Bearbeiter: Prof. Dr. Rainer Strauß

Betrug bei Abschluss eines Prozessvergleichs, § 263 I StGB. Vermögensschaden

BayOblG Beschluss vom 29. 1. 2003 (5 St RR 8/2003) NStZ 2004, 503

Fall (Problematischer Prozessvergleich)

A war seit 1995 Mieterin einer Wohnung des B. Als sie in finanzielle Schwierigkeiten geriet, konnte sie einen Teil der für das Jahr 2001 anfallenden Miete nicht mehr bezahlen. B erhob nach einigen Monaten Klage auf Räumung der Wohnung sowie Zahlung des ausstehenden Mietzinses in Höhe von 5.846,11 DM. A beantragte Klageabweisung. Im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Amtsgericht schlossen die Parteien einen Prozessvergleich mit dem Inhalt, dass A sich verpflichtete, an B 2.500,- DM zu zahlen und innerhalb von zwei Monaten aus der Wohnung auszuziehen. Ferner sollte A an B für die verbleibenden zwei Monate einen monatlichen Mietzins von 1016,- DM entrichten. Bereits bei Abschluss des Vertrages war A klar, dass sie weder in der Lage sein werde, die vereinbarten 2.500,- DM noch den Mietzins in Höhe von monatlich 1016,- DM zu zahlen. Strafbarkeit der A ?

A könnte sich wegen Betruges gemäß § 263 I StGB zu Lasten des B strafbar gemacht haben.

1. Dann müsste A den B bei Abschluss des Vergleichs getäuscht haben. Eine Täuschung ist jede Einwirkung auf das Vorstellungsbild eines anderen, um eine Fehlvorstellung über Tatsachen hervorzurufen. Obwohl A um ihre finanzielle Lage wusste, hat sie B vorgespiegelt, sie werde 2.500,- DM sowie einen monatlichen Mietzins in Höhe von 1016,- DM zahlen. Eine Täuschungshandlung seitens der A gegenüber B ist damit gegeben.

2. Durch die Täuschung der A ist bei B ein entsprechender Irrtum hervorgerufen worden.

3 . Weiterhin müsste B durch den Irrtum zu einer Vermögensverfügung veranlasst worden sein. Eine Vermögensverfügung ist jedes Handeln, Dulden oder Unterlassen, das sich unmittelbar vermögensmindernd auswirkt. B schloss mit A nur deshalb den Vergleich und verzichtete somit auf eine klageweise Durchsetzung seiner ursprünglichen Forderungen, weil er glaubte, A werde die in dem Vergleich vereinbarten Zahlungen leisten. Eine irrtumsbedingte Vermögensverfügung seitens des A liegt somit vor.

4. Durch die Vermögensverfügung müsste bei B ein Vermögensschaden eingetreten sein. Ein Vermögensschaden liegt vor, wenn der wirtschaftliche Gesamtwert des betroffenen Vermögens durch die Verfügung des Getäuschten vermindert wurde und dem Vermögensträger kein wirtschaftliches Äquivalent zugeflossen ist. Für die Situation des Prozessvergleiches bedeutet das, dass ein Vermögensschaden bei Abschluss des Prozessvergleiches nur dann gegeben ist, wenn sich dadurch, dass der Kläger seine ursprüngliche Forderung nicht mehr klageweise geltend macht, deren Realisierungsmöglichkeit verschlechtert (Tröndle/Fischer § 263 Rdnr. 43). Entscheidend für das Vorliegen eines Vermögensschaden ist daher, ob durch den Abschluss des Vergleichs eine weitere Verschlechterung der Vermögenslage eingetreten ist, etwa dadurch, dass die erfolgversprechende weitere Verfolgung des Anspruchs dadurch vereitelt wurde. War die Bonität des Anspruchs schon zuvor schlecht, so kommt es darauf an, ob sich die Aussichten der Realisierbarkeit weiter verschlechtert haben ... Daran ändert sich auch insoweit nichts, als ein Prozessvergleich wegen seiner Doppelwirkung als privatrechtlicher Vertrag die Rechtsbeziehungen der Parteien auf eine neue Grundlage stellt. Ein Schaden liegt nur dann vor, wenn der Getäuschte durch das Aufgeben etwaiger Rechtspositionen nach wirtschaftlicher Sicht mehr hingegeben hat, als er durch den Vergleich erhalten hat. Das bloße Ausbleiben der Vermögensmehrung, falls die Ansprüche schon vor Abschluss des Vergleichs wertlos oder nicht begründet waren, stellt keinen Vermögensschaden im Sinne des Betrugstatbestandes dar.

A war bereits bei Abschluss des Vergleichs nicht in der Lage, die ursprünglich klageweise erhobene Forderung des B zu begleichen. Durch den Abschluss des Vergleichs hat sich somit für B die Realisierbarkeit seiner Forderungen nicht weiter verschlechtert. Das Tatbestandsmerkmal des Vermögensschadens ist nicht gegeben, so dass sich A nicht wegen Betruges strafbar gemacht hat.

Zusammenfassung