Bearbeiter: Prof. Dr. Rainer Strauß

OLG Düsseldorf Beschluss vom 29.7.1999 (Ss 291/98 ) NJW 2000, 158

Fall (Präparierter 100 DM-Schein)

A präparierte einen 100 DM-Schein, indem er an der kürzeren Seite des Geldscheines drei parallel verlaufende Tesafilmstreifen mit einer Länge von je 15 cm beidseitig anbrachte und diese an ihren Enden verband. Den so präparierten Geldschein führte A in verschiedene Wechselautomaten ein. Nachdem der Geldschein jeweils die Lichtschranke überschritten, den Wechselvorgang und den Auswurf der Münzen ausgelöst hatte, zog A den Geldschein an den Enden der Tesafilmstreifen wieder heraus. Insgesamt erbeutete A auf diese Art und Weise 15.200 DM. Strafbarkeit des A?

I. A könnte sich wegen Computerbetruges gemäß § 263 a I 4. Fall (durch unbefugte Einwirkung auf den Ablauf) StGB strafbar gemacht haben.

§ 263 a I 4. Fall StGB setzt voraus, dass der Täter durch die Einwirkung auf den Ablauf des Datenflusses das Ergebnis eines Datenverarbeitungsvorganges beeinflusst hat. Hierfür muss der Täter in solcher Art und Weise auf den Computer Einfluss nehmen, dass er das Resultat der dort gespeicherten und im Arbeitsprogramm verwendeten Daten verändert. (Schönke/Schröder § 263 a Rnr. 21). Eine solche Veränderung hat A nicht vorgenommen. Der Geldwechselautomat hat nämlich genau seine eigentliche Funktion, das Wechseln eines 100 DM-Scheins in 5 DM-Stücke erfüllt. Gerade das ist Sinn und Zweck des Geldwechselautomaten bzw. des Computerprogramms, das den Arbeitsablauf dieses Automaten bestimmt. Allein durch ein mechanisches Hilfsmittel in Form der Tesafilmstreifen war es A möglich, den 100 DM-Schein zurückzuziehen ... Nur das manuelle Zurückziehen des präparierten Geldscheins hat ... A die Möglichkeit eröffnet, die Schutzvorrichtung in Form des gesicherten Automatengehäuses, in dem sich die 5 DM-Stücke befanden, zu überwinden.

A hat sich somit mangels Beeinflussung eines Datenverarbeitungsvorganges nicht wegen Computerbetruges gemäß § 263 a 4. Fall StGB strafbar gemacht.

II. A könnte sich wegen Erschleichens von Leistungen gemäß § 265 a I 1. Fall StGB strafbar gemacht haben.

Dann müsste der Geldwechselautomat ein Automat im Sinne des § 265 a I 1. Fall StGB sein. Unter diese Vorschrift fallen nur Leistungsautomaten, nicht Warenautomaten. Leistungsautomaten sind nur solche, die nicht in der Hergabe von Sachen bestehende Leistungen erbringen (wie z.B. Spiel-, Musik-, Fernsprech- und Gewichtsautomaten). Der Geldwechselautomat erbringt eine körperliche Leistung und ist deshalb als Warenautomat zu behandeln. Eine Strafbarkeit des A gemäß § 265 a I 1. Fall StGB wegen Erschleichens von Leistungen entfällt somit.

III. A könnte sich wegen eines Diebstahls in einem besonders schweren Fall gemäß §§ 242 I, 243 I Nr. 2 StGB strafbar gemacht haben.

1. Dann müssten die 5-DM-Stücke für A fremd sein. Ursprünglich standen diese im Eigentum des Betreibers des Geldwechselautomaten. Dieser könnte das Eigentum an den 5-DM-Stücken gemäß § 929 S. 1 BGB auf A übertragen haben. Dies setzt eine Einigung zwischen dem Betreiber des Geldwechselautomaten und A über den Eigentumsübergang voraus. Der Betreiber eines Geldwechselautomaten, in dessen Eigentum und Gewahrsam die befindlichen Geldstücke stehen, ist mit deren Übereignung und Übergabe an den Entnehmer nur einverstanden, wenn dieser den Automaten ordnungsgemäß betätigt... Dazu gehört selbstverständlich, dass der einzuwechselnde Geldschein nach Einführung in den Automaten auf Dauer in ihm verbleibt und der Benutzer ihn nicht wiedererlangt, nachdem er den Auszahlungsmechanismuns in Gang gesetzt hat und der Gegenwert in Münzen an ihn ausgezahlt worden ist. Eine Eigentumsübertragung gemäß § 929 S. 1 BGB an A scheidet somit wegen desssen nicht ordnungsgemäßer Betätigung des Geldwechselautomaten aus. Die 5-DM-Stücke waren für A fremde beweglichen Sachen.

