Gemeinschaftliche Sachbeschädigung, § 303 StGB; Unfallflucht, § 142 I StGB; gefährlicher Eingriff in den Straßenverkehr, §§ 315 b I Nr. 3, 25 II StGB - BGH StV 2002, 359
Bearbeiter: Prof. Dr. Rainer Strauß
► Gemeinschaftliche Sachbeschädigung, § 303 StGB. ► Unfallflucht, § 142 I StGB. ► Gefährlicher Eingriff in den Straßenverkehr, §§ 315 b I Nr. 3, 25 II StGB
BGH Urteil v. 15.11.2001 (4 StR 233/01), StV 2002, 359
Fall (Spiel mit Mülltonnen)
A und B beschlossen zum Zeitvertreib auszuprobieren, ob es möglich ist, Mülltonnen aus dem fahrenden Auto zu greifen und eine gewisse Strecke festzuhalten. Diesen Entschluss setzten sie bei nächtlichen Fahrten um, wobei A den Pkw führte, während B vom Beifahrersitz aus die Mülltonnen ergriff und nach einer Weile wieder los ließ. Eine der Mülltonnen konnte B nur kurz festhalten und ließ sie neben einem abgestellten Pkw wieder fallen. An dem Pkw entstand ein Reparaturschaden in Höhe von 2.700 DM. A und B flüchteten zunächst unerkannt. Strafbarkeit von A und B ?
I. A und B könnten sich wegen einer gemeinschaftlichen Sachbeschädigung gem. § 303 I StGB strafbar gemacht haben.
1. Dann müssten sie eine fremde Sache beschädigt haben. Eine Beschädigung liegt vor, wenn die Substanz der Sache nicht nur unerheblich verletzt wurde. Hiervon kann aufgrund des entstandenen Sachschadens in Höhe von 2.700 DM ausgegangen werden. Indem A das Fahrzeug fuhr und B die Mülltonne festhielt und nach einer Weile wieder los ließ, haben sie jeder einen nicht nur untergeordneten Tatbeitrag erbracht und handelten deshalb gemeinschaftlich i. S. des § 25 II StGB.
2. Weiterhin müssten A und B vorsätzlich und in bewusstem und gewolltem Zusammenwirken den objektiven Tatbestand der Sachbeschädigung verwirklicht haben. Vorsätzlich handelt, wer den tatbestandlichen Erfolg zumindest billigend in Kauf nimmt und den Eintritt der Verwirklichung des objektiven Tatbestandes für möglich hält. Der BGH hat bei dem vorliegenden Sachverhalt die Verurteilung von A und B wegen einer bedingt vorsätzlich begangenen Sachbeschädigung nicht beanstandet. Da A und B auch bewusst und gewollt zusammenwirkten, haben sie sich gem. §§ 303 I, 25 II StGB wegen einer gemeinschaftlichen Sachbeschädigung an dem parkenden Pkw strafbar gemacht.
II. Weiterhin könnten A und B sich gem. §§ 142 I, 25 II StGB wegen einer gemeinschaftlichen Unfallflucht strafbar gemacht haben.
1. Dann müsste ein Unfall im Straßenverkehr gegeben sein. Unfall i. S. des § 142 I StGB ist jedes plötzliche Ereignis, durch das ein Mensch zu Schaden kommt oder ein nicht ganz belangloser Sachschaden verursacht wird. Die Grenze der Belanglosigkeit liegt bei etwa 20 Euro. Der hier entstandene Schaden überschreitet diesen Betrag bei weitem. Doch genügt nicht jede ursächliche Verknüpfung des Schadensereignisses mit dem Verkehrsgeschehen. Nicht jeder Unfall ist schon deshalb ein Unfall im Straßenverkehr i. S. des § 142 StGB, weil er sich im öffentlichen Verkehrsraum ereignet. Vielmehr setzt ein Verkehrsunfall nach dem Schutzzweck des § 142 StGB einen straßenverkehrsspezifischen Gefahrenzusammenhang voraus. Bei einem Verkehrsunfall müssen sich gerade die typischen Gefahren des Straßenverkehrs verwirklicht haben. BGH: Dass sich in dem Schadensereignis ein verkehrstypisches Unfallrisiko realisiert hat, kann jedenfalls dann nicht angenommen werden, wenn ein Verhalten schon nach seinem äußeren Erscheinungsbild keine Auswirkung des allgemeinen Verkehrsrisikos, sondern einer deliktischen Planung ist... Allein der Umstand, dass der Täter, wie hier die Angeklagten, dabei aus einem fahrenden Fahrzeug heraus handelt, vermag den notwendigen Zusammenhang mit den typischen Gefahren des Straßenverkehrs nicht herzustellen. Dementsprechend hat das OLG Hamm zu Recht den Fahrer eines Lkws, aus dem heraus ein Pkw mit Flaschen beworfen und dadurch beschädigt worden war, vom Vorwurf des § 142 StGB freigesprochen... Das Interesse des Geschädigten an der Ermittlung des Schadensverursachers rechtfertigt kein anderes Ergebnis. Denn das Feststellungsinteresse besteht unabhängig davon, wo, auf welche Weise und mit welchen Mitteln der Schaden entstanden ist, taugt aber für sich nicht zur innerlichen Bestimmung des Begriffs des Unfalls im Straßenverkehr.
2 . Das Tatbestandsmerkmal Unfall im Straßenverkehr ist daher nicht gegeben. A und B haben sich nicht gemäß § 142 I StGB strafbar gemacht.
III. A und B könnten sich wegen eines gemeinschaftlichen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr gemäß §§ 315 b I Nr. 3, 25 II StGB strafbar gemacht haben.
1. Die Vorschrift des § 315 b I Nr. 3 StGB enthält eine Generalklausel, die verwirklicht ist, wenn die Täter von außen in die Sicherheit des Straßenverkehrs eingreifen. Auch der Führer eines Kraftfahrzeuges kann Täter im Sinne des § 315 b I Nr. 3 StGB sein, wenn er sein Fahrzeug bewusst zweckwidrig einsetzt. Eine Strafbarkeit gem. § 315 b I Nr. 3 StGB setzt nach der Rechtsprechung des BGH allerdings voraus, dass objektiv grob auf den Straßenverkehr eingewirkt wird. Ob eine solche grobe Einwirkung vorliegend gegeben ist, bezweifelt der BGH.
2. Selbst wenn von einem groben Eingriff in den Straßenverkehr ausgegangen wird, scheidet eine Strafbarkeit gemäß § 315 b I Nr. 3 StGB aus, da dieser eine konkrete Gefahr des Straßenverkehr voraussetzt, durch die die Sicherheit des Straßenverkehrs auch tatsächlich beeinträchtigt wird. Erschöpft sich dagegen der Eingriff in der konkreten Gefährdung bzw. Schädigung, scheidet der Tatbestand des § 315 b aus.
A und B haben sich daher nicht wegen eines gemeinschaftlichen Eingriffs in den Straßenverkehr gem. §§ 315 b I Nr. 3, 25 II StGB strafbar gemacht.