Bearbeiter: Dr. Gernot Schmalz-Brüggemann

► Sachmängelansprüche beim Gebrauchtwagenkauf, § 437 BGB. ► Beweislastumkehr durch die Vermutung des § 476 BGB: enge oder weite Auslegung? ► Auslegung des Art. 5 Abs. 3 EU-Verbrauchsgüterkauf-Richtlinie 1999/44 durch den EuGH. ► Änderung der Rspr. des BGH; richtlinienkonforme Auslegung des § 476 BGB

BGH
Urteil vom 12.10.2016 (VIII ZR 103/15) NJW 2017, 1093 (für BGHZ vorgesehen); im Anschluss an EuGH NJW 2015, 2237-Faber.

Fall (Automatikversagen)

K kaufte von der B-GmbH, die mit Autos handelt, einen Gebrauchtwagen des Modells BMW 525d Touring zum Preis von 16.000 Euro zur privaten Verwendung. Nachdem er ihn Ende März übernommen hatte und bis Anfang August damit 13.000 Kilometer gefahren war, trat ein Schaden des Automatikgetriebes auf. Bei der Einstellung „D“ schaltete das Getriebe nicht mehr selbständig in den Leerlauf, so dass es zu einem Absterben des Motors kam; dadurch war ein Anfahren bei einer Steigung nicht mehr möglich. K verlangte von B Beseitigung des Mangels, die von B aber auch nach Fristsetzung verweigert wurde. Der eingeschaltete Sachverständige S stellte fest, dass der Freilauf des Drehmomentwandlers nicht mehr funktionsfähig ist. Als eine mögliche Ursache benannte S, dass der Freilauf durch Mikrorisse oder durch als Pittings bezeichnete Materialschäden Vorschädigungen aufgewiesen hat, die bereits beim Kauf vorlagen, sich im Laufe der Zeit verstärkt und zum Ausfall des Freilaufs geführt haben. Als andere mögliche Ursache bezeichnete S, dass das Getriebe überlastet wurde, etwa durch das Einlegen einer niedrigeren Fahrstufe bei einer dafür zu hohen Drehzahl, was kein Sachmangel, sondern ein Bedienungsfehler wäre. Welche Ursache zutrifft, lässt sich nicht mehr aufklären.

Nach Ablauf der der B gesetzten Frist hat K noch im August den Rücktritt vom Kaufvertrag erklärt. Er verlangt Rückzahlung des Kaufpreises gegen Rückgabe des Fahrzeugs und abzüglich einer angemessenen Nutzungsentschädigung. Zur Begründung seines Anspruchs beruft sich K auf das Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) NJW 2015, 2237 in der Rechtssache Faber, in dem entschieden wurde (vgl. Leitsatz 4 und Rdnr. 75): Nach Art. 5 Abs. 3 der Verbrauchsgüterkauf-Richtlinie 1999/44/EG wird vermutet, dass eine Vertragswidrigkeit, die binnen sechs Monaten nach der Lieferung des Gutes offenbar wird, bereits zum Zeitpunkt der Lieferung bestand. Diese Vorschrift ist dahin auszulegen, dass sie
– zur Anwendung gelangt, wenn der Verbraucher den Beweis erbringt, dass das verkaufte Gut nicht vertragsgemäß ist und dass die fragliche Vertragswidrigkeit binnen sechs Monaten nach der Lieferung des Gutes offenbar geworden ist, d. h. sich ihr Vorliegen tatsächlich herausgestellt hat. Der Verbraucher muss weder den Grund der Vertragswidrigkeit noch den Umstand beweisen, dass deren Ursprung dem Verkäufer zuzurechnen ist;
– von der Anwendung nur dadurch ausgeschlossen wird, dass der Verkäufer nachweist, dass der Grund oder Ursprung der Vertragswidrigkeit in einem Umstand liegt, der nach der Lieferung des Gutes eingetreten ist.

