Bearbeiter: Prof. Dr. Rainer Strauß
Der folgende Fall befasst sich mit der Frage, ob und wann in der Vorlage einer Kopie eine Urkundenfälschung zu sehen ist.
> Urkundenfälschung, § 267 StGB
OLG Düsseldorf Beschluss vom 14. 9. 2000 (2b Ss 222/00) NJW 2001, 167
Fall (Einkommensnachweis bloß in Kopie)
A bewarb sich im Februar 1998 um eine Mietwohnung in Neuss, welche 1000 DM monatlich kosten sollte. A hatte ein Nettoeinkommen von 2000 DM und konnte hiermit den vom Vermieter V gewünschten Einkommensnachweis nicht führen. A konstruierte deshalb aus ihm verbliebenen Blankoformularen und alten Schriftstücken seines Steuerberaters einen Einkommensnachweis, der ein höheres Nettoeinkommen auswies. Hierzu schnitt er die alten Schriftstücke auseinander, legte sie auf einen Fotokopierer und fotokopierte sie. Die so entstandene Fotokopie sah aus wie die Fotokopie eines originalen Einkommensnachweises. A legte diese V als Einkommensnachweis vor. Zum Abschluss des Mietvertrages kam es jedoch dennoch nicht, da V sich erkundigte und von dem Steuerberater des A erfuhr, dass dieser A schon lange nicht mehr betreut. Strafbarkeit des A ?
I. A könnte sich wegen einer Urkundenfälschung gemäß § 267 I StGB strafbar gemacht haben.
Dann müsste A eine unechte Urkunde hergestellt haben. Eine Urkunde ist definiert als verkörperte Gedankenerklärung, die geeignet und bestimmt ist, eine außerhalb ihr liegende Tatsache zu beweisen und ihren Aussteller erkennen lässt.
1. Eine Fotokopie enthält ... lediglich die bildliche Wiedergabe der in einem anderen Schriftstück verkörperten Erklärung. Bei der von A hergestellten Fotokopie fehlt es bereits an einer eigenen verkörperten Gedankenerklärung. Darüber hinaus weist eine Kopie ihren Aussteller nicht aus. Ihr kann daher auch die – einer Urkunde grundsätzlich eigene – Garantiefunktion für die Richtigkeit des Inhalts nicht schlechthin zuerkannt werden (BGH NJW 1972, 1812; Beckemper JuS 2000, 123).
2. Ausnahmsweise wird eine Kopie jedoch als Urkunde angesehen, wenn sie als Original erscheinen soll (BayObLG NJW 1989, 2553). Das V vorgelegte Schreiben sah jedoch aus wie eine Kopie des originalen Einkommensnachweises. Die Kopie sollte daher nicht als Original erscheinen und ist deshalb nicht als Urkunde anzusehen.
Eine Strafbarkeit wegen vollendeter Urkundenfälschung scheidet somit aus.
II. A könnte sich wegen einer untauglichen versuchten Urkundenfälschung gemäß §§ 267 II, 22 StGB strafbar gemacht haben.
Beim – strafbaren – sog. untauglichen Versuch befindet der Täter sich in einem „umgekehrten Tatbestandsirrtum“. Er stellt sich einen nicht vorhandenen Umstand, an dessen Fehlen die Vorstellung des vorgestellten Tatbestandes zwangsläufig scheitern muss, als gegeben vor. Für die Strafbarkeit kommt es allein auf die subjektive Vorstellung des Täters an (BGHSt 42, 268 (272]). … Hier scheiterte die vollendete Urkundenfälschung zwangsläufig daran, dass die Collage, die der Angekl. dem Vermieter als Einkommensnachweis vorlegte, keine echte Urkunde und ihre Vorlage kein Gebrauchmachen i. S. des § 267 StGB war. Demnach hätte A nur eine versuchte Urkundenfälschung in der Form des untauglichen Versuchs begangen, wenn er geglaubt oder für möglich gehalten und billigend in Kauf genommen hätte, dass es sich bei dem „Produkt“ seiner Manipulation um eine Urkunde im Rechtssinne handelte.
Ob A es irrtümlich für möglich hielt, durch seine Manipulationen eine echte Urkunde im Rechtssinne herzustellen, lässt sich nicht feststellen. Es ist daher nicht auszuschließen, dass A richtigerweise nur ein Original für eine Urkunde gehalten und – vergeblich – gehofft hat, der Vermieter werde sich mit einer Fotokopie begnügen.
A hat sich somit nicht wegen einer untauglichen versuchten Urkundenfälschung gemäß §§ 267 II, 22 StGB strafbar gemacht.
III. A könnte sich wegen versuchten Betruges gegenüber und zu Lasten des V strafbar gemacht haben. Dann müsste er Tatentschluss zu einen Betrug gehabt haben.
1. A wollte V über die Höhe seines Nettoeinkommens täuschen und hierdurch einen entsprechenden Irrtum bei V hervorrufen. V sollte infolge des Irrtums zur Vermietung der Wohnung veranlasst werden.
2. Fraglich ist, ob er hierdurch V einen Vermögensschaden zufügen wollte. Bei einem Nettoeinkommen von 2000 DM hätten dem Angekl. nach Abzug von 1000 DM „Bruttomiete“ (d.h. einschließlich Nebenkosten) monatlich 1000 DM für den laufenden Bedarf zur Verfügung gestanden ... Deshalb ist es jedenfalls nicht rechtsfehlerhaft, dass das LG nicht zu der Überzeugung gelangt ist, der erstrebte Abschluss eines Mietvertrages hätte das Vermögen des Vermieters gefährdet. Daher kann davon ausgegangen werden, dass A dem V keinen Vermögensschaden in Form einer Vermögensgefährdung zufügen wollte. A hat sich somit nicht wegen versuchten Betruges strafbar gemacht.
A ist straflos.
Zusammenfassung