Bearbeiter: Dr. Rainer Strauß

Der folgende Fall beschäftigt sich mit der Frage, welcher Absatz des § 250 StGB zur Anwendung kommt, wenn der Täter eine ungeladene Gaspistole bei einem Überfall benutzt, das geladene Magazin aber in seiner Jackentasche bei sich führt. Die Beantwortung dieser Frage ist von erheblicher praktischer Bedeutung, weil seit Inkrafttreten des 6. Strafrechtsreformgesetzes § 250 I StGB einen schweren Raub mit einer Freiheitsstrafe von nur mindestens drei Jahren bedroht, während § 250 II StGB eine Freiheitsstrafe von nicht unter fünf Jahren vorsieht.

BGH Urteil vom 20. November 1999 (1 StR 429/99) NJW 2000, 1050

Fall (Ungeladene Gaspistole)

A überfiel eine Agentur. Dabei richtete er eine ungeladene Gaspistole, bei der das Gas nach vorne austritt, in Magenhöhe und in einem Abstand von etwa 60 cm auf die B und verlangte das in der Kasse befindliche Geld. Ein mit sieben CS-Gaspatronen geladenes Magazin trug A in seiner Jackentasche bei sich. B widersetzte sich dem A und es kam zu einer körperlichen Auseinandersetzung, in deren Verlauf A die B mit der rechten Faust, in der er die Pistole hielt, derart heftig gegen die Brust stieß, dass B hingeschleudert wurde. A ergriff die Geldkassette und verließ die Agentur. B erlitt von dem Sturz Prellungen. Strafbarkeit des A ?

I. A könnte sich wegen eines schweren Raubes gemäß §§ 249, 250 StGB strafbar gemacht haben.

1. A hat mit Gewalt gegen eine Person eine fremde, bewegliche Sache weggenommen. Auch handelte er in der Absicht, sich die Geldkassette zuzueignen, und die von ihm erstrebte Zueignung war rechtswidrig. Der Tatbestand des Raubes ist somit gegeben.

2. Weiterhin müsste A den Qualifikationstatbestand des § 250 StGB verwirklicht haben.

a) Die schwersten Formen des schweren Raubes sind in § 250 II StGB geregelt.

aa) Es könnte § 250 II Nr. 1 StGB erfüllt sein. Dann müsste A eine Waffeverwendet haben. Der BGH hat entschieden, dass auch eine Gaspistole, die konstruktionsbedingt den Austritt der Ladung durch den Lauf nach vorne ermöglicht, grundsätzlich eine Waffe im Sinne des § 250 II Nr. 1 StGB ist. Allerdings muss eine Waffe im Sinne der Neufassung des § 250 StGB nach dem Willen des Gesetzgebers objektiv gefährlich und geeignet sein, erhebliche Verletzungen des Tatopfers zu verursachen. Sowohl bei der Waffe als auch bei einem anderen gefährlichen Werkzeug im Sinne des Tatbestandes muss es sich um Gegenstände handeln, die nach ihrer objektiven Beschaffenheit und nach der Art ihrer Benutzung im Einzelfall geeignet sind, erhebliche Körperverletzungen zuzufügen …

Auf der Grundlage dieses Maßstabs hat der BGH eine unter der Drohung zu schießen verwendete ungeladene Gaspistole nicht als Waffe gewertet (§ 250 I Nr. 1 lit. a, II Nr. 1), sondern lediglich als Werkzeug oder Mittel i.S. des § 250 I Nr. 1 lit. b StGB...

Der Senat hat bislang für den Fall einer ungeladenen Schusswaffe offen gelassen, wie zu entscheiden wäre, wenn die Munition für diese griffbereit ist und daher kurzfristig schussbereit hätte gemacht werden können.

Der Einsatz einer ungeladenen Gaspistole wie im vorliegenden Fall erfüllt nicht die Anforderungen, welche an die Merkmale des Verwendens einer Waffe i. S. des § 250 II StGB n. F. zu stellen sind. Das gilt auch unter Berücksichtigung des Umstandes, dass der Täter das mit Munition bestückte Magazin zu dieser Gaspistole in seiner Kleidung bei sich führte, deshalb deren Einsatzbereitschaft herstellen und ihre objektive Gefährlichkeit ohne weiteres herbeiführen konnte. Denn die objektive Beschaffenheit des Tatmittels „Gaspistole“, wie der Täter es gegenüber dem Tatopfer drohend gebrauchte, ist auch in diesem Fall eine ungefährliche. ... Denjenigen Teil, der gleichsam die Pistole zur Waffe als objektiv gefährliches Tatmittel hätte werden lassen können, das mit passender Munition bestückte Magazin, hat er lediglich in seiner Jackentasche „bei sich geführt“.