B wendet ein, eine bloße Richtlinie sei kein für den einzelnen Kaufvertrag verbindliches Recht. Nach deutschem Kaufrecht müsse zur Begründung von Sachmängelansprüchen ein Mangel dargetan werden, der hier angesichts des Umstandes, dass das Auto 13.000 km einwandfrei gefahren wurde, wohl ausgeschlossen sei. Ist der Anspruch des K gegen B begründet?

Lösung

Hinweis: Der hier behandelte Fall befasst sich schwerpunktmäßig mit dem derzeit geltenden § 476 BGB. Das „Gesetz … zur Änderung der kaufrechtlichen Mängelhaftung“ vom 28. 04. 2017, BGBl 2017, 969, bestimmt auf S. 971 unter Nr. 12: „Der bisherige § 476 wird § 477.“ Somit erhält mit Inkrafttreten dieses Gesetzes am 01.01.2018 der derzeitige § 476 die Bezeichnung „§ 477“, ohne dass sich am Text oder Inhalt etwas ändert. Ab 01.01.2018 betrifft also die nachfolgend behandelte Problematik den § 477 BGB.

I. K könnte gegen B einen Anspruch auf Rückzahlung des Kaufpreises nach Rücktritt von einem Kaufvertrag wegen eines Sachmangelshaben (§§ 437 Nr. 2, 323, 346 BGB). Einen Kaufvertrag über einen gebrauchten Pkw BMW 525d Touring zum Preis von 16.000 Euro haben K und B im März geschlossen.

1. § 437 BGB hat einen Sachmangel zur Voraussetzung, der nach § 434 I BGB bei Gefahrübergang, d. h. bei Übergabe (§ 446 BGB) vorliegen muss.

a) Nach § 434 I 2 Nr. 1 BGB liegt ein Sachmangel vor, wenn sich die Kaufsache nicht für die gewöhnliche Verwendung eignet. Wird auf den Teilausfall des Getriebes abgestellt, eignet sich der Pkw nicht mehr für die gewöhnliche Verwendung, weil der Freilauf des Drehmomentwandler schadhaft ist und deshalb ein zur Verwendung eines Pkw gehörendes Anfahren am Berg nicht mehr möglich ist. Dieser Mangel war aber bei der Übergabe Ende März noch nicht vorhanden, sondern ist erst Anfang August eingetreten.

b) Es könnte ein Mangel durch einen Materialschaden bereits bei der Übergabe vorgelegen haben.

(1) Davon ist der Sachverständige in seiner ersten Version der möglichen Ursache ausgegangen. Wäre diese zutreffend, hätte bei Gefahrübergang eine Vorschädigung des Freilaufs vorgelegen. Diese müsste bereits als Mangel beurteilt werden, weil sie die Ursache für den späteren Teilausfall der Getriebefunktion wäre. Eine solche Ursache reicht für die Annahme eines Mangels aus (Palandt/Weidenkaff, BGB, 76. Aufl. 2017, § 434 Rdnr. 8; BGH NJW 2006, 434). Bezeichnet wird sie als latenter Mangel oder Grundmangel, der einen akuten Mangel oder Folgemangel auslöst.

(2) Dagegen führt die zweite Version des S zu keinem Mangel. Vielmehr war der Pkw in diesem Fall bei Übergabe mangelfrei und wurde erst durch einen unsachgemäßen Umgang des K oder eines anderen Pkw-Benutzers geschädigt.

c) Da sowohl die Version (1) als auch die Version (2) möglich ist und eine weitere Aufklärung keinen Erfolg verspricht, lässt sich danach ein Mangel weder feststellen noch ausschließen. Grundsätzlich wird in dieser Situation zum Nachteil dessen entschieden, der die Darlegungs- und Beweislast trägt. Dafür, dass die Voraussetzungen für einen Anspruch vorliegen, trägt der Anspruchsteller die Beweislast (Koch JZ 2015, 834). Anspruchsteller ist im vorliegenden Fall K. Bestätigt wird dieser Grundsatz durch § 363 BGB, wonach der Gläubiger, der eine Leistung als Erfüllung angenommen hat, die Beweislast trifft, wenn er die Leistung deshalb nicht als Erfüllung gelten lassen will, weil sie eine andere als die geschuldete Leistung oder weil sie unvollständig gewesen sei. K als Käufer hat den Pkw zunächst als Erfüllung angenommen und hält ihn nunmehr für mangelhaft. K kann aber den für ihn günstigen Beweis nicht führen, so dass nach diesen Grundsätzen zu seinem Nachteil zu entscheiden und sein Anspruch zu verneinen wäre.

