Bearbeiter: Prof. Dr. Rainer Strauß

Urkundenfälschung, § 267 StGB. Betrug, § 263 StGB

BGH Beschluss vom 26.2.2003 (2StR 411/02) NStZ 2003, 543

Fall (Falsche Arztabrechnung)

A ist als Arzt tätig und alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer eines Laborinstitutes. Er stellte seinen Privatpatienten Rechnungen für eigene Laborleistungen aus, die – für die Patienten nicht erkennbar – von Fremdlaboren erbracht worden waren. Dabei ging er wie folgt vor. Er knickte den Briefkopf der Fremdlabore auf deren Befundberichten weg, legte an dessen Stelle den Briefkopf seines eigenen Instituts und erstellte hiervon Fotokopien. Diese legte er den Patienten vor, um den Eindruck zu erwecken, er selbst bzw. sein Institut habe die Leistungen erbracht. Auf diese Weise verfuhr A in 187 Fällen. Die Patienten zahlten die jeweiligen Rechnungen an A. Die Forderungen der Fremdlabore wurden bislang nicht beglichen. Strafbarkeit des A ?

I . A könnte sich wegen einer Urkundenfälschung gemäß § 267 I 1. Fall StGB strafbar gemacht haben. Dann müsste A eine unechte Urkunde hergestellt haben.

1. Eine Urkunde ist eine verkörperte Gedankenerklärung, die zum Beweis im Rechtsverkehr geeignet ist und einen Aussteller erkennen lässt. Die Rechnungen über die Laborleistungen beinhalten die verkörperte Gedankenerklärung, dass Laborleistungen zu einem bestimmten Preis erbracht wurden, so dass eine verkörperte Gedankenerklärung gegeben ist. Nach der Geistigkeitstheorie ist derjenige Aussteller, der sich die verkörperte Gedankenerklärung im Rechtsverkehr zurechnen lassen muss. Die Laborrechnungen enthielten den Briefkopf des A, so dass sie diesem im Rechtsverkehr zugerechnet werden. Es handelt sich somit bei den Rechnungen um Urkunden.

2 . Unecht ist eine Urkunde, wenn sie nicht von demjenigen stammt, der als Ausstellung aus ihr hervorgeht. Durch das Merkmal unecht in § 267 I 1. Fall StGB soll sichergestellt werden, dass nur solche Urkunden von § 267 I 1. Fall StGB geschützt werden, durch die dem aus der Urkunde ersichtlichen Aussteller eine fremde Erklärung „untergeschoben“ wird. § 267 I 1. Fall StGB schützt dagegen nicht vor „schriftlichen Lügen“ (Joecks, Studienkommentar, § 267 Rnr. 53). Auf Grund des Aufkopierens des Briefkopfes geht A als Aussteller der Rechnungen hervor. Da A die Urkunde durch das Aufkopieren seines Briefkopfes auch hergestellt hat, stammt die Urkunde von der Person, die als ihr Aussteller erscheint. Es handelt sich somit nicht um eine unechte Urkunde, sondern nur um eine schriftliche Lüge. A hat sich nicht gemäß § 267 I 1. Fall StGB strafbar gemacht.

II. A könnte sich wegen einer Urkundenfälschung gemäß § 267 I 2. Fall StGB strafbar gemacht haben.

Dann müsste er eine echte Urkunde verfälscht haben. Ein Verfälschen ist jede nachträgliche Veränderung des gedanklichen Inhaltes einer echten Urkunde, durch die der Anschein geweckt wird, der Aussteller habe die Erklärung in der Form abgegeben, die sie durch die Verfälschung erlangt hat. Da A hier selbst als Aussteller der Urkunde erscheint, ist auch der objektive Tatbestand des § 267 I 2. Fall StGB nicht gegeben.

III. A könnte sich wegen einer Urkundenfälschung gemäß § 267 I 3. Fall StGB strafbar gemacht haben.

Dann müsste er eine unechte oder verfälschte Urkunde gebraucht haben. Ein strafbares mittelbares Gebrauchmachen einer unechten oder verfälschten Urkunde liegt vor, wenn der Täter eine echte Urkunde verfälscht oder eine unechte Urkunde herstellt, hiervon eine Kopie erstellt und diese Kopie anschließend im Rechtsverkehr einsetzt. Die von A hergestellten Kopiervorlagen der Rechnungen waren aber keine unechten Urkunden. Auch hat A keine echte Urkunde verfälscht, indem er den Briefkopf der Rechnungen der Fremdlabore abknickte und seinen eigenen Briefkopf aufkopierte. A hat sich somit auch nicht wegen einer Urkundenfälschung gemäß § 267 I 3. Fall StGB strafbar gemacht.

A hat keine Urkundenfälschung begangen.

IV. A könnte sich wegen Betruges gemäß § 267 I StGB gegenüber und zu Lasten der Patienten strafbar gemacht haben.

1 . Dann müsste A die Patienten getäuscht haben. Eine Täuschung ist jede Einwirkung auf das Vorstellungsbild eines anderen, um eine Fehlvorstellung über Tatsachen hervorzurufen. Indem A seinen Briefkopf auf die Rechnungen der Fremdlabore fotokopiert hat, hat er vorgespiegelt, die in der Rechnung aufgeführten Leistungen erbracht zu haben. Er hat somit auf das Vorstellungsbild der Patienten eingewirkt, um eine Fehlvorstellung über Tatsachen herbeizuführen.

2 . Infolge dieser Täuschung ist ein entsprechender Irrtum bei den Patienten hervorgerufen worden.

3 . Durch die von den Patienten vorgenommene Bezahlung der Rechnungen an A liegt eine irrtumsbedingte Vermögensverfügung der Patienten vor.

4 . Infolge der Vermögensverfügung ist ein Vermögensschaden der Patienten eingetreten, da die den Fremdlaboren zustehenden Forderungen durch die Zahlung an A nicht durch Erfüllung gemäß § 362 BGB erloschen und somit weiterhin offen sind.

5 . A handelte vorsätzlich und in der Absicht der stoffgleichen Eigenbereicherung. Die von ihm erstrebte Bereicherung war rechtswidrig, und er hatte auch diesbezüglichen Vorsatz.

6 . A hat rechtswidrig und schuldhaft gehandelt und sich somit wegen Betruges gemäß § 263 I StGB strafbar gemacht.

Zusammenfassung

Durch die Kopie zweier lose aufeinander gelegter Urkunden wird keine unechte Urkunde hergestellt, keine echte Urkunde verfälscht und keine unechte oder verfälschte Urkunde gebraucht. Es handelt sich um eine schriftliche Lüge, die vom Schutzzweck des § 267 StGB ausgenommen ist. Es kommt nur eine Strafbarkeit wegen Betruges in Betracht.