Daran ändert nichts, dass der Angekl. in wenigen Sekunden mit zwei oder drei schnellen Handgriffen die Pistole hätte laden können. Erst dann wäre ihre bestimmungsgemäßer Verwendung entsprechende Einsatzbereitschaft hergestellt gewesen; sie wäre zur objektiv gefährlichen Waffe geworden und als solche verwendet worden …

Ein schwerer Raub gemäß § 250 II Nr. 1 StGB scheidet daher aus.

bb) Es könnte ein schwerer Raub gemäß § 250 II Nr. 2 StGB gegeben sein. Dieser setzt voraus, dass der Täter eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug bei sich führt. Die ungeladene Gaspistole war keine Waffe, sie könnte jedoch ein gefährliches Werkzeug gewesen sein. Ein solches ist jeder Gegenstand, der in der konkreten Art seiner Verwendung geeignet ist, beim Opfer erhebliche Verletzungen hervorzurufen. Das ist beispielsweise der Fall, wenn der Täter einen festen Gegenstand als Schlagwaffe einsetzt. Der BGH verneint dies aber hier, da nicht mit der erforderlichen Sicherheit davon ausgegangen werden kann, der Angekl. habe die ungeladene Gaspistole als Schlagwaffe und damit als gefährliches Werkzeug i. S. des § 250 II Nr. 1 StGB verwendet. Festgestellt ist, dass er der Geschädigten im Rahmen der körperlichen Auseinandersetzung „mit der rechten Faust“, in der er die Pistole hielt, gegen die Brust stieß, so dass sie zu Boden ging. Damit ist ein bloßes, den Schlag mit der Faust nicht unterstützendes Festhalten der Pistole in der Schlaghand nicht ausgeschlossen. Deshalb kann nicht davon ausgegangen werden, der Angekl. habe bewusst gerade mit der Gaspistole zuschlagen wollen. Somit scheidet auch eine Strafbarkeit gemäß § 250 II Nr. 2 StGB aus.

b) Es könnte § 250 I StGB eingreifen.

aa) § 250 I Nr. 1 lit. a) StGB setzt voraus, dass der Täter eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug bei sich führt. Die ungeladene Gaspistole war keine Waffe und kein gefährliches Werkzeug, da sie weder objektiv gefährlich noch geeignet war, in ihrer konkreten Art der Verwendung erhebliche Verletzungen bei dem Opfer zu verursachen (siehe I. 1. a).

bb) Gemäß § 250 I Nr. 1 lit. b) StGB macht sich allerdings auch strafbar, wer ein Werkzeug oder Mittel bei sich führt, um den Widerstand einer anderen Person durch Gewalt oder Drohung zu brechen. § 250 I Nr. 1 lit. b) StGB ist als Auffangtatbestand zu verstehen. Auch Scheinwaffen werden unter § 250 I Nr. 1 lit. b) StGB subsumiert. Ausgenommen vom Tatbestand des § 250 I Nr. 1 lit. b) sind allerdings objektiv völlig ungefährliche Gegenstände, welche von vornherein nicht geeignet sind, auf den Körper des Opfers einzuwirken (z. B. ein Labello-Lippenstift, vgl. JurTel 1997 Heft 1 S. 7). Eine ungeladene Gaspistole, die auch als Schlagwaffe eingesetzt werden kann, ist kein völlig ungefährlicher Gegenstand und daher ein taugliches Mittel, um den Widerstand des Opfers mit Gewalt oder Drohung zu brechen. A hat sich somit wegen eines schweren Raubes gemäß § 250 I Nr. 1 lit. b) StGB strafbar gemacht.

II. Durch den Schlag mit der Faust hat A sich darüber hinaus wegen einer Körperverletzung gemäß § 223 I StGB strafbar gemacht. Der schwere Raub und die Körperverletzung konkurrieren idealiter, da nicht jede Gewalt i. S. des bei § 249 StGB notwendigerweise in einer Körperverletzung besteht.

Leitsatz des Bearbeiters:

1. Gaspistolen bei denen das Gas nach vorne ausdringt, sind Waffen i. S. des § 250 StGB

2. Wegen der hohen Strafandrohung des § 250 II StGB (mindestens fünf Jahre) verlangt dieser, dass die Waffe objektiv gefährlich ist. Das ist nicht der Fall, wenn die Waffe ungeladen ist. Der Umstand, dass der Täter die Munition während der Tat bei sich trägt, ändert daran nichts.

3. Die Bedrohung mit einer ungeladenen Waffe ist ein schwerer Raub gemäß § 250 I Nr. 1 b) StGB, da dieser Auffangtatbestand auch Scheinwaffen erfasst. Etwas anderes gilt nur, wenn die Scheinwaffe von vornherein völlig ungefährlich ist und unter keinen Umständen für das Opfer gefährdend eingesetzt werden kann.