückzahlung des Kaufpreises könnte sich aus § 812 I 1 Alt. 1 BGB ergeben.

1. K hat an B 18.500 Euro gezahlt. Mit dieser Zahlung wollte er seine Pflicht aus § 433 II BGB erfüllen, so dass darin eine Leistung zu sehen ist.

2. Ohne Rechtsgrund wurde die Leistung erbracht, wenn der Kaufvertrag durch Anfechtung entfallen ist (§ 142 I BGB). K hat die Anfechtung erklärt (§ 123 I, II BGB). Er müsste auch einen Anfechtungsgrund gehabt haben. Anfechtungsgrund kann eine arglistige Täuschung i. S. des § 123 I BGB sein.

a) B hat K erklärt, das Abgasreinigungssystem EU5 des Pkw halte den Grenzwert für den Stickoxid-(NO 2-) Ausstoß zuverlässig ein. Diese Angabe konnte K nur auf den Fahrbetrieb beziehen. Sie ist aber falsch. Wie die Audi-AG selbst zugibt und B nicht bestreitet, übersteigt im Fahrbetrieb der Schadstoffausstoß den bestehenden Grenzwert deutlich. Somit hat B bei objektiver Betrachtung K mit Hilfe einer falschen Tatsachenangabe getäuscht. Jedoch liegt keine Arglist vor, weil von den auf Seiten der B Handelnden niemand gewusst hat, dass die Angabe falsch war.

b) Eine arglistige Täuschung könnte durch Mitarbeiter der Audi-AG erfolgt sein.

aa) Es ist davon auszugehen, dass es bei der Audi-AG Mitarbeiter gab, die Kenntnis von der Unrichtigkeit der Angaben über den Schadstoffausstoß eines Audi A3 TDI hatten und wussten, dass beim Verkauf damit geworben wurde. Sie haben also wissentlich an den Täuschungshandlungen teilgenommen.

bb) Für eine Arglist ist weiterhin erforderlich, dass die Täuschung mit der Absicht verbunden ist, Käufer zum Abschluss von Kaufverträgen zu veranlassen (Palandt//Ellenberger, 76. Aufl. 2017, § 123 Rdnr. 13). Primäre Absicht bei den Manipulationen könnte gewesen sein, bei der Typenzulassung für den Audi A3 TDI die Einhaltung der Abgasnorm Euro 5 bestätigt zu erhalten. Letztlich war es aber Ziel der Audi-AG, die Autos zu verkaufen, was durch Werbung mit der unzutreffenden Norm EU5 erleichter wurde. Deshalb ist die Absicht zu bejahen, durch Verwendung der Norm EU5 und der damit verbundenen Täuschung über den wahren Schadstoffausstoß auf die Abgabe von Kaufvertragserklärungen hinzuwirken.

cc) Dass K durch diese Täuschung bestimmt worden ist, die Erklärung zum Abschluss des Kaufvertrags über den Audi A3 TDI abzugeben, ergibt sich daraus, dass K bei den Verkaufsverhandlungen ausdrücklich erklärt hat, die behauptete Technik gehöre mit zu den Gründen, aus denen er sich für dieses Fahrzeug entschieden hat. Somit war die arglistige Täuschung mitursächlich für die Abgabe der für den Vertragsschluss notwendigen Willenserklärung des K.

c) Der Anfechtbarkeit der Vertragserklärung des K könnte aber § 123 II 1 BGB entgegen stehen. Danach ist, wenn ein Dritter die Täuschung verübt hat, die Anfechtung nur zulässig, wenn der Adressat der Erklärung die Täuschung kannte oder kennen musste. Da B die Täuschung weder kannte noch kennen musste, kommt es darauf an, ob die Audi-AG Dritter i. S. des § 123 II BGB ist.

aa) Dritter ist ein am Rechtsgeschäft nicht Beteiligter (Palandt/Ellenberger § 123 Rdnr. 28). Die Audi-AG war an dem Kaufvertrag, der zwischen K und B geschlossen wurde, nicht beteiligt, was dafür spricht, dass sie Dritter war.

