Bearbeiter: Dr. Gernot Schmalz-Brüggemann

Zustandekommen des Kaufvertrags an einer Selbstbedienungstankstelle, §§ 433, 145 ff BGB. Verzug (§ 286 BGB); Entbehrlichkeit der Mahnung nach § 286 II Nr. 4 BGB. Schadensberechnung bei Aufwendungen des Geschädigten; Ersatz von Rechtsanwalts- und Detektivkosten. § 823 I BGB; Zeitpunkt der Übereignung des getankten Benzins. §§ 948, 947 BGB, Vermischung von Benzin verschiedener Eigentümer

BGH
Urteil vom 4. 5. 2011 - VIII ZR 171/10 -, dazu Faust JuS 2011, 929; Sautter JuS 2011, 900

Fall (Tanken ohne zu bezahlen)

Die K-GmbH betreibt an der A 8 in der Nähe der Grenze zu Österreich eine Selbstbedienungstankstelle und vertreibt Kraftstoffe, die sie von ihrem Lieferanten zu Eigentum erworben hat. Am 7. 3. fuhr B mit seinem Pkw an der Tankstelle vor und tankte Benzin für 10,01 €. Er begab sich zur Kasse, verlangte einen Schokoriegel und zwei Vignetten zum Preis von 25, 30 € und bezahlte lediglich diesen Betrag. Anschließend fuhr er davon. Am Abend bemerkte die Angestellte der K, dass Benzin über 10,01 € nicht bezahlt worden war. Um den Kunden, der nicht bezahlt hatte, zu ermitteln, beauftragte K das Detektivbüro D damit, die Aufnahmen der Überwachungskamera auszuwerten. D benötigte dafür mehrere Stunden, konnte den B aber identifizieren und berechnete der K dafür 137 €. Anschließend schaltete K Rechtsanwalt R ein. Dieser wandte sich an B und verlangte Zahlung der 10,01 €, der 137 € Detektivkosten, seiner eigenen Kosten in Höhe von 39 € und einer Auslagenpauschale zugunsten der K über 25 €. B bezahlte die 10,01 €. Die Zahlung der weiteren 201 € verweigerte er. Er erklärte, es habe sich wohl um ein Versehen gehandelt; im einzelnen könne er sich an den Vorgang nicht erinnern; er habe keinesfalls in betrügerischer Absicht gehandelt. Angesichts dessen und wegen der geringen Summe sei die Forderung von über 200 € auch unverhältnismäßig. Ist der Anspruch der K gegen B auf Zahlung von 201 € berechtigt ?

A. K könnte gegen B einen Anspruch auf Zahlung der 201 € als Verzugsschaden haben (§§ 280 I, II, 286, 433 I BGB).

I. Dann müsste zwischen K und B ein Kaufvertrag (§ 433 BGB) über das Benzin zustande gekommen sein, aus dem B 10,01 € schuldete. Der Kaufvertrag könnte durch Angebot und Annahme (§§ 145, 147 BGB) geschlossen worden sein.

1. Ein Angebot könnte von K ausgegangen sein. Das Bereithalten von Benzin an einer Zapfsäule, verbunden mit der Aufforderung, das Benzin zu entnehmen, ist ein Angebot des Tankstelleninhabers zum Abschluss eines Kaufvertrages über den Kraftstoff. Es umfasst den Kaufgegenstand seiner Art nach, während die Menge vom Kunden bestimmt werden kann. Der Preis wird dem Kunden als Literpreis durch Aushang und der Gesamtpreis während des Tankens angezeigt. Somit stehen die für einen Kaufvertrag wesentlichen Umstände in einer Weise fest, dass der Kunde nur noch durch Betätigen des Tankens zuzustimmen braucht. Es handelt sich nicht etwa - wie bei einer Auslage im Schaufenster - nur um eine unverbindliche invitatio ad offerendum, denn an einer Tankstelle darf der Kunde durch eigene Handlungen sich den Besitz der Ware verschaffen und muss deshalb davon ausgehen, dass der Tankstelleninhaber an einem bindenden Angebot - und dessen Annahme durch den Kunden (dazu 2.) - interessiert ist.