2. Etwas anderes gilt, wenn zu Gunsten des K eine Beweislastumkehr eingreift. Eine solche ist in Art. 5 Abs. 3 der Verbrauchsgüterkauf-Richtlinie 1999/44/EG (zukünftig nur RiLi) zu Gunsten des Verbrauchers als Käufer vorgesehen. Jedoch ist eine Richtlinie nur für die EU-Mitgliedstaaten verbindlich und verpflichtet diese zur Umsetzung (Art. 288 III AEUV). Gegenüber den Bürgern gilt erst das nationale, die Richtlinie umsetzende Recht. Auf eine RiLi können sie sich grundsätzlich nicht berufen (EuGH NJW 2015, 2237-Faber [33]). Es gibt zwar auch den Fall, dass eine Richtlinie ausnahmsweise unmittelbar gilt (EuGH Slg. 1982, 53 - Becker). Eine Voraussetzung hierfür ist, dass die Umsetzung nicht oder unvollständig erfolgt ist. Der deutsche Gesetzgeber hat die RiLi durch den sogleich zu behandelnden § 476 BGB umgesetzt. Zumindest solange nicht feststeht, dass diese Umsetzung unzulänglich ist, ist Art. 5 Abs. 3 der RiLi nicht anwendbar.

3. In dem zur Umsetzung der RiLi ergangenen und eine Beweislastumkehr anordnenden § 476 BGB ist bestimmt: Zeigt sich innerhalb von sechs Monaten seit Gefahrübergang ein Sachmangel, wird vermutet, dass die Sache bereits bei Gefahrübergang mangelhaft war, es sei denn, diese Vermutung ist mit der Art der Sache oder des Mangels unvereinbar. Die Vorschrift steht in dem Untertitel „Verbrauchsgüterkauf“, so dass die Voraussetzungen des § 474 BGB vorliegen müssen. Das ist der Fall, weil K, der den Pkw zur privaten Verwendung gekauft hat, Verbraucher (§ 13 BGB) und B Unternehmer (§ 14 BGB) ist. § 476 BGB ist also anwendbar. Die Voraussetzungen dieser Vorschrift finden sich in der Formulierung „Zeigt sich innerhalb von sechs Monaten seit Gefahrübergang ein Sachmangel“.

a) Diese Formulierung hatte der BGH in seiner früheren Rechtsprechung eng ausgelegt und so verstanden, dass sie das Vorliegen eines Sachmangels - zumindest eines latenten Mangels bzw. Grundmangels - voraussetzt und dieser nicht vermutet wird. BGH [24] § 476 setzt einen binnen sechs Monaten nach Gefahrübergang aufgetretenen Sachmangel voraus und begründet eine lediglich in zeitlicher Hinsicht wirkende Vermutung dafür, dass dieser Mangel bereits im Zeitpunkt des Gefahrübergangs vorlag (BGHZ 159, 215, 217 f. [Zahnriemen]; NJW 2005, 3490 [Karrosserieschaden]; NJW 2006, 434 Rn. 20 f. [Turboladerschaden]; NJW 2007, 2621 Rn. 15 [defekte Zylinderkopfdichtung]). Danach wäre im vorliegenden Fall der Materialschaden zwar ein Mangel; dass er bei der Übergabe vorlag, kann aber nicht festgestellt werden und wird auch nicht vermutet. Diese Konsequenz wird bei [27] so formuliert: Kommen - wie im vorliegenden Fall - mehrere Ursachen für den akut aufgetretenen Mangel in Betracht, von denen eine eine vertragswidrige Beschaffenheit begründet, die andere dagegen nicht, und ist nicht aufklärbar, worauf der eingetretene akute Mangel beruht, geht dies zu Lasten des Käufers (BGHZ 200, 1 Rn. 20 [Fesselträgerschenkelschaden]).

