Bearbeiter: RA Dr. Rainer Strauß
► Versuchte Erfolgsqualifizierung beim Raub mit Todesfolge, §§ 251, 22 StGB
BGH Beschluss vom 29. 3. 2001 (3 StR 46/01) NJW 2001, 2187
Fall (Gemeinschaftlicher Raub mit Folgen)
A und B wollten den stark betrunkenen C zu einem Geldautomaten schleppen, um dort mit der Scheckkarte des C Geld abzuheben. Als C sich widersetzte, schlug A ihm mit einem schweren Ast zweimal wuchtig auf den Kopf. C erlitt Knochenbrüche und Kopfverletzungen. Als C am Boden lag, zog B ihm die Geldbörse aus der Gesäßtasche. Sodann schlug A nochmals heftig mit dem Ast auf den Kopf des C ein, wobei er den Tod des C billigend in Kauf nahm. Nach Aufforderung des B hörte A mit der Misshandlung des C auf und ließ von ihm ab. A ließ den schwerverletzten C in dem Bewusstsein, dass er sterben könne, zurück. Alsbald erzählten A und B Freunden von dem Geschehen. Als diese vorschlugen, einen Krankenwagen zu rufen, widersetzte sich A dem Vorschlag aus Furcht vor Entdeckung, so dass C zunächst keine Hilfe erhielt. Gleichwohl überlebte C, hatte aber schwerste Verletzungen und eine dauernde Hirnschädigung erlitten. Strafbarkeit von A und B ?
I. A und B könnten sich wegen gemeinschaftlichen schweren Raubes gemäß §§ 249 I, 250 II Nr. 1 und Nr. 3 a), 25 II StGB strafbar gemacht haben.
1. Objektiver Tatbestand
Durch die ersten beiden Schläge mit dem Ast auf den Kopf des C hat A Personengewalt gegen C angewendet, deren Wirkung B zur Wegnahme der Geldbörse ausnutzte, so dass sie gemeinschaftlich den objektiven Tatbestand des Raubes gemäß § 249 I StGB erfüllt haben. Die Schläge mit dem Ast auf den Kopf des C erfüllen sowohl den Qualifikationstatbestand des § 250 II Nr. 1 StGB - Verwendung eines gefährlichen Werkzeugs - als auch den des § 250 II Nr. 3 a) StGB – schwere körperliche Misshandlung - .
2. Subjektiver Tatbestand
A und B handelten vorsätzlich bezüglich der gemeinschaftlichen Verwirklichung des objektiven Tatbestandes. Darüber hinaus handelten sie in der Absicht, sich die Geldbörse und Scheckkarte des C zuzueignen. Die von ihnen erstrebte Zueignung war rechtswidrig, da sie keinen Anspruch auf Übereignung der Gegenstände hatten.
3. A und B handelten rechtswidrig und schuldhaft und haben sich wegen eines gemeinschaftlichen schweren Raubes gemäß §§ 249 I, 250 II Nr. 1 und Nr. 3 a) StGB strafbar gemacht.
II. A könnte sich weiterhin wegen eines versuchten Totschlags gemäß §§ 212 I, 22 StGB strafbar gemacht haben.
1. Dann müsste er Tatentschluss zur Tötung des C gehabt haben. A schlug ein zweites Mal heftig auf den Kopf des am Boden liegenden C ein und nahm dabei dessen Tod billigend in Kauf. A hatte daher Tatenschluss zur Tötung des C.
2. Mit den Schlägen auf den Kopf des C hat A unmittelbar zur Tatbestandsverwirklichung im Sinne des § 22 StGB angesetzt.
3. Er könnte allerdings gemäß § 24 I StGB mit strafbefreiender Wirkung von dem Totschlagsversuch zurückgetreten sein.
a) Die Rücktrittsvoraussetzungen richten sich nach § 24 I 1 2. Fall StGB, wenn ein beendeter Versuch vorliegt. Das ist der Fall, wenn der Täter zum Zeitpunkt der letzten Ausführungshandlung glaubt, alles getan zu haben, was zur Herbeiführung des Erfolges notwendig ist. A verließ C in dem Bewusstsein, dass dieser sterben könnte. Er hatte daher die Vorstellung, alles getan zu haben, was zur Herbeiführung des Totschlagserfolges notwendig war. Somit lag ein beendeter Versuch vor.
