Bearbeiter: Dr. Gernot Schmalz-Brüggemann

Grundstückstausch, §§ 480, 433 BGB. Zustandekommen des Vertrags bei widersprüchlichen Angaben im Hinblick auf den Kaufgegenstand, §§ 145, 147 BGB. Störung der Geschäftsgrundlage, § 313 BGB. Rechtsfolgen des § 313 BGB: Anpassung, Rücktritt, sonstige Rückabwicklung. Verzug mit der Anpassungspflicht, §§ 313, 286 BGB


BGH
Urteil vom 30. 9. 2011 (V ZR 17/11) NJW 2012, 373 (für BGHZ vorgesehen)

Fall (Grundstückstausch)

B, der Eigentümer des Grundstücks G1 war, verpflichtete sich mit notariellem Vertrag vom 4. November 2008, dieses Grundstück der Stadt S zu übertragen. Im Vertrag war G1 als „unvermessene Fläche von ca. 28.699 m²" bezeichnet und auf einem mitbeurkundeten, dem Vertrag beigefügten maßstabsgerechten Lageplan parzellenscharf eingezeichnet. Als Gegenleistung sollte die Stadt ein näher bezeichnetes Grundstück G2 in einer Größe von ebenfalls „28.699 m²“ auf B übertragen. Die Größenangaben stammten von einer Mitarbeiterin des Liegenschaftsamts der Stadt S. In § 9 des Vertrages bestimmten die Parteien unter der Überschrift „Mangelhaftung": Rechte wegen eines Sachmangels sind ausgeschlossen. Für Größe, Güte und Beschaffenheit des jeweiligen Kaufgegenstandes wird keine Garantie übernommen.

Während die Größe der Fläche G2 zutreffend angegeben worden war, ergab sich bei der Vermessung des Grundstücks G1, dass dieses nur eine Größe von 18.632 m² hat. Die Stadt S forderte daraufhin B zu einer Anpassung des Vertrages auf. B bestritt, dass S ein über den Anspruch auf Übereignung der Fläche G1 hinaus gehendes Recht habe, und reagierte in der Folge weder auf die mit einer Mahnung verbundenen Anpassungsvorschläge der S noch auf eine Ankündigung des Rücktritts vom Vertrag. Nach Einschaltung eines Rechtsanwalts erklärte S gegenüber B, der zwischenzeitlich als Eigentümer der Fläche G2 in das Grundbuch eingetragen worden war, den Rücktritt vom Vertrag. S verlangt von B die Rückauflassung des an B übertragenen Grundstücks G2, hilfsweise die Zahlung von 18.120 € als Wertausgleich, sowie Ersatz der vorgerichtlich entstandenen Anwaltskosten. Nach wie vor bestreitet B, dass S wegen der verminderten Größe des Grundstücks G1 irgendein Recht zustehe, und nimmt weder zu einer Anpassung noch zu einer Rückabwicklung des Vertrages Stellung. Stehen der Stadt S die von ihr geltend gemachten Ansprüche zu ?

A. Anspruchsgrundlage für einen Anspruch der S gegen B auf Rückauflassung des Grundstücks G1 können die Vorschriften über eine Rückabwicklung eines Vertrages wegen einer Störung der Geschäftsgrundlage (§§ 346 I, 313 BGB) sein.

I. Der am 4. 11. 2008 zwischen S und B geschlossene Vertrag ist ein Tauschvertrag, auf den die Vorschriften über den Kauf entsprechende Anwendung finden (§ 480 BGB). Zwischen S und B müsste somit ein Vertrag nach §§ 480, 433 BGB zustande gekommen sein.

1. S und B haben sich in der von § 311b BGB geforderten Form der notariellen Beurkundung über den Text eines Vertrages, der im Sachverhalt teils beschrieben, teils auszugsweise wiedergegeben ist, geeinigt.