2. A müsste diese weggenommen haben. Wegnahme ist der Bruch fremden und die Begründung neuen Gewahrsams gegen den Willen des ursprünglichen Gewahrsamsinhabers. Ursprünglich standen die 5-DM-Stücke in dem Gewahrsam des Automatenbetreibers. Der Automatenbetreiber hat weder Grund noch Anlass, den Gewahrsam an den 5-DM-Stücken an jemanden zu übertragen, der den Wechselautomaten nicht ordnungsgemäß bedient, so dass eine Übertragung des Gewahrsams an dem 5-DM-Stücken auf A zu verneinen ist. Indem A die Geldstücke an sich genommen hat, hat er sodann den Gewahrsam des Betreibers gebrochen und an den diesem nach wie vor gehörenden Münzen eigenen Gewahrsam begründet ... Eine Wegnahme der 5-DM-Stücke ist daher gegeben.

3. A handelte vorsätzlich und mit der für § 242 I StGB erforderlichen Zueignungsabsicht. Die von A erstrebte Zueignung war rechtswidrig, da er keinen Anspruch auf die 5-DM-Stücke hatte. Objektiver und subjektiver Tatbestand des § 242 I StGB sind somit erfüllt.

4. Weiterhin müsste A das Regelbeispiel des § 243 I Nr. 2 StGB erfüllt haben. Das setzt voraus, dass er eine Sache gestohlen hat, die durch eine Schutzvorrichtung besonders gegen Wegnahme gesichert ist. Das OLG Düsseldorf sieht dieses Regelbeispiel als nicht erfüllt an: Allein der Umstand, dass sich die Geldstücke in einem geschlossenen Behältnis befanden, reicht hierfür nicht aus. Zwar dient die Ummantelung des Geräts neben der Aufnahme des Wechselmechnismus auch dem Schutz des Geldes, jedoch vor Wegnahme ohne Betätigung des Automaten. Diese durch das Behältnis bestehende Sicherung hat der Angekl. nicht überwunden. Vielmehr hat er den Wechselvorgang in Lauf gesetzt und die Münzen an sich genommen, nachdem das Gerät sie durch die dafür vorgesehene Öffnung ausgeworfen hatte. Nur wenn der Angekl. bei der Wegnahme der Geldstücke eine besondere Schutzvorrichtung gegen das Ansichbringen der Münzen ohne Betätigung des Geräts überwunden hätte, wären die Voraussetzungen des § 243I Nr. 2 StGB erfüllt.

Das OLG Düsseldorf bejaht dennoch einen Diebstahl im besonders schweren Fall, da die Aufzählungen der Nrn. 1. bis 7 des § 243 I StGB nicht abschließend seien und die Art und Schwere des Falles die Annahme eines besonders schweren Falles rechtfertigten würde: Das kommt unter anderem in Betracht, wenn Taten eine besondere kriminelle Energie offenbaren, ferner aber auch, wenn der Täter besonders listig vorgegangen ist und gerade dadurch eine erhebliche Beute gemacht hat... Der festgestellte Einsatz des präparierten Geldscheins als Tatwerkzeug lässt ein außerordentlich hohes Maß an List bei der Ausführung der Diebstähle erkennen. Deshalb und unter weiterer Berücksichtigung der jeweils erzielten Beute, die sich insgesamt auf immerhin 15.200 DM beläuft, heben sich die Vorfälle vom Normfall des einfachen Diebstahls deutlich ab und rechtfertigen die Annahme - unbenannter - besonders schwerer Fälle. A hat sich somit wegen eines Diebstahls in einem besonders schweren Fall gemäß §§ 242 I, 243 I StGB strafbar gemacht.

Leitsätze des Bearbeiters:

1. Das Auslösen des Geldwechselvorganges eines Geldwechselautomaten mit einem präparierten Geldschein, der wieder aus dem Automaten herausgezogen wird, ist mangels Beeinflussung eines Datenverarbeitungsvorgangs kein Computerbetrug gemäß § 263a I 4. Fall StGB, sondern ein Diebstahl gemäß § 242 I StGB.

2. § 265 a I 1. Fall StGB schützt keine Waren-, sondern nur Leistungsautomaten.