bb) Etwas anderes gilt aber, wenn B sich das Verhalten der Audi-AG zurechnen lassen muss. Das könnte zu bejahen sein, wenn die eine Gesellschaft an der anderen beteiligt wäre, wofür es aber keine Anhaltspunkte gibt. Insbesondere ist B eine eigenständige GmbH und weder eine Filiale der Audi-AG noch eine (Konzern-) Tochtergesellschaft. Dass B die Autos der Marke Audi verkauft und die dafür nötigen Prospekte verwendet, reicht nicht aus, um B und die Audi-AG als wirtschaftliche Einheit zu betrachten. Vielmehr handelt es sich um das normale Verhältnis zwischen Hersteller und Händler.

OLG München [15] Die Beklagte und die Herstellerfirma sind selbständige rechtliche Personen mit jeweils eigenständigen Pflichtenkreisen. Die Tatsache, dass es in den Räumlichkeiten der Beklagten Werbeprospekte zu Fahrzeugen der Marke Audi gibt, die von der Audi-AG stammen, rechtfertigt keine andere Beurteilung, zumal nicht dargetan wurde, dass der Inhalt von Werbeprospekten beim streitgegenständlichen Kauf eine Rolle gespielt hätte. Eine Zurechnung einer arglistigen Täuschung des Herstellers im Verhältnis zu der Beklagten als unabhängige Händlerin, die - wie vorliegend - einen von ihr erworbenen Gebrauchtwagen an einen Kunden verkauft hat, kommt somit nicht in Betracht (so z.B. LG Bamberg, Urteil vom 22.07.2016, Az. 11 O 62/16; LG Nürnberg-Fürth, Urteil vom 21.06.2016, Az. 4 O 441/16; …). Der Hersteller ist vielmehr als Dritter im Sinne des § 123 Abs. 2 BGB zu qualifizieren. Das entspricht der Beurteilung bei § 278 BGB, wo anerkannt ist, dass der Hersteller nicht Erfüllungsgehilfe des Verkäufers ist (BGH NJW 2014, 2183; Palandt/Grüneberg § 278 Rdnr. 13).

Somit scheitert die Anfechtung wegen arglistiger Täuschung an § 123 II 1 BGB.

§ 119 II BGB (Irrtum über Eigenschaften) ist nicht anwendbar, sondern wird durch die sogleich zu prüfenden Vorschriften über die kaufrechtliche Gewährleistung verdrängt (Palandt/Ellenberger § 119 Rdnr. 28).

Der Kaufvertrag ist nicht nach § 142 I BGB nichtig. Ein Anspruch aus § 812 I BGB besteht nicht.

II. K könnte gegen B einen Anspruch auf Rückzahlung des Kaufpreises nach Rücktritt vom Kaufvertrag wegen eines Mangels des Pkw haben (§§ 437 Nr. 2, 323, 440, 346 BGB).

1. Allerdings könnte dieser Anspruch bereits am Fehlen einer Rücktrittserklärung (§ 349 BGB) scheitern. Denn ausdrücklich hat K nur die Anfechtung erklärt. Sein Ziel war aber, sich wegen der unrichtigen Angaben über die Emissionen des Pkw aus dem Kaufvertrag zu befreien und den Kaufpreis zurückzuerhalten. Nachdem eine Anfechtung nicht zum Ziel führte, dieses Ziel aber möglicherweise über einen Rücktritt wegen eines Mangels zu erreichen ist, ist die Anfechtungserklärung (auch) als Rücktrittserklärung auszulegen oder nach § 140 BGB umzudeuten. OLG München [17] Der Kläger ist mit Schreiben vom 08. 01. 2016 vom Kaufvertrag zurückgetreten. Zwar hat er ausdrücklich nur eine Anfechtung wegen arglistiger Täuschung erklärt, doch muss für den Fall der Unwirksamkeit der Anfechtung…die Umdeutung in eine Rücktrittserklärung wegen Mängeln in Betracht gezogen werden (vgl. BGH NJW 2006, 2839).