2. B müsste das Angebot angenommen haben.

a) In Parallele zum Kauf im Supermarkt könnte davon auszugehen sein, dass der Kunde das Kaufangebot erst beim Bezahlen an der Kasse annimmt. Dann wäre im vorliegenden Fall noch kein Kaufvertrag zustande gekommen. Überwiegend wird jedoch eine Annahme bereits beim Tanken bejaht und von einem Zugang der Annahmeerklärung nach § 151 BGB abgesehen. BGH [12 - 16]:

Ein Kunde, der an einer Selbstbedienungstankstelle Kraftstoff in seinen Tank füllt, schließt bereits zu diesem Zeitpunkt mit dem Tankstellenbetreiber…einen Kaufvertrag über die entnommene Menge Kraftstoff (folgen Nachw. u. a. auf OLG Hamm, NStZ 1983, 266, 267; OLG Koblenz, NStZ-RR 1998, 364; OLG Köln, NJW 2002, 1059 f.; Palandt/Ellenberger, BGB, 70. Aufl., § 145 Rn. 8; Staudinger/ Bork, BGB, Neubearb. 2010, § 145 Rn. 8; Soergel/Wolf, BGB, 13. Aufl., § 145 Rn. 8; MünchKommBGB/Kramer, 5. Aufl., § 145 Rn. 13, Fn. 57). Entgegen der Ansicht der Revision (ebenso Deutscher, NStZ 1983, 507 f.…) findet der Kaufvertragsschluss in diesem Fall nicht erst an der Kasse statt. Die von der Revision aufgezeigte Parallele zum Einkauf in Selbstbedienungsläden (…) trägt nicht, denn es besteht in beiden Fällen eine unterschiedliche Interessenlage, die auch zu einer anderen rechtlichen Bewertung führt. In einem Selbstbedienungsladen kann die vom Kunden aus dem Regal entnommene Ware problemlos wieder zurückgelegt und anschließend an einen anderen Kunden verkauft werden. Nach der Verkehrsanschauung führt deshalb allein die Entnahme der Ware aus dem Regal noch nicht zu den Bindungswirkungen eines Kaufvertrages. An der Selbstbedienungstankstelle wird durch das Einfüllen des Kraftstoffs in den Tank hingegen ein praktisch unumkehrbarer Zustand geschaffen, so dass es dem Interesse beider Parteien entspricht, dass bereits zu diesem Zeitpunkt ein Kaufvertrag zustande kommt. Der Tankstellenbetreiber hat bei Abschluss des Tankvorgangs durch das Überlassen des Kraftstoffs bereits die Hauptpflicht des Verkäufers jedenfalls zur Besitzverschaffung (§ 433 Abs. 1 Satz 1 BGB) erfüllt und wird hierzu ohne eine vertragliche Bindung regelmäßig nicht bereit sein. Ebenso hat aber auch der redliche Kunde ein Interesse daran, den Kraftstoff aufgrund eines - mit dem Einfüllen des Kraftstoffs in den Tank - geschlossenen Vertrages zu erlangen und ihn behalten zu dürfen… Aus der Sicht eines objektiven Betrachters in der Lage des jeweiligen Erklärungsgegners ist damit zum Zeitpunkt der Entnahme des Kraftstoffs durch den Kunden ein Kaufvertrag zu Stande gekommen, ohne dass es hierzu weiterer Willenserklärungen - etwa an der Kasse - bedarf.

II. Es müssten die weiteren Voraussetzungen für einen Verzug vorliegen (§§ 280 I, II, 286).

1. Mit Abschluss des Kaufvertrages durch den Tankvorgang war der Kaufpreis fällig (§ 271 I BGB). B hat diese Verpflichtung an Ort und Stelle nicht erfüllt und damit seine Zahlungspflicht verletzt i. S. des § 280 I 1 BGB.