b) Dieser engen Auslegung hatte bereits die überwiegende Literatur widersprochen (MüKo BGB/Lorenz, 6. Aufl. 2012, § 476 Rdnr. 4; Staudinger/Matusche-Beckmann, BGB, 2013, § 476 Rdnr. 4; w. N. bei Koch JZ 2015, 834, 836 Fn. 25 und Fellert JA 2015, 818, 820 Fn. 24).

c) Auch die im Sachverhalt zitierte Entscheidung des EuGH in der Sache Faber (NJW 2015, 2237 = JZ 2015, 830) vertritt eine weite Auslegung. Wesentliche Begründung hierfür ist (vgl. BGH [33] und EuGH [54]), dass sich in Fällen, in denen die Vertragswidrigkeit erst nach dem Zeitpunkt der Lieferung des Gutes offenbar wird, die Erbringung des Beweises, dass diese Vertragswidrigkeit bereits zu diesem Zeitpunkt bestand, als eine für den Verbraucher unüberwindbare Schwierigkeit erweisen kann, während es in der Regel für den Verkäufer leichter ist, zu beweisen, dass die Vertragswidrigkeit nicht zum Zeitpunkt der Lieferung bestand und dass sie beispielsweise auf einen unsachgemäßen Gebrauch durch den Verbraucher zurückzuführen ist. Das Urteil des EuGH ist in einem Vorabentscheidungsverfahren nach Art. 267 AEUV ergangen und hat Bindungswirkung für den BGH (Koch JZ 2015, 836). Also hat für den BGH Art. 5 Abs. 3 RiLi den Inhalt, den ihr der EuGH gegeben hat. Dementsprechend gibt der BGH seine bisherige enge Auslegung des § 476 BGB ausdrücklich auf ([28]).

4. Welchen Inhalt § 476 BGB stattdessen hat, entwickelt der BGH mit Hilfe einer richtlinienkonformen Auslegung des § 476 BGB. Die richtlinienkonforme Auslegung ist der wichtigste Anwendungsfall der EU-Rechts-konformen Auslegung.

BGH [37] Die nationalen Gerichte sind nach st. Rspr. des EuGH aufgrund des Umsetzungsgebots gemäß Art. 288 Abs. 3 AEUV und des Grundsatzes der Gemeinschaftstreue gemäß Art. 4 Abs. 3 EUV verpflichtet, die Auslegung des nationalen Rechts unter voller Ausschöpfung des Beurteilungsspielraums, den ihnen das nationale Recht einräumt, soweit wie möglich am Wortlaut und Zweck der Richtlinie auszurichten, um das mit der Richtlinie verfolgte Ziel zu erreichen (folgen Nachw. u. a. auf EuGH NJW 2014, 1941 Rn. 54 m. w. N; BGHZ 192, 148 Rn. 24; BGH NJW 2016, 1718 Rn. 36). -Zur richtlinienkonformen Auslegung auch Mittwoch JuS 2017, 296.