2. Der Pkw muss einen Mangel aufweisen (§ 437 Nr. 2 BGB).

a) Von den für einen Sachmangel nach § 434 BGB erforderlichen Voraussetzungen kommt das Fehlen der vereinbarten Beschaffenheit (§ 434 I 1 BGB) in Betracht. Welche Schadstoffe ein Pkw emittiert, ist eine Frage der Beschaffenheit des Motors und des Abgasreinigungssystems. B und K haben sich bei Abschluss des Kaufvertrages darüber geeinigt, dass der Pkw über das Abgassystem EU5 verfügt, das dafür sorgt, dass der Stickoxid-(NO 2-) Ausstoß zuverlässig unter dem Grenzwert von 180 mg pro gefahrenen Kilometer bleibt. Darin liegt die Vereinbarung einer Beschaffenheit des Antriebs- und Abgasreinigungssystem und damit des Pkw. Über diese Beschaffenheit verfügte der Pkw nicht, wie die Audi-AG in ihrer „Kundeninformation“ selbst einräumte und B auch nicht bestreitet. Danach weist der Pkw einen Sachmangel nach § 434 I 1 BGB auf.

OLG München [18] begründet den Sachmangel über § 434 I 2 Nr. 1 BGB: Der Senat geht zugunsten des Klägers davon aus, dass der erworbene Wagen nicht die vertraglich vorausgesetzte Beschaffenheit hatte, mithin ein Mangel gegeben ist. Denn es ist unstreitig, dass der Wagen ausweislich der in den Vertrag einbezogenen Fahrzeugdaten (…) über das Abgaskonzept EU5 verfügen sollte, das Fahrzeug jedoch vom „Abgasskandal“ betroffen ist, die Abgasnorm Euro 5 also nicht erfüllt.

Im Ergebnis ebenso hat OLG München in einem Beschluss vom 23. 03. 2017 (3 U 4316/16) entschieden: „Ein Blue-Motion-Golf, der mit einer Software ausgestattet ist, die ausschließlich auf dem Rollenprüfstand einen anderen - niedrigeren - Schadstoffausstoß generiert als er im Echtbetrieb zu erwarten wäre, ist - schon aufgrund der drohenden Entziehung der Betriebserlaubnis durch das Kraftfahrtbundesamt - mangelhaft im Sinne von § 434 Abs. 1 S. 3 BGB.“

Im vorliegenden Fall lag der Mangel auch bei Gefahrübergang durch die Übergabe des Pkw (§ 446 BGB) vor.

b) Denkbar ist auch ein Rechtsmangel (§ 435 BGB: zur Abgrenzung Sachmängel - Rechtsmängel Dastis/Lotz JA 2017, 1355)). Die für die Zulassung der Fahrzeuge zuständigen Behörden könnten davon ausgehen, dass bei den Fahrzeugen, deren Zulassung durch Manipulationen erlangt wurde, diese Zulassung kraft Gesetzes nicht mehr besteht (§ 19 II 2 Nr. 3 StVZO). Wie das OLG München im Beschluss vom 23. 03. 2017 (vorstehend vor b) ausgeführt hat, kommt auch eine Entziehung der Betriebserlaubnis in Betracht. Dann wäre den Haltern der Weiterbetrieb der Pkw zu untersagen. Eine solche Entwicklung ist aber aus tatsächlichen Gründen so unwahrscheinlich, dass auf sie der Anspruch des K nicht gestützt werden soll.

3. Im Falle eines Mangels kann der Käufer nach § 437 Nr. 2 BGB unter den Voraussetzungen der §§ 323, 440 BGB vom Vertrag zurücktreten.

a) Auszugehen ist von § 323 I BGB. Danach ist eine Fristsetzung verbunden mit der Gelegenheit des Verkäufers zur Nacherfüllung erforderlich. K hat keine Frist gesetzt, sondern hat mit der Begründung, für ihn sei ein Festhalten am Vertrag nicht zumutbar, eine Nacherfüllung durch B und damit auch eine Fristsetzung abgelehnt.

b) Entsprechend dem Vortrag des K könnte eine Fristsetzung entbehrlich gewesen sein.