2. Grundsätzlich bedarf es für den Verzug einer Mahnung (§ 286 I 1). K hat gegenüber B keine Mahnung ausgesprochen. Die Mahnung könnte nach § 286 II Nr. 4 entbehrlich gewesen sein, weil aus besonderen Gründen unter Abwägung der beiderseitigen Interessen der sofortige Eintritt des Verzugs gerechtfertigt .

BGH [18 - 20]: Die Mahnung hat das Ziel, den Schuldner aufzufordern, die geschuldete Leistung zu erbringen…. Sie ist gemäß § 286 Abs. 2 Nr. 4 BGB entbehrlich, wenn aus besonderen Gründen unter Abwägung der beiderseitigen Interessen der sofortige Verzugseintritt gerechtfertigt ist. Der Gesetzgeber wollte mit dieser Vorschrift unter anderem Fälle erfassen, in denen ein die Mahnung verhinderndes Verhalten des Schuldners vorliegt (BT-Drucks. 14/6040, S. 146). Um einen derartigen Fall handelt es sich hier. Beim Tanken an einer Selbstbedienungstankstelle handelt es sich um ein anonymes Massengeschäft. Deshalb ist dem Tankstellenbetreiber eine Mahnung des Kunden, sobald dieser das Tankstellengelände verlassen hat, ohne erheblichen Aufwand nicht mehr möglich, da die Personalien des Kunden und dessen Anschrift dem Tankstellenbetreiber in aller Regel unbekannt sind. Damit ist auf Seiten des Tankstellenbetreibers ein gewichtiges Interesse gegeben, dass der Verzug ohne Mahnung eintritt (…). Dem steht auf Seiten des Schuldners, der durch das Wegfahren diese Situation herbeigeführt hat, kein schutzwürdiges Interesse entgegen. Es ist für den Kunden vielmehr offensichtlich, dass er unverzüglich nach dem Tanken den Kaufpreis zu entrichten hat. Denn durch die Entnahme des Kraftstoffs hat er, ohne sich seinem Vertragspartner vorzustellen, mit diesem einen Kaufvertrag geschlossen und die danach vom Verkäufer geschuldete Leistung zumindest zu einem wesentlichen Teil bereits erhalten. Zu einer derartigen Vorleistung ist der Verkäufer, was dem redlichen Kunden auch erkennbar ist, nur bereit, wenn der Kunde unverzüglich den Kaufpreis entrichtet. Eine gesonderte Zahlungsaufforderung ist in dieser Situation weder erforderlich noch üblich. Mit dieser typischerweise gegebenen und den Beteiligten bewussten Interessenlage ist die Auffassung der Revision nicht zu vereinbaren, der Kunde einer Selbstbedienungstankstelle müsse nur auf Nachfragen an der Kasse sein Tanken offenbaren…

3. Verzug tritt nicht ein, wenn B das Unterbleiben der Zahlung nicht zu vertreten hat (§ 286 IV). Zu vertreten hat ein Schuldner Vorsatz und Fahrlässigkeit (§ 276 I 1 BGB). Zwar kann von Vorsatz des B nicht ausgegangen werden. Insbesondere kann ihm nicht widerlegt werden, dass er lediglich versehentlich nicht gezahlt hat. Für die Richtigkeit seines Vorbringens spricht, dass er nach dem Tanken zur Kasse gegangen ist, statt einfach wegzufahren, ferner dass er einen Betrag gezahlt hat, der höher war als der Benzinpreis. Jedoch ist es fahrlässig, an der Kasse nicht darauf hinzuweisen, dass er getankt hat und dafür zahlen muss. BGH [21]: Umstände, welche die Annahme rechtfertigen könnten, dass die Leistung infolge eines Umstands unterblieben ist, den der Bekl. nicht zu vertreten hat (§ 286 Abs. 4 BGB), liegen nach den rechtsfehlerfreien Ausführungen des Berufungsgerichts nicht vor.