2. Die Einigung müsste die Gegenstände des Tauschs in hinreichend bestimmter oder wenigstens bestimmbarer Weise wiedergeben. Auf das von S zu leistende Grundstück G2 trifft das zu. Jedoch wurde die von B stammende Fläche G1 unterschiedlich bezeichnet: im Text des Vertrages mit der - unzutreffenden - Größenangabe „28.699 m²“ und im Lageplan mit einer eingezeichneten Fläche in der Größe von 18.632 m²; beides widerspricht sich. Dieser Widerspruch könnte jedoch durch Auslegung (§§ 133, 157 BGB) aufzulösen sein. Da die Einigung das Grundstück, das B zu übertragen hat, bezeichnen muss, kann diese Bezeichnung nicht in der im Vertragstext enthaltenen bloßen Größenangabe liegen; eine Größenangabe bezeichnet kein Grundstück. Dagegen ergibt sich aus dem Lageplan, der mitbeurkundet wurde und daher Vertragsbestandteil geworden ist, das Grundstück selbst. In solchem Fall einer Diskrepanz zwischen Text und Plan ergibt sich der Vertragsinhalt aus dem Lageplan.

BGH [9, 10]: Entgegen der Ansicht der Revision kommen der schriftlichen Größenangabe ("ca. 28.699 m²") im Text des Vertrages und der zeichnerischen Darstellung in dem Lageplan, die eine Fläche von nur 18.632 m² umfasst, keine gleichrangige Bedeutung mit der Folge zu, dass das Vereinbarte wegen der daraus folgenden Unbestimmtheit seines Inhalts keine Bindung zu erzeugen vermag (§§ 145, 147 BGB…). Wird bei dem Verkauf einer noch nicht vermessenen Grundstücksfläche der Vertragsgegenstand - wie hier - in der notariellen Urkunde sowohl durch eine bestimmte Grenzziehung in einem maßstabsgerechten Plan als auch durch eine als ungefähr bezeichnete Flächenmaßangabe bestimmt, geht der objektive Inhalt der Verkäufer- und der Käufererklärung in der Regel dahin, dass bei Differenzen zwischen der bezifferten und der der Grenzziehung entsprechenden umgrenzten Flächengröße die Bezifferung ohne Bedeutung und die Umgrenzung allein maßgeblich ist (BGH NJW-RR 2004, 735…). So liegt es auch hier. Der Einwand der Revision, der Kl. sei es auf ein Tauschverhältnis 1:1 und damit auf die Größe der an sie zu übertragenden Fläche angekommen, rechtfertigt keine andere Beurteilung. Die unzutreffende Vorstellung der Kl., die in dem Plan eingezeichnete Fläche entspreche - zumindest annähernd - der Flächenangabe im Vertragstext, ändert nichts daran, dass ihr objektiv erklärter Wille dahin ging, die in dem Plan eingezeichnete und auf dieser Grundlage zu vermessenden Fläche zu erwerben. Dass diese Erklärung von einem Irrtum bei der Willensbildung beeinflusst war, ist für die Bestimmung des Leistungsgegenstands ohne Bedeutung.

Somit ist ein rechtswirksamer Tauschvertrag zustande gekommen, nach dem B die im Lageplan eingezeichnete Fläche in einer Größe von 18.632 m² der S zu übertragen hatte.

II. Eine Störung der Geschäftsgrundlage nach § 313 BGB würde ausscheiden, wenn die Anwendung des § 313 im vorliegenden Fall ausgeschlossen wäre.

1. Da auf den Vertrag vom 4. 11. 2008 die Vorschriften des Kaufrechts zur Anwendung kommen, ist § 313 nicht anwendbar, wenn die Störung unter die Vorschriften über die Sachmangelhaftung fällt; §§ 434 ff. BGB haben Vorrang.

a) BGH [12]::Richtig ist, dass § 313 BGB im Anwendungsbereich der Sachmängelhaftung nicht herangezogen werden kann, da andernfalls die den Bestimmungen der §§ 437 ff. BGB zugrunde liegende Risikoverteilung über die Annahme einer Störung der Geschäftsgrundlage verändert würde (vgl. BGH MDR 2008, 615, 616 sowie BGHZ 117, 159, 162 m. w. N. zu dem bis zum 31. Dezember 2001 geltenden Schuldrecht). Das gilt auch dann, wenn die Voraussetzungen einer Mängelhaftung im Einzelfall - etwa aufgrund eines wirksamen Haftungsausschlusses - nicht vorliegen.