aa) Nach § 326 V BGB ist ein Rücktritt des Käufers ohne Fristsetzung möglich, wenn dem Verkäufer die Erbringung seiner Leistung unmöglich ist (§ 275 BGB). Geschuldete Leistung der B war ein Abgassystem, das der Euro-5-Norm entspricht und da für sorgt, dass der Stickoxid-(NO 2-) Ausstoß unter dem Grenzwert von 180 mg bleibt. B hat angeboten, diesen Zustand durch ein Software-Update herbeizuführen, was eine Nacherfüllung nach § 439 I BGB wäre. Dafür, dass das unmöglich ist, sprechen weder der Sachverhalt noch die in der Öffentlichkeit bekannten Umständen. Auch aus dem Vorbringen des K - lange Nachrüstungszeit, möglicher Leistungsverlust, Mehrverbrauch - ergibt sich keine Unmöglichkeit. Somit greift § 326 V BGB nicht ein.

bb) Einer der Fälle des § 323 II BGB liegt nicht vor. Zu erwägen wäre allenfalls Nr. 3. Jedoch sind keine Umstände ersichtlich, die einen sofortigen Rücktritt des K rechtfertigen. Das soeben aufgeführte weitere Vorbringen des K ist unter dem Aspekt der Unzumutbarkeit nach § 440 BGB zu würdigen.

cc) Nach § 440 Satz 1, 3. Alt. BGB bedarf es der Fristsetzung auch dann nicht, wenn die dem Käufer zustehende Art der Nacherfüllung unzumutbar ist. Für K müsste das Aufspielen der neuen Software und das Behalten des nachgerüsteten Pkw unzumutbar sein.

Soweit K Unzumutbarkeit darauf stützt, B habe für die arglistige Täuschung mit einzustehen, ist zwar richtig, dass im Falle einer arglistigen Täuschung Unzumutbarkeit angenommen wird (BGH NJW 2008, 1371; 2010, 2503, 2504/5; Palandt/Grüneberg § 323 Rdnr. 22). Jedoch hat B den K nicht getäuscht und hat auch nicht für die Täuschung der Audi-AG einzustehen (oben A I 2 c bb).

Weiterhin stützt K Unzumutbarkeit darauf, dass es ein Jahr und länger dauern könne, bis es zu einer Nachrüstung komme. Jedoch sind das nur von K aus Medienberichten hergeleitete Vermutungen, die für die Bejahung einer bereits jetzt bestehenden Unzumutbarkeit nicht ausreichen. Für K ist es keine spürbare Beeinträchtigung, wenn er B die Chance zu einer Nacherfüllung gibt. Die Behauptung der B, das Update dauere nur eine Stunde, ist nicht widerlegt, so dass es durchaus möglich ist, dass die Firma B es in angemessener Zeit schafft, die anstehenden Nachrüstungen vorzunehmen.

Was den von K bei einer neuen Software befürchteten Leistungsverlust betrifft, ist dessen Umfang nicht geklärt. Sollte sich nach der Umrüstung herausstellen, dass er erheblich ist, wäre die Nacherfüllung i. S. des § 440 BGB fehlgeschlagen, und K könnte nach dieser Vorschrift in Verbindung mit § 323 BGB ohne Fristsetzung zurücktreten. Wäre der Leistungsverlust nur gering, wäre er K im Interesse einer Verminderung der gesundheitsschädlichen Abgase zuzumuten. Gleiches gilt für einen Kraftstoff-Mehrverbrauch. Somit ist die von B angebotene Nacherfüllung zumindest nach dem derzeitigen Stand nicht unzumutbar.