Somit befand sich B bei Verlassen der Tankstelle im Verzug.

III. Nach § 280 I hat K einen Anspruch auf den Verzögerungsschaden. Dieser berechnet sich nach § 249 BGB. K kann verlangen, so gestellt zu werden, als hätte B rechtzeitig bezahlt. Damit lässt sich aber noch nicht die Frage beantworten, welche Aufwendungen ersetzt verlangt werden können, da der Gläubiger über entstehende Aufwendungen selbst entscheidet. Ausgangsüberlegung ist nach BGH [23]: Der Geschädigte kann im Wege des Schadensersatzes solche Aufwendungen ersetzt verlangen, die zur Wahrung und Durchsetzung seiner Rechte erforderlich und zweckmäßig waren (BGH vom 6. Oktober 2010 - VIII ZR 271/09, WuM 2010, 740 Rn. 9; NJW 1986, 2243 unter B II 2 b; BGHZ 127, 348, 350; MünchKommBGB/Oetker, 5. Aufl., § 249 Rn. 175). Außerdem müssen die Kosten angemessen sein.

1. BGH [23]: Als Folge des Verzuges kann die Kl. den Ersatz ihrer Rechtsverfolgungskosten verlangen (§ 280 Abs. 1, 2, § 286 BGB). Ein Geschädigter kann die Rechtsanwaltskosten verlangen, die nach Eintritt des Verzugs entstehen (dagegen nicht die Kosten für eine anwaltlich ausgesprochene und den Verzug erst begründende Mahnung), außer wenn es sich um einen rechtlich und tatsächlich einfach gelagerten Fall handelt und der Gläubiger über die zur Geltendmachung erforderliche Sachkunde verfügt (BGH NJW 2011, 296). Welche Ansprüche ein Tankstellenbetreiber in einem solchem Fall hat, insbesondere im Hinblick auf die Detektivkosten, war keine einfache Frage, die K aus eigener Sachkunde hätte entscheiden können. Vielmehr waren die Anwaltskosten notwendige Aufwendungen und dem Grunde und der Höhe nach angemessen.

2. Bei den Detektivkosten ist die Erstattungsfähigkeit deshalb nicht ohne weiteres zu bejahen, weil es um die Geltendmachung von lediglich 10 €, also einem relativ geringfügigen Betrag ging. Gleichwohl betrachtet BGH [24 - 26] auch diese als erstattungsfähige Aufwendungen: Die Beauftragung des Detektivbüros war geeignet und zweckmäßig, um die Person des Tankkunden zu ermitteln, der sich von der Tankstelle entfernt hatte, ohne den Kaufpreis für den Kraftstoff zu entrichten. Die Kosten halten sich auch im Rahmen der Angemessenheit. Entgegen der Ansicht der Revision ist dafür nicht primär auf das Verhältnis der Ermittlungskosten zur Höhe des Kaufpreises abzustellen, sondern darauf, ob die Aufwendungen sich im Rahmen dessen halten, was ein verständiger Mensch in gleicher Lage aufgewandt hätte. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts war die Einschaltung eines Detektivbüros erforderlich, um die Identität des Beklagten zu ermitteln. Angesichts des festgestellten Umfangs der Ermittlungen, die unter anderem eine mehrstündige Videoauswertung erforderten, kann die Klägerin nicht darauf verwiesen werden, dies mit eigenem Personal zu leisten. Sie konnte sich hierzu vielmehr fremder Hilfe bedienen und auch ein Detektivbüro einschalten (vgl. BGHZ 111, 168, 175). Auf die Alternative, von Ermittlungen wegen des unbezahlt getankten Kraftstoffs abzusehen, muss die Klägerin sich…auch in Anbetracht des relativ geringfügigen Betrages von 10,01 € nicht verweisen lassen. Andernfalls hätte K praktisch auf die Geltendmachung ihrer Forderung verzichten müssen, was aber die unzumutbare Folge hätte, dass der Inhaber einer Forderung über 10 € praktisch rechtlos gestellt würde.