b) Folglich richten sich die Rücktrittsvoraussetzungen nach § 24 I 1 2. Fall StGB. Hiernach muss der Täter die Vollendung der Tat verhindert haben. Das setzt voraus, dass er selbstständig eine Kausalkette in Gang setzt, die für die Nichtvollendung der Tat mitursächlich ist. A hat keine derartige Kausalkette in Gang gesetzt und ist deshalb nicht gemäß § 24 I 1 2. Fall StGB zurückgetreten.
A hat sich somit wegen eines versuchten Totschlags gemäß §§ 212 I, 22 StGB strafbar gemacht.
III. Darüber hinaus hat A durch die Schläge mit dem Ast auf den Kopf des C eine gefährliche Körperverletzung gemäß §§ 223, 224 I Nr. 2 und Nr. 5 StGB begangen.
IV. A könnte ferner wegen eines versuchtenschweren Raubesmit Todesfolge gemäß §§ 251, 22 StGB strafbar sein.
1. Strafbarkeit des Versuchs
§ 251 StGB verlangt als zusätzlichen Erfolg den Tod eines Menschen. Bei einem derartigen erfolgsqualifizierten Delikt sind zwei Varianten des Versuchs möglich:
Der BGH stellt fest, dass beide Konstellationen strafbar sind: § 251 StGB ist ein erfolgsqualifiziertes Delikt, dessen Versuch nicht nur in der Form begangen werden kann, dass der Täter durch eine in finaler Verknüpfung mit der Wegnahme stehende räuberische Nötigungshandlung den Tod des Opfers verursacht, es aber nicht zur Vollendung der Wegnahme kommt – so genannter erfolgsqualifizierter Versuch - , sondern auch dadurch, dass der Einsatz der i.S. des § 249 I StGB tatbestandsmäßigen Gewalt zugleich (bedingt) vorsätzlich vorgenommene Tötungshandlung ist, die aber den qualifizierenden Erfolg nicht bewirkt – sogenannte versuchte Erfolgsqualifizierung. Im vorliegenden Fall handelt es sich somit um den Versuch der Erfolgsqualifizierung.
2. Tatentschluss
Wie sich aus § 11 II StGB ergibt, gelten bei Erfolgsqualifikationen grundsätzlich die Voraussetzungen für Vorsatzdelikte. § 251 StGB setzt „wenigstens leichtfertiges Handeln“ voraus und gelangt deshalb auch und erst Recht zur Anwendung, wenn der Täter bedingt vorsätzlich handelt. A nahm den Tod des C billigend in Kauf, als er unmittelbar nach der tatbestandlichen Vollendung des schweren Raubes C mit dem Ast erneut auf den Kopf schlug. Er hatte deshalb Tatentschluss zu einem schweren Raub mit (versuchter) Todesfolge. Unbeachtlich ist, dass die mit bedingtem Tötungsvorsatz ... ausgeführten Schläge teilweise ... erst nach der Vollendung der Wegnahmehandlung erfolgt sind, denn der Tatbestand des § 251 StGB kann auch verwirklicht sein, wenn der Räuber Gewalt gegen eine Person nach Vollendung des noch nicht beendeten Raubs anwendet.
3. Dadurch, dass A das Grunddelikt mit bedingtem Tötungsvorsatz verwirklicht hat, hat er unmittelbar zur Tatbestandsverwirklichung im Sinne des § 22 StGB angesetzt.
4. A hat rechtswidrig und schuldhaft gehandelt und sich somit wegen eines versuchten schweren Raubes mit Todesfolge gemäß §§ 251, 22 StGB strafbar gemacht.
A ist insgesamt wegen eines mit B gemeinschaftlich begangenen schweren Raubes in Tateinheit mit einer schweren Körperverletzung, eines versuchten Totschlages und eines versuchten schweren Raubes mit Todesfolge zu bestrafen. Das LG hatte A wegen dieser Delikte zu vier Jahren Jugendstrafe verurteilt. Der BGH wies die hiergegen eingelegte Revision zurück.
Zusammenfassung