Zu diesem Ergebnis ist auch OLG München gekommen, hat dabei aber stark auf das Prozessvorbringen des Klägers in dem dortigen Verfahren abgestellt, [22] Soweit der Kläger in diesem Zusammenhang in den Raum stellt, dass zugesicherte Abgaswerte nicht erreicht werden würden, dass Verbrauchswerte steigen und Leistungswerte sinken würden, kann der Senat weder aus den vertraglichen Unterlagen noch aus dem Vortrag des Klägers eine vertragliche Vereinbarung über bestimmte Abgas-, Verbrauchs- und/oder Leistungswerte entnehmen. Die einzige vertragliche Regelung, die die Parteien getroffen haben, ist, dass der Wagen die Abgasnorm EU5 einhält. Hierzu hat die Beklagte vorgetragen, dass sie über ein taugliches Software-Update verfügt, das den Mangel beseitigt, und dass dem Maßnahmenplan vom Kraftfahrtbundesamt zugestimmt worden ist. Diesem Vorbringen ist der Kläger weder schriftsätzlich noch in der mündlichen Verhandlung entgegen getreten. Auch ansonsten enthält der Vortrag des Klägers keine konkreten Darlegungen, aus denen der Schluss einer Entbehrlichkeit der Fristsetzung gezogen werden könnte. Insbesondere genügt die pauschale Behauptung, dass Verbrauchswerte steigen und Leistungswerte sinken, nicht für eine Darlegung der Unzumutbarkeit der Nachbesserung.

c) Eine Fristsetzung war somit erforderlich. (Was die Länge einer solchen Frist betrifft, hat OLG München im oben A II 2 a zitierten Beschluss ein Jahr als Höchstgrenze betrachtet.)

K hat keine Frist gesetzt. Der sofortige Rücktritt nach §§ 437 Nr. 2, 323 BGB war folglich nicht wirksam. Ein Anspruch aus §§ 437 Nr. 2, 323, 440, 346 BGB besteht nicht.

d) OLG München ist außerdem dem Vorbringen der B gefolgt, wonach das Update nur eine Stunde dauere und Kosten in Höhe von nur 100 Euro verursache, so dass der Rücktritt auch nach § 323 V 2 BGB wegen Geringfügigkeit des Mangels ausgeschlossen ist. [24, 25] Darüber hinaus ist nach § 323 Abs. 5 Satz 2 BGB der Rücktritt ausgeschlossen, wenn die in der Mangelhaftigkeit der Kaufsache liegende Pflichtverletzung unerheblich ist, das heißt, wenn der Mangel geringfügig ist. Das ist nach der Rspr. des BGH der Fall, wenn der Mangel behebbar und die Kosten der Mangelbeseitigung im Verhältnis zum Kaufpreis geringfügig sind. Mängel, deren Beseitigung Aufwendungen in Höhe von nur knapp einem Prozent des Kaufpreises erfordern, sind unzweifelhaft als unerheblich im Sinne des § 323 Abs. 5 Satz 2 BGB einzustufen… Der Kläger ist dem Vortrag der Beklagten zur Behebbarkeit des Mangels nicht substantiiert entgegen getreten (…). Ebenso wenig hat er den Vortrag, die Kosten für das Aufspielen der neuen Software würden unter 100 Euro liegen, mithin nicht einmal 1% des Kaufpreises erreichen, bestritten. Auch aus diesem Grund scheidet ein Rücktritt vorliegend aus.

III. Deliktische Ansprüche des K gegen B aus §§ 823 II BGB, 263 StGB, § 826 BGB scheiden aus, weil auf Seiten der B niemand betrügerisch gehandelt hat (A I 2 a).

Ergebnis zu A: Der von K gegen B erhobene Anspruch ist nicht begründet.

B. Anspruch des K gegen die Audi-AG

Vorbemerkung: Eine höchstrichterliche Entscheidung zu Ansprüchen gegen die Hersteller gibt es, soweit ersichtlich, noch nicht. Die folgenden Ausführungen beruhen auf dem Aufsatz von Oechsler NJW 2017, 2865-2869. Nach der Aufgabenstellung genügen kurze Hinweise.

I. Zwischen K und der Audi-AG (A) bestanden und bestehen keine vertraglichen Beziehungen, so dass weder ein Anspruch auf Rückzahlung des Kaufpreises noch ein kaufvertraglicher Gewährleistungsanspruch bestehen kann.