3. Bei der Auslagenpauschale von 25 € ist davon auszugehen, dass K gewisse Auslagen wie Telefon-, Porto- und Kopierkosten, möglicherweise auch Fahrtkosten hatte. Über die Höhe eines Schadens kann das Gericht nach freier Überzeugung entscheiden (§ 287 ZPO). Im zugrunde liegenden Fall hat der BGH es gebilligt, dass das Berufungsgericht diese Kosten auf 25 € geschätzt hat, so BGH [26]. Die Beurteilung des Berufungsgerichts, dass die Kl. einen derartigen Pauschalbetrag für die ihr zur Schadensabwicklung entstandenen Unkosten wie Porti, Telefonkosten und Ähnliches…hält sich im Rahmen tatrichterlichen Schätzungsermessens gemäß § 287 Abs. 1 ZPO…

Somit ist der Schadensersatzanspruch der K gegen B aus §§ 280 I, II, 286, 433 in voller Höhe begründet.

B. Als weitere Anspruchsgrundlage kommen §§ 280 I, 241 II, 433 BGB in Betracht.

I. Das LG Traunstein als Vorinstanz zum BGH hatte den Anspruch in erster Linie auf diese Anspruchsgrundlage gestützt und damit begründet, dass bei einer Selbstbedienungstankstelle der Kunde die vertragliche Nebenpflicht habe, die getätigte Betankung durch Angabe der benutzten Zapfsäule an der Kasse anzumelden. Diese Nebenpflicht habe B schuldhaft verletzt und schulde deshalb Schadensersatz. Die anschließenden Überlegungen zum Schaden entsprechen denen oben A III.

II. Demgegenüber vertritt Faust JuS 2011, 930/1 die Auffassung, im Fall des Verzugs müssten die zusätzlichen Voraussetzungen des § 286 vorliegen (ebenso im Fall des § 280 III die des § 281), die nicht durch eine Anwendung der §§ 280 I, 241 II unterlaufen werden dürften. Bei der Pflicht zur Anmeldung des Tankvorgangs an der Kasse handele es sich um eine „leistungsbezogene Nebenpflicht, deren Verletzung keinen Schadensersatzanspruch aus §§ 280 I, 241 II BGB begründen kann.“

Da diese Frage auf das Ergebnis des Falles keinen Einfluss hat, kann sie hier offen bleiben. - Der BGH hat weitere Anspruchsgrundlagen neben §§ 280 II, 286 nicht angesprochen, die Lösung der Vorinstanz lediglich bei [8] wiedergegeben.

C. Anspruchsgrundlage kann § 823 I BGB sein. Diese Anspruchsgrundlage wird nicht durch §§ 987 ff. BGB verdrängt, weil B zumindest ein Recht zum Besitz an dem Benzin aus Kaufvertrag hatte und somit keine Vindikationslage vorlag (Sautter JuS 2011, 903; Faust JuS 2011, 931 und Fn. 10).

I. B könnte das Eigentum der K an dem getankten Benzin fahrlässig verletzt haben.

1. Ursprünglich war K Eigentümerin des Benzins. Sie könnte das Eigentum aber an B verloren haben.

a) Wie der rechtsgeschäftliche Eigentumsübergang (§ 929 BGB) am getankten Benzin zu konstruieren ist, ist nicht von vornherein klar (und hat seine Hauptbedeutung im Strafrecht im Zusammenhang mit § 246 StGB). Die eine Möglichkeit ist die Annahme einer Übereignung beim Tanken, aber verbunden mit einem stillschweigenden Eigentumsvorbehalt (§ 449 BGB) bis zur Bezahlung. Die h. M. folgt der anderen Auffassung, wonach beim Tanken noch keine Übereignung erfolgt, sondern übereignet wird das Benzin erst im Zusammenhang mit dem Bezahlen an der Kasse (Sautter JuS 2011, 903 m. w. Nachw. Fn. 36 - 39). Nach jeder dieser Meinungen hat B, da er das Benzin nicht bezahlt hat, durch Rechtsgeschäft kein Eigentum erworben.

