Bearbeiter: Prof. Dr. Rainer Strauß

Raub, Schreckschusspistole als Waffe, §§ 249, 250 II Nr. 1 StGB.

Mittäterschaft, 25 II StGB

BGH Urteil vom 19.09.2001 (2 StR. 224/01) NStZ-RR 2002, 9

Fall (Raub mit Waffe)

A und B wollten einen Supermarkt überfallen. Entsprechend ihrem Tatplan fuhren sie zu einem HL-Markt. Sie hatten Motorrad-Masken sowie eine geladene Schreckschusspistole dabei, wollten aber niemanden bei dem Überfall gefährden. Sie zogen sich die Motorrad-Masken über ihre Gesichter und betraten den HL-Markt. A nahm die geladene Schreckschusspistole in die Hand und sagte aus ca. acht Meter Entfernung zu dem Kassierer: „Überfall!“ Da der Kassierer nicht reagierte, ging A auf ihn zu, hielt ihm die Pistole direkt an den Kopf und forderte ihn auf, die Kasse zu öffnen. Der Kassierer schloss aus Angst vor A und B die Kasse auf, woraufhin diese gemeinsam alles Papiergeld an sich nahmen. Sie flüchteten mit dem erbeuteten Geld. Strafbarkeit von A und B ?

I. A könnte sich wegen eines schweren Raubes gemäß §§ 249 I, 250 II Nr. 1 StGB strafbar gemacht haben.

1. Objektiver Tatbestand

a) Die Geldscheine waren für A fremde bewegliche Sachen.

b) Diese müsste er weggenommen haben. Eine Wegnahme stellt den Bruch fremden und die Begründung neuen Gewahrsams dar. Gewahrsam ist die von einem Herrschaftswillen getragene tatsächliche Sachherrschaft über eine Sache. Ursprünglich befanden sich die Geldscheine im Gewahrsam des Kassierers. Indem A diese an sich genommen hat, hat er den Gewahrsam des Kassierers gegen dessen Willen gebrochen und eigenen Gewahrsam an den Geldscheinen begründet. Eine Wegnahme ist somit gegeben.

c) A müsste Gewaltgegen eine Person angewendet haben. Gewalt im Sinne des § 249 I StGB ist körperlich wirkender Zwang durch unmittelbare oder mittelbare Einwirkung auf einen anderen, der geeignet ist, einen tatsächlichen oder zu erwartenden Widerstand zu brechen. (vgl. zum Gewaltbegriff Joecks, Studienkommentar StGB, § 249 Rnr. 16). A hielt dem Kassierer eine geladene Schreckschusspistole an den Kopf und hat somit Personengewalt gegen diesen verübt.

d) Die Wegnahme der Geldscheine aus der Kasse erfolgte unmittelbar, nachdem A dem Kassierer die Pistole an die Schläfe gehalten hatte. Es bestand daher ein enger räumlich-zeitlicher Zusammenhang zwischen der Wegnahmehandlung und der Gewaltanwendung.

e) A könnte den Qualifikationstatbestand des § 250 II Nr. 1 StGB verwirklicht haben. Hierfür müsste er eine Waffebei der Tat verwendet haben. Waffen im Sinne des § 250 II Nr. 1 StGB sind Waffen im technischen Sinne, also solche Geräte, die bestimmungsgemäß dazu dienen, erhebliche Verletzungen herbeizuführen. Dazu gehören Schusswaffen, Gaspistolen, Totschläger, Betäubungsmittel oder Gifte (vgl. Joecks, Studienkommentar StGB § 244 Rnr. 8). Auch Schreckschusspistolen, die von nächster Nähe auf das Opfer gefeuert werden, sind geeignet, erhebliche Verletzungen des Opfers herbeizuführen und unterfallen damit dem Waffenbegriff des § 250 II Nr. 1 StGB.

Der objektive Tatbestand ist damit erfüllt.

2. Subjektiver Tatbestand

A hatte Vorsatz zur Verwirklichung der objektiven Tatbestandsmerkmale der §§ 249 I, 250 II Nr. 1 StGB. Ferner setzte er die Gewalt gezielt gegen den Kassierer als Mittel zur Wegnahme des Geldes ein, so dass auch der Finalzusammenhang zwischen der Personengewalt und der Wegnahme gegeben ist. Weiterhin hatte er die Absicht, sich das Geld zuzueignen. Die von ihm erstrebte Zueignung war auch rechtswidrig und er handelte diesbezüglich vorsätzlich. Der subjektive Tatbestand ist somit ebenfalls erfüllt.

3. A hat rechtswidrig und schuldhaft gehandelt und sich somit wegen eines schweren Raubes gem. §§ 249 I, 250 II Nr. 1 StGB strafbar gemacht.

II. B könnte sich als Mittäter eines schweren Raubes gemäß §§ 249 I, 250 II Nr. 1, 25 II StGB strafbar gemacht haben.

1. Objektiver Tatbestand

a) B hat die Geldscheine, die sich im Gewahrsam des Kassierer befunden ebenfalls weggenommen.

b) Allerdings hat er bei der Durchführung der Tat selbst keine Waffe getragen und auch eine solche nicht gegen den Kassierer verwendet. Nach Auffassung des BGH ist B aber die Verwendung der geladenen Schreckschusspistole durch A zuzurechnen: Das LG hatte zwar nicht feststellen können, dass der B von vorneherein die Bedrohung des Kassierers mit der aufgesetzten Schreckschusspistole wollte oder billigend in kauf nahm und meint, auch nachträglich sei ein dahingehendes Einverständnis nicht hergestellt worden. Diese Beurteilung hält aber der rechtlichen Prüfung nicht stand. Denn auch nachdem A den Kassierer die Schreckschusspistole direkt an den Kopf hielt, hat sich der B weiter aktiv an der Tatvollendung beteiligt, indem er zusammen mit A die Geldscheine aus der Kasse nahm und den Kassierer auffordert, noch eine weitere Kasse zu öffnen. Dabei ist dem B unter den gegebenen Umständen die Bedrohung des Kassierers mit der aufgesetzten Waffe nicht entgangen. Das Aufsetzen der Waffe ging zwar nach den Feststellungen des LG über den zunächst gefassten Tatplan hinaus, der B hat sich aber diese Art der Bedrohung für seinen eigenen Tatbeitrag zu Eigen gemacht, indem er auch nach Kenntnis dieses Umstandes an der Vollendung der Tat weiter mitwirkte.

B ist daher die Gewaltanwendung und die Verwendung der Waffe durch A zuzurechnen. B hat somit ebenfalls den objektiven Tatbestand der §§ 249 I, 250 II Nr. 1 verwirklicht.

2. Er hat vorsätzlich, rechtswidrig und schuldhaft gehandelt und sich somit als Mittäter eines schweren Raubes gemäß §§ 249 I, 250 II Nr. 1, 25 II StGB strafbar gemacht.

Zusammenfassung

Wegen schweren Raubes gemäß §§ 249 I, 250 II Nr. 1 StGB macht sich auch strafbar, wer zwar die Waffe nicht selbst benutzt, sich aber aktiv an der Tatvollendung beteiligt, Kenntnis von der Verwendung der Waffe hat und sich den Einsatz der Waffe zu Eigen macht.

 

Mordmerkmal niedriger Beweggrund (§ 211 II 1. Gruppe, 4. Fall, StGB) bei Ausländern mit abweichenden Wertvorstellungen - BGH NStZ 2002, 369