b) Somit müsste für einen Anwendungsausschluss des § 313 die Störung in den Anwendungsbereich der Sachmangelhaftung fallen, was voraussetzt, dass begrifflich ein Sachmangel i. S. des § 434 BGB vorliegt. Sachmangel könnte sein, dass die Fläche G1 nicht die im Vertrag dafür angegebene Größe von ca. 28.699 m² hat. Jedoch ergibt sich der von B zu leistende Tauschgegenstand, wie dargelegt, aus dem Lageplan. Das im Lageplan eingezeichnete Grundstück hat die Größe von 18.632 m²; das ist also die Sollbeschaffenheit dieses Grundstücks. Dem entspricht die Istbeschaffenheit. Das Grundstück G1 hat somit die im Vertrag - maßgeblich ist der Lageplan - festgelegte Beschaffenheit, so dass kein Sachmangel vorliegt.

BGH [13]: Allerdings besteht der Vorrang der Sachmangelhaftung nur insoweit, als der maßgebliche Umstand überhaupt geeignet ist, Sachmängelansprüche auszulösen (…). Das trifft auf die Größenangabe einer unvermessenen Teilfläche im Vertragstext nicht zu, wenn die verkaufte Fläche, wie hier, auf einem maßstabsgerechten und mitbeurkundeten Plan eingezeichnet worden ist. Wie das BerGer. in anderem Zusammenhang zutreffend erkennt, bestimmt sich die zu übertragende Fläche in einem solchen Fall nämlich allein nach der mitbeurkundeten Planzeichnung. Das hat zur Folge, dass sich auch die Sollbeschaffenheit des Grundstücks hinsichtlich Lage, Zuschnitt und Größe nach der Zeichnung richtet. Mit der herausgemessenen Fläche von 18.632 m² erhält die Kl. mithin den Kaufgegenstand in der vereinbarten Beschaffenheit; ein Sachmangel liegt nicht vor. Die Anwendbarkeit des § 313 BGB ist somit nicht durch §§ 434 ff. BGB ausgeschlossen.

2. § 313 BGB könnte durch § 9 des Vertrages ausgeschlossen worden sein. Dabei greift Satz 1 nicht ein, weil kein Sachmangel vorliegt. Nach Satz 2 wird keine Garantie für die Größe des Kauf-(Tausch-) Gegenstandes übernommen. S nimmt aber keine Garantie für die Größe des Grundstücks G1 in Anspruch. Sie verlangt nicht etwa Übertragung einer Fläche von mehr als 18.632 m². Vielmehr legt sie ihrem Anspruch zugrunde, dass sie nur 18.632 m² erhält, und verlangt eine Anpassung des Vertrags an diesen Umstand und, weil B diese Anpassung nicht bewilligen wollte, die Rückabwicklung. Dieses Begehren wird auch von § 9 Satz 2 nicht erfasst.

§ 313 BGB bleibt somit anwendbar.

Ergänzender Hinweis: Mit dem Verhältnis einer Vertragsklausel bei einem Dauerschuldverhältnis (Erbbauzins), die wegen veränderter Umstände der Interessenlage nicht mehr gerecht wurde, zur ergänzenden Vertragsauslegung und zum Wegfall der Geschäftsgrundlage befasst sich BGH AZ. V ZR 31/11, Urteil vom 18. 11. 2011. Aus dem LS der - für BGHZ vorgesehenen - Entscheidung: Erfüllt die in einem Erbbaurechtsbestellungsvertrag vereinbarte wertsichernde Klausel ab einem bestimmten Zeitpunkt ihren Zweck nicht mehr, ist im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung zu ermitteln, was die Vertragspartner nach Treu und Glauben für diesen Fall vereinbart hätten; führt die Auslegung zu keinem Ergebnis, kommt eine Erhöhung des Erbbauzinses wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage in Betracht.

III. Entscheidende Voraussetzung für § 313 ist, dass eine Störung der Geschäftsgrundlage vorgelegen hat. Das richtet sich zunächst nach § 313 I. Jedoch haben sich im vorliegenden Fall keine Umstände verändert. Es könnten sich aber wesentliche Vorstellungen der Parteien, die zur Grundlage des Vertrags geworden sind, als falsch herausgestellt haben (§ 313 II).

