Bearbeiter: Prof. Dr. Rainer Strauß

Gefährliche Körperverletzung, § 224 I StGB

BGH Beschluss vom 15.05.2002 (2 StR 113/02) StV 2002, 482

Fall (Der wütende Ehemann)

Ehemann A hatte Streit mit seiner Ehefrau E. A zog die Schnürsenkel aus seinen Turnschuhen und band E die Füße zusammen. Sodann würgte er sie mit bloßen Händen und drückte mit seinen Fingern stark auf eine Stelle im Bereich der rechten Halsschlagader, bis E keine Luft mehr bekam. E wehrte sich und sagte röchelnd zu ihm, er solle damit aufhören. Daraufhin holte A eine Plastiktüte und versuchte, diese E über den Kopf zu ziehen. Da E sich weiterhin heftig wehrte, gelang A nur, die Plastiktüte bis auf etwa in die Höhe der Nase der E herunterzuziehen. Nachdem A die E auch noch mit seinen Fäusten gegen den Kopf und Rücken geschlagen hatte, gelang es E, die Schnürsenkel an den Füßen zu lösen und zu entkommen. Strafbarkeit des A?

I. A könnte sich wegen einer gefährlichen Körperverletzung gemäß § 224 I Nr. 2 StGB (mittels eines gefährlichen Werkzeuges) und Nr. 5 (mittels einer das Leben gefährdenden Behandlung) strafbar gemacht haben.

1. Indem er E würgte und mit den Fäusten gegen ihren Kopf und Rücken schlug, hat er E übel und unangemessen behandelt und somit den objektiven Tatbestand einer einfachen Körperverletzung gemäß § 223 StGB erfüllt.

2. Weiterhin müsste A den Qualifikationstatbestand des § 224 I Nr. 2 StGB verwirklicht haben. Ein gefährliches Werkzeug im Sinne dieser Vorschrift ist jeder Gegenstand, der nach seiner objektiven Beschaffenheit und der Art seiner Benutzung im Einzelfall geeignet ist, erhebliche Körperverletzungen herbeizuführen (st. Rspr. des BGH vgl. Jöcks, Studienkommentar, § 224 Rnr. 16 m.w.N.).

Der BGH entschied in dem vorliegenden Fall, dass weder der Einsatz der Schnürsenkel noch der der Plastiktüte die Verwendung eines gefährlichen Werkzeuges i. S. des § 224 I Nr. 2 StGB ist: Die zur Fesselung der Fußgelenke verwendeten Schnürsenkel haben nach den Feststellungen zwar zu einer leichten Verletzung des Opfers geführt, waren aber hier nach der Art ihrer Benutzung nicht potentiell geeignet, erhebliche Körperverletzungen herbeizuführen.… Das Stülpen einer Plastiktüte über den Kopf des Opfers kann zwar durchaus geeignet sein, erhebliche Verletzungen herbeizuführen, dies gilt aber nicht ohne weiteres, wenn im konkreten Fall die Tüte nur bis zur Hälfte in die Höhe der Nase heruntergezogen wurde und z.B. nicht festgestellt ist, dass das Opfer in Atemnot geraten ist oder dass die Gefahr sonstiger – auch psychosomatischer – Verletzungen bestand.

Eine Strafbarkeit wegen einer gefährlichen Körperverletzung gem. § 224 I Nr. 2 StGB (gefährliches Werkzeug) scheidet daher aus.

3. A könnte den objektiven Qualifikationstatbestand des § 224 I Nr. 5 StGB (mittels einer das Leben gefährdenden Behandlung) verwirklicht haben. Die Rechtsprechung des BGH und der überwiegende Teil der Lehre verlangen, dass die Verletzungshandlung den konkreten Umständen nach objektiv geeignet war, das Leben des Opfers in Gefahr zu bringen (Wessels/Hettinger, Strafrecht Besonderer Teil/I Rnr. 282 m.w.N.). Vorliegend widerspricht der BGH dem LG Köln, welches A wegen einer gefährlichen Körperverletzung verurteilt hatte, dass der Einsatz der Plastiktüte das Leben der E in eine konkrete Gefahr gebracht habe. Daraus, dass es dem Angeklagten gelang, die Tüte bis etwa in die Höhe der Nase des Opfers herab zuziehen, kann noch nicht geschlossen werden, dass die Art der Behandlung nach den Umständen des Einzelfalls abstrakt geeignetwar, das Leben des Opfers zu gefährden. Eine Lebensgefahr wird in derartigen Fällen in erster Linie in der Erstickungsgefahr zu sehen sein. Diese besteht, wenn die Atmungsorgane beeinträchtigt sind. Das ist hier nicht festgestellt.

Eine Strafbarkeit wegen einer gefährlichen Körperverletzung gem. § 224 I Nr. 5 StGB (mittels einer das Leben gefährdenden Behandlung) scheidet daher ebenfalls aus.

II. A hat sich nur wegen einer einfachen Körperverletzung gem. § 223 StGB strafbar gemacht.

Zusammenfassung