(Vertragliche Ansprüche der Erwerber gegen die Hersteller bestehen, wenn der Hersteller durch eine „EU-Übereinstimmungserklärung“ die Übereinstimmung des Motors mit den Anforderungen des EU-Rechts garantiert hat; dazu Artz/Harke NJW 2017, 3409.)

II. Ein Anspruch könnte sich aus einer vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung (§ 826 BGB) ergeben.

1. Es müsste ein Verstoß gegen die guten Sitten vorliegen.

a) Ein Sittenverstoß liegt in der Täuschung der Öffentlichkeit und der zukünftigen Kunden darüber, dass die behaupteten Abgaswerte durch eine illegale Abgassteuerungs-Software erzielt wurden und die Grenzwerte der Euro-5-Norm nicht eingehalten werden. Zwar war in der Öffentlichkeit weitgehend bekannt, dass die Abgaswerte auf einem Rollenprüfstand (im Labor) gemessen wurden und mit den realen Werten nicht übereinstimmten. Jedoch erwarteten die Käufer, dass von den Laborwerten in etwa auf die wirklichen Werte geschlossen werden konnte, was aber nach Anwendung der Schummelsoftware weitgehend nicht mehr möglich war (Oechsler S. 2865/6).

b) Das sittenwidrige Handeln müsste A zuzurechnen sein (dieser Punkt wird von Oechsler nicht behandelt). Das ist analog § 31 BGB der Fall, wenn der Vorstand den Einbau der Schummelsoftware angeordnet oder davon gewusst hat. Beim VW-Vorstand wird in den Medien breit erörtert, wann und wie er Kenntnis erlangt hat (vgl. Der Spiegel 2017 Nr. 44 S. 64). Bei der Audi-AG ist hierzu nichts allgemein bekannt. Zum vorliegenden Fall muss deshalb festgestellt werden, dass K darlegen und beweisen müsste, dass in dem Zeitpunkt, in dem er den Audi A3 TDI gekauft hat, Vorstandsmitglieder der Audi-AG zumindest Kenntnis von den Manipulationen hatten. An den damit verbundenen Schwierigkeiten könnte sein Anspruch scheitern.

2. Kann von einem sittenwidrigen Handeln eines Audi-Vorstandsmitglieds ausgegangen werden, ist auch Vorsatz anzunehmen.

3. Der Käufer eines solchen Autos müsste einen - vom sittenwidrig Handelnden vorsätzlich herbeigeführten - Schaden erleiden. Wie Oechsler S. 2867 darlegt, ist für viele Autokäufer unerheblich, wie viel NO 2 ihr Fahrzeug ausstößt, so dass das Abgasverhalten des Fahrzeugs regelmäßig noch kein Schaden ist. Demgegenüber hatte sich K ausdrücklich zusagen lassen, dass das Abgassystem dafür sorgt, dass der Stickoxid-(NO 2-) Ausstoß unter dem Grenzwert von 180 mg bleibt. Aber auch darin, dass das nicht der Fall ist, dürfte noch kein Schaden liegen. Es kann auch nicht ohne weiteres davon ausgegangen werden, dass der Pkw des K die gezahlten 18.500 Euro nicht wert ist. Oechsler S. 2865 verweist auf folgende Lösung (w. Nachw. Fn. 4): „Grundsätzlich eröffnet § 826 BGB bei vorsätzlicher Vertragserschleichung einen Anspruch des Getäuschten gegen einen vertragsfremden Dritten auf Ersatz der erbrachten Gegenleistung Zug um Zug gegen Übertragung der empfangenen Sachleistung.“ Danach kann K von A Zahlung von 18.500 Euro verlangen und muss dafür A den Pkw überlassen.

Somit besteht ein dahingehender Schadensersatzanspruch des K gegen A, wenn K dartun kann, dass ein Vorstandsmitglied der A bereits vor dem Abschluss des Kaufvertrages Kenntnis von der Verwendung der Schummelsoftware hatte.

(Einen Überblick über die Rechtslage gibt Witt NJW 2017, 3681-3744: „Der Dieselskandal und seine kauf- und deliktsrechtlichen Folgen“.)


Zusammenfassung