a) Zunächst ist zu bestimmen, welcher Inhalt des § 476 BGB mit Hilfe der richtlinienkonformen Auslegung angestrebt wird. Er ergibt sich aus den im Sachverhalt wiedergegebenen Leitsätzen des EuGH und den beiden Leitsätzen des BGH und lässt sich so formulieren: Die in § 476 BGB vorgesehene Beweislastumkehrdurch durch eine (widerlegliche) Vermutung zugunsten des Käufers greift schon dann ein, wenn sich innerhalb von sechs Monaten ab Gefahrübergang ein mangelhafter Zustand zeigt, der - unterstellt, er hätte seine Ursache in einem dem Verkäufer zuzurechnenden Umstand - dessen Haftung wegen Abweichung von der geschuldeten Beschaffenheit begründen würde. Für die Vermutung ist unerheblich, auf welche Ursache dieser Zustand zurückzuführen ist und ob dafür der Verkäufer verantwortlich ist. Die Vermutung erstreckt sich auch darauf, dass der binnen sechs Monaten nach Gefahrübergang zu Tage getretene akute Mangel zumindest im Ansatz - also latent - schon bei Gefahrübergang vorgelegen hat. BGH [49] Eine Auslegung erfolgt auch dahin, dass bei Auftreten eines akuten mangelhaften Zustands vermutet wird, dieser habe in einem früheren Entwicklungsstadium schon bei Gefahrübergang vorgelegen.

b) Grenzen für eine dahingehende Auslegung des § 476 BGB können sich aus dem Wortlaut der Vorschrift ergeben und aus einem entgegenstehenden Willen des Gesetzgebers (BGHZ 179, 27 [28]).

aa) Dass die erwogene Auslegung mit dem Wortlaut des § 476 BGB nicht unvereinbar ist, wird von BGH [40] mit der Begründung bejaht, dass die Tatbestandsvoraussetzungen „Zeigt sich innerhalb von sechs Monaten ab Gefahrübergang ein Sachmangel" sich bei weitem Wortverständnis auch dahin interpretieren lassen, dass schon allein das Auftreten eines mangelhaften Zustands, also einer nachteiligen Abweichung von der Sollbeschaffenheit, binnen der vorgesehenen Frist die Vermutungswirkung auslöst.

bb) BGH [41-45] Auch der Wille des Gesetzgebers steht einer solchen Auslegung nicht entgegen. Der Gesetzgeber war bestrebt, § 476 BGB so auszugestalten, dass diese Vorschrift mit Art. 5 Abs. 3 RiLi vereinbar ist. Insbesondere zeigen die Ausführungen in der Einzelbegründung zu § 476 BGB, dass die Zielsetzung verfolgt worden ist, zur Stärkung des Verbraucherschutzes einen Ausgleich zwischen den „schlechteren Beweismöglichkeiten des Verbrauchers" gegenüber den „jedenfalls in engem zeitlichen Zusammenhang mit der Übergabe ungleich besseren Erkenntnismöglichkeiten des Unternehmers" zu erreichen (BT-Drucks. 14/6040, S. 245). …Unter diesen Umständen ist von einem Willen des Gesetzgebers zur richtlinientreuen Umsetzung auszugehen.

[51, 52] Auch ist hinsichtlich der vom EuGH dem Art. 5 Abs. 3 RiLi entnommenen Erstreckung der Vermutungswirkung darauf, dass der fristgerecht zu Tage getretene mangelhafte Zustand in einem früheren Entwicklungsstadium - sei es bloß als ein ihn später auslösender latenter Mangel oder schon als Anfangsstufe des eigentlichen Sachmangels - bereits bei Gefahrübergang vorgelegen hat, ein Wille des Gesetzgebers zur richtlinientreuen Umsetzung anzunehmen.…Die vom BGH bislang vorgenommene Unterscheidung zwischen akutem Mangel und latentem Mangel wird damit obsolet. (Allerdings bleibt sie für das Verständnis der Problematik noch nützlich, von ihr hängt aber das Eingreifen des § 476 nicht mehr ab.)

