Bearbeiter: Prof. Dr. Rainer Strauß

Betrug in einem besonders schweren Fall, § 263 III Nr. 2 StGB

OLG Jena Urteil vom 3. 5. 2002 (1 Ss 80/02), NJW 2002, 2404

Fall (Kreditvermittlung im Internet)

A stellte im März 1999 über den Provider AOL seine Adresse unter Anbietung seiner Dienste als „Kreditvermittler ohne Schufa-Auskunft oder Bonitätsprüfung“ ins Internet. Er hatte aber gar nicht die Absicht, Kredite zu vermitteln. Sein Ziel war vielmehr, ohne Kreditvermittlung von den „Kreditnehmern“ eine Bearbeitungsgebühr in Höhe von 380 DM zu kassieren. Eine konkrete Vorstellung, auf welche Resonanz sein Angebot im Internet stoßen würde, hatte A nicht. Während des Monats März 1999 meldeten sich insgesamt fünf Personen auf die Internetanzeige des A und zahlten an A eine Bearbeitungsgebühr in Höhe von 380 DM. A ließ nach einem Monat ohne irgendeine Kreditvermittlung seine Anzeige im Internet löschen. Strafbarkeit des A ?

A könnte sich wegen Betruges in einem besonders schweren Fall gemäß § 263 III Nr. 2 StGB strafbar gemacht haben.

1. Durch das Vorspiegeln, einen Kredit ohne Schufa-Auskunft oder Bonitätsprüfung vermitteln zu wollen und zu können, hat A fünf Personen über Tatsachen getäuscht.

2. Durch die Täuschungshandlung hat er einen entsprechenden Irrtum bei den fünf Personen hervorgerufen.

3. Indem diese jeweils eine Bearbeitungsgebühr in Höhe von 380 DM an A bezahlt haben, haben sie irrtumsbedingt über ihr Vermögen verfügt.

4. Hierdurch ist ihnen ein Vermögensschaden in Höhe von jeweils 380 DM entstanden, da ihnen trotz Zahlung der Bearbeitungsgebühr kein Kredit vermittelt wurde.

5. A hatte Vorsatz bezüglich der Verwirklichung der objektiven Tatbestandsmerkmale und handelte in der Absicht der stoffgleichen Eigenbereicherung.

6. Weiterhin müsste er den besonders schweren Fall des § 263 III Nr. 2 StGB verwirklicht haben. Dieser setzt die Absicht voraus, eine große Zahl von Menschen in die Gefahr des Verlustes von Vermögenswerten zu bringen.

Was eine „große Zahl“ im Sinne dieser Vorschrift ist, ist streitig, Der BGH hat zu der vergleichbaren Formulierung in § 306 b I StGB entschieden, dass 14 Menschen ausreichend sind (vgl. Joecks, Studienkommentar, § 263 Rnr. 109 m.w.N.). Ein Teil der Lehre definiert im Fall des Betruges die große Zahl von Menschen als eine Anzahl von mindestens 20 Personen (Schönke/Schröder/Cramer § 263 Rnr. 188 d). Andere lassen 10 Personen ausreichen (Tiedemann in: LK-StGB § 263 Rnr. 299).

Das OLG Jena stellt demgegenüber folgende Überlegungen an: Von einer großen Anzahl von Menschen im Sinne der genannten Vorschrift ... ist jedenfalls stets dann zu sprechen, wenn der Täter Breitenwirkung erzielen will, das heißt durch das zur Tatbegehung verwendete Medium eine unbestimmte Menge ansprechen und motivieren will. Postwurfsendungen, Zeitungsanzeigen, Zeitschriftenbeilagen und auch Internetanzeigen sind gerade darauf gerichtet, eine solche Menge anzusprechen ... In subjektiver Hinsicht verlangt das Gesetz nur, dass durch die einmalige Tatbegehung die Absicht verwirklicht wird, durch wiederholtes (fortgesetztes) betrügerisches Vorgehen diese unbestimmte Menge von Menschen in die Gefahr des Verlustes von Vermögenswerten zu bringen. Dabei genügt, dass der Täter Breitenwirkung erzielen will, also durch die Wahl des Mediums zu erkennen gibt, dass er eine unbestimmte Vielzahl von Menschen ansprechen und dann, soweit sie Interesse durch Eingehen auf die Werbung gezeigt haben, täuschen will. Dann liegt die vom Gesetz in subjektiver Hinsicht geforderte Absicht vor. Eine Vorstellung über eine bestimmte Mindestanzahl wird nicht verlangt.

Danach hat A sich eines Betruges in einem besonders schweren Fall gemäß § 263 III Nr. 2 StGB strafbar gemacht.

Zusammenfassung