1. BGH [16] geht von den Feststellungen der Vorinstanzen aus, dass Geschäftsgrundlage die Annahme der Parteien bzw. die dem Bekl. erkennbar gewordene und von ihm nicht beanstandete Vorstellung der Kl. geworden, dass die zu tauschenden Grundstücke zumindest annähernd dasselbe Flächenmaß haben. Objektiver Ausdruck dessen ist die Angabe der Größe der an die Kl. zu übertragenden unvermessenen Fläche im Vertragstext („ca. 28.699 m² “), die der ebenfalls in den Vertrag aufgenommenen Größe des als Gegenleistung an den Bekl. zu übereignenden Grundstücks (28.699 m²) entspricht. Die maßgebliche Annahme bezieht sich dabei nicht auf eine bestimmte Beschaffenheit des einzelnen Grundstücks, sondern auf das Flächenverhältnis der Grundstücke zueinander und damit auf das Wertverhältnis von Leistung und Gegenleistung (Tauschverhältnis 1:1).

2. Nicht zur Geschäftsgrundlage gehören Umstände, deren Eintritt oder Nichteintritt in den alleinigen Risikobereich einer Partei fallen. Die Vereinbarung in § 9 Satz des Vertrages kann aber nicht dahin verstanden werden, dass das Risiko eines erheblichen Auseinanderfallens von angenommener und wirklicher Größe eines der beiden Grundstücke in den alleinigen Verantwortungsbereich einer der Parteien fallen sollte. Die Folgen wegen eines erheblichen Missverhältnisses zwischen angenommener und wirklicher Grundstücksgröße sind kein Umstand, der durch die Nichtübernahme einer Garantie für die Größe des Grundstücks in die alleinige Verantwortung der S verlagert werden sollte.

BGH [17]: Das Risiko einer erheblichen Verschiebung dieses Äquivalenzverhältnisses - sei es zu Lasten der Kl., sei es zu Lasten des Bekl., wenn die in den Plan eingezeichnete Fläche deutlich größer als angenommen gewesen wäre - ist durch den Ausschluss jeglicher Mängelansprüche nicht der hierdurch benachteiligten Vertragspartei auferlegt worden. Einer solchen Annahme steht bereits entgegen, dass es sich bei der Differenz zwischen der bezifferten und der der Grenzziehung im Lageplan entsprechenden Flächengröße weder um einen Sachmangel noch um die Abweichung von einer bestimmten Beschaffenheit handelt. Der Ausschluss darauf bezogener Rechte enthält also keine Aussage darüber, wer das Risiko einer Störung des angestrebten Äquivalenzverhältnisses zwischen Leistung und Gegenleistung tragen sollte.

2. Dass das Wertverhältnis der beiden Tauschgrundstücke infolge der gleichen Größe in etwa gleich ist, hat sich als falsch herausgestellt.

3. Hätten S und B gewusst, dass das Grundstück G1 wesentlich kleiner ist als angenommen, hätte S den Vertrag nicht in der Form wie geschehen geschlossen. Auch B hätte dies akzeptieren müssen.

4. Ein unverändertes Festhalten an dem Vertrag müsste für S nicht zumutbar sein. BGH [21]: Angesichts der dem Tauschvertrag zugrunde liegenden Vorstellung, beide Grundstücke seien aufgrund übereinstimmender Größe wertgleich (§ 313 Abs. 2 BGB), und einer Flächendifferenz von mehr als 10.000 m² - dies entspricht einer Abweichung von 35 % gegenüber der von den Parteien zugrunde gelegten Größe - ist der Kl. ein Festhalten an dem Vertrag in seiner ursprünglichen Form nicht zuzumuten, während dem Bekl. ein Abgehen von dem Vereinbarten, beispielsweise durch Rückübertragung eines der Größendifferenz entsprechenden Teils der ihm übertragenen Fläche, angesonnen werden konnte.