II. Auf der Grundlage dieser Rechtslage ist der vorliegende Fall zu lösen.

1. Ein Sachmangel könnte sich aus der Anwendung des § 476 BGB in der nunmehr geltenden Auslegung ergeben.

a) Die Vermutung des § 476 BGB greift ein, wenn die Voraussetzungen gegeben sind. Im vorliegenden Fall hat sich fünf Monate nach der Übergabe des Pkw, also noch innerhalb der Sechs-Monats-Frist, an dem Pkw ein Mangel gezeigt, der - unterstellt, er hätte seine Ursache in einem der B zuzurechnenden Umstand - zu einer Haftung der B nach §§ 434, 437 Nr. 2 BGB führen würde. Diese Voraussetzungen reichen nach neuerer Auslegung des § 478 BGB aus. Rechtsfolge ist die Vermutung, dass der Anfang August aufgetretene Schaden an dem Getriebefreilauf auf einen bereits bei Gefahrübergang vorhandenen latenten Mangel oder eine Anfangsstufe des späteren Schadens zurückgeht.

b) Allerdings darf d ie Vermutung weder mit der Art der Sache noch mit der Art des Mangels unvereinbar sein (zu diesen Voraussetzungen Feller JA 2015, 821/2). Ein Materialschaden an dem zur Automatik gehörenden Freilauf ist weder mit der Art der Kaufsache Pkw mit Automatikgetriebe unvereinbar noch - wie S ausgeführt hat - mit der Eigenart der Entwicklung bei einem solchen Mangel.

c) BGH [55] Zur Widerlegung der Vermutung des § 476 BGB hat der Verkäufer den Beweis des Gegenteils (§ 292 ZPO) dahin zu erbringen, dass der binnen sechs Monaten nach Gefahrübergang aufgetretene mangelhafte Zustand auf eine nach Gefahrübergang eingetretene, ihm nicht zuzurechnende Ursache - sei es auf ein Verhalten des Käufers oder eines Dritten, sei es auf sonstige Umstände, etwa eine übliche Abnutzungserscheinung nach Gefahrübergang - zurückzuführen ist. Hierfür ist eine Erschütterung der Vermutung nicht ausreichend; erforderlich ist vielmehr der volle Beweis des Gegenteils der vermuteten Tatsachen (…). Es ist damit die volle richterliche Überzeugung nach § 286 Abs. 1 ZPO gefordert, wobei es eines für das praktische Leben brauchbaren Grades von Gewissheit bedarf, der Zweifeln Schweigen gebietet, ohne sie völlig auszuschließen (st. Rspr.…).

B hat ausgeführt, ein Mangel sei angesichts des Umstandes, dass das Auto 13.000 km einwandfrei gefahren wurde, wohl ausgeschlossen. Dieser Vortrag widerspricht den Feststellungen des Sachverständigen S, wonach es nicht ausgeschlossen ist, dass der Freilauf durch Mikrorisse oder durch als Pittings bezeichnete Materialschäden Vorschädigungen aufgewiesen hat, und reicht deshalb für die Überzeugung vom Gegenteil der Vermutung nicht aus. Einen Bedienungsfehler hat S nur für möglich gehalten, was ebenfalls keine Überzeugung vom Gegenteil der Vermutung begründet. Da eine weitere Aufklärung nicht möglich ist, ist die Vermutung nicht widerlegt. Es ist davon auszugehen, dass der Pkw bei der Übergabe einen Mangel aufwies.

2. Somit konnte K nach §§ 437 Nr. 2, 323 I BGB vom Vertrag zurücktreten. Die hierfür erforderliche Frist hat er der B gesetzt; sie ist ergebnislos abgelaufen. § 323 V 2 BGB steht dem Rücktritt nicht entgegen, weil ein Materialschaden, der zum Versagen eines Teils der Automatikfunktion führen kann, kein unerheblicher Mangel war. Die Rücktrittserklärung (§ 349 BGB) hat K abgegeben.

3. Als Folge des Rücktritts kann K von B nach § 346 I BGB die gezahlten 16.000 zurückverlangen. Zur Rückgabe des Pkw gemäß §§ 346 I, 348 BGB ist K bereit, ebenso zur Anrechnung einer angemessenen Nutzungsentschädigung (§ 346 I, II Nr. 1 BGB). Der von K geltend gemachte Anspruch ist begründet. (Besprechungen der BGH-Entscheidung von Koch NJW 2017, 1068 und Gutzeit JuS 2017, 357.)


Zusammenfassung