b) B könnte das Eigentum am getankten Benzin durch Vermischung mit eigenem Benzin erworben haben (§§ 948, 947 BGB). Nach der Lebenserfahrung kann davon ausgegangen werden, dass der Tank des B noch nicht völlig leer war und somit eine Vermischung eingetreten ist. Nach §§ 948, 947 I führt diese aber nur dazu, dass K und B Miteigentum an dem vermischten Benzin erhalten haben (§§ 948, 947 I), dessen Verletzung für § 823 I ausreicht (Faust JuS 2011, 931). Ein - § 823 I ausschließender - vollständiger Eigentumsübergang auf B wäre nur möglich, wenn das eigene Benzin als Hauptsache i. S. des § 947 II angesehen werden könnte. Jedoch wird vertreten, bei der Vermischung gleichartiger Sachen gebe es keine Hauptsache (Nachw. bei Faust JuS 2011, 931 Fn. 7). Zumindest müsse das bei Beginn des Tankens noch vorhandene eigene Benzin das zugetankte deutlich überwiegen (nach Lange/Trost JuS 2003, 961, 964/5 darf max. 10 % hinzugetankt werden; w. Nachw. bei Faust a. a. O. Fn. 8). Das kann im vorliegenden Fall nicht festgestellt werden. Auch nach der Lebenserfahrung kann nicht davon ausgegangen werden, dass B trotz eines noch weitgehend gefüllten Tanks Benzin im Wert von 10 € hinzugetankt hat. (Vielmehr hat B wahrscheinlich nur deshalb eine solch kleine Menge getankt, um noch bis Österreich zu kommen, wo das Volltanken dann billiger war.)

Somit hat B durch Vermischung kein Alleineigentum an dem getankten Benzin erworben; K hat zumindest Miteigentum behalten.

2. Das Wegfahren ohne zu bezahlen bedeutete eine Verletzung des Eigentums (Faust a. a. O. S. 931), weil der Miteigentümerin K dadurch die Möglichkeit genommen wurde, durch Berufung auf das Eigentum die Bezahlung durchzusetzen. Außerdem lag eine Eigentumsverletzung in dem Verbrauch des Benzins. Die Verletzungen erfolgten fahrlässig. Die Voraussetzungen des § 823 I liegen vor.

II. Als Rechtsfolge kann K ihren Schaden ersetzt verlangen. Im Ausgangspunkt ist der bei § 823 I zu ersetzende, als Folge einer Eigentumsverletzung eingetretene Schaden ein anderer als der oben A III behandelte Verzugsschaden wegen Nichtzahlung des Kaufpreises. Beide gehen jedoch auf denselben Lebensvorgang zurück und werden nach § 249 BGB berechnet. Auch für § 823 I gilt, dass ohne die Eigentumsverletzung des B der K die Vermögensschäden in Höhe der Anwalts-, Detektiv- und Auslagenkosten nicht entstanden wären. Sie waren Aufwendungen, um den unmittelbar durch die Eigentumsverletzung entstandenen Wertverlust auszugleichen. Deshalb sind hier die gleichen Überlegungen anzustellen wie oben bei A III 1 - 3. Sämtliche Aufwendungen waren erforderlich und angemessen, um den durch den Verlust des Eigentums eingetretenen Schaden ersetzt zu verlangen.

D. Dagegen ergibt sich aus § 823 II BGB kein Anspruch. Sowohl im Hinblick auf einen Betrug nach § 263 StGB als auch auf eine Unterschlagung nach § 246 StGB fehlt es zumindest an der Feststellung eines Vorsatzes.

Ergebnis: Der Anspruch der K gegen B ist aus §§ 280 I, II, 286, 433 und aus § 823 I in vollem Umfang begründet.


Zusammenfassung