5. Der vorstehend bejahten Störung der Geschäftsgrundlage nach § 313 I, II steht nicht entgegen, dass die Ursache hierfür aus dem Verantwortungsbereich der S stammt. BGH [17]: Dabei kommt es nicht darauf an, dass die Vorstellung, die in dem Lageplan ausgewiesene Fläche entspreche 28.699 m² und damit der Größe des von der Kl. an den Bekl. tauschweise zu übereignenden Grundstücks, auf einen Fehler im Verantwortungsbereich der Kl. bei der Einzeichnung in den Lageplan zurückgeht. Ansprüche wegen beiderseitigen Irrtums über die für die Preisbildung maßgeblichen Umstände setzen nicht voraus, dass die Fehlvorstellung auf Seiten des Anspruchstellers unverschuldet ist; auch führt der Umstand, dass eine zur Geschäftsgrundlage erhobene fehlerhafte Berechnung, Bewertung oder sonstige Einschätzung von einer der Parteien stammt, grundsätzlich nicht dazu, dass der anderen Partei eine Anpassung des Vertrages von vornherein unzumutbar wäre.

IV. Die von S begehrte Rückabwicklung des Vertrages müsste eine in § 313 enthaltene oder von § 313 zugelassene Rechtsfolge sein, was insbesondere der Fall ist, wenn diese Rechtsfolge zur Anwendung des § 346 I BGB führt.

1. Grundsätzlich ist Rechtsfolge einer Störung der Geschäftsgrundlage ein Anspruch auf Anpassung des Vertrags (§ 313 I). Diesen Anspruch hat S zunächst verfolgt, macht ihn jetzt aber nicht mehr als einen in diesem Zusammenhang zu prüfenden Hauptantrag, sondern nur noch als Hilfsantrag geltend. Der Hauptantrag ist auf Rückabwicklung gerichtet.

2. Ein zur Anwendung des § 346 BGB führendes Rücktrittsrecht ist in § 313 III vorgesehen und hat zur Voraussetzung, dass die Anpassung nicht möglich oder nicht zumutbar ist.

a) Im vorliegenden Fall könnte eine Anpassung durch Zahlung eines Wertausgleichs erfolgen, so wie ihn S mit dem Hilfsantrag geltend macht. Oder B könnte eine der Größendifferenz entsprechende Teilfläche des erlangten Grundstücks G2 an S zurückübertragen. Von einer Unmöglichkeit der Anpassung kann also nicht ausgegangen werden.

b) Unzumutbarkeit ergibt sich nicht bereits daraus, dass B eine Mitwirkung bei der Anpassung verweigert hat. BGH [24, 25]: Zwar kann die Weigerung einer Vertragspartei, dem berechtigten Verlangen der anderen Partei auf Anpassung des Vertrags zu entsprechen, ausnahmsweise dazu führen, dass dieser ein weiteres Festhalten an dem unveränderten Vertrag unzumutbar wird und sie daher zum sofortigen Rücktritt vom Vertrag berechtigt ist. Dies kommt insbesondere in Betracht, wenn andernfalls der Vertrag unter den als unzumutbar anzuerkennenden Bedingungen zunächst fortgeführt werden und der Anpassungsgläubiger noch weitere Nachteile als die bereits entstandenen auf sich nehmen müsste (vgl. BGH NJW 1969, 233, 234 für einen Bauvertrag). Grundsätzlich besteht ein Rücktrittsrecht aber nicht allein deshalb, weil der von einer Störung der Geschäftsgrundlage Begünstigte trotz entsprechender (und berechtigter) Aufforderung die Mitwirkung an einer Vertragsanpassung verweigert. Der Rücktritt ist in § 313 Abs. 3 BGB nur nachrangig für den Fall vorgesehen, dass eine Vertragsanpassung nicht möglich oder einer der Parteien nicht (mehr) zumutbar ist (vgl. PWW/Medicus/Stürner, BGB, 6. Aufl., § 313 Rn. 25; Erman/Hohloch, BGB, 13. Aufl., § 313 Rn. 44). Angesichts der Möglichkeit, den Anpassungsanspruch gerichtlich durchzusetzen, führt die Weigerung des Begünstigten, an einer Vertragsanpassung mitzuwirken, für sich genommen nicht dazu, dass dem Benachteiligten ein weiteres Festhalten an dem Vertrag und dessen (künftige) Anpassung unzumutbar wird (vgl. AnwK/Krebs, BGB, § 313 Rn. 83 sowie Soergel/Teichmann, 12. Aufl., § 242 Rn. 268; zur praktischen Durchsetzbarkeit eines Anspruchs auf Verhandlungen siehe - für einen Vorvertrag - BGH NJW 2006, 2843, 2845 Rn. 26). Auch der Kl. wäre es zumutbar gewesen, ihren Anspruch auf Anpassung des Vertrages gerichtlich durchzusetzen. Somit ist die Anpassung auch nicht unzumutbar.

Aus § 313 III ergibt sich kein Rücktrittsrecht der S.

3. BGH [26]: Ein Rücktrittsrecht lässt sich auch nicht auf die Vorschrift des § 323 BGB stützen; diese wird durch die speziellere, vorrangig auf eine Aufrechterhaltung des Vertrages gerichtete Regelung des § 313 BGB verdrängt (so zutreffend Bamberger/Roth/Unberath, BGB, 2. Aufl., § 313 Rn. 91; AnwK/Krebs, BGB, § 313 Rn. 83 a. E.; a.A. Palandt/Grüneberg, BGB, 70. Aufl., § 313 Rn. 41).

4. Im vorliegenden Fall hat der BGH zugelassen, dass S ausnahmsweise Rückabwicklung ohne Rücktrittsrecht verlangen kann, und hat dies mit einer Würdigung des Verhaltens des B nach Eintritt der Voraussetzungen des § 313 BGB begründet. B hat die Voraussetzungen für einen Anspruch der S bestritten. Er musste aber auch damit rechnen, dass ein Anspruch der S aus § 313 besteht und er zur Mitwirkung bei der Anpassung verpflichtet ist. Gleichwohl hat er sich nicht zu den möglicherweise eintretenden Rechtsfolgen des § 313 geäußert. Daraus schließt der BGH, dass B in dem Fall, dass die Voraussetzungen entgegen seiner Auffassung vorliegen, mit einer Rückabwicklung einverstanden ist.

BGH [27, 28]: Auch ohne wirksamen Rücktritt kommt es zu einer von der benachteiligten Partei gewünschten Rückabwicklung des Vertrages, wenn die Gegenseite im Prozess nur die Voraussetzungen des § 313 Abs. 1 bzw. Abs. 2 BGB in Abrede stellt, ohne sich für den Fall, dass das Gericht eine Störung der Geschäftsgrundlage annehmen sollte, gegen die Rückabwicklung des Vertrages als deren Rechtsfolge zu wenden. Angesichts der Pflicht, an einer Vertragsanpassung mitzuwirken, kommt einem solchen Verhalten der objektive Erklärungswert zu, mit dem Vorschlag der Gegenseite (Rückabwicklung) einverstanden zu sein (vgl. BGH NJW 2006, 2843, 2845 Rn. 26). Die in § 313 Abs. 3 BGB angeordnete Nachrangigkeit des Rücktritts steht dem nicht entgegen. Sie beruht auf dem Gedanken, dass die Auflösung eines Vertrages tiefer in die Privatautonomie eingreift als dessen Anpassung (vgl. PWW/Medicus/Stürner, BGB, 6. Aufl., § 313 Rn. 25), kommt also nicht zum Tragen, wenn beiden Parteien nicht (mehr) an einer Aufrechterhaltung des Vertrages gelegen ist.

So liegt es auch hier. Der Bekl. hat in den Vorinstanzen zwar in Abrede gestellt, dass die Kl. aus der Flächendifferenz Rechte herleiten kann, aber für den Fall, dass ein Anspruch nach § 313 Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 BGB besteht, sich weder gegen die Auflösung des Vertrages als dessen Rechtsfolge gewendet noch die Wirksamkeit des Rücktritts wegen Vorrangs der Vertragsanpassung in Zweifel gezogen.
Folglich kann S Rückabwicklung verlangen. Da § 346 I BGB bei unmittelbarer Anwendung ein Rücktrittsrecht verlangt, wendet der BGH auf den hier gegebenen Fall der Rückabwicklung ohne Rücktrittsrecht § 346 I analog an, vgl. [20]: Der Kl. steht ein Anspruch auf Rückauflassung des dem Bekl. übertragenen Grundstücks entsprechend § 346 Abs. 1 BGB zu…

V. Somit ist der Anspruch der S gegen B auf Rückauflassung des Grundstücks G2 begründet. Da S mit ihrem Hauptantrag durchdringt, entfällt der Hilfsantrag.

B. Ein Anspruch auf Ersatz der vorgerichtlich entstandenen Anwaltskosten kann sich unter dem Gesichtspunkt des Verzuges aus §§ 280 I, II, 286 BGB ergeben.

I. Hierfür bedarf es eines fälligen Anspruchs, mit dessen Erfüllung B möglicherweise in Verzug geraten ist.

1. In Betracht kommt ein nach Eintritt der Störung der Geschäftsgrundlage entstandener Anspruch der S gegen B aus § 313 I BGB auf Mitwirkung bei der Vertragsanpassung. Ob ein solcher Anspruch besteht, ist streitig. BGH [33] stellt den Streit dar und entscheidet sich für eine Bejahung des Anspruchs: Der…Anspruch auf Vertragsanpassung nach § 313 Abs. 1 BGB verpflichtet die durch eine Störung der Geschäftsgrundlage begünstigte Vertragspartei, im Zusammenwirken mit der anderen Partei eine Anpassung des Vertrages herbeizuführen. Hierbei handelt es sich um eine vertragliche Mitwirkungspflicht, deren Verletzung Schadensersatzansprüche nach § 280 Abs. 1 BGB auslösen kann (so auch Palandt/Grüneberg, BGB, 70. Aufl., § 313 Rn. 41; Dauner-Lieb/ Dötsch, NJW 2003, 921, 925;…einschränkend MünchKomm-BGB/Roth, 5. Aufl., § 313 Rn. 93). Der dagegen erhobene Einwand, eine Verhandlungspflicht könne nicht vollstreckt werden und sei daher abzulehnen (z.B. PWW/Medicus/Stürner, BGB, 6. Aufl., § 313 Rn. 20; Bamberger/Roth/Unberath, BGB, 2. Aufl., § 313 Rn. 85;…), überzeugt nicht. Mit dem Anspruch der benachteiligten Partei auf Vertragsanpassung korrespondiert die Verpflichtung der begünstigten Partei, an dieser Anpassung mitzuwirken. Anspruch und Verpflichtung sind zwei Seiten desselben Rechts. Durchgesetzt wird die Mitwirkungspflicht demgemäß durch die gerichtliche Geltendmachung des Anpassungsanspruchs. Hierzu kann die benachteiligte Partei eine von ihr formulierte Änderung des Vertrages zum Gegenstand der Klage machen (vgl. BGH NJW 2006, 2843, 2845 Rn. 26 für die aus einem Vorvertrag folgende Mitwirkungspflicht) oder aber unmittelbar auf die Leistung klagen, die sich aus der von ihr als angemessen erachteten Vertragsanpassung ergibt. Letzteres ist nicht nur die Geltendmachung des Anspruchs aus der Anpassung, sondern zugleich die Durchsetzung des Anspruchs auf Anpassung (…).

2. Somit hatte S gegen B einen Anspruch darauf, dass dieser an einer Anpassung des Vertrags mitwirkte.

II. S hat B entsprechend § 286 I BGB gemahnt, dieser Pflicht nachzukommen. B hat gleichwohl die Pflicht nicht erfüllt.

III. Anhaltspunkte dafür, dass B seine unterlassene Mitwirkung an der Vertragsanpassung nicht zu vertreten hat (§ 186 IV), bestehen nicht.

IV. Der durch die Pflichtverletzung des B entstandene Schaden besteht darin, dass S einen Rechtsanwalt beigezogen hat und ihr dadurch Kosten entstanden sind. BGH [35]: Die Beauftragung eines Rechtsanwalts durch die Kl. stellte eine durch den Verzug bedingte und zweckentsprechende Maßnahme zur Rechtsverfolgung dar. Dass der Anwalt nach einer letztmaligen Aufforderung zur Mitwirkung bei der Vertragsanpassung den Rücktritt vom Vertrag erklärt und anschließend mit der Rückauflassung des Grundstücks eine andere Leistung als die angemahnte Leistung von dem Bekl. verlangt hat, ändert nichts daran, dass seine Inanspruchnahme durch den Verzug des Bekl. bedingt und zur Durchsetzung der Rechte der Kl. erforderlich war (vgl. BGH NJW 2011, 1222, 1224 Rn. 23).

Somit ist auch der Anspruch auf die vorprozessual entstandenen Rechtsanwaltskosten begründet.